BGH: Sampling von Musikstücken

Details zum Urteil

  • Bundesgerichtshof
  • Urteil
  • vom 20.11.2008
  • Aktenzeichen I ZR 112/06
  • Sonstiges: "Metall auf Metall"
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz
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Das Urteil

Aus der Pressemitteilung des BGHn (Nr. 214/2008):

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Stück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern eingespielt hat. Dabei haben die Beklagten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Die Kläger meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.

Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat zwar - so der BGH - im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagten in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger eingegriffen haben. Die Bestimmung des § 85 Abs. 1 UrhG schützt die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre. Ein Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers ist deshalb bereits dann gegeben, wenn einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden. Das Berufungsgericht hat es jedoch - so der BGH weiter - versäumt zu prüfen, ob die Beklagten sich auf das Recht zur freien Benutzung berufen können. Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Danach kann auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tonfolge einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist. Eine freie Benutzung ist allerdings in zwei Fällen von vornherein ausgeschlossen: Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, befähigt und befugt, diese selbst einzuspielen, gibt es für eine Übernahme der unternehmerischen Leistung des Tonträgerherstellers keine Rechtfertigung. Eine freie Benutzung kommt ferner nicht in Betracht, wenn es sich bei der erkennbar dem benutzten Tonträger entnommenen und dem neuen Werk zugrunde gelegten Tonfolge um eine Melodie handelt (§ 24 Abs. 2 UrhG). Das Berufungsgericht wird nun zu prüfen haben, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger auf das Recht zur freien Benutzung berufen können.

Kommentar von

Die ersten Pressereaktionen zu diesem Urteil lauteten von "Sampling grundsätzlich zulässig" bis zu "Sampling verstößt gegen das Urheberrecht" und sorgten damit für Verwirrung.

Der BGH hat zwar einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers nach § 85 UrhG bejaht, aber die Entscheidung des OLG Hamburg dennoch aufgehoben, weil das Berufungsgericht es versäumt hat zu prüfen, ob das Sampling vom Recht auf freie Benutzung eines anderen Werkes (§ 24 UrhG) gedeckt ist.

Nach § 24 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung eines anderen Werkes geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden.

Der BGH erkennt damit an, dass das Sampling als kreativer Prozess u.U. auch gegen den Willen des Tonträgerherstellers des gesampelten Werks zulässig sein kann. Nach Ansicht des BGH gilt das wegen § 24 Abs. 2 UrhG aber nicht für Melodien und, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, das Werk, anstelle es zu sampeln, nachzuspielen.

Das dürfte allerdings weitere Fragen und Unklarheiten aufwerfen. Denn derjenige, der das Sampling als kreativen Prozess betrachtet, wird im Zweifel immer der Ansicht sein, dass durch ein Nachspielen einer bestimmten Sequenz nicht derselbe künstlerische Effekt erzielt werden kann, wie beim Sampling.

Fest steht mit der Entscheidung des BGH allerdings, dass das Sampling nicht per se gegen das Urheberrecht verstößt, wenngleich es auch nicht beliebig zulässig ist.

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