DENIC/Ambiente.de

Details zum Urteil

  • Landgericht Frankfurt
  • vom 14.10.1998
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht

Leitsatz der Kanzlei

1. Die denic ist ein marktbeherrschendes Unternehmen i.S.v. § 22 I Nr. 1 GWB.

2. Verweigert die Denic die Registrierung einer tatsächlich nicht genutzten Domain zugunsten eines nutzungswilligen und nutzungsberechtigten Interessenten unter Aufhebung der Registrierung des bisherigen Inhabers, so verstößt dies, zumindest dann, wenn offensichtlich ist, daß der bisherige Inhaber die konnektierte Domain nicht mehr nutzt, gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot.

LG Frankfurt a. Main ., Urt. v. 14.10.1998 (Az.: 2/06 0 283/98)

Der Tatbestand

Die Kl. veranstaltet unter anderen die Frankfurter Messe ,,Ambiente", eine Messe für Tischkultur; Küche, Wohn- und Licbtkonzepte sowie Geschenkideen. Es handelt sich um eine international ausgerichtete Messe. Die Kl. ist Inhaberin der am 26.10.1994 eingetragenen Marke ,,Messe Frankfurt Ambiente". Die Bekl. ist zuständig für die Vergabe von Domain-Namen unter der Top-Level-Domain ,,.de". Für die Registrierung von Domain-Namen erließ die Bekl. Vergaberichtlinien. Während es früher möglich war, Domain-Namen bei der Bekl. reservieren zu lassen, setzt die Vergabe eines Domain-Namens nun ihre Konnektierung voraus. Das bedeutet, der Anmelder einer Domain für einen vollständigen Internet-Zugang muß zwei Name-server angeben, bei denen die Domain eingetragen ist.

Als die Kl. die Domain ,,Ambiente.de" für sich registrieren lassen wollte, stellte sie fest, daß diese Domain bereits für Herrn B konnektiert war. Die Kl. setzte sich telefonisch mit diesem in Verbindung und verlangt die Freigabe der Domain. Daraufhin gab Herr B eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, mit der er sich verpflichtete, ,,jede Handlung zu unterlassen, die dazu führen könnte, daß diese Domain im Internet genutzt wird". Eine Freigabeerklärung gab er jedoch nicht ab. Er bezeichnete es als sein ,,ernsthaftes Ziel, die fragliche Domain dauerhaft dem Internet zu entziehen" und beendete sein Schreiben mit dem Satz:

,,Wenn ich die Domain nicht nutzen kann, ohne daß sie mich mit einem Rechtsstreit überziehen, dann soll sie niemand nutzen können!" Die Kl. antwortete daraufhin mit Schreiben vom 13.10.1997, daß diese Unterlassungserklärung zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht ausreichend sei. Deshalb wandte sie sich mit Schreiben vom 12.11.1997 an die Bekl. und bat sie, die Domainüberlassung zu kündigen und sie, die Kl., einzutragen.

Die Bekl. antwortete mit Schreiben vom 18.11.1997, seit die Domain im DE-Server als konnektiert geführt und im DE-Domain-Name-Server eingetragen sei, sei sie nach ihren Vergabebestimmungen in Nutzung und nicht nur reserviert. Daher existiere zur Zeit zugunsten der Kl. in der DE-NIC-Datenbank lediglich ein sogenannter Wait-Eintrag, wonach die Kl. in die Position von Herrn B nachrückt, falls dieser die Domain ambiente.de frei gibt. Die Bekl. hat bis Februar 1997 auch Reservierungen von Domains vorgenommen. Seither bietet sie diese Möglichkeit nicht mehr an, um dem "Domain-Grabbing" vorzubeugen. Die Übergangsfrist, in der bestehenden Reservierungen fortgalten, ist abgelaufen. (...)

Die Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

Rechtsschutzbedürfnis bedeutet ein berechtigtes Interesse des Kl. daran, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu nehmen. Die Kl. hat eine Leistungsklage erhoben. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt bei Leistungsklagen ausnahmsweise, wenn der Kl. kein Urteil braucht, weil er das gleiche Ziel auf wesentlich einfacherem Wege erreichen(...). Die Alternative, anstelle der Bekl. Herrn B in Anspruch zu nehmen stellt keinen wesentlich einfacheren Weg zur Freigabe der Domain dar, weil dies ebenfalls die Durchführung eines Klageverfahrens bedeuten würde. (...)

Die Klage ist mit dem Hauptantrag auch begründet. Die Bekl. ist Normadressatin des § 26 II GWB, denn sie ist ein marktbeherrschendes Unternehmen i. S. von § 22 I Nr.1 GWB. Der relevante Markt ist in förmlicher Hinsicht auf das Bundesgebiet zu begrenzen (Langen/Bunte/Ruppelt, KartelIR, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 25, unter Verw. auf BGHZ 131, 107 = NJW 1996, 595 = NJWE-WettbR 1996, 94 L = WuWIE BGH 3026- Backofenmarkt). Ein größerer räumlicher Markt kann nicht zugrunde gelegt werden, weil der Geltungsbereich des Gesetzes einschließlich der Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnisse entsprechend beschränkt ist (Langen/Bunte/Ruppelt, § 22 Rdnr. 25 a).

In sachlicher Hinsicht ist der Markt auf das Angebot der Top-Level-Domain ,,.de" begrenzt. Denn der sachlich relevante Markt ist aus der Sicht des Abnehmers im Hinblick auf die funktionelle Austauschbarkeit des Angebotes einzugrenzen. Für einen deutschen Nachfrager eines, Domain-Namen ist die TLD ,,.de" nicht funktionell austauschbar mit anderen TLD, wie z. B. ,,.com". Denn die TLD ,,.de" verleiht einer Domain einen gewissen offiziellen Charakter und macht nicht sofort auf das kommerzielle Interesse aufmerksam, wie etwa der Zusatz ,,.com". Da die Bekl. die einzige ist, die die TLD ,,.de" vergibt, ist sie ein marktbeherrschendes Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne.

Die Bekl. behindert die Kl. in unbilliger Weise, indem sie es ablehnt, die Registrierung des B als Domaininhaber des Namens ,,Ambiente" aufzuheben und die Kl. als Inhaberin dieses Namens zu registrieren. Unter einer Behinderung i. S. des § 26 II GWB ist jedes Verhalten zu verstehen, das die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinflußt (Langen/Bunte/Schultz, § 26 Rdnr. 145). Dadurch, daß die Bekl. die Kl. nicht mit der Domain ,,ambiente .de" registriert, behindert sie deren wirtschaftliche Auswertung des Namens der relativ bekannten Frühjahrsmesse ,,Ambiente". Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, daß diese Behinderung auch unbillig i. S. des § 26 II GWB ist. Die Kl. hat ein erhebliches Interesse daran, unter der Second-Level-Domain ,,ambiente" registriert zu werden. Denn dies ist der ,,einprägsame" Name der von ihr veranstalteten Messe. Ausweichmöglichkeiten wie ,,Messe Frankfurt Ambiente" oder ,,Ambiente Messe Frankfurt" oder ähnliches sind weit weniger einprägsam.

Demgegenüber stehen der Bekl. keine erheblichen, rechtlich billigenswerten Interessen zur Seite, die Registrierung des B zugunsten der Kl. aufzuheben. Zwar ist die zugunsten von Herrn B registrierte Domain ,,Ambiente.de" nach der Diktion der Bekl. in Nutzung, weil diese Domain entsprechend ihren Vergabebestimmungen konnektiert ist. Tatsächlich nutzt Herr B die Domain jedoch nicht, weder im World Wide Web noch auf andere Weise. Die Absicht, dies nicht zu tun, hat er gegenüber der Kl. mit seiner Unterwerfungserklärung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Er hat den ernsthaften Willen bekundet, es zu unterlassen, die Domain jemals zu nutzen. Seine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezieht sich nicht nur auf das World Wide Web, sondern auf jegliche Nutzungsform. Keine Rolle spielt es für den von Herrn B kundgegebenen Unterlassungswillen, daß die Kl. das Vertragsstrafeangebot nicht angenommen hat. Jedenfalls ist mit der Unterwerfungserklärung auch für die Bekl. eindeutig dokumentiert, daß die Domain nicht tatsächlich genutzt werden soll. Das bedeutet, daß die Bekl. in der hier vorliegenden, speziellen Fallgestaltung ausnahmsweise nicht davon ausgehen darf, daß die Konnektierung einer Nutzung gleichzusetzen ist. Die Konnektierung ist vielmehr aufgrund des von Herrn B geäußerten Unterlassungswillens, verbunden mit der ebenfalls schriftlich bekundeten Absicht, die Domain dauerhaften dem Internet, insbesondere der Kl., zu entziehen, dem auch von der Bekl mißbilligten sogenannten ,,Domain-Grabbing" gleichzusetzen.

Aufgrund der von Herrn B eindeutig erklärten Absichten kann die Bekl. sich nicht darauf berufen, ihr sei die Auferlegung ihrer Kontrollpflichten nicht zumutbar. Sie ist vielmehr gegenüber Herrn B berechtigt und gegenüber der Kl. verpflichtet, diesen Zustand unbilliger Behinderung zu beenden und die Kl. anstelle von Herrn B als Domain-Inhaberin zu registrieren.

Da die Bekl. in Kenntnis aller tatsächlichen Umstände handelte und das Risiko einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung zu tragen hat (WuW/E 2/341 [2344 f.]- Taxizentrale Essen) kann es dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um einen Beseitigungsanspruch gem. § 1004 BGB analog oder um einen Schadensersatzanspruch i. S. von § 35 1 GWB handelt (vgl. dazu Langen/Bunte/Schultz, § 26 Rdnr. 213).

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