Kündigung eines langfristigen Softwarewartungsvertrages

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Köln
  • Urteil
  • vom 17.07.1998
  • Aktenzeichen 19 U 9/98
  • Abgelegt unter IT-Recht

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Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil entspricht im Ergebnis der Sach- und Rechtslage. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

I. Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis betreffend die Wartung der Indus-Software ist nicht wirksam gekündigt worden. Die Kündigung der Beklagten vom 27.09.1996 (Bl. 123 d.A.) ist aus mehreren Gründen unwirksam.

1. Vorauszuschicken ist an dieser Stelle, daß nach dem Akteninhalt äußerst zweifelhaft ist, ob die Parteien einen dem Hauptvertrag vom 21.07.1993 nachfolgenden, eigenständigen Wartungsvertrag hinsichtlich der Wartung der Indus-Software geschlossen haben. Vorgesehen ist der Abschluß eines solchen Wartungsvertrages in Ziffer VI Nr. 1 (Bl. 29 d.A.). Insoweit ist der Klageschrift auch ein Wartungsvertragstext beigefügt (Bl. 94 ff. d.A.), der jedoch von keiner der Parteien unterschrieben ist. Daneben gibt es eine "Kundendienstvereinbarung", die Bestandteil des Hauptvertrages ist, und die ausweislich Anlage 3 (Bl. 77 d.A.) eine gesonderte Kündigungsfrist enthält - diese Kundendienstvereinbarung bezieht sich aber offenbar lediglich auf die Hardware- und Systemsoftwarewartung (= Aktualisierung des Betriebssystems). Konkret findet sich zur Wartung der Indus-Software seitens der Beklagten somit nur eine Regelung in Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993 (Bl. 26 d.A.), derzufolge sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma I., verpflichtet hat, die Entwicklung, Pflege und Wartung der Indus-Software "für die Dauer von sieben Jahren ab Überlassung anzubieten".

Andererseits gehen aber offenbar beide Parteien von dem - ursprünglichen - Bestehen eines Wartungsvertrages für die Indus-Software aus, unstreitig ist auch eine Wartung entsprechend dem Inhalt des Vertrages Bl. 94 ff. d.A. durchgeführt und zu den in Anlage 2.1 des Vertrages vom 21.07.1993 vorgesehenen Preisen (Bl. 93 d. A.) berechnet und bezahlt worden.

2. Angesichts dessen ist schon zweifelhaft, worauf sich die Kündigungserklärung der Beklagten vom 27.09.1996 überhaupt bezieht.

Vorprozessual hat die Beklagte stets den Standpunkt vertreten, bei der Kündigung handele es sich um die form- und fristgerechte Ausübung eines ihr vertraglich zustehenden Rücktrittsrechts (Bl. 133 d.A.). Dann ist aber durch die Kündigungserklärung vom 27.09.1996 allenfalls der eventuell bestehende Wartungsvertrag gekündigt worden, unabhängig davon würde die Wartungsverpflichtung aus Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993 fortbestehen. Bereits im Verfahren erster Instanz aber auch jetzt in der Berufungsbegründung hat sich die Beklagte dann jedoch, ohne diesen Widerspruch aufzuklären bzw. eine solche vorzulegen, auf eine von ihr erklärte "außerordentliche" Kündigung bezogen und dabei in erster Instanz stets auf den "Wartungsvertrag" abgestellt, während sie jetzt in der Berufungsinstanz vorträgt, daß es sich um die Kündigung der Wartungsverpflichtung aus dem Vertrag vom 21.07.1993 handele.

Da eine Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung eindeutig erklärt werden muß, würde allein schon die Tatsache, daß nicht eindeutig erkennbar ist, welches Vertragsverhältnis seitens der Beklagten gekündigt werden sollte, zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Eine Umdeutung der Kündigungserklärung vom 27.09.1996 in eine außerordentliche Kündigung der Verpflichtung aus Ziffer I Nr. 2 des Hauptvertrages kommt ohnehin nicht in Betracht.

3. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben.

a) Sollte ein separater Wartungsvertrag für die Indus-Software zwischen den Parteien abgeschlossen worden sein, so würde die ordentliche (oder außerordentliche) Kündigung dieses Vertrages die Verpflichtung der Beklagten gemäß Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993, die Wartung bis zum 31.12.2000 anzubieten, unberührt lassen. D. h. konkret, die Beklagte müßte der Klägerin den Abschluß eines neuen Wartungsvertrages anbieten.

b) Sollte, wie dies die Parteien in der Berufungsinstanz tun, in der Kündigung vom 27.09.1996 eine außerordentliche Kündigung der "Wartungsverpflichtung" der Beklagten gemäß Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993 zu sehen sein, ist die Kündigung unwirksam.

Legt man diese Auslegung der Kündigung durch die Beklagte, der die Klägerin folgt, zugrunde, so handelt es sich um eine Teilkündigung des Vertrages vom 21.07.1993. Eine Teilkündigung ist jedoch, sofern sie nicht im Vertrag vorbehalten wurde, was hier unstreitig nicht erfolgt ist, nach Treu und Glauben grundsätzlich unwirksam (vgl. BGH NJW 1993, 1320, 1322 ff. m.w.N.). Dies wird damit begründet, daß eine Teilkündigung der einseitigen Änderung des Vertrages gegen den Willen des Vertragspartners diene. Mit ihr wolle sich der Kündigende - unter Aufrechterhaltung des übrigen Vertrages - von seinen Vertragspflichten lösen und dem anderen Teil die entsprechenden Vertragsrechte nehmen.

Hier stellt die Teilkündigung erkennbar einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Wie die Klägerin zu Recht ausführt und wie insbesondere in der Absichtserklärung der Parteien vom 08.05.1993 (Bl. 103 d.A.), die Bestandteil des Vertrages vom 21.07.1993 ist (Bl. 25 d.A.), mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, war für die Klägerin die Garantie der Wartung der Software - und zwar nicht ohne Grund bis in das Jahr 2000 hinein - durch die diese entwickelnde Firma von ganz erheblichem Gewicht für ihre Entscheidung für den Vertragsschluß mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten.

Angesichts dieser Umstände steht außer Frage, daß ein einseitiges Lösen der Beklagten von ihrer Verpflichtung, die Wartung anzubieten, gemessen an § 242 BGB nicht zu rechtfertigen, eine Kündigung dieser Verpflichtung daher unwirksam ist.

4. Letztendlich kann aber sogar die Frage der Unwirksamkeit der Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Teilkündigung dahingestellt bleiben, da, selbst wenn man die Zulässigkeit einer Teilkündigung unterstellt, es hier jedenfalls, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, an einem wichtigen Grund für die (behauptete) außerordentliche Kündigung der Beklagten fehlt.

a) Die Beklagte sieht den wichtigen Grund darin, daß sich die Klägerin treuwidrig geweigert habe, einer Vertragsübernahme durch die Firma C. zuzustimmen. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Zustimmung folgt aber weder aus Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993, worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, noch aus, worauf offensichtlich die Beklagte abstellt, § 242 BGB. Grundsätzlich hängt eine wirksame Vertragsübernahme gemäß § 415 BGB von der Genehmigung des Gläubigers ab. Aus § 415 BGB selbst folgt keinerlei Verpflichtung zur Erklärung einer solchen Genehmigung. Sicherlich kann diese gleichwohl nicht schrankenlos verweigert werden, da auch hier die Grundsätze des § 242 BGB zu berücksichtigen sein dürften. Entgegen der Ansicht der Beklagten trifft es aber nicht zu, daß die Klägerin willkürlich die Vertragsübernahme verweigert hat. Es gibt nämlich, worauf die Klägerin insbesondere in der Berufungsinstanz hingewiesen hat, durchaus sachliche Gründe, die die Verweigerung der Genehmigung der Klägerin nicht als treuwidrig erscheinen lassen. Zum einen ist dies die im Vergleich zur Beklagten - unstreitig - sehr viel ungesichertere finanzielle Situation auf Seiten der Firma C.. Darüber hinaus hat die Klägerin - insoweit unwidersprochen - vorgetragen, daß ihre wesentlichen Ansprechpartner im Zusammenhang mit der Software-Pflege und insbesondere der "geistige Vater" der Indus-Programme nicht zur Firma C. gewechselt hätten, sondern vielmehr bei der Beklagten verblieben seien. Angesichts der Bedeutung, die die Wartung der Anlage für die Klägerin gerade auch bis in das Jahr 2000 hinein hat, ist es verständlich, jedenfalls aber nicht treuwidrig, wenn die Klägerin auf einer Vertragserfüllung durch die Beklagte besteht. Diese ist auch der Beklagten, worauf das Landgericht hingewiesen hat, nicht etwa unzumutbar, da der Umstand, daß sie selbst kaum mehr über eigene Mitarbeiter in diesem Bereich verfügt, sie nicht daran hindert, durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit der Firma C. diese bei der Erfüllung der ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Verpflichtungen als Erfüllungsgehilfen einzuschalten. Daß auch die Beklagte und die Firma C. diese Möglichkeit durchaus gesehen haben, folgt im übrigen aus Ziffer III 2 b) des Vertrages dieser beiden Gesellschaften (Bl. 158 d.A.).

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt die Klägerin auch nicht etwa deshalb willkürlich, weil sie durch den Vertragsschluß mit der Firma C. angeblich anerkannt habe, daß diese durchaus zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistungen in der Lage sei. Es liegt, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat, auf der Hand, daß die Klägerin, wie dies auch ausdrücklich in dem Vertrag mit der Firma C. erwähnt worden ist, aus einer Notlage heraus zwangsläufig den Vertrag abschließen mußte, um überhaupt eine weitere Wartung für ihre Software, auf die sie - unbestrittenermaßen - existenznotwendig angewiesen ist, zu erhalten. Auch spricht nicht für ein willkürliches Verhalten der Klägerin die Tatsache, daß sie sich mit der Firma C. auf eine vertragliche Regelung eingelassen hat, derzufolge die Firma C. jederzeit berechtigt sei, den Vertrag auf einen Dritten zu übertragen. Diese vertragliche Regelung ist ohnehin wegen Verstoßes gegen §§ 9, 24 Satz 2 AGBG unwirksam (vgl. OLG Bamberg CR 1987, 234).

c) Einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung stellt auch nicht etwa die von der Beklagten behauptete Beeinträchtigung ihrer unternehmerischen Freiheit dar. Zur Annahme eines wichtigen Grundes sind nämlich stets die Interessen beider Seiten gegeneinander abzuwägen. Angesichts der existenzgefährdenden Situation auf Seiten der Klägerin bei Wegfall einer ordnungsgemäßen Wartung sowie ihres schützenswerten Interesses an der Sicherung der Wartungsverpflichtungen auch für den Haftungsfall kann keinesfalls davon gesprochen werden, daß die unternehmerische Freiheit der Beklagten überwiegt, zumal deren Gefährdung nach Ansicht des Senats höchst zweifelhaft ist. Schließlich ist die Beklagte nicht gehindert, den Wartungsbereich auf eine Drittfirma zu übertragen, sie muß lediglich weiterhin haftungsrechtlich einstehen.

5. Nach alledem steht fest, daß die Verpflichtung der Beklagten, die Wartung gemäß Ziffer I Nr. 2 des Vertrages anzubieten, durch die Kündigung vom 27.09.1996 nicht berührt worden ist, da diese Kündigung, gleichgültig wie man sich rechtlich qualifiziert und worauf man sie bezieht, in jedem Fall unwirksam ist.

II. Das Landgericht hat auch im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Beklagte sich bis zum 31.12.2000 nicht durch ordentliche Kündigung von ihrer Verpflichtung gemäß Ziffer I Nr. 2 des Vertrages vom 21.07.1993 lösen kann.

1. Das Feststellungsinteresse der Klägerin steht angesichts der Weigerung der Beklagten, sich entsprechend ihrer vertraglichen Pflichten zu verhalten und die Wartung anzubieten, außer Frage.

2. Die Begründetheit der Feststellungsklage folgt bereits aus dem oben unter I 3. Ausgeführten. Ein Lösen der Beklagten von ihrer Verpflichtung, die Wartung bis zum 31.12.2000 anzubieten, würde eine Teilkündigung darstellen, die - wenn man sie überhaupt nach Treu und Glauben in Ausnahmefällen als zulässig ansehen wollte - allenfalls unter den Voraussetzungen einer außerordentlichen, nicht jedoch als ordentliche Kündigung zulässig sein könnte.

III. Die Berufung war daher insgesamt mit den Nebenfolgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO zurückzuweisen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagte: 50.000,00 DM.