Erwerbsobliegenheit wegen Unterhaltspflicht für Kinder aus erster Ehe

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Koblenz
  • Beschluss
  • vom 28.08.2002
  • Aktenzeichen 13 WF 449/02
  • Abgelegt unter Familienrecht

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  1. Die Entscheidungsgründe

Die Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen, da die von der Antragstellerin beabsichtigte Abänderungsklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 114 ZPO). Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Gemäß § 323 ZPO könnte die beabsichtigte Abänderungsklage nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn seit dem Zeitpunkt der Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt eine wesentliche Änderung der für die damalige Entscheidung maßgebenden Verhältnisse eingetreten wäre, so dass eine nicht unmaßgebliche Herabsetzung des zu zahlenden Unterhalts geboten wäre. Dies ist vorliegend jedoch auch auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrages nicht der Fall.

Zwar ist seit Erlass des Urteils vom 12. Juli 1996 eine Veränderung der Verhältnisse insoweit eingetreten, als die Antragstellerin zwischenzeitlich erneut geheiratet hat, aus dieser Ehe ein mittlerweile vier Jahre altes Kind hervorgegangen ist und die Antragstellerin - jedenfalls nach ihren Behauptungen - unter einer psychischen Erkrankung leidet. Diese Umstände rechtfertigen indes vorliegend eine Herabsetzung des zu zahlenden Kindesunterhalts nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Im Falle der Wiederverheiratung kann ein Ehegatte, der einem minderjährigen Kind aus erster Ehe barunterhaltspflichtig ist, weil es vom ändern Elternteil betreut wird (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), im Einvernehmen mit dem neuen Partner die Haushaltsführung und gegebenenfalls die Kindesbetreuung übernehmen. Damit erfüllt er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehegatten und gegebenenfalls gegenüber dem Kind aus der neuen Ehe, dagegen nicht gegenüber dem minderjährigen Kind aus erster Ehe. Dies führt zu einem Konflikt zwischen den Unterhaltsinteressen der gemeinsamen Kinder als der alten und den bedürftigen Angehörigen aus der neuen Familie. Da indes alle Berechtigten unterhaltsrechtlich den gleichen Rang haben (§ 1609 BGB), darf sich der barunterhaltspflichtige Ehegatte nicht ohne Weiteres auf die Sorge für die Angehörigen aus der neuen Familie beschränken. Er muss auch für die minderjährigen Kinder aus der ersten Ehe sorgen. Kann er aus dem Taschengeld, wie es die Regel ist, keinen oder keinen ausreichenden Unterhalt zahlen, muss er wenigstens teilweise erwerbstätig sein, um zum Ausgleich einen entsprechenden Barunterhalt zahlen zu können. Trotz der Wahl der Rolle der Hausfrau bleibt mithin für den unterhaltspflichtigen Elternteil im Verhältnis zu den minderjährigen Kindern aus erster Ehe eine Erwerbsobliegenheit bestehen (vgl. Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2 Rdz. 172; BGH FamRZ 1987, 472; BGH NJW 1996, 1815). In Anwendung dieser Grundsätze ist die Antragstellern verpflichtet, eine Nebentätigkeit aufzunehmen, um so den Unterhaltsbedarf der Antragsgegner wenigstens teilweise sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Regelbedarf der Antragsgegner, die inzwischen 13 und 16 Jahre alt sind, jeweils 269 EUR monatlich beträgt und die bislang titulierten Zahlbeträge von 324 DM je Kind (165,66 EUR) diesen Mindestbedarf bereits lediglich zu rund 62 % abdecken.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin demgegenüber geltend, aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sei sie nicht arbeitsfähig. Dem ärztlichen Attest des St. E........-Krankenhauses vom 15. Januar 2002 ist lediglich zu entnehmen, dass die Antragstellerin nur eingeschränkt belastbar ist. Ihr wird daher empfohlen, neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau und Mutter - im Haushalt der Antragstellerin leben neben ihrem Ehemann und dem Kind aus dieser Ehe noch zwei Kinder ihres Ehemannes aus erster Ehe - keinerlei Berufstätigkeit aufzunehmen; attestiert wird im Hinblick darauf Arbeitsunfähigkeit. Vorliegend ist die Antragstellerin indes gehalten, ihre bisherige Tätigkeit im häuslichen Bereich zu verringern, um so ausreichend Zeit aufzubringen, zumindest eine Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte aufzunehmen. Auf dieser Basis können u.a. einfache Lohnarbeiten in Heimarbeit erledigt werden, so dass eine relativ freie Arbeitseinteilung, etwa im Umfang von zwei Stunden täglich oder die schwerpunktmäßige Tätigkeit am Wochenende, insbesondere zu den Zeiten, an denen ihr Ehemann zu Hause ist, möglich ist. Der Ehemann der Antragstellerin ist im Übrigen verpflichtet, der Antragstellerin durch eine Teilübernahme häuslicher Aufgaben die erforderliche Zeit und damit die Möglichkeit zu verschaffen, ihre Arbeitskraft nicht vollständig für Mitglieder der neuen Familie, sondern auch für den Unterhalt der Antragsgegner zu verwenden (vgl. Wendl, aaO, Rdz. 183, BGH NJW 1986, 1869). Auf diese Art und Weise wird dann auch vermieden, dass die Antragstellerin erneut der für sie abträglichen Doppelbelastung durch Haushalt und Berufstätigkeit ausgesetzt wird. Dass die Antragstellerin demgegenüber auch nicht in der Lage sein soll im Falle der gebotenen Entlastung von häuslichen Arbeiten die Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte auszuüben, ist auch auf der Grundlage des ärztlichen Attests vom 4. Juni 2002 nicht anzunehmen. Dort wird lediglich erneut ohne jegliche Begründung eine "langfristige Arbeitsunfähigkeit" attestiert. Dass sich die Erkrankung der Antragstellerin demgegenüber seit der Ausstellung des Attests vom 15. Januar 2002, durch welches die Arbeitsunfähigkeit lediglich im Hinblick auf die zu befürchtende Doppelbelastung durch Haushaft und Beruf bescheinigt wurde, verschlechtert hat, ist nicht dargetan worden; überhaupt ist nach wie vor unklar, unter welcher psychischen Krankheit die Antragstellerin leidet.

Durch eine Nebentätigkeit als geringfügig Beschäftigte könnte die Antragstellerin einen Betrag von 320 EUR monatlich verdienen. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen von 5 % verblieben 304 EUR, so dass sie in der Lage ist, in diesem Umfang Kindesunterhalt zu zahlen. Tituliert sind demgegenüber zwar insgesamt 331, 32 EUR (2 x 324 DM = 648 DM). Die Abweichung zwischen dem titulierten Betrag und dem errechneten Kindesunterhalt von insgesamt 304 EUR beträgt jedoch lediglich rund 8 % und ist daher so geringfügig, dass deswegen von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO nicht auszugehen ist (vgl. hierzu Wendl/Talmann, aaO, § 8 Rdz. 140).

Über die Beschwerde war nach alledem im tenorierten Sinne zu entscheiden.