Virus als Mangel

Details zum Urteil

  • Landgericht Regensburg
  • Urteil
  • vom 10.06.1997
  • Aktenzeichen CR 1997, 686; CI 1998, 8
  • Sonstiges: Das Urteil ist rechtskräftig
  • Abgelegt unter IT-Recht
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Das Urteil

Im vorliegend Fall war eine Computeranlage von einem sogenannten Kapana-Boot-Virus befallen. Nach Aussage eines Sachverständigen war die Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit beim Verkauf noch nicht vorhanden. Zudem war der Virus durch gängige Viren-Scanner leicht erkennbar und entfernbar.

Kommentar von

Das entscheidende Gericht bestätigte wieder dem Grunde nach, daß es sich bei einem Computervirus um einen Sachmangel i.S.d. § 459 Abs.1 BGB handelt. Dieser würde auch zu der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, wie Wandlung oder Minderung, berechtigen.

Vorliegend aber ist die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen nach Ansicht des Gerichts durch § 459 Abs.1 S.2 BGB ausgeschlossen. § 459 Abs. 1 S2 BGB schließt dann die Gewährleistung aus, wenn es sich nur um eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit des Kaufgegenstandes handelt. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit einer Software gem. § 459 Abs.1 S2 BGB liegt dann vor, wenn wie im vorliegenden Fall der entsprechende Virus mit einem handelsüblichen Viren-Scanner mit absoluter Sicherheit und einem geringen Arbeitsaufwand erkannt und entfernt werden kann.

Konsequenz für das tägliche Leben: Nur ausreichende und zeitgemäße Virenschutzmaßnahmen stellen sicher, daß Gewährleistungs-und Schadensersatzansprüche mit Erfolg geltend gemacht werden können.

Für den Anwender bedeutet dies folgendes:

Im geschäftlichen bzw. kaufmänischen Verkehr gilt der Kauf von virenverseuchter Software gem. § 377 Abs. 2, 3 HGB als genehmigt, und Gewährleistungsansprüche scheiden aus, wenn die erworbenen Speichermedien nicht unverzüglich auf Virenbefall überprüft werden und der Mangel gerügt wird. Dieser Mehraufwand, der in der Anschaffung von Virenscannern, ihrer Aktualisierung und in ihrer strikten Anwendung liegt, scheint in Hinblick auf die im HGB normierten verschärften Überprüfungspflichten auch gerechtfertigt

Für den privaten Verbraucher mag dies aber schon nicht mehr zutreffend zu sein. Dies würde ja gerade bedeuten, daß sich der private Anwender bei Neuanschaffung irgendwelcher Software auch gleichzeitig darum bemühen muß, daß er über ausreichende Virenscanner verfügt. Damit hätte dieser die Obliegenheit aktuelle Virenscanner zur Verfügung zu halten um mit diesen seine neu angeschaffte Software unmittelbar nach dem Kauf zu kontrollieren. Da die Voraussetzungen der Unerheblichkeit i.S.v. § 459 Abs.1 S.2 BGB nur dann erfüllt sind, wenn der Fehler mit sehr geringem Aufwand schnell beseitigt werden kann, ist die Entscheidung unseres Erachtens unrichtig. Die Anschaffung und Aktualisierung eines Virenscanners sowie dessen permanenter Einsatz erfordern einen nicht unbeträchtlichen Zeit- und Geldaufwand, was zum Überschreiten der Grenze des § 459 Abs. 1 S.2 BGB führt.

Außerdem wird durch die Entscheidung die Grenze zu § 377 HGB verwischt, da man auch dem Privatanwender eine Überprüfungspflicht auferlegt, die nicht mehr viel geringer ist als die des Kaufmanns.

Marcus von Berg (Assessor) / Thomas Stadler (Rechtsanwalt)