Monatsinfo November 2006

Arbeitsrecht:

Baurecht:

Familien- und Erbrecht:

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG):

Verbraucherrecht:

Verkehrsrecht:

Abschließende Hinweise:

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Arbeitsrecht


Geringfügige Beschäftigung: Minijobs und Beschäftigungen in der Gleitzone - was lohnt sich wirklich?

Durch die Erhöhung der Pauschalbeiträge für Minijobs von 25 auf 30 Prozent zum 1. Juli 2006 haben sich die Parameter im Lohnbereich bis 800 EUR verschoben. Für Arbeitgeber sind die Minijobs teurer geworden, für Arbeitnehmer die Gleitzonenjobs.

Die neuen Regeln geben in einigen Fällen Anlass, die gewählte Variante zu überdenken. Dabei sollten aber nicht allein finanzielle Gründe entscheidend sein. Nachfolgend liefern wir die Fakten, anhand derer Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden können.

Regeln für Minijob und Gleitzone

  bis 400 EUR über 400 bis 800 EUR
Arbeitgeber
  • 28 Prozent Pauschalabgabe zur Sozialversicherung
  • 2 Prozent pauschale Lohnsteuer (abwälzbar)
  • U1-Umlage
  • Volle Beiträge zur Sozialversicherung
  • U1- und U2-Umlage
Arbeitnehmer
  • Keine Beiträge zur Sozialversicherung
  • 2 Prozent pauschale Lohnsteuer bei Abwälzung
  • keine Ansprüche aus der Sozialversicherung
  • Aufstockung der Rentenbeiträge möglich
  • Ermäßigte Beiträge zur Sozialversicherung
  • Lohnsteuer entsprechend Steuerklasse
  • Ansprüche aus der Sozialversicherung
  • Aufstockung der Rentenbeiträge möglich

Aufstockung der Rentenbeiträge
Arbeitnehmer können die Pauschalbeiträge des Arbeitgebers zu vollwertigen Pflichtbeiträgen machen, wenn sie sie aus eigenen Mitteln auf den normalen Beitragssatz in der Rentenversicherung aufstocken.

Bislang betrug der Aufstockungsbetrag bei einem monatlichen Arbeitsentgelt von 400 EUR 30 EUR im Monat bzw. 360 EUR im Jahr. Weil der Pauschalbeitrag des Arbeitgebers angehoben wurde, beträgt der Aufstockungsbetrag jetzt nur noch 18 EUR im Monat bzw. 216 EUR im Jahr.

Durch die Aufstockung erhöht der Arbeitnehmer seinen monatlichen Rentenanspruch von 2,62 auf 4,26 EUR (West) bzw. von 2,31 auf 3,75 EUR (Ost). Der Vorteil der Aufstockung liegt aber weniger in dem höheren Rentenanspruch. Interessanter ist, dass der Arbeitnehmer

  • Zugang zum vollen Leistungsspektrum der Rentenversicherung hat,
  • Wartezeiten schneller erfüllen kann, weil alle Monate für die Wartezeit gutgeschrieben werden, und
  • unmittelbaren Anspruch auf die "Riester"-Förderung erwirbt.

In der Gleitzone bewirkt die Aufstockung der Rentenbeiträge nur, dass sich der Rentenanspruch des Arbeitnehmers erhöht. Alle anderen Vorteile der Aufstockung werden bereits durch die (ermäßigten) Pflichtbeiträge des Arbeitnehmers erreicht.

Wichtig: Um die Aufstockungsoption nutzen zu können, muss der Arbeitnehmer schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichten (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch VI).

Belastungsvergleich Minijob und Gleitzone
Eine Arbeitnehmerin verdient 400, 405, 420, 435, 450 bzw. 465 EUR im Monat. Der Beitragssatz ihrer Krankenkasse beträgt 13 Prozent. Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer.

Die folgende Übersicht zeigt, wie hoch in diesen Fällen das Nettoentgelt der Arbeitnehmerin ist, und in welcher Höhe der Arbeitgeber belastet wird (in den Klammern stehen die Werte, die bis Juni 2006 gegolten haben; die Berechnung erfolgt ohne U1 und U2 Umlagen):

Arbeitsentgelt Arbeitnehmer Arbeitgeber
400 EUR 400 EUR (400 EUR) 520 EUR (500 EUR)
405 EUR 366 EUR (386 EUR) 487 EUR (487 EUR)
420 EUR 376 EUR (395 EUR) 505 EUR (505 EUR)
435 EUR 386 EUR (404 EUR) 523 EUR (523 EUR)
450 EUR 396 EUR (414 EUR) 541 EUR (541 EUR)
465 EUR 406 EUR (423 EUR) 559 EUR (559 EUR)

Die Übersicht zeigt: Für Arbeitgeber ist vor allem der untere Gleitzonenbereich attraktiver geworden. Für Arbeitnehmer ist die Situation genau umgekehrt. Unter rein finanziellen Aspekten ist der untere Gleitzonenbereich für sie unattraktiv, weil sie bis etwa 450 EUR Bruttolohn am Ende weniger Nettolohn erhalten als bei einem Minijob.

Ansprüche aus Sozialversicherung bei Gleitzone
Für den Arbeitnehmer kann es sich aber trotzdem lohnen, auf einige Euro zu verzichten. Denn mit einer Beschäftigung im unteren Bereich der Gleitzone erwirbt er mit sehr geringen Beiträgen vollen Schutz in der Krankenversicherung und Anspruch auf Arbeitslosengeld.

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Kündigungsrecht: Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

In Kleinbetrieben ist oftmals unklar, ob und wann die Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießen. Das gilt umso mehr, da sich die für die Anwendung des KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern durch die Änderung des KSchG zum 1.1.2004 geändert hat.

Diese Unsicherheit bestand auch bei einem Arbeitnehmer, der seit August 2003 im Betrieb des Arbeitgebers angestellt war. Am Stichtag 31. Dezember 2003 beschäftigte der Arbeitgeber regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer. Im November 2004 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ordentlich. Zu diesem Zeitpunkt waren bei ihm einschließlich des gekündigten Arbeitnehmers weniger als zehn Arbeitnehmer regelmäßig tätig. Neben dem gekündigten Arbeitnehmer arbeiteten nur noch zwei Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 bei ihm beschäftigt waren. Mit seiner Klage hat sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, er genieße den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dieses Gesetz sei aufgrund der Übergangsregelung auf "Alt-Fälle" anwendbar.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolglos. Die Richter zeigten zunächst die Gesetzeslage wie folgt auf:

  • Nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, keinen allgemeinen Kündigungsschutz.

  • Nach Satz 3 in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat. Diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.

Sodann entschied das BAG, dass bei einem späteren Absinken der Zahl der am 31. Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger Personen keiner der im Betrieb verbleibenden "Alt-Arbeitnehmer" weiterhin Kündigungsschutz genieße. Voraussetzung sei, dass in dem Betrieb einschließlich der seit dem 1. Januar 2004 eingestellten Personen insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt würden. Dies gelte auch, wenn für ausgeschiedene "Alt-Arbeitnehmer" andere Arbeitnehmer eingestellt worden seien. Eine solche "Ersatzeinstellung" reiche nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG für deren Anwendung nicht aus (BAG, 2 AZR 840/05).

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Tarifvertrag: Rückwirkende Verschlechterung des Tarifentgelts durch Sanierungstarifvertrag

Tarifvertragsparteien können einen Tarifvertrag während seiner Laufzeit rückwirkend ändern und in tarifliche Rechte eingreifen. Dieser Gestaltungsspielraum ist aber begrenzt. Schutzwürdiges Vertrauen der Normunterworfenen darf nicht verletzt werden.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung hin. Darin hatte es über tarifliche Ansprüche eines Arbeitnehmers zu entscheiden. Für dessen Arbeitsverhältnis fanden eigentlich die Tarifverträge für die Metallindustrie Anwendung, die eine künftige Tariferhöhung vorsahen. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers handelten die Tarifvertragsparteien einen Sanierungstarifvertrag aus. Dieser sah keine Gehaltserhöhung mehr vor. Hiermit wollte sich der Arbeitnehmer nicht abfinden und klagte.

Das BAG machte deutlich, dass Beschäftigte in der Regel nicht damit rechnen müssten, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen werde. Das gelte auch, wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig seien. Anders sei dies nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Tarifvertragsparteien verschlechternd in diesen Anspruch eingreifen würden. Ob und ggf. mit Wirkung zu welchem Zeitpunkt die Tarifunterworfenen mit einer rückwirkenden Regelung rechnen müssten, ihr also kein schützenswertes Vertrauen entgegenstellen könnten, sei eine Frage des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall wies das BAG das Verfahren an die Vorinstanz zurück. Die Richter konnten nicht abschließend entscheiden, inwieweit durch den Sanierungstarifvertrag wirksam in die Rechte des Arbeitnehmers aus den Flächentarifverträgen eingegriffen werden konnte. Es stehe wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht ausreichend fest, inwieweit das schützenswerte Vertrauen des Klägers auf uneingeschränkten Erwerb und Bestand der tariflichen Rechte beseitigt worden sei (BAG, 4 AZR 486/05).

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Ausbildungsverhältnis: Auch der Auszubildende unterliegt einem Wettbewerbsverbot

Betreibt ein Auszubildender während der Dauer des Berufsausbildungsverhältnisses Wettbewerb zulasten seines Ausbilders, muss er diesem den daraus entstehenden Schaden ersetzen.

Dies musste sich ein Auszubildender sagen lassen, der bei einem Finanzdienstleister eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolvierte. Im Rahmen der Ausbildung wurde er damit betraut, Kunden des Arbeitgebers aufzusuchen, Anträge für Versicherungen aufzunehmen und an den Arbeitgeber weiterzuleiten. Als der Arbeitgeber Hinweise erhielt, dass der Auszubildende Versicherungsverträge für Versicherungsunternehmen vermittelte, die mit dem Arbeitgeber in keinen Geschäftsbeziehungen standen, wurde das Ausbildungsverhältnis beendet. Der Arbeitgeber verlangte Auskunft über die an "fremde" Versicherungsunternehmen vermittelten Versicherungen. Auf der Grundlage der Auskunft beanspruche er Schadenersatz wegen der für über 30 Versicherungsverträge entgangenen Abschluss- und Bestandsprovisionen in Höhe von zuletzt fast 11.000 Euro.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hielt den Schadenersatzanspruch für gerechtfertigt und verurteilte den Auszubildenden auf Zahlung. Es führte aus, dass das für Handlungsgehilfen im Handelsgesetzbuch ausdrücklich geregelte Wettbewerbsverbot auf dem allgemeinen Rechtsgedanken beruhe, dass der Arbeitnehmer während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses Wettbewerb zulasten seines Arbeitgebers unterlassen müsse. Dies gelte auch für einen Auszubildenden während der Dauer des Berufsausbildungsverhältnisses. Entsprechend dürfe ein Auszubildender während der Dauer des Berufsausbildungsverhältnisses keinen Wettbewerb zulasten seines ausbildenden Arbeitgebers betreiben. Verstoße er hiergegen, müsse er den entstandenen Schaden ersetzen (BAG, 10 AZR 439/05).

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Baurecht


VOB/B: Nichtzahlung von Abschlägen ist Kündigungsgrund

Zahlt der Auftraggeber fällige Abschlagsrechnungen nicht, ist der Bauunternehmer zur Kündigung berechtigt. Der Werklohn ist in diesem Fall nach der Kündigung auch fällig, wenn das Werk nicht abgenommen wurde.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Rostock rechtskräftig entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Auftraggebers nunmehr abgelehnt.

Die Richter wiesen aber auch darauf hin, dass für eine wirksame Kündigung erforderlich sei, dass der Bauunternehmer dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setze. Außerdem müsse er erklären, dass er den Vertrag kündigen werde, wenn der Auftraggeber die Frist verstreichen lasse.

Hinweis: Auch wenn die Werklohnforderung ohne Abnahme fällig wird, heißt das nicht, dass der Bauunternehmer auf die Abnahme verzichten sollte. Er sollte vielmehr die Abnahme beim Auftraggeber einfordern. Die Abnahme ist für ihn wichtig, weil sie die Gewährleistungsfrist für den erbrachten Teil seiner Leistung in Gang setzt (OLG Rostock, 7 U 43/04; BGH, VII ZR 170/05).

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VOB/B: Vertraglich vereinbarte förmliche Abnahme und die Folgen

Vereinbart ein Bauunternehmer in einem Vertrag mit einem Subunternehmer abweichend von § 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 1 VOB/B die förmliche Abnahme für alle Fälle, sollte er auf dieser auch bestehen.

Gefährlich ist es, wenn er eine Schlussrechnung seines Subunternehmers unbeantwortet lässt, die dieser ohne Bezugnahme auf eine förmliche Abnahme zusendet. Das Kammergericht (KG) hat nämlich entschieden, dass er den Subunternehmer in einem solchen Fall binnen zwölf Werktagen nach Erhalt der Schlussrechnung zur förmlichen Abnahme auffordern muss. Tue er das nicht, sei das - unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen - so zu werten, dass er auf die förmliche Abnahme verzichte. Die Werkleistung gelte als formlos abgenommen, die Werklohnforderung des Subunternehmers sei fällig (KG, 7 U 247/05).

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Vertragsrecht: Anspruch auf Minderung der Vertragserfüllungsbürgschaft

Vereinbaren die Parteien zu Beginn eines Bauvertrags, dessen Umfang noch nicht sicher ist, dass sich die Vertragserfüllungsbürgschaft des Bauunternehmers aus dem geschätzten "Gesamt-Auftragswert" ableitet, dann hat dieser Anspruch auf eine Minderung der Sicherheit, wenn sich der Auftrag auf die Hälfte dessen reduziert, was einmal angedacht war.

Kommt der Auftraggeber dieser Aufforderung nicht nach, darf der Bauunternehmer nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 Bürgerliches Gesetzbuch Gebrauch machen.

Wichtig: Ob dieser Anspruch auf Anpassung der Bürgschaft auch bei einer geringeren Auftragsreduzierung als 50 Prozent besteht, ist gerichtlich noch nicht geklärt. Am besten ist es deshalb, wenn Sie im Vertrag entsprechende "Abschmelzungsklauseln" vereinbaren (OLG Frankfurt a.M., 1 U 114/05).

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Bebauungsplan: Wohnhaus muss Kreisverkehr nicht in jedem Fall weichen

Ein Wohnhaus muss einem Kreisverkehr nicht weichen, wenn durch eine geringfügige Verschiebung und Verkleinerung der Verkehrsanlage die Inanspruchnahme von Privateigentum vermieden werden kann.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz und erklärte einen entsprechenden Bebauungsplan für unwirksam. Dieser sah einen Kreisverkehr vor, bei dessen Verwirklichung ein Wohnhaus abgerissen werden musste. Der hiergegen gestellte Normenkontrollantrag der Grundstückseigentümer hatte Erfolg. Aus den im Planverfahren eingeholten Gutachten ergebe sich, dass auch ein kleinerer Kreisverkehr geeignet sei, die bestehenden Verkehrs- und Lärmprobleme zu lösen. Deshalb verstoße die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragsteller durch den geplanten größeren Kreisverkehr nach Ansicht des OVG gegen das planungsrechtliche Abwägungsgebot (OVG Rheinland-Pfalz, 1 C 11435/05.OVG).

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Familien- und Erbrecht


Hausmann-Tätigkeit: Unterhaltspflicht gegenüber Kindern aus jetziger und früherer Ehe

Ein unterhaltspflichtiger Vater kann sich nicht einfach auf seine jetzige Rolle als Hausmann ohne eigenes Einkommen berufen und die Unterhaltsleistungen für seine Kinder aus früherer Ehe einstellen.

Auf diesen Grundsatz wies der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Mannes hin, der aus früherer Ehe zwei unterhaltsberechtigte Kinder hatte. Zwischenzeitlich hatte der Mann wieder geheiratet. Aus dieser Ehe waren drei weitere Kinder hervorgegangen. In der neuen Ehe hatte der Mann die Haushaltstätigkeit und Kindererziehung übernommen. Eigene Einkünfte erzielte er nicht, die Familie lebte von den Einkünften der berufstätigen Ehefrau. Die beiden unterhaltsberechtigten Kinder aus erster Ehe forderten von ihm Unterhaltszahlungen. Sie waren der Ansicht, dass er verpflichtet sei, neben der Betreuung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe einen Nebenerwerb auszuüben, um auch ihren Unterhalt sicherzustellen.

Der BGH zeigte den Interessenkonflikt des Mannes deutlich auf: Seine zweite Ehefrau sei mit seinen Kindern aus erster Ehe nicht verwandt und ihnen deswegen auch nicht unterhaltspflichtig. Für den Unterhaltsanspruch dieser Kinder könne daher nur auf die Leistungsfähigkeit des Mannes selbst abgestellt werden. Allerdings bestünden die Unterhaltsansprüche aller seiner minderjährigen Kinder aus beiden Ehen gleichrangig nebeneinander. Er dürfe sich darum nicht aussuchen, welche Ansprüche er davon erfüllen wolle (hier die Betreuung und Erziehung der Kinder aus zweiter Ehe) und welche nicht (hier den Barunterhalt für die Kinder aus erster Ehe).

Dieser Konflikt sei nach Ansicht des BGH wie folgt zu lösen:

  • Übernehme der seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtige Elternteil in seiner neuen Ehe die Kindererziehung, sei der damit verbundene Rollenwechsel unterhaltsrechtlich nur zu akzeptieren, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen würden. Sei das nicht der Fall, müsse er sich so behandeln lassen, als ob er vollschichtig berufstätig wäre. Das daraus erzielbare - höhere - Einkommen müsse er zunächst für alle gleichrangigen Unterhaltsansprüche einsetzen.

    Im vorliegenden Fall hat der BGH die Rollenwahl akzeptiert. Der Mann war ausländischer Staatsangehöriger. Seine Ausbildung zum Bauzeichner wurde in der Bundesrepublik nicht anerkannt. Seine zweite Ehefrau konnte daher ein weitaus höheres Einkommen erzielen als es ihm möglich gewesen wäre.

  • Auch wenn der Mann damit unterhaltsrechtlich berechtigt sei, in seiner neuen Ehe die Hausmannrolle zu übernehmen, mute ihm das Gesetz wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber allen minderjährigen Kindern besondere Anstrengungen zu. Er sei deswegen verpflichtet, neben der Beaufsichtigung und Erziehung seiner Kinder aus zweiter Ehe eine Teilzeiterwerbstätigkeit auszuüben. Seine zweite Ehefrau müsse ihn in diesem Umfang von den Erziehungsaufgaben freistellen. Sie habe auch von den gleichrangigen Unterhaltsansprüchen der Kinder aus erster Ehe Kenntnis gehabt.

  • Der Umfang der Erwerbstätigkeit neben der Kindererziehung müsse im Einzelfall geklärt werden. Vorliegend hielt der BGH einen Nebenerwerb von 325 EUR monatlich für zumutbar.

(BGH, XII ZR 197/02)

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Unterhaltsrecht: Notwendiger Selbstbehalt eines Umschülers

Absolviert ein Unterhaltspflichtiger eine von der Arbeitsverwaltung bewilligte Umschulungsmaßnahme, steht ihm der notwendige Selbstbehalt eines Erwerbstätigen zu. Das gilt nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden zumindest für die Fälle, in denen der Aufwand der Umschulung für den Unterhaltspflichtigen ebenso groß ist, wie wenn er vollschichtig erwerbstätig wäre.

Nach Ansicht des OLG folge dies daraus, dass ihn die mit der Umschulung typischerweise verbundenen besonderen Aufwendungen in gleicher Weise wie einen Beschäftigen in einem regulären Erwerbsverhältnis treffen würden. Auch lasse sich die mit dem höheren Selbstbehalt des Erwerbstätigen verbundene Anreizfunktion bei einem Umschüler nicht von vornherein ausschließen. Die Erwägung, den Unterhaltsverpflichteten (auch finanziell) besonders zu motivieren, wenn er sich mit Erfolg um die Erzielung von Erwerbseinkommen bemüht, treffe auf den Umschüler sogar in besonderem Maße zu. Bei ihm gehe es nicht nur um den Erhalt des während der Umschulung selbst erzielten Einkommens. Entscheidend sei vielmehr die mittel- und langfristige Verbesserung seiner Arbeitsmarktchancen. Diese kämen schließlich wiederum auch dem Unterhaltsberechtigten zugute (OLG Dresden, 20 UF 60/06).

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Ehescheidung: Verzicht auf das Trennungsjahr bei Kind von einem anderen Mann

Der Umstand, dass die Ehefrau ein Kind von einem anderen Mann erwartet, kann eine Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB rechtfertigen.

Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. bedeutet, dass in dem genannten Fall ausnahmsweise das eigentlich erforderliche Trennungsjahr nicht eingehalten werden müsse. Für den Ehemann bestehe nämlich ein in der Person seiner Ehefrau liegender Grund, der für ihn die Fortsetzung der Ehe als unzumutbare Härte darstelle. So sei nämlich sein Wunsch nach einer Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nachvollziehbar. Er habe kein Interesse daran, als Vater eines Kindes zu gelten, dessen leiblicher Vater er tatsächlich nicht sei (OLG Frankfurt a.M., 1 WF 89/05).

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Erbrecht: Unter Eigentumsvorbehalt erworbener und sicherungsübereigneter Pkw in der Erbmasse

Ein vom Erblasser unter Eigentumsvorbehalt erworbenes und anschließend an eine Bank zur Sicherung für ein gewährtes Darlehen übereignetes Fahrzeug geht in das Eigentum der Erben über, wenn die Bank den Fahrzeugbrief nach dem Tod des Erblassers und der Tilgung der Darlehensschuld an die Erben übersendet.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. Es entschied damit, dass ein Dritter, dem der Erblasser das Fahrzeug nach Übergabe durch den Verkäufer geschenkt hat, den Erben in einem solchen Fall zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet ist (OLG Saarbrücken, 8 U 484/05).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)


Aufzugskosten: Kosten dürfen auch auf Erdgeschossmieter umgelegt werden

Ein Vermieter von Wohnraum darf die Kosten für den Betrieb eines Aufzugs durch Formularvertrag auch auf den Mieter einer Erdgeschosswohnung umlegen.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall der Mieter einer Erdgeschosswohnung. Zur Wohnung gehörte weder ein mit dem Aufzug erreichbarer Keller noch ein Dachboden. Nach dem Formularmietvertrag sollten auch die Kosten des Aufzugs als Betriebskosten umgelegt werden. Die Mieter hielten die Regelung für unwirksam und wollten den auf den Aufzug entfallenden Betrag nicht zahlen.

Zu Unrecht, entschied nun der BGH. Die formularmäßige Beteiligung des Mieters einer Erdgeschosswohnung an den Aufzugskosten weiche nicht von dem gesetzlich vorgesehenen Abrechungsmaßstab für Nebenkosten ab. Danach seien die Betriebskosten grundsätzlich nach dem Anteil der Gesamtwohnfläche umzulegen. Die Beteiligung an den Aufzugskosten benachteilige den Erdgeschossmieter nicht unangemessen. Dies gelte unabhängig von dem konkreten Nutzen, den ihm der Aufzug biete. Nicht von einem erfassten Verbrauch oder einer erfassten Verursachung abhängende Betriebskosten würden häufig von den einzelnen Mietern in unterschiedlichem Umfang verursacht bzw. die damit verbundenen Vorteile würden von ihnen unterschiedlich genutzt (Beispiel: Beleuchtungskosten, Reinigung allgemein zugänglicher Bereiche oder Kosten der Gartenpflege). Eine nach der konkreten Verursachung oder tatsächlichen Nutzung differenzierende Umlage dieser Kosten auf die Mieter wäre vielfach nicht praktikabel und hätte eine erhebliche Unübersichtlichkeit und möglicherweise auch laufende Veränderungen in der Abrechnung zur Folge. Gründe der Praktikabilität für den Vermieter und der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Abrechnung für den Mieter würden deshalb für eine Abrechnung nach einem einheitlichen, generalisierenden Maßstab sprechen. Dabei seien gewisse Ungenauigkeiten bei der Verteilung der Betriebskosten unvermeidlich (BGH, VIII ZR 103/06).

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Betriebskosten: Nachforderungen müssen drei Monate nach Wegfall des Abrechnungshindernisses geltend gemacht werden

Der Vermieter, der die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB für die Abrechnung von Betriebskosten zunächst unverschuldet nicht einhalten kann, kann die verspätete Geltendmachung einer Nachforderung dennoch zu vertreten haben.

Das ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) der Fall, wenn er sich damit auch dann noch unnötig viel Zeit lässt, nachdem ihm die notwendigen Unterlagen für die Abrechnung vorliegen. Im Regelfall ist er nach Ansicht der Richter gehalten, die Nachforderung innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Abrechnungshindernisses zu erheben (BGH, VIII ZR 220/05).

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WEG: Die Errichtung einer Pergola muss genehmigt werden

Die Errichtung einer Pergola stellt in der Regel eine bauliche Veränderung dar. Sie bedarf daher grundsätzlich der Zustimmung der Wohnungseigentümerversammlung.

Mit dieser Begründung verpflichtete das Oberlandesgericht (OLG) München einen Eigentümer, die auf seiner Terrasse errichtete Pergola zu beseitigen. Da die Pergola ohne die erforderliche Zustimmung errichtet worden sei, könnten die anderen Wohnungseigentümer die Beseitigung verlangen. Dieses Beseitigungsverlangen sei auch nicht etwa schikanös. So würden die anderen Wohnungseigentümer in ihren Rechten beeinträchtigt. Deren Ausblick vom Balkon aus sei besonders durch die Überdachung gestört. Aus den vorgelegten Lichtbildern ergebe sich ferner eine nachteilige architektonische Veränderung des äußeren Gesamteindrucks der Anlage. Der Eigentümer könne sich nicht darauf berufen, dass die Einheitlichkeit der Fassade durch die bereits vorhandenen Blumenkästen, Markisen, Katzengitter und Dächer nicht mehr gewährleistet sei. Eine "Aufrechnung" baulicher Veränderungen komme nicht in Betracht. Zudem seien die genannten Veränderungen mit der Pergola nicht vergleichbar (OLG München, 34 Wx 33/06).

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Sozialrecht: Ein Umzug kann auch wegen Nichtbewohnbarkeit der alten Wohnung erforderlich sein

Ein Hilfebedürftiger kann grundsätzlich die Kosten für eine neue Unterkunft verlangen, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Hilfebedürftiger die Kosten für Unterkunft und Heizung geltend machte. Der Hilfebedürftige, der an einer Schizophrenie litt, war längere Zeit in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden. Zuvor hatte er im Haus seiner Eltern mietfrei gewohnt und insoweit keine Leistungen von dem zuständigen Job-Center erhalten. Kurz vor seiner Entlassung aus der Klinik beantragte er die Kostenübernahme für eine neue Wohnung, die er anmieten wollte. Die frühere Wohnung sei völlig vermüllt. Außerdem liege die neue Wohnung in der Nähe des Sozialdienstes, von dem er nach seiner Entlassung betreut werde. Das Job-Center lehnte die Kostenübernahme ab; der Mietvertrag wurde dennoch unterschrieben.

Das LSG bestätigte nun eine Entscheidung des Sozialgerichts, in dem dieses das Job-Center im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, Kosten für Unterkunft und Heizung der neuen Wohnung zu übernehmen. Die alte Wohnung sei bereits aus seuchenhygienischen Gründen bedenklich und aus baurechtlichen Gründen nicht bewohnbar. Sie verfüge nicht einmal über eine Toilette. Nach der rheinland-pfälzischen Landsbauordnung müsse aber jede Wohnung mit einer Toilette mit Wasserspülung ausgestattet sein. Dem Hilfebedürftigen sei der Verbleib in einer baurechtswidrigen genutzten Wohnung nicht zumutbar. Bereits hieraus ergebe sich die Erforderlichkeit des Umzugs. Weiter sei unschädlich, dass der Hilfebedürftige vor Vertragsschluss keine Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Wohnung erhalten habe (LSG Rheinland-Pfalz, L 3 ER 120/06 AS).

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Verbraucherrecht


Aktuelle Gesetzgebung: Besserer Schutz vor Hackern, Datenklau und Computersabotage

Das Bundeskabinett hat den Regierungsentwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Computerkriminalität beschlossen. Der Entwurf schließt Regelungslücken vor allem im Bereich des "Hacking", d.h. dem "Knacken" von Computersicherheitssystemen, und der Computersabotage.

Zwar verfügt Deutschland bereits über ein weitreichendes Computerstrafrecht. Mit den Straftatbeständen des Computerbetrugs, der Fälschung beweiserheblicher Daten und der Datenveränderung existieren Vorschriften, die dem internationalen Standard vollständig entsprechen. Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie führt jedoch immer wieder zu neuen kriminellen Gefahren und Missbrauchsmöglichkeiten. Straftäter greifen moderne Informationssysteme mit Computerviren, Würmern und Denial-of-Service-Attacken an und verursachen weltweit erhebliche Schäden. Der Gesetzesentwurf soll nun entsprechende Lücken im deutschen Strafrecht schließen.

Der Regierungsentwurf setzt den EU-Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme sowie das Europarat-Übereinkommen über Computerkriminalität in nationales Recht um:

  • Künftig soll bereits der unbefugte Zugang zu besonders gesicherten Daten unter Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen unter Strafe gestellt werden. Ein Verschaffen von Daten wird nicht mehr erforderlich sein. Damit wird klargestellt, dass "Hacking" strafbar ist.

  • Computersabotage ist bisher nur bei Angriffen gegen Betriebe, Unternehmen und Behörden strafbar. Künftig sollen auch private Datenverarbeitungen geschützt werden. Ferner werden Störungen durch unbefugtes Eingeben und Übermitteln von Computerdaten unter Strafe gestellt, um "DoS-Attacken" erfassen zu können, bei denen die Dienste eines Servers durch eine Vielzahl von Anfragen so belastet werden, dass dessen Kapazitäten nicht ausreichen und der Zugang für berechtigte Kontaktaufnahmen mit dem Server blockiert oder erschwert wird. Besonders schwere Fälle der Computersabotage können künftig mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft werden.

  • Das Sichverschaffen von Daten aus einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung einer Datenverarbeitungsanlage soll unter Strafe gestellt werden.

  • Besonders gefährliche Vorbereitungshandlungen zu Computerstraftaten werden künftig strafbar sein. Sanktioniert wird insbesondere das Herstellen, Überlassen, Verbreiten oder Verschaffen von "Hacker-Tools", die bereits nach Art und Weise ihres Aufbaus darauf angelegt sind, illegalen Zwecken zu dienen.

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Vereine: Verkehrssicherungspflicht bei Sportveranstaltungen mit Kindern

Bei Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen ist eine besondere Sorgfalt erforderlich. Der Veranstalter muss davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche dazu neigen, Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten.

Deswegen haftet ein Veranstalter auch, wenn sich ein Kind beim Spielen in der Unterkonstruktion einer Tribüne verletzt, so das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken in einer aktuellen Entscheidung. Es sei Aufgabe des Veranstalters gewesen, die seitlichen Öffnungen der Tribüne zu verschließen, weil das Geflecht von Stangen in verschiedenen Höhen und der Höhlencharakter des Bauwerks geradezu eine Einladung zum Spielen dargestellt habe.

Hinweis: Der Verweis auf die Aufsichtspflicht der Eltern greife nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall nicht. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass jüngere Kinder längere Zeit ruhig auf einer Bank am Spielfeldrand sitzen bleiben. Außerdem könne der Veranstalter nicht erwarten, dass alle in der Halle anwesenden Kinder in der Begleitung einer Aufsichtsperson erscheinen (OLG Saarbrücken, 4 UH 711/04).

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Gewalt auf Schulhof: Schüler erhält Schmerzensgeld für wochenlange Misshandlungen

Wird ein Schüler über einen längeren Zeitraum von Mitschülern misshandelt, kann er einen Anspruch auf Schmerzensgeld haben.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg und sprach dem Opfer einen Betrag von 4.000 EUR zu. Die Beklagten - zwei Jungen und zwei Mädchen - waren zur Zeit der Vorfälle zwischen 11 und 13 Jahre alt. Sie drängten ihr 11-jähriges Opfer jeweils in den großen Pausen an den Rand des Schulhofs, um von den aufsichtführenden Lehrern nicht gesehen zu werden. Dort hielten sie den Jungen fest und traten und schlugen auf ihn ein. Dabei vermieden sie Schläge ins Gesicht, um keine Spuren zu hinterlassen. Ein Ende fanden die täglichen Misshandlungen erst nach fast zwei Monaten, als die Eltern des Geschädigten dessen nachlassende Schulleistungen bemerkten und ihn zur Rede stellten. Der Schüler trug Blutergüsse und Schürfwunden an beiden Armen und Beinen davon. Er musste sich wegen einer depressiven Verstimmung und einer Angsterkrankung in psychiatrische Behandlung begeben.

Das OLG entschied, dass die Täter neben der Zahlung von Schmerzensgeld auch zum Ersatz eventueller zukünftiger Schäden verpflichtet seien. Die Richter betonten in ihrer Entscheidung, dass nicht nur die aktiven Schläger für die Verletzungen haften würden. Verantwortlich seien auch die Schüler, die die Haupttäter psychisch unterstützt hätten, indem sie mit ihnen während der Misshandlungen in einer Runde standen. Es bestehe kein Zweifel, dass die Täter trotz ihres geringen Alters für die Verletzungen zivilrechtlich verantwortlich seien. Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgelds hat das Gericht eine sorgfältige Abwägung aller Umstände vorgenommen und dabei auch das Alter der Beklagten berücksichtigt (OLG Oldenburg, 6 U 51/06).

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Reiserecht: Bei angekündigtem Wirbelsturm kann die Reise gekündigt werden

Der Reisende hat ein Kündigungsrecht wegen nicht voraussehbarer höherer Gewalt, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das schädigende Ereignis (zum Beispiel Wirbelsturm) eintreten wird. Eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich. Medienberichte, wonach das Reiseziel Kuba zwischen zwei Wirbelstürmen liege und sich auf Kuba 620.000 Menschen auf der Flucht befänden, berechtigen zum Beispiel zur Kündigung des Reisevertrags (AG Neuwied, 4 C 27/06).

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Jagdrecht: Darf Jagdschein eingezogen werden, wenn Jäger Hund statt Wildschwein erschießt?

Ein Jäger, der meint, auf ein Wildschwein zu zielen, stattdessen aber einen Hund erschießt, verliert seinen Jagdschein.

Diese Entscheidung der Jagdbehörde bestätigte nun das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt. Im entschiedenen Fall hatte ein Jäger im August gegen 20.35 Uhr aus einer Entfernung von ca. 70 Metern einen Mischlingshund auf einem Wiesengelände erschossen. Der Hund gehörte einem Ehepaar, welches einen nahe gelegenen landwirtschaftlichen Hof bewirtschaftete. Die Frau arbeitete gerade in einem der Wiese benachbarten Maisfeld. Wegen dieses Vorfalls erklärte die Jagdbehörde den Jagdschein für ungültig und zog ihn ein. Für die Wiedererteilung wurde zudem eine Sperrfrist von drei Jahren festgesetzt.

Hiergegen erhob der Jäger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage und machte geltend, dass er den Hund in der fortgeschrittenen Dämmerung wegen seines dunklen Rückens für ein Wildschwein gehalten habe. An der betreffenden Stelle seien zudem Saufährten vorhanden gewesen. Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Einziehung des Jagdscheins sei zu Recht erfolgt. Der Jäger habe eine grundlegende Jagdpflicht in erheblicher Weise verletzt. Es handele sich dabei um die Pflicht, vor der Schussabgabe eine eindeutige Identifizierung des Tieres vorzunehmen. Sein Verhalten lasse ein solches Maß an Unverantwortlichkeit erkennen, dass berechtigte Zweifel daran bestünden, ob er bei der Ausübung der Jagd Waffen mit der erforderlichen Vorsicht führe (VG Neustadt, 4 K 758/06.NW).

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Verkehrsrecht


Mitverschulden: Keine Helmpflicht für minderjährigen Fahrradfahrer

Einem knapp elf Jahre alten Jungen fällt kein Mitverschulden zur Last, wenn er auf einem privaten Garagenhof abseits der Straße auf einem BMX-Rad fährt, ohne einen Schutzhelm zu tragen.

Mit dieser Entscheidung kippte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eine Entscheidung der Vorinstanz. Diese hatte über den Fall eines knapp elfjährigen Jungen zu entscheiden, der beim Radeln auf einem privaten Garagenhof von einem Kleintransporter erfasst und erheblich verletzt worden war. Die Vorinstanz hatte im Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden gesehen und den Jungen - auch unter Berücksichtigung einer unvorsichtigen Fahrweise - mit einer Quote von 50 Prozent belastet.

Das OLG hat den Jungen nun von einer Mithaftung wegen des Nichttragens eines Helms freigestellt. Maßgebend dafür seien die besonderen Umstände des Streitfalls, insbesondere das jugendliche Alter und der Unfallort außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs.

Hinweis: Die LG-Entscheidung, die bundesweit beträchtliche Publizität erlangt hat, mögen viele begrüßen. Dass Rad fahrende Kinder einen Helm tragen, ist zwar wünschenswert. In der Annahme einer Rechtspflicht ist jedoch weiterhin Zurückhaltung geboten (OLG Düsseldorf, I-1 U 9/06).

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Handy-Benutzung: Auch das Ablesen einer Telefonnummer ist beim Fahren verboten

Eine verbotene Benutzung eines Mobiltelefons durch einen Fahrzeugführer liegt auch vor, wenn der Fahrer das Handy während der Fahrt in die Hand nimmt, um vom Display des Telefons eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen.

Mit dieser Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein Urteil des Amtsgerichts Schwerte, das den Fahrer zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 100 Euro verurteilt hatte. Der Führer einer Sattelzugmaschine mit Anhänger hatte während der Fahrt sein privates Mobiltelefon in die Hand genommen, um auf diesem eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Dies wollte er sodann in das ebenfalls im Fahrzeug vorhandene dienstliche Mobiltelefon mit Freisprecheinrichtung eingeben. Nach Ansicht des OLG stelle dies einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung dar. Danach sei einem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnehme oder halte. Nach ständiger Rechtsprechung des OLG umfasse ein "Benutzen" im Sinne der genannten Vorschrift sämtliche Bedienfunktionen des Mobiltelefons, somit also auch das Ablesen einer gespeicherten Notiz (OLG Hamm, 2 Ss OWi 402/06).

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Entziehung der Fahrerlaubnis: Aufhebung der vorläufigen Entziehung

Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann zwei Jahre nach einer Trunkenheitsfahrt aufgehoben werden, wenn der im Verfahren ergangene Strafbefehl dem Angeklagten trotz bekannten Wohnsitzes im EU-Ausland nicht zugestellt werden kann und nicht absehbar ist, ob und wann die Zustellung erfolgen wird.

Mit dieser Entscheidung liegt das Amtsgericht (AG) Lüdinghausen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, nach der die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei langem Zeitablauf aufzuheben ist. Allerdings halten viele Gerichte bereits deutlich kürzere Fristen für ausreichend, als sie hier das AG Lüdinghausen angenommen hat (z.B. OLG Hamm für 10 Monate). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert eine beschleunigte Erledigung von Verfahren, in denen es um die Entziehung der Fahrerlaubnis geht (AG Lüdinghausen, 16 Cs 62 Js 1349/05 -123/04; OLG Hamm, 2 Ws 304/01; BVerfG, 2 BVR 401/05).

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Absehen vom Fahrverbot: Kein Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer

Liegt ein Zeitraum von 15 Monaten zwischen der Tat und der Hauptverhandlung und hat der Angeklagte in dieser Zeit ohne weitere Beanstandungen am Straßenverkehr teilgenommen, kommt ein Absehen vom Regelfahrverbot in Betracht.

Mit dieser Entscheidung "rettete" das Amtsgericht (AG) Bensheim den Führerschein eines Autofahrers. Es verwies dabei auf die Rechtsprechung der Obergerichte. Danach könne ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr verhängt werden, wenn ein langer Zeitraum zwischen dem Verkehrsverstoß und der Ahndung liege. Üblicherweise werde das ab einem Zeitraum von zwei Jahren angenommen. Allerdings habe das Oberlandesgericht (OLG) Hamm schon vor einiger Zeit einen Zeitraum von rund 22 Monaten für ausreichend erachtet. Das AG Bensheim hat diese Grenze jetzt noch weiter gesenkt (AG Bensheim, 8229 Js 22570/05 5 Ds IX; OLG Hamm, 2 Ss 112/04).

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Führerscheinentzug: Ausländische Fahrerlaubnis kann entzogen werden

Die nach der Entziehung einer deutschen Fahrerlaubnis in Tschechien erworbene Fahrerlaubnis kann entzogen werden, wenn der Betroffene ein berechtigterweise angefordertes Gutachten über seine Fahreignung nicht vorgelegt hat.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Autofahrers, der nach Ablauf der vom Amtsgericht wegen drei Trunkenheitsfahrten verhängten Sperrfrist in Tschechien eine Fahrerlaubnis erworben hatte. Bei einer Verkehrskontrolle fiel der Antragsteller mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,4 Promille auf dem Fahrersitz seines auf einem Gehweg abgestellten Fahrzeugs auf. Dass er das Fahrzeug auch gefahren hatte, konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Da er das daraufhin von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung nicht vorgelegt hatte, entzog ihm die Straßenverkehrsbehörde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis. Den hiergegen begehrten vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht ab.

Das OVG bestätigte nun diese Entscheidung. Da der Autofahrer die Vorlage eines Gutachtens über seine Fahreignung verweigert habe, sei er als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen. Obwohl er nicht beim Fahren seines Kraftfahrzeugs angetroffen worden sei, sei das Eignungsgutachten zu Recht gefordert worden. Es bestünden Zweifel, ob er zwischen Alkoholkonsum und Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr trennen könne. Die Blutalkoholkonzentration von 2,4 Promille weise auf eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des aus beruflichen Gründen regelmäßig am Straßenverkehr teilnehmenden Antragstellers hin. Deshalb sei zu befürchten, dass er an einer dauerhaften, ausgeprägten Alkoholproblematik leide und zur Risikogruppe der überdurchschnittlich alkoholgewohnten Kraftfahrer gehöre, die im Straßenverkehr doppelt so oft auffällig würden wie andere Personen. Hinzu komme, dass er bereits vor der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis mit drei Trunkenheitsfahrten aufgefallen sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei schließlich auch nicht unverhältnismäßig, weil der Antragsteller auf sie zur Erreichung seines Arbeitsplatzes angewiesen sei. Vielmehr gehe der Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern den Interessen des einzelnen Autofahrers vor (OVG Rheinland-Pfalz, 10 B 10734/06.OVG).

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Abschließende Hinweise


Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 beträgt 1,95 Prozent.
Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,95 Prozent

  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 4,45 Prozent

  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 9,95 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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