Der Fall Somm (CompuServe) Teil 3

Details zum Urteil

  • Amtsgericht München
  • Urteil/Artikel
  • vom 28.07.1998
  • Aktenzeichen 8340 Ds 465 Js 173158/95
  • Abgelegt unter IT-Recht, Strafrecht

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  1. Das Urteil

Unser fünfteiliger Artikel

  • Teil 1: Urteil des Amtsgerichts München und weitere Quellen zum Fall
  • Teil 2: Fortsetzung
  • Teil 3: Fortsetzung
  • Teil 4: Fortsetzung
  • Teil 5: Unsere Anmerkung zum Urteil

Das Urteil

IV.

2. Der Angeklagte hat sich darüber hinaus eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gemäß §§ 3 Abs. l Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Gj S, 14 Abs. l Nr l. 52 StGB schuldig gemacht. Denn er hat in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen fahrlässig handelnd eine Schrift, deren Aufnahme in die Liste bekanntgemacht ist, an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich gemacht.

A.

Die Voraussetzungen gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. l Nr. 2, Abs..3 GjS liegen vor

1. Bezüglich des Schriftenbegriffs ergeben sich keine Unterschiede zu den Ausführungen des § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Auch hier hat der Gesetzgeber durch die Änderung von § 1 Abs. 3 GjS klargestellt, daß Datenspeicher Schriften gleichstehen (Art. 6 Nr. 2 IuKDG).

Die auf dem eigenen Rechner von CompuServe USA im Rahmen ihrer Proprietären (eigenen) Dienste abgespeicherten und abrufbaren Computerspiele "Doom", "Heretic" und "Wolfenstein 3 D" stellen eine Gedankenäußerung dar, sind optisch wahrnehmbar und erfüllen das Erfordernis der stofflichen Verkörperung von gewisser Dauer.

2. Die Aufnahme des Spiels "Doom" in die Liste wurde gemäß Bundesanzeiger Nr. 100 vom 31.5 1994, des Spiels "Heretic'' gemäß Bundesanzeiger Nr. 141 vom 29.7.1995 und des Spiels ''Wolfenstein 3 D" gemäß Bundesanzeiger Nr. 20 vom 29.1.1994 bekanntgemacht.

3. Die Zugänglichmachung der Spiele erfolgte an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist. Für diese Personengruppe ist jeder Ort zugänglich, der von ihnen ohne Überwindung rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse betreten werden kann. Hierzu gehören auch Räumlichkeiten, die nur zum Betreten durch einen beschränkten Personenkreis bestimmt sind, wie z.B. die Wohnung, in der die Kinder bzw. Jugendlichen aufwachsen (Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 11).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da sich beim Kundenkreis von CompuServe USA die zur Nutzung erforderlichen Geräte auch in deren Wohnungen befinden, in denen auch Kinder und Jugendliche aufwachsen und damit an einem Ort, der diesen Personen zugänglich ist.

4. Die indizierten Spiele wurden den Kunden von CompuServe USA in Deutschland auch zugänglich qemacht. Für den Begriff des Zugänglichmachens wird auf die Ausführungen zu § 184 Abs. 3 StGB verwiesen.

Die Voraussetzungen des Zugänglichmachens liegen vor.

Denn den Kunden von CompuServe USA in Deutschland wurde durch Bereitstellung auf dem Datenspeicher im Proprietären Angebot der Muttergesellschaft die Möglichkeit eröffnet, diese Spiele abzurufen und sich auf ihrem Bildschirm anzeigen zu lassen.

Das Handeln des Angeklagten war für die Tatbestandsverwirklichung ursächlich, da er die Kunden von CompuServe USA in Deutschland durch Bereitstellung von Einwahlknoten über eine Standleitung mit der Mutter verbunden hat. Ohne diese Verbindung wäre es den Kunden in Deutschland nicht möglich gewesen, den Zugriff auf die proprietären Dateninhalte von CompuServe USA zu erhalten und die von der Muttergesellschaft zur Nutzung bereitgehaltenen Daten auch abzurufen.

Das Handeln des Angeklagten war somit eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für das Zugänglichmachen.

5. Der Angeklagte handelte hierbei fahrlässig.

Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, außer acht laßt und infolgedessen die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussieht (Tröndle, § 45, Rn. 13 m.w N.) .

Der Angeklagte hat dadurch, daß er die Verbindung der Kunden in Deutschland zur Muttergesellschaft herstellte, ohne zu prüfen, ob sich auf den Spielforen indizierte Spiele befinden, gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen.

Als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland wäre er verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die im Bundesanzeiger bekanntgemachten indizierten Spiele zu verschaffen und diese Kenntnis jeweils auf dem neuesten Stand zu halten. Mit Hilfe dieser Liste hätte der Angeklagte sich Kenntnis darüber verschaffen müssen, ob derartige Spiele von CompuServe USA auf eigenen Foren als eigene Spiele Kunden in Deutschland angeboten werden.

Der Angeklagte war als Geschäftsführer für den Geschäftsbereich in Deutschland verantwortlich. Es fiel in seine Zuständigkeit, darauf zu achten, daß die deutschen Gesetze eingehalten werden.

Es gehörte deshalb zu seinen Sorgfaltspflichten, dafür zu sorgen, daß den Kunden in Deutschland im Proprietären Dienst keine indizierten Spiele angeboten wurden.

Die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten ist von jedem, der in dieser Position in diesem Bereich tätig ist, zu fordern.

Der Angeklagte konnte als für den Geschäftsbereich Deutschland Verantwortlicher auch nicht darauf vertrauen, daß die Muttergesellschaft keine in Deutschland indizierten Spiele zur Nutzung bereithält. Daß sich auf den Spielforen der Muttergesellschaft indizierte Spiele befanden, war für den Angeklagten auch vorhersehbar. Denn aufgrund der damaligen öffentlichen Dis kussion, die sich schwerpunktmäßig mit dem in den Datennetzen in vielfältigen Erscheinungsformen vorhandenen nationalsozialistischen, rassistischen und pornographischen Material beschäftigte, hatten zumindest die im Teledienstehereich verantwortlichen Personen Kenntnis von der Existenz strafbarer Inhalte in Datennetzen (Derksen, NJW 1997, 1878, 1879, 1883 m.w.N.).

In diesem Zusammenhang wurde CompuServe mit dem Spiel "Doom" namentlich als Negativbeispiel benannt (Buschek, PC Professionell, Ausgabe 12795, Artikel "Digitaler als die Polizei erlaubt").

Angesichts dieser zumindest erkennbaren Umstände hätte der Angeklagte damit rechnen müssen, daß indizierte Spiele auch in den eigenen Spielforen als eigene Spiele der Muttergesellschaft angeboten werden.

Die Zugänglichmachung dieser Spiele war auch vermeidbar.

Denn der Angeklagte hätte das Zugänglichmachen der indizierten Spiele durch Unterbrechung der Verbindung zur Mutter bis zur Entfernung der Spiele aus den Spielforen durch die Mutter vermeiden können.

Dieses normgerechte Verhalten war dem Angeklagten als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland, der zur Einhaltung der deutschen Gesetze verpflichtet ist, auch zumutbar.

B.

Die Verantwortlichkeit des Angeklagten wird durch § 5 Abs. 2, 3 TDG nicht eingeschränkt. Denn gemäß § 5 Abs. 1 TDG sind Diensteanbieter für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 TDG liegen, wie bereits ausgeführt, nicht vor. Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 TDG kommt nicht in Betracht, da nicht fremde, sondern eigene Inhalte zur Nutzung bereitgehalten werden.

Zwar handelt es sich bei den drei Computerspielen um von Dritten hergestellte Inhalte. Dies ist jedoch unbeachtlich, denn CompuServe USA hat diese Inhalte auf ihren Foren als eigene Inhalte angeboten, d.h. CompuServe USA hat sich damit den jeweiligen Inhalt dieser Spiele in ihrem Dienstangebot zu eigen gemacht (vgl. BT-Dr. 13/7385, S. 19 f, Zu § 5/Zu Absatz 1, Zu Absatz 2).

V

Der Angeklagte hat folgende Beweisanträge hilfsweise für den Fall der Verurteilung gestellt:

A.

Allgemeines (insbesondere Speicherung der Daten und Trennung der beiden Firmen)

1. Für die Tatsache:

Der Angeklagte, Mitarbeiter der Deutschen Firma CompuServe GmbH und/oder diese Firma war(en) nicht Urheber der in der Anklage genannten Bilder und Texte und haben sich diese auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr stammen die in den Anklagepunkten II.1 (Newsgroups) bezeichneten Bilder und Texte von unbekannten Dritten Personen, die in den Anklagepunkten 11.2 und 3 (Foren) bezeichneten Daten stammen von fremden Informartionsanbietern, die mit der amerikanischen Firma CormpuServe Inc. einen Informationsanbietervertrag geschlossen (und sich darin zur Einhaltung aller gesetzlicher usw Regelungen verpflichtet) hatten.

Beweis:

a) Zeugenvernehmung des ehemaligen Mitarbeiters der deutschen CompuServe GmbH ... sowie der ehemalige Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe inc. ... und .... , Adressen bereits benannt.

b) Verlesung eines - beispielhaft ausgewählten - Service-Vertrages als Urkunde in der Anlage l.b

c) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ..., Adresse bereits benannt

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die deutsche CompuServe GmbH nicht unter § 5 Abs. 1 T DG fallt (vgl, dazu die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. Sieber vom 4. Juli 1997, S. 28 f, 31 ff.).

2. Für die Tatsache:

Die in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte waren niemals auf Rechnern gespeichert, die der deutschen CompuServe GmbH gehörten oder die von ihr beherrscht wurden; die deutsche Firma CompuServe GmbH hat über ihre Datenleitungen allenfalls den Zugriff auf diese - in anderen Rechnersystemen gespeicherten - Bilder und Daten ermöglicht:

Beweis:

a) Zeugnis wie oben 1.a

b) Inaugenscheinnahme der technischen Skizzen "Network Access-Services", "Global Internet Infrastructure" und Internet Peering Backbone '97" sowie des Technischen Handbuchs CompuServe X 25 Reference Guide in der Anlage 2

c) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ...., Adresse bereits benannt.

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die deutsche CompuServe GmbH nicht unter §5 Abs. 2 TDG fällt (vgl. dazu auch das Gutachten des bereits vernommenen sachverständigen Zeugen ..., Gutachten Nr. 41-461/6-40/96-95, VI 10 des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 05. Màrz 1996, S. 4-10 und 20 (von der Staatsanwaltschaft nachträglich zu den Gerichtsakten gegeben) sowie die Einzelheiten im Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 28 f., 31 ff.).

3. Für die Tatsache:

Die deutsche CompuServe GmbH und die amerikanische CompuServe Inc. sind selbständige Gesellschaften.

Der Angeklagte hatte als Geschäftsführer der deutschen CompuServe GmbH keinerlei rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf Organe und Mitarbeiter der amerikanischen Muttergesellschaft CompuServe Inc. und konnte diese insbesondere nicht zur Löschung oder Sperrung von Daten (Anklagepunkit II.1, 2 und 3) oder zum Abschluß oder zur Kündigung der Informationsanbieterverträge (Anklagepunkte II.2 und 3), zur Änderung ihrer Netzwerkarchitektur, zur Änderung der Zugangssoftware von Kunden der CompuServe Inc. oder zu sonstigen Investitionen im Bereich der CompuServe Inc. zwingen.

Beweis:

a) Verlesung von Einleitung und Ziff. I und II (S. 1-4) der Urkunde der Notare ... und ... vom 21.12.1993 sowie von § 5 der beigefügten Satzung der deutschen CompuServe GmbH (Anhang S. 3) in der Anlage 3.b.

B)

Zeugnis von ... und ..., bereits benannt.

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß zwischen den Gesellschaften CompuServe GmbH und CompuServe Inc. keine wirtschaftliche Einheit bestand mit der Folge, daß Verpflichtungen der amerikanischen CompuServe Inc. (insbesondere gemäß §§ 13, 14 StGB und § 5 Abs. 2 TDG) nicht auf Herrn Somm überbürdet werden können und daß auch keine Einwirkungsmöglichkeit von Herrn Somm auf die Geschaftsführung der amerikanischen CompuServe Inc angenommen werden kann (vgl zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof Dr. Sieber, S. 26 ff, 30 ff, 33 f.).

Die Beweistatsache belegt auch, daß Herr Somm keine Kontrollmaßnahmen (z.B Aufbau eines Parallelrechenzentrums) vornehmen konnte, die aus technischen oder rechtlichen Gründen eine Mitwirkung der amerikanischen CompuServe Inc erforderten.

Die Beweistatsache führt weiter dazu, daß keine Beherrschung und Steuerung von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. durch Herrn Somm im Sinne der mittelbaren Täterschaft unterstellt werden kann.

B. Vorgänge im Bereich der deutschen CompuServe GmbH (strafrechtliche Unterstützungshandlung) :

4. Für die Tatsache:

Die deutsche CompuServe GmbH hat ebenso wie andere Access-Provider in mindestens 99,9% ihres Datenaufkommens (sowohl bezogen auf das Gesamtdatenaufkommen als auch auf das Datenaufkommen der Newsgroups) den Zugang zu rechtmäßigen Inhalten (z.B. informativen Newsgroups, Geschäftsdaten zahlreicher renommierter Firmen, Behördendaten, Zeitungsarchiven, Wirtschaftsinformationen, Fahrplänen) vermittelt.

Falls die in der Anklage genannten Bilder und Texte zu den genannten Zeitpunkten tatsächlich über Netzknoten der deutschen CompuServe GmbH beschafft wurden, so handelte es sich hierbei um die geringe Zahl der in offenen Datennetzen üblichen Ausnahmefälle, in denen strafbare Inhalte in einem ansonsten rechtmäigen, sowie sozial nützlichen internationalen Datenverkehr und seiner wirtschaftlich und sozial wünschenswerten Infrastruktur üblicherweise zu finden sind.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben l.a

b) Inaugenscheinnahme von beispielhaften Informationsangeboten der amerikanischen CompuServe Inc. in der Anlage 4 b

c) Verlesung von Ziff. B.I-III und IV 4 (S. 5-9, 13-14) der Erklärung der Expertengruppe der Forschungsminister der G7-Staaten (Carnegie-Group) vom 17 10.1997 in der Anlage 4.c

d) Verlesung der Seite 65 (2 Hälfte) des Berichts Hochschulnetze in Bayern, herausgegeben vom Bayerischen Kultusministerium, 1997, in der Anlage 4.d

e) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverstandigengutachen von ..., Adresse bereits benannt

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittätarschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herr Somm sich im Rahmen der durch §5 Abs 3 TDG für straflos erklärten normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr Sieber, S 70 ff, 35 sowie ergänzende Stellungnahme vom 30 Oktober 1997, S 3 ff ).

5. Für die Tatsache:

Der Angeklagte nahm keinerlei aktive Handlungen vor, die eine Verbreitung der von der Staatsanwaltschaft möglicherlweise festgestellten rechtswidrigen Inhalte unterstützte. Er nahm insbesondere auch keine Handlungen vor, die über den rechtmäßigen und/oder sozial üblichen Betrieb eines Access-Providers hinausgehen, der durch § 5 Abs. 3 TDG nunmehr auch ausdrücklich für straffrei erklärt ist.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben l a .

b) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachen von ..., Adresse bereits benannt

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittäterschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herr Somm sich im Rahmen der durch §5 Abs 3 TDG für straflos erklärten normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr Sieber, S 70 ff, 35 sowie ergänzende Stellungnahme vom 30 Oktober 1997, S 3 ff ).

6. Für die Tatsache:

Der Angeklagte unternahm im Gegenteil alles ihm Mögliche und Zumutbare, um den Abruf möglicher strafbarer Inhalte über die Vermittlungsrechner der deutschen CompuServe GmbH und/oder über die Server der amerikanischen CompuServe Inc. Zu verhindern. Für die Entwicklung von Kinderschutzprogrammen und -maßnahmen wurden von der deutschen CompuServe GmbH 1996/97 weit über 1 Million DM investiert.

Soweit der Angeklagte Kenntnis von strafbaren Inhalten erhielt, die sich möglicherweise auf den Servern der amerikanischen CompuServe Inc. beanden, teilte er den entsprechenden Sachverhalt mit der nachdrücklichen Bitte um entsprechende Sperrung oder Löschung den Verantwortlichen der amerikanischen Firma CompuServe Inc. sofort mit.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben 1.a

b) Verlesung der folgenden beispielhaft ausgewählten Dokumente in Anlage 6.b über Aktivitäten der deutschenFiremen CompuServe GmbH und der amerikanischen CompuServe Inc. Zur Verbesserung des Schutzes gegen jugendgefährdende Inhalte:

aa) Dokument "CompuServe unterstützt die Initiative 'Schulen ans Netz'"

bb) Dokument "Prädikat exzellent für Cyberpatrol, CompuServes Kindersicherung"

cc) Dokument "PICS, die Kindersicherung für's Internet, Filtersoftware für den Jugendschutz"

dd) Dokument "CompuServe, die ganze Welt per Tastendruck, CompuServe stellt Parental Controls

Tools vor." Presseerklärung Nr. 06/1996 ee) Dokument "Neu Netscape ...-Cyberpatrol Ihre elektronische Kindersicherung"

ff) Vollmacht von Herrn Felix Somm für Herrn ... zur Anmeldung zum Rating-System des RSACI (vermutlich August 1996) gg) Kostenaufstellung Aufwendungen der CompuServe GmbH über Kinderschutzprogramme" nebst zugehörigen Rechnungen

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittäterschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herrn Somm sich im Rahmen der durch § 5 Abs. 3 TDG für straflos erklären normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 36 ff, 43, 44 ff, 46 f sowie ergänzende Stellungnahme vom 20. Oktober 1997, S. 9 ff.)

7. Für die Tatsache:

Die deutsche CompuServe GmbH und der Angeklagte hatten in dem von der Firma CompuServe Inc. und ihren zahlreichen ausländischenTochterunternehmen betriebenen konkreten Netzwerk zum Zeitpunkt der in der Anklage vorgeworfenen Handlungen/Unterlassungen keine (zumutbare) technische Möglichkeit, die Übertragung der in der Anklageschrift genannten Bilder und Dateien (z.D. durch sogenannte Firewalls) zu blockieren. In dem konkret betriebenen Netzwerk (X.25) waren weder News oder Newsgroups aus dem Internet noch Dateien aus dem proprietären Angebot der CompuServe Inc. (Foren) filterbar. Der Aufbau von entsprechenden Kontrollmaßnahmen - insbes. eines deutschen Parallelrechenzentrums mit eigenen Newsservern oder entsprechenden Speichern der CompuServe GmbH - war in dem konkreten Netzwerk zu dem in der Anklageschrift genannten Tatzeitpunkt rechtlich-technisch unmöglich (weil hierzu aus technischen Gründen Mitwirkungshandlungen der CompuServe Inc. erforderlich gewesen wären, welche die CompuServe GmbH nicht erzwungen konnte), know-how-mäßig nicht möglich (weil der CompuServe GmbH die erforderlichen Netzwerkspezialisten nicht zur Verfügung standen), zeitlich unmöglich (weil entsprechende Maßnahmen ein bis zwei Jahre gedauert hätten) sowie wirtschaftlich-technisch unzumutbar (weil Investitionen in Höhe von zweistelligen Millionenbeträgen erforderlich gewesen wären).

Entsprechende Kontrollversuche wären zur Bekämpfung strafbarer Inhalte auch sinnlos gewesen, weil die entsprechenden Inahalte den deutschen Nutzern aufgrund einfacher Möglichkeiten der Umgehung der Firewall zugänglich gewesen wären, welche die deutschen Nutzer auf das deutsche Parallelrechenzentrum hätte begrenzen und von alternativen Zugriffen (z.B. auf den Newsserver der amerikanischen CompuServe Inc., auf alternative Newsserver oder auf WWW-Server) hätte abschotten müssen. Selbst die Versuche der chinesischenRegierung zu entsprechenden Kontrollmaßnahmen mit tatlitären Mitteln sind wirkungslos.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben 1. a, inbes. des sachverständigen Zeugen ... (der die in Deutschland liegenden Teile des X.25-Netzwerkes mit aufgebaut hat)

b) Verlesung des Gutachtens Nr. 41-461/6-40/96-95 VI 10 des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 5. März 1996, bereits bezeichnet, S. 10-21

c) Verlesung des von der Verteidigung bereits (am 19.05.1998) zu den Gerichtsakten gegebenen Dokuments "Technischer Überblick über die Infrastruktur der CompuServe GmbH und der CompuServe Inc." sowie Inaugenscheinnahme des X.25-Reference Guide wie oben 2.b

d) Verlesung des Schreibens der Global Internet Liberty Campaign (23 führende amerikanische Internet-Firmen und Organisationen) an Bundeskanzler Kohl vom 23.04.1997 in der Anlage 7.d

e) Verlesung eines kritischen Presseberichts über die - dem Angeklagten noch nicht zur Verfügung stehende - neueste Entwicklung des Filtersystems "Perkeo" in der Anlage 7.e

f) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ..., Adresse bereits benannt, wobei

aa) dem Sachverständigen die nachfolgend genannten Dokumente zur Verfügung zu stellen sind: Dokument wie oben Ziffer 7.b, 7.c, 7.d, 7.e, Gutachten von Prof. Dr. Sieber in dem vorliegenden Ermittlungsverfahren vom 4. Juli 1997, ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Sieber vom 20. Oktober 1997 sowie Einlassung von Prof. Dr. Sieber für den Angeschuldigten Felix Somm vom 12.05.1998 (alle bereits bei den Gerichtsakten)

bb) und der Sachverständige an der Vernehmung der oben Ziffer 1.a uns 7.a genannten Zeugen (insbes. des sachverständigen Zeugen...) zu beteiligen ist.

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift geforderten Filtermaßnahmen - auch im Sinne von § 5 TDG - technisch nicht möglich und zumutbar waren (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Seiber, S. 31 ff., 81 ff.).

8. Für die Tatsache:

Die in der Anklage genannten Artikel aus den Newsgroups des Internet hätten über jeden der in Deutschland z.Zt. tätigen ca. 300 Access-Provider oder aber - auch nach Sperrungen im Newsdienst - über andere Echtzeitdienste (z.B. WWW, FTP, Telnet) in genau gleicher Weise beschafft werden können.

Beweis:

a) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ..., Adresse bereits benannt, wobei der Sachverständige die nachfolgend genannten Dokumente 8.b einsehen und dem Gericht erläutern soll.

b) Inaugenscheinnahme von verschiedenen Computerausdrucken in der Anlage 8.b, die den einfachen Vorgang des Zugriffs auf einen anderen Newsserver zeigen:

aa) Im Internet erhältliche Liste mit einer Auswahl von öffentlich zugänglichen Newsservern (einschließlich Angaben zur Zahl der geführten Newsgroups, der Zugriffsgeschwindigkeit und der höchsten Anzahl von Newsartikeln in der Newsgroup)

bb) Bildschirmfenster für den einfachen Eintrag eines neuen Newsservers

cc) Bildschirmfenster zur Auswahl eines von mehreren eingetragenen Newsservern

dd) Zwei identische Ausdrucke der beispielhaft ausgewählten News "Birthday Help", von denen der eine vom Server der amerikanischen CompuServe Inc. stammt und der andere von dem beispielhaft ausgewählten Server 195.204.199.88 (wobei aus den Ausdrucken nicht erkennbar ist, von welchen Servern sie abgerufen wurden).

c) Inaugenscheinnahme von entsprechenden Ausdrucken pornographischer Bilder, die z.B. über das Leibniz-Rechenzentrum von der BayerischenAkademie der Wissenschaften oder über das Bayerische Bürgernetz abgerufen werden können (im Hinblick auf die mögliche strafrechtliche Relevanz der Inhalte erfolgt die Vorlage entsprechender Daten nur bei Aufforderung durch das Gericht)

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß aufgrund der Wirkungslosigkeit von entsprechenden Sperrmaßnahmen keine hohen Anforderungen and die Zumutbarkeit von Handlungen des Providers gestellt werden dürften, falls man - entgegen § 5 Abs. 3 TDG - eine Handlungspflicht von ihm annehmen würde (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 12).

9. Für die Tatsache:

Der Angeklagte hatte im tatrelevanten Zeitraum keine Kenntnis von den in der Anklage genannten Bildern, Texten und News sowie von den Newsgroups oder Speicherorten dieser Daten. Er konnte diese Inhalte auch nicht kennen.

Mit dem Newsreader der Zugangssoftware der Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. konnte er sich diese Bilder auch gar nicht anzeigen lassen. Die Existenz eines Spieleforums "Hot Games" kannte er nicht und konnte er in der Masse der Zehntausenden in den Foren der CompuServe Inc. gespeicherten Spiele auch nicht kennen; entsprechendes gilt für die in der Anklageschrift Ziffer II.2 und 3 genannten Spielenamen.

Er ging davon aus, daß bei der amerikanischen CompuServe Inc. alle strafbaren Inhalte sofort nach Bekanntwerden gelöscht oder gesperrt wurden und daß die amerikanische CompuServe Inc. alle technisch möglichen Maßnahmen zur Verhinderung rechtswidriger Inhalte unternahm.

Er hatte keinen Anlaß zu weitergehende Sperraufforderungen an die amerikanische CompuServe Inc., als von ihm vorgenommen, und er hatte insbesondere keinen Anlaß zum Aufbau eines eigenen Parallelrechenzentrums mit Newsservern in Verbindung mit entsprechenden Firewalls zwecks Behinderung eines Zugriffs auf strafbare Inhalte.

Erst im Jahre 1997 entstanden bei dem Angeklagten - vor allem aufgrund der Einsicht in die Akte des vorliegende Strafverfahrens - Zweifel an der erfolgreichen Sperrung strafbarer Inhalte durch die amerikanische CompuServe Inc. Er wiederholte daraufhin sein Drängen auf wirksame Schutzmaßnahmen gegen rechtswidrige Inhalte und kündigte schließlich seinen Arbeitsvertrag mit der deutschen CompuServe GmbH.

Beweis:

wie oben 1.a und 6. b

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß der Angeklagte keinen Vorsatz bezüglich einer rechtswidrigen Handlung eines Mitarbeiters der amerikanischen CompuServe Inc. sowie bezüglich einer entsprechenden Unterstützungshandlung hatte und ihm auch kein entsprechender Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 34 f, 43, 46 f, 107 f.)

10. Für die Tatsache:

Die Ermittlungsbehörden machten dem Angeklagten ab Dezember 1995 keine konkreten Mitteilungen über strafbare Inhalte, die über den Netzknoten der deutschen Firmen CompuServe GmbH abgerufen werden konnten.

Wenn die Ermittlungsbehörden die ihnen ab Ende 1995 bekannt gewordenen und in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte dem Angeschuldigten bekannt gegeben oder ihn über einen eventuellen Befall der zunächst nicht mit Kinderpornographie infizierten Newsgroups in der Liste mit 282 Newsgroups informiert hätten, so wären die Bilder und Texte - ebenso wie die strafbaren Inhalte in der Ende 1995 übergebenen Liste mit 282 Newsgroups - bei der amerikanischen CompuServe Inc. sofort gelöscht worden.

Beweis:

Zeugnis wie oben 1.a

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß der Angeklagte alle ihm möglichen und zumutbaren Handlungen zur Verhinderung rechtswidriger Inhalte unternahm und daß eine eventuelle Verantwortlichkeit für das weitere Angebot dieser Inhalte eher bei den Beamten der bayerischen Kriminalpolizei als bei dem Angeklagten lagen (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 36 ff., 43, 44 ff., 46 f.)

11. Für die Tatsache:

Die in der Anklageschrift genannten strafbaren Bilder waren zum Tatzeitpunkt mit der Zugangssoftware (Newsreader im CompuServe Information Manager) der amerikanischen Firma CompuServe Inc. überhaupt nicht abrufbar, da diese einen Download von Bildern nicht ermöglichte.

Die Bilder konnten nur deswegen ausgedruckt werden, weil die Ermittlungsbehörden die Zugangssoftware der amerikanischen Firma CompuServe Inc. gegen eine andere Zugangssoftware austauschten.

Dieser Austausch war bei der Erstinstallation aufgrund der Besonderheiten des Computernetzes der amerikanischen CompuServe von einem Nutzer nur mit einem nicht unerheblichen Aufwand und Fachwissen durchführbar. Der Austausch war in jedem Fall sehr viel aufwendiger als eine alternative Beschaffung der angeklagten Inhalte z.B. von anderen Newsservern.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben 1.a

b) Zeugnis von ...

c) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ..., Adresse bereits benannt, dem von der Verteidigung die entsprechende Software zur Verfügung gestellt wird.

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß der Angeklagte das Risiko einer Abrufbarkeit der in der Anklageschrift genannten strafrechtlich relevanten Daten nicht gesteigert, sondern vermindert hat (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 26.)

C.

Vorgänge im Bereich der amerikanischen CompuServe Inc. (vorsätzliche rechtswidrige Haupttat im Sinne der Beihilfe oder Mittäterschaft)

12. Für die Tatsache:

Die amerikanische CompuServe Inc. und/oder deren Mitarbeiter waren ebensowenig wie die deutsche CompuServe GmbH und/oder der Angeklagte Urheber der in der Anklage genannten Bilder und Texte und haben sich diese auch nicht zu eigen gemacht. Die in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte stammen vielmehr von unbekannten dritten Personen.

Beweis:

Zeugnis wie oben 1.a, 1.b, 1.c

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die amerikanische CompuServe Inc. ebensowenig wie die deutsche CompuServe GmbH Urheber der in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte war und damit nicht unter § 5 ABS.. 1 TDG fällt (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 28. f.)

13. Für die Tatsache:

Die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. hatten von den in der Anklage genannten Bilder und Dateien sowie den sie enthaltenden Newsgroups oder ihren Speicherorten keine (wie von § 5 Abs. 2 TDG geforderte) positive Kenntnis und auch keinen entsprechenden Eventualvorsatz.

Beweis:

Zeugnis wie oben 1.a

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. keine - dem Angeklagten im Wege der Beihilfe oder Mittäterschaft zurechenbare - Straftat begingen (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 36 ff., 43, 44 ff.).

14. Für die Tatsache:

Die Mitarbeiter er amerikanischen CompuServe Inc. löschten die in der Anklage genannten Bilder und texte - falls diese auf ihren Servern gespeichert waren - nur wegen fehlender Kenntnis nicht. Sie konnten aufgrund der massenhaften Informationsangebote im Internet und im proprietären Dienst sowie aufgrund des raschen Wechsels der Inhalte in den verschiedenen Newsgroups diese Inhalte auch nicht löschen.

Wenn im Einzelfall objektiv bestehende Löschungsmöglichkeiten nicht durchgeführt wurden, so war dies aufgrund des massenhaften Informationsangebots unvermeidbar.

Beweis:

a) Zeugnis wie oben 1.a

b) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von ..., Adresse bereits benannt.

Begründung:

Die Beweistatsache belegt, daß die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. die in der Anklage genannten Bilder und Texte nur mangels Kenntnis nicht löschten. Das massenhafte Informationsangebot machte eine Löschung aller rechtswidrigen Inhalte unmöglich (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. Sieber, S. 36 ff., 43, 44 ff.).

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