Der Fall Somm (CompuServe) Teil 2

Details zum Urteil

  • Amtsgericht München
  • Urteil/Artikel
  • vom 28.07.1998
  • Aktenzeichen 8340 Ds 465 Js 173158/95
  • Abgelegt unter IT-Recht, Strafrecht

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  1. Das Urteil

Unser fünfteiliger Artikel

  • Teil 1: Urteil des Amtsgerichts München und weitere Quellen zum Fall
  • Teil 2: Fortsetzung
  • Teil 3: Fortsetzung
  • Teil 4: Fortsetzung
  • Teil 5: Unsere Anmerkung zum Urteil

Das Urteil

IV. 

1. 

Der Angeklagte ist schuldig der Verbreitung pornographischer Schriften in dreizehn rechtlich zusammentreffenden Fällen, begangen in Mittäterschaft gemäß §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52 StGB. 

Er hat pornographische Schriften, die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Mißbrauch von Kindern und sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben, öffentlich zugänglich gemacht. 

Ihm ist als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG, d.h. als vertretungsberechtigtem Organ, das betriebsbezogene deliktische Handeln von CompuServe Deutschland gemäß § 14 Abs. l Nr. 1 StGB zuzurechnen. 

A. 

Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3 StGB sind erfüllt. 

1. Die im Sachverhalt beschriebenen Abbildungen sind pornographische Darstellungen, die in einem Fall Gewalttätigkeiten (Sachverhalt Nr. 10), in zehn Fällen sexuellen Mißbrauch von Kindern (Sachverhalt Tat 29.11.1995, Nrn. 1 bis 5, 7, 8, 11, 12) und in zwei Fällen sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren (Sachverhalt Nrn. 6, 9) zum Gegenstand haben (§ 184 Abs. 3 StGB, sogenannte harte Pornographie). 

2. Bei den Abbildungen handelt es sich um Schriften i. S. v. §§ 184 Abs. 3, 11 Abs. 3 StGB. 

Der Sammelbegriff der Schrift als dem praktisch häufigsten Anwendungsfall von Darstellungen steht stellvertretend für die übrigen Medien. Den eigentlichen Oberbegriff bildet jedoch die Darstellung (Schönke/ Schröder-Eser, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Auflage 1997, § 11, Rn. 78; Tröndle, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 48. Auflage 1997, § 11, Rn. 44 m. w. N.). 

Unter Darstellungen sind stoffliche Zeichen zu verstehen, die eine Gedankenäußerung verkörpern und sinnlich wahrnehmbar sind, wobei die stoffliche Verkörperung von gewisser Dauer sein muß (Schönke/ Schröder-Eser, § 11, Rn. 78; Tröndle, § 11, Rn. 40; BGHSt 13, 375, 376). 

Hierunter fallen auch die auf Datenspeichern gespeicherten Inhalte. Diese bereits vor Inkrafttreten des Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetzes (IuKDG) am 1. August 1997 bestehende Rechtslage hat der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 11 Abs. 3 StGB durch die Hinzufügung des Begriffs Datenspeicher klargestellt (Artikel 4 Nr. 1 IuKDG). 

Die Merkmale des Begriffs der Darstellung liegen vor. Denn die im Sachverhalt festgestellten, für die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA auf dem News-Server von CompuServe USA abgespeicherten pornographischen Dateninhalte sind stoffliche Zeichen, die eine Gedankenäußerung verkörpern, deren stoffliche Verkörperung von gewisser Dauer ist (Derksen, NW 1997, 1878, 1881; OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Walther, NStZ 1990, 523). Sie sind abrufbar und damit optisch wahrnehmbar. 

3. Die pornographischen Schriften i.S.d. § 184 Abs. 3 StGB wurden öffentlich zugänglich gemacht. Zugänglichmachen erfordert, daß einem anderen die Möglichkeit eröffnet wird, sich durch sinnliche Wahrnehmung vom pornographischen Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffen (Lackner, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 22. Auflage 1997, § 184, Rn. 5; Derksen, NJW 1997, 1878, 1881; BGH NJW 1976, 1984). 

Dabei ist keine körperliche Uberlassung der Darstellungen erforderlich. Ein Zugänglichmachen der Inhalte liegt vielmehr schon dann vor, wenn elektronisch gespeicherte Informationen abgerufen und auf dem Bildschirm des Empfängers angezeigt werden können (OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Walther, NStZ 1990, 523; Stange, CR 1996, 424, 426). 

Ob jemand von dem Zugänglichgemachten auch wirklich Kenntnis nimmt, ist gleichgültig (Tröndle, § 184, Rn. 39). 

Die Zugänglichmachung erfolgte auch öffentlich. Das Zugänglichmachen geschieht öffentlich, wenn es von einem größeren, individuell nicht feststehenden oder jedenfalls durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann (BGHSt 10, 194, 196; BGHSt 11, 282, 283; Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 32). 

Der Angeklagte hat die Tathandlung in Mittäterschaft, d.h. gemeinschaftlich mit CompuServe USA begangen (§ 25 Abs. 2 StGB). Mittäter ist, wer aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses im Rahmen eines gemeinsamen Tatplanes einen Beitrag zur Durchführung derselben Tat liefert (SchönkojSchröder-Cramer, § 25, Rn. 63 ff). 

Sein Tatbeitrag muß ein Teil der Tätigkeit des anderen und dementsprechend das Handeln des anderen eine Ergänzung seines Tatbeitrags darstellen (Tröndle, § 25, Rn. 5 a). Der Tatbeitrag den einen kann im Handeln, der des anderen im Unterlassen bestehen (Tröndle, § 25, Rn. 7 a). 

Dabei ist die Frage der Mittäterschaft auf Grund aller von der Vorstellung der Beteiligten umfaßten Umstände in Wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung sind das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft (Tröndle, vor § 25, Rn. 2 m.w.N.). 

a) Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand darin, daß er die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA über die von ihm bereitgestellten Einwahlknoten via Standleitung zwischen CompuServe Deutschland und CompuServe USA mit dem Rechenzentrum der Muttergesellschaft verbunden hat. 

Der Tatbeitrag von CompuServe USA bestand in der Zugangsvermittlung zum Internet, verbunden mit der Nutzungsbereitbaltung der Dateninhalte auf ihrem News-Server, ohne die gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte herausgefiltert zu haben und der damit verbundenen Möglichkeit für die in Deutschland befindlichen Kunden, daß diese Dateninhalte abgerufen und auf dem Bildschirm der Kunden angezeigt werden können. Diesbezüglich ist von einem Unterlassen auszugehen. 

Denn CompuServe USA wird nicht die Eröffnung der Kommunikationsverbindung der News-Dienste zur Last gelegt. Die Vorwerfbarkeit besteht vielmehr darin, daß CompuServe USA es unterlassen hat, die Foren (Newsgroups), die eindeutig auf Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie hinweisen, aus ihrem Datenspeicher herauszunehmen. 

Hierfür hat CompuServe USA auch rechtlich einzustehen (§ 13 StGB). Dies ergibt sich aus Garantenpflicht aus Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle. Danach hat der Eigentümer oder Besitzer von Sachen die davon ausgehenden Gefahren zu kontrollieren, um zu verhindern, daß aus ihnen Schädigungen fremder Rechtsgüter entstehen, wenn ihm die Verhinderung des Erfolgs möglich und zumutbar ist (Schönke/Schröder-Stree, § 13, Rn. 43, 44). 

Die auf dem News-Server gespeicherten und abrufbaren gewalt-, kinder- und tierpornographischen Darstellungen stellen eine Gefahrenquelle dar. Denn von ihnen geht die Gefahr von Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen und von Kindesmißbrauch durch Erwachsene aus. Erwachsene könnten bei Gewaltpornographie Opfer von Tätern mit entsprechenden Neigungen werden (Schönke/Schröder-Benckner,184, Rn. 3). 

CompuServe USA übt die tatsächliche Sachherrschaft über ihren News-Server aus. Sie kann, wie der Sachverständige Dr. ..., dem sich das Gericht insoweit anschließt, festgestellt hat, sowohl Foren (Newsgroups), die gezielt auf harte Pornographie hinweisen, als auch die diesen Foren zugeordneten Newsbeiträge sperren bzw. entsperren. 

CompuServe USA traf damit die Pflicht, die Zugänglichmachung dieser pornographischen Inhalte zu verhindern. Diese Pflicht besteht auch, wenn das Entstehen der Gefahr auf Dritte zurückgeht (Schönke/Schröder-Stree, § 13, Rn. 43), d.h. wenn - wie hier - die entsprechenden Newsbeiträge durch dritte Personen eingespeist werden. 

Durch Sperrung der eindeutig auf Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie hinweisenden Newsgroups war es CompuServe USA möglich, das Zugänglichmachen der harten Pornographie zu verhindern. Hätte CompuServe USA die einschlägigen Newsgroups - aus ihrem Datenspeicher herausgenommen, waren diese den Kunden von CompuServe USA über den Datenspeicher von CompuServe USA nicht zugänglich gewesen. 

Abzustellen ist hierbei begriffsnotwendig auf den Datenspeicher von CompuServe USA. Daß auch andere harte Pornographie über ihre News-Server öffentlich zugänglich machen, ist für die strafrechtliche Beurteilung des Unterlassens von CompuServe USA ohne Bedeutung. 

Die Sperrung ist auch zumutbar. Dem Unterlassenden ist eine Handlung zumutbar, wenn sie rechtlich zu fordern ist, insbesondere, wenn dadurch keine eigenen billigentwerten Interessen in erheblichem Umfang gefährdet werden (Trondle, § 13, Rn. 15, 16). 

Das Interesse von CompuServe USA an der Beibehaltung von Foren, die eindeutig auf harte Pornographie hinweisen, ist weder billigenswert noch schutzwürdig. Vielmehr ist im Hinblick auf die Schwere der damit verbundenen Gefahren und die Bedeutung den Rechtsgutes Jugendschutz von CompuServe USA zu fordern, daß diese ihren News-Server frei von Foren hält, die eindeutig auf gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalt hinweisen. 

Das Zugänglichmachen erfolgte auch öffentlich. Denn die im Sachverhalt aufgeführte harte Pornographie wurde vom Angeklagten und von CompuServe USA nicht lediglich einem geschlossenen Benutzerkreis zugänglich gemacht, sondern jedem Kunden von CompuServe USA in Deutschland. 

b) Der Angeklagte muß sich den Tatbeitrag von CompuServe USA zurechnen lassen, da die Tatbeiträge beider aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses erfolgten. Denn der Angeklagte und CompuServe USA wußten und wollten, daß die auf dem News-Server von CompuServe USA unter eindeutigen Foren gespeicherte, im Sachverhalt aufgeführte harte Pornographie öffentlich zugänglich gemacht werden sollte. 

Dem Angeklagten wurde anläßlich der am 22.11.1995 in den Geschäftsräumen der Firma CompuServe Deutschland durchgeführten polizeilichen Durchsuchung mitgeteilt, daß auf dem News-Server von CompuServe USA unter Foren, die gezielt auf kinderpornographische Inhalte hinweisen, kinderpornographische Darstellungen gespeichert und abrufbar sind. Ihm wurden beispielhaft für das Vorhandensein von eindeutigen Foren für Kinderpornographie die unter der Bezeichnung "alt.sex.pedophilia" abgerufenen folgenden fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten persönlich zur Kenntnis gebracht: 

  • alt.sex.pedophilia, 
  • alt.sex.pedophilia.boys, 
  • alt.sex.pedophilia.girls, 
  • alt.sex.pedophilia.pictures, 
  • alt.sex.pedophilia.swaps. 

Am 08.12.1995 wurde der Firma CompuServe Deutschland eine Liste, Stand 21.11.1995, 10.00 Uhr, mit 282 auf dem News-Server von CompuServe USA abrufbaren Foren, die auf pornographische Inhalte hinweisen, übergeben. Diese Liste enthielt auch die dem Sachverhalt zugrundeliegenden gewalt-, kinder- und tierpornographischen Foren alt.binaries.piatures.erotica.bondage, alt.sex.incest, alt.binaries.pictures.erotica.pre-teen, alt.sex.pedophilia, alt.sex.bestiality.barney, alt.binaries.piatures.erotica.bestiality. 

Der Angeklagte hat nach eigenem Bekunden alle ihm aufgrund der vorbezeichneten Vorgänge bekanntgewordenen rechtswidrigen Inhalte sofort an CompuServe USA übermittelt. Der Angeklagte und CompuServe USA wußten nicht nur, daß auf dem News-Server der Muttergesellschaft gespeicherte harte Pornographie i . S . d. § 184 Abs. 3 StGB für die Kunden in Deutschland abrufbar war, sie wollten dies auch. 

Der Tatwille beider äußerte sich in der Entscheidung von Mutter und Tochter, die harte Pornographie weiter zugänglich zu machen. Dies ergibt sich nicht nur aus ihrem tatsächlichen Verhalten, sondern auch aus ihren eigenen Erklärungen. Tatsächlich haben Angeklagter und CompuServe USA die im Sachverhalt beschriebenen Darstellungen öffentlich zugänglich gemacht. 

Die Erklärung des Willens, diese Darstellungen öffentlich zugänglich zu machen, ergibt sich aus dem Schreiben des Verteidigers Dr. Moritz vom 21.02.1996 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I, in dem er u.a. mitteilt, daß die Firma CompuServe USA und die Firma CompuServe Deutschland der Meinung seien, sie hätten mit den neuen, in deutscher Sprache zur Verfügung stehenden Tools alles Zumutbare getan, um den Zugriff auf strafbare Inhalte im Internet über den CompuServe-Informationsservice für Personen unter 18 Jahren zu verhindern. 

Dem entspricht die dem vorangegangenen Schreiben beigefügte Erklärung den Verantwortlichen von CompuServe USA - Bob Massey - gemäß Mitteilung Nr. 6/1996 über die Aufhebung der Zugangsbeschränkung mit dem Argument, daß mit der Einführung der Parental Controls gewährleistet sei, daß die Entscheidung über die Einschränkung des Zugangs dort liege, wo sie hingehöre, nämlich bei dem einzelnen Benutzer. 

Der Wille der Muttergesellschaft, die im Sachverhalt festgestellte harte Pornographie öffentlich zugänglich zu machen, ergibt sich auch aus ihrem an die Kunden von CompuServe USA gerichteten elektronisch abrufbaren Schreiben vom 16.02.1996, in dem u.a. unter Hinweis auf die Zugriffskontrolle für Eltern mitgeteilt wird, daß diese Möglichkeit es CompuServe auch erlaube, "die vorübergehend gesperrten Newegroups weitestgehendst wieder zu öffnen". 

Auch der Angeklagte selbst hat in einem am 20.02 1996 für Kunden von CompuServe USA in Deutschland abrufbaren Brief der Geschäftsleitung bei der Vorstellung des Absicherungsprogramms "Cyber Pahrol" (TM) auf die vorübergehende Sperrung der Newsgroups hingewiesen und die Meinung vertreten, "daß sich CompuServe mit seinen seit langem andauernden Bemühungen um behutsamen Jugendschutz auf dem richtigen Weg befindet". 

Die vom Angeklagten und der Muttergesellschaft geäußerte Auffassung, mit den genannten Absicherungsprogrammen sei "alles Zumutbare getan", vermag den Angeklagten nicht zu exculpieren. Denn die vorgenannten Absicherungsprogramme sind nicht geeignet, ein öffentliches Zugänglichmachen der harten Pornographie zu verhindern. 

Hierauf wurde der Angeklagte auch von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I mit einem an ihn persönlich gerichteten Schreiben vom 21.02.1996 hingewiesen. 

Die Tatbeiträge des Angeklagten und von CompuServe USA erfolgten jeweils mit Täterwillen im eigenen Interesse. Sowohl der Angeklagte als auch CompuServe USA haben aus eigenem wirtschaft lichen Interesse gehandelt. Es ging ihnen beim Zugmöglichmachen der gewalt-, kinder- und tier- pornographischen Bilddateien unter eindeutigen Foren um Erhöhung ihrer Einnahmen durch Gewinnung von Kunden, Ausweitung der Marktanteile und Er höhung der Nutzungsdauer. Das eigene wirtschaftliche Interesse des Angeklagten ergibt sich hierbei bereits aus der prozentual festgelegten Einnahmeaufteilung zwischen Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft (31% / 69%). 

Die Reaktion von CompuServe USA, die ursprünglich gesperrten 282 Newsgroups weitestgehendet wieder zu öffnen, bestätigt das jeweils eigene wirtschaftliehe Interesse von CompuServe Deutschland und CompuServe USA. Sie beruht auf der Besorgnis, bei Herausnahme der Foren (Newsgroups) für harte Pornographie aus dem News-Server von CompuServe USA wirtschaftliche Einbußen hinnehmen zu müssen. 

Hinzu kommt, daß der Angeklagte zusammen mit CompuServe USA die Tatherrschaft besaß. Denn nur über die von ihm bereitgestellten Einwahlknoten war die von CompuServe USA auf ihrem News-Server zur Nutzung bereitgehaltene harte Pornographie deren Kunden in Deutschland zugänglich. §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 6 Nr. 2 GjS, deren Voraussetzungen hier ebenfalls erfüllt sind, werden durch § 184 Abs. 3.Nr. 2 StGB verdrängt (Tröndle, § 184, Rn 13). 

B. 

Die Verantwortlichkeit den Angeklagten wird durch § 5 Abs. 2, 3 Teledienstegesetz (TDG) nicht eingeschränkt. 

§ 5 TDG, der gemäß § 2 Abs. 3 StGB Anwendung findet, ist Teil des am 01.08.1997 in Kraft getretenen Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetzes IuKDG. § 5 Abs. 2, 3 TDG sieht für Diensteanbieter (§ 3 Nr. 1 TDG) Eingrenzungen der Verantwortlichkeit vor (zu grundsätzlichen Bedenken einer aufgabenbezogenen Haftungsprivilegierung vgl. Lehmann, CR 1998, 232 ff; BT-Dr. 13/7385, S. 51, Nr. 4 f). 

Nach § 3 Nr. 1 TDG sind Diensteanbieter natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen, die eigene (sogenannte Online-Provider) oder fremde (sogenannte Service-Provider) Teledienste zur Nutzung bereithalten oder den Zugang zur Nutzung vermitteln (sogenannte Zugangs- oder Access-Provider). 

Bezogen auf die Rechtsfolgen (§ 5 TDG) ist jeweils aufgabenbezogen abzugrenzen (BT-Dr. 13/7385 S. 19, Zu § 3). 

Ein Ausschluß der Verantwortlichkeit besteht unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 TDG für Diensteantieter, die fremde Inhalte zur Nutzung bereithalten sowie gemäß § 5 Abs. 3 TDG für Diensternbieter, die zu fremden Inhalten lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln. 

1. Die Voraussetzungen für eine Freistellung von der Verantwortlichkeit gemäß § 5 Abs. 3 TDG liegen nicht vor. Denn CompuServe Deutschland ist nicht Zugangs-(Access-)Provider (§ 3 Nr. 1, 3. Alt. TDG). Ein Access-Provider vermittelt seinen Kunden direkt den Zugang zu Computernetzen, insbesondere zum Internet. CompuServe Deutschland dagegen hat keine eigenen Kunden und vermittelt auch nicht den Zugang zum Netz. 

Den Zugang zum Netz vermittelt erst die Mutter, die auch die fremden Inhalte zur Nutzung bereithalt. CompuServe Deutschland ist lediglich dafür zuständig, die Kunden von CompuServe USA in Deutschland über einen ortsnahen Einwahlknoten via Standleitung mit der Mutter zu verbinden. Diese Standleitung zwischen Tochter und Mutter macht die Tochter nicht zum Access-Provider. Bei der Standleitung handelt es sich um eine ausschließlich den Online-Service-Provider CompuServe USA betreffende technische Infrastruktur, die die Muttergesellschaft eingerichtet hat, um den deutschen Markt zu erschließen. 

Der Zweck der Standleitung besteht darin, Kunden in Deutschland einen möglichst nahegelegenen, mit geringen Telefongebühren verbundenen Einwahlinoten zu bieten und damit CompuServe USA auf dem Online-Markt in Deutschland konkurrenzfähig zu machen. 

2. Die Verantwortlichkeit ist auch nicht gemäß §§ 5 Abs. 2; 3 Nr 1, 2. Alt. TAG ausgeschlossen. 

Nach § 5 Abs. 2 TDG sind Diensternbieter für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern. 

a) § 5 Abs. 2 TDG findet auf CompuServe Deutschland Anwendung. Zwar hält CompuServe Deutschland isoliert betrachtet keine fremden Inhalte zur Nutzung bereit, sondern verbindet lediglich die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA per Standleitung mit der Muttergesellschaft. Die Nutzungsbereitbaltung der fremden Inhalte selbst (die im Sachverhalt aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Bilddateien sind fremde Inhalte, da sie von Dritten in den News-Seryer eingespeist werden) erfolgt durch CompuServe USA auf deren News-Server. 

CompuServe Deutschland bzw. der Angeklagte gelangen aber trotzdem grundsätzlich in den Genuß der Haftungsprivilegierung gemäß § 5 Abs. 2 TDG, da die Nutzungsbereitbaltung von CompuServe USA deren 100%iger Tochtergesellschaft CompuServe Deutschland zuzurechnen ist (vgl. BT-Dr. 13/7385, S. 51, Nr. 4 c). 

Denn für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 TDG ist auf die Gesamtorganisation von Mutter und Tochter abzustellen, da die Tochter arbeitsteilig für die Mutter dadurch tätig wird, daß sie durch Bereitstellen von Einwahlknoten deren Kunden in Deutschland über die Standleitung mit der Mutter verbindet. 

b) Der Angeklagte hatte von den im Sachverhalt aufgeführten, auf dem News-Server von CompuServe USA zur Nutzung bereitgehaltenen gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalten Kenntnis. Kenntnis bedeutet Kennen der Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (Schönke/Schröder-Cramer, § 15, Rn. 39; Tröndle, § 16, Rn. 2). 

Das bedeutet, daß der Angeklagte von den fremden Inhalten Kenntnis haben muß, d.h. er muß wissen, daß unter den im Sachverhalt aufgeführten eindeutigen Foren gewalt-, kinder- und tierpornographische Darstellungen zur Nutzung bereitgehalten werden. Kenntnis erfordert jedoch nicht, daß dem Angeklagten die jeweiligen Beiträge der Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie im einzelnen bekannt sind. 

Die Kenntnis ergibt sich - wie bereits ausgeführt (vgl. A.3.b.) - aus den durch die Polizei übermittelten Informationen am 22.11.1995 und am 08.12.1995 und der Tatsache, daß der Angeklagte die ihm mitgeteilten rechtswidrigen Inhalte an die Muttergesellschaft weitergeleitet hat, was Kenntnis beim Angeklagten voraussetzt. 

Auch wenn man die Meinung vertritt, daß bei Kenntnis von Inhalten gemäß § 5 Abs. 2 TAG konkretes Wissen dergestalt vorliegen muß, daß ein Auffinden der Inhalte unschwer möglich ist (so Sieber, CR 1997, 653, 667), liegt diese Voraussetzung hier vor. 

Denn das Auffinden der gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte unter den im Sachverhalt aufgeführten Foren ist auch dem Laien problemlos in kürzester Zeit möglich. Bei allen im Sachverhalt aufgeführten harten pornographischen Dateninhalten geht es nicht um News-Beiträge, die getarnt unter beliebigen anderen Foren von Urhebern eingespeichert wurden, sondern ausschließlich um solche, die thematisch zugeordnet unter Foren gespeichert wurden, deren Namen eindeutig auf die gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte gemäß § 184 Abs. 3 StGB hinweisen. 

Durch die Eingabe der Begriffe "alt.sex." bzw. "alt.erotica."listet der Newsreader dem Nutzer sämtliche sex- bzw. erotica-Foren alphabetisch geordnet auf. Um nunmehr an die Foren für harte Pornographie zu gelangen, bedarf es lediglich der Eingabe von Begriffen - wie bondage (für Gewaltpornographie), incest, pre-teen, pedophilia (für Kinderpornographie) bzw. bestiality (für Tierpornographie). 

c) Die Nutzungsverhinderung aller im Sachverhalt aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte war CompuServe USA technisch möglich und zumutbar, was dem Angeklagten zuzurechnen ist. 

aa) Zwar hatten CompuServe Deutschland bzw. der Angeklagte isoliert betrachtet keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Datenspeicher von CompuServe USA. Bei der Frage des technisch Möglichen bzw. Zumutbaren ist jedoch nicht isoliert auf die Tochter als Teilorganisation von CompuServe USA, sondern auf die Gesamtorganisation abzustellen. Denn der Angeklagte nimmt - wie bereits dargestellt (vgl B. 2. a) - aufgrund der Gesamtbetrachtungsweise an der Privilegierung des § 5 Abs 2 TDG teil. 

Wenn aber dem Angeklagten die Haftungsprivilegierung dadurch eröffnet wird,: daß ihm die Nutzungsbereithaltung der Muttergesellschaft auf deren News-Server zugerechnet wird, so ist ihm umgekehrt auch die der Muttergesellschaft technisch mögliche und zumutbare Nutzungsverhinderung zuzurechnen. 

Wenn der Angeklagte in den Genuß der Haftungsprivilegierung kommt, obwohl sich seine Funktion darauf beschränkte, die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA über eine Standleitung durch Bereitstellung von Einwahlknoten mit der Muttergesellschaft zu verbinden und dementsprechend die technische Infrastruktur eingerichtet war, wäre es widersprüchlich, die Frage der technisch möglichen und zumutbaren Nutzungsverhinderung an dieser technischen Infrastruktur zu messen. 

bb) Die Nutzungsverhinderung der im Sachverhalt unter eindeutigen Foren aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte war technisch möglich. Das ergibt sich bereits daraus, daß die Muttergesellschaft auf Veranlassung des Angeklagten hin fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten und vom 22.12.1995 bis 13.02.1996 auch den überwiegenden Teil der auf der Liste vom 08.12.1995 genannten Foren gesperrt hat. 

Im übrigen hat der Sachverständige Dr. ..., dessen gutachtlichen Ausführungen sich das Gericht insoweit anschließt, bestätigt, daß die Sperrung von Foren, die gezielt auf harte Pornographie hinweisen, durch CompuServe USA problemlos möglich ist. 

Das Gericht geht weiterhin mit dem Sachverständigen davon aus, daß es technisch nicht möglich ist, den Datenspeicher über die Standleitung zu kontrollieren. Dies ist auch nicht Sinn und Zweck der Standleitung, die lediglich Verbindungsfunktion hat. Für die rechtliche Beurteilung des technisch Möglichen kommt es auch nicht auf die Kontrollmöglichkeit über die Standleitung, sondern auf die Kontrollmöglichkeit des Datenspeichers unmittelbar durch die Muttergesellschaft an. 

c) Die Nutzungsverhinderung der im Sachverhalt aufgeführten harten Pornographie unter eindeutigen Foren, d.h. deren Kontrolle und Sperrung im Datenspeicher ist auch zumutbar. Bei der Auslegung den Begriffs der Zumutbarkeit ist eine Interessenabwägung zwischen den tangierten Rechtsgütern vorzunehmen. Die widerstreitenden Interessen einschließlich des Grades der jeweiligen Gefahren sind gegeneinander abzuwägen. 

Je schwerer das drohende Ubel, desto mehr kann an Opfern zugemutet werden (Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 13 ff, Rn. 156). 

Durch die Nutzungsbereithaltung der unter eindeutigen Foren gespeicherten gewalt,- kinder- und tierpornographischen Inhalte werden die durch § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB geschätzten Rechtsgüter tangiert. Die Vorschrift dient zum einen dem Jugendschutz, nämlich der Bewahrung vor Fehlentwicklungen und mittelbar dem Schutz vor sexuellem Mißbrauch von Kindern. Zum anderen sollen Erwachsene vor Beeinträchtigungen in ihrer seelischen Entwicklung und ihrer sozialen Orientierung geschätzt werden. 

Die Vorschrift dient auch insofern dem Schutz Erwachsener, als diese bei der Gewaltpornographie das Opfer von Tätern mit entsprechenden Neigungen werden könnten (Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 3; Tröndle, § 184, Rn. 4). 

Das Interesse vonCompuServe USA besteht in der Beibehaltung der unter eindeutigen Foren für harte Pornographie auf ihrem News-Server gespeicherten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte. Es handelt sich um wirtschaftliche Interessen (Sieber, CR 1997, 581j 586), die auf Gewinnung von Kunden, Ausweitung der Marktanteile und Erhöhung der Nutzungsdauer gerichtet sind. 

Der Schutz der Jugend ist ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen (BVerfGE 30, 336, 348), ebenso wie der Schutz Erwachsener, insbesondere vor sexuell motivierter Gewalt. 

Demgegenüber ist das Interesse von CompuServe USA an der Nutzungsbereithaltung von Foren für harte Pornographie für ihre Kunden in Deutschland nicht schutzwürdig. Im Gegenteil, es besteht ein vitales Interesse der Gesellschaft, daß der technische Fortschritt im Teledienstebereich nicht dazu führt, daß rechtsfreie Räume entstehen, in denen so hohe Rechtsgüter wie Jugendschutz und Schutz vor sexuell motivierter Gewalt rein kommerziellen Interessen untergeordnet und damit geopfert werden. 

Die Werteordnung den Grundgesetzes muß auch für wirtschaftliches Handeln gelten. Bei dem Verlangen, den Kunden in Deutschland Foren für harte Pornographie nicht zugänglich zu machen, geht es weder darum, "für die deutschen Nutzer das Internet mit einer 'Firewall' lahmzulegen oder gravierend einzuschränken" (Sieber, CR 1997, 581, 588) noch geht es um die Frage, "in wieweit das für die Informationsgesellschaft den 21. Jahrhunderts zentrale Internet in Deutschland weiterhin als internationales Netz bestehen bleiben kann" (Sieber, Rechtsgutachten vom 4. 7.1997,S. 5, Fußnote 1). 

Es geht allein darum, daß im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den tangierten Rechtsgütern CompuServe USA zuzumuten ist, seinen News-Server frei von Foren zu halten, die eindeutig als Thema Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie haben und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen hinzunehmen (vgl. auch BT-Dr. 13/7385 S. 20, Zu Absatz 2 und S. 51, Nr. 4 e). 

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