Monatsbrief Juli 2015

Webcontent Recht Basis 07-2015

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 07/2015:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht & WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Urlaubsrecht: Keine Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses

| Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nicht mehr kürzen. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) hin. Geklagt hatte eine Frau, die in einem Seniorenheim als Ergotherapeutin beschäftigt war. Bei einer Fünftagewoche standen ihr im Kalenderjahr 36 Urlaubstage zu. Im Dezember 2010 bekam die Frau einen Sohn. Sie war sodann bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Mai 2012 in Elternzeit. Anschließend verlangte sie ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Im September 2012 erklärte die Beklagte die Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit. Das Landesarbeitsgericht hielt die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs für unwirksam. Es hat der Klägerin deshalb eine Urlaubsabgeltung zugesprochen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Beklagte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern konnte. Die Bestimmung im Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG), nach der der Arbeitgeber den der Arbeitnehmerin zustehenden Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Zwar bestand nach der bisherigen Rechtsprechung eine Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Rechtsprechung hat das BAG aber aufgegeben. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Dieser verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist der Abgeltungsanspruch entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Quelle | BAG, Urteil vom 19.5.2015, 9 AZR 725/13, Abruf-Nr. 144712 unter www.iww.de.

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Tarifvertrag: Stichtagsregelung für Gewerkschaftsmitglieder

| Alt-Gewerkschaftsmitglieder dürfen per Tarifsozialplan höhere Abfindungen erhalten als Arbeitnehmer, die nach einem bestimmten Stichtag der Gewerkschaft beigetreten sind. |

Zu diesem Ergebnis kam das Bundesarbeitsgericht (BAG). Ein Haustarifvertrag, der einen sozialplanähnlichen Inhalt hat, kann für Leistungen, die zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Nachteile an tarifgebundene ArbN gezahlt werden, eine Stichtagsregelung vorsehen. Danach kann ein Anspruch nur für diejenigen Mitglieder bestehen, die zum Zeitpunkt der tariflichen Einigung der Gewerkschaft bereits beigetreten waren.

Quelle | BAG, Urteil vom 15.4.15, 4 AZR 796/13, Abruf-Nr. 144513 unter  www.iww.de. 

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Kündigungsrecht: Kündigung wegen Weitergabe von Unterlagen an den Betriebsrat des Schwesterunternehmens

| Grundsätzlich kann die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte eine fristlose außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies ist jedoch nicht bei jeder Weiterleitung sensibler Daten der Fall. |

Diese Einschränkung machte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein im Fall eines Arbeitnehmers, der als Direktmarketing Manager beschäftigt war. Er hatte volle Zugriffsrechte zum SAP-System. Der Arbeitgeber ist Teil einer Unternehmensgruppe. Im Oktober 2013 wurde der ArbN zum Einzelbetriebsrat gewählt. Zur Einarbeitung verwies ihn der Arbeitgeber an den Betriebsrat im Schwesterunternehmen. Bei einem dienstlichen Auftrag stieß der Arbeitnehmer auf im SAP-System ohne Vertraulichkeitsvermerk hinterlegte Rechnungen der vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich beauftragten Rechtsanwaltskanzlei. Der Arbeitnehmer druckte die Rechnungen und Timesheets aus und zeigte sie einem Betriebsratsmitglied des Schwesterunternehmens. Als dieses den Besitz der Unterlagen als kritisch erachtete, schredderte der Arbeitnehmer die Unterlagen sofort und ließ seine SAP-Zugriffsrechte einschränken. Der Arbeitgeber reagierte mit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war erfolgreich. Das LAG hält die Kündigung mangels wichtigen Grundes für unwirksam. Der Arbeitnehmer hatte einen uneingeschränkten Zugriff auf die SAP-Daten. Es handelte sich bei den Unterlagen nicht um Geschäftsgeheimnisse. Es fehlte jeder Vertraulichkeitsvermerk des Arbeitgebers. Angesichts der Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe und der vom Arbeitgeber gewünschten Zusammenarbeit handelt es sich beim Betriebsrat des Schwesterunternehmens nicht um einen Dritten. Schließlich hat der Arbeitnehmer aus dem Vorfall gelernt und sofort Konsequenzen gezogen. Im Übrigen hätte eine Abmahnung ausgereicht.

Quelle |  LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2015, 3 Sa 400/14, Abruf-Nr. 176806  unter www.iww.de.

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Öffentlicher Dienst: Altershöchstgrenzen für die Einstellung in den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig

| Das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen beinhaltet keine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen. Die in der Laufbahnverordnung vom 30. Juni 2009 vorgesehenen Regelungen der Altershöchstgrenze sind daher mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar. |

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden. Er hat damit zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zugleich hat es die materiellen Anforderungen an Einstellungshöchstaltersgrenzen konkretisiert: Sie sind grundsätzlich zulässig, um ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu gewährleisten. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen Gestaltungsspielraum. Dessen Grenzen ergeben sich unter anderem aus den Anforderungen des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 21.4.2015, 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12, Abruf-Nr. 144650 unter www.iww.de.

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Mindestlohn: Leistungsbonus wird in die Berechnung des Mindestlohns einbezogen

| In die Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) kann ein bisher gezahlter Leistungsbonus eingerechnet werden. |

Diese Entscheidung traf das Arbeitsgericht Düsseldorf im Fall einer Frau, die bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 EUR pro Stunde vergütet wurde. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen „freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 EUR, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 EUR brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 EUR pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 EUR pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung in Höhe von 8,50 EUR pro Stunde zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Zweck des MiLoG sei es, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um „Lohn im eigentlichen Sinn“, der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle | Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, 5 Ca 1675/15, Abruf-Nr. 144670 unter www.iww.de.

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Baurecht

Baumangel: Wann kann der Auftragnehmer die Beseitigung eines optischen Mangels verweigern?

| Ein Auftraggeber kann nicht in jedem Fall vom Auftragnehmer verlangen, dass dieser einen optischen Mangel beseitigt. Wann die Beseitigung verweigert werden darf, ist eine Frage des Einzelfalls. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Nach Ansicht des Gerichts müsse in jedem Einzelfall eine Gesamtabwägung erfolgen, ob der Auftragnehmer den sog. Unverhältnismäßigkeitseinwand erheben könne. Die Richter stellten dabei folgende Regel auf: Betreffen die Mängel nur das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werks (optische Mängel) und haben sie keine Funktionsbeeinträchtigung zur Folge, müsse bei der Gesamtabwägung darauf abgestellt werden, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werks hat. Je höher dieses Leistungsinteresse des Bestellers an einem auch optisch makellosen Erscheinungsbild des bestellten Werks ist, umso weniger könne der Auftragnehmer mit seinem Einwand gehört werden. Berühre der nur geringfügige Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die „Wertschätzung“ gegenüber dem Werk beeinträchtigt werde, könne bei erheblichen Mängelbeseitigungsaufwendungen dagegen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2014, 21 U 23/14, Abruf-Nr. 144713 unter www.iww.de.

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Baumangel: Ohne Frist zur Mängelbeseitigung gibt es keinen Anspruch auf Schadenersatz

| Hat der Auftraggeber die angeblich festgestellten Mängel weder angezeigt noch dem Auftragnehmer eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt, hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Mängeln des Bauwerks. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hin. Die Richter erläuterten, dass der Schadenersatzanspruch dann daran scheitere, dass sich der Auftragnehmer mit seinen aus dem geschlossenen Werkvertrag resultierenden Leistungspflichten nicht in Verzug befinde.

Etwas anderes gelte nach Ansicht des Gerichts nur, wenn eine entsprechende Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise entbehrlich war. Das sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Der Auftragnehmer habe die Nacherfüllung nicht verweigert. Diese sei auch nicht fehlgeschlagen. Auch habe sich nicht feststellen lassen, dass dem Auftraggeber eine Nacherfüllung durch den Auftragnehmer unzumutbar gewesen wäre.

Quelle | OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 7.5.2015, 15 U 17/14, Abruf-Nr. 144714 unter www.iww.de.

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Immobilienverkauf: Übergabe eines Energieausweises ist keine Beschaffenheitserklärung

| Die schlichte Aushändigung eines Energieausweises kann nicht im Sinne einer Beschaffenheitserklärung des Verkäufers ausgelegt werden. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Energieausweis nur informatorischen Charakter habe. Der Verkäufer werde die darin enthaltenen Angaben mangels Fachkunde kaum überprüfen können. Daher sei nicht anzunehmen, dass er ein für ihn nicht überschaubares Haftungsrisiko übernehmen wolle.

Quelle | OLG Schleswig, Urteil vom 13.3.2015, 17 U 98/14, Abruf-Nr. 144252  unter www.iww.de.

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Straßenwidmung: Klagen gegen Einbahnstraße blieben ohne Erfolg

| Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat die Klagen von zwei Bürgerinnen gegen die Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße in Bornheim abgewiesen. |

Die Stadt Bornheim hatte bereits im Jahr 2004 ein Handlungskonzept beschlossen. Dieses sah die Einführung einer Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße vor. Im Jahr 2008 wurde ein entsprechender Bebauungsplan beschlossen und 2013 die Einbahnstraßenregelung auf der Königstraße probeweise eingeführt. Nach Abschluss der Probephase wurde im Jahr 2014 mit den Umbauarbeiten begonnen. Diese haben das Ziel, eine auf 4,50 m verengte Fahrbahn herzustellen. Die Bauarbeiten dauern derzeit noch an.

Eine Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage geltend gemacht, sie werde an ihrem Wohnort am Servatiusweg unzumutbaren zusätzlichen Verkehrsimmissionen ausgesetzt, wenn die Königstraße nicht mehr in zwei Richtungen befahren werden könne. Die andere Klägerin betreibt ein Fotogeschäft auf der Königstraße und befürchtet Umsatzeinbußen.

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass beide Klagen bereits unzulässig seien. Denn die probeweise eingeführte Einbahnstraßenregelung bestehe derzeit auf der Königstraße wegen der Bauarbeiten nicht mehr. Soweit sich die Klägerinnen bereits jetzt gegen die geplante Einführung der Einbahnstraßenregelung nach Fertigstellung der Bauarbeiten wehrten, könne vorbeugender Rechtsschutz nicht gewährt werden.

Unabhängig davon sei die (probeweise) Einführung der Einbahnstraßenregelung auch rechtmäßig gewesen. Denn die Einführung der Einbahnstraße sei Gegenstand eines nicht mehr anfechtbaren Bebauungsplans. Vor allem habe die Stadt von ihrem Ermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht. Bei Erstellung des Bebauungsplans seien die Interessen der Anwohner des Servatiuswegs berücksichtigt worden. Ferner habe diese Planung dem Ziel gedient, die Königstraße als Hauptgeschäftsstraße von Bornheim attraktiver zu machen.

Quelle | VG Köln, Urteil vom 29.5.2015, 18 K 1683/14, Abruf-Nr. 144715 unter www.iww.de.

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Familien- und Erbrecht

Testament: Die Bezugnahme auf ein maschinenschriftliches Testament kann ausnahmsweise wirksam sein

| Die Bezugnahme auf ein nicht in Testamentsform abgefasstes Schriftstück ist unschädlich, wenn sie lediglich der näheren Erläuterung testamentarischer Bestimmungen dient. |

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einer Entscheidung hin. In dem Fall hatte die Erblasserin E ihren vorverstorbenen Ehemann M beerbt. Für den zweiten Erbfall hatten die Ehegatten in einem maschinenschriftlichen Testament geregelt, dass der Sohn S der E und der Enkel EN (Beteiligter zu 1) je Erben zu 1/4 werden sollten. Die andere Hälfte des gemeinsamen Nachlasses sollte den Geschwistern des M zufallen (darunter die Beteiligten zu 2 und 3). Später erstellte die E ein eigenhändiges Testament. Darin hieß es: „Da mein Sohn (...) am (...) verstorben ist, setze ich für die Hälfte meines Vermögens meinen Enkel als Haupterben ein. Die andere Hälfte geht an die Erben, die im Testament genannt sind.“ Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragten einen Erbschein, wonach EN Erbe zu 1/2 und die vier Geschwisterstämme des M Erben zu je 1/8 geworden sind. Das Nachlassgericht kündigte die Erteilung des Erbscheins an.

Das OLG wies die dagegen gerichtete Beschwerde des EN zurück. Die Richter machten deutlich, dass das maschinenschriftliche Testament formunwirksam sei. Fraglich sei daher, ob dessen Inhalt dadurch zur Geltung kommen konnte, dass E darauf im handschriftlichen Testament Bezug genommen hat. Dazu müsse der wahre Wille der E ermittelt werden. Dieser sei durch das formunwirksame Testament erkennbar: Nach dem Tod der Ehegatten sollte das Vermögen zur Hälfte an den Stamm der E und zur Hälfte an die gesetzlichen Erben des M fallen.

Anschließend sei zu klären, ob der Wille der E im handschriftlichen Testament ausreichend angedeutet ist, damit die Testamentsform gewahrt ist. Dies sei hier der Fall. Das formwirksame handschriftliche Testament der E bestimme die nicht namentIich genannten Miterben zur Hälfte nicht nur durch Bezugnahme auf die „im Testament genannten“ Personen. Es biete sogar selbst einen gewissen Anhalt für die nähere Bestimmbarkeit dieser Personen. Denn es bringe zum Ausdruck, dass die E an ganz bestimmte Personen gedacht habe. Es sei somit zur Klarstellung dessen, was die E mit ihrer testamentarischen Erklärung gemeint habe, auf das von ihr ausdrücklich in Bezug genommene formunwirksame gemeinschaftliche Testament zurückzugreifen. Denn Aufgabe der Testamentsauslegung sei es, den u.U. verborgenen Sinn einer testamentarischen Verfügung zu ermitteln, und zwar auch unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunde.

Der Wille der E habe sich in ihrem Testament, wenn auch unvollkommen, ausgedrückt. Biete aber das Testament eine Grundlage für die Auslegung, und sei sie auch noch so gering, könne dem Ergebnis der gebotenen Auslegung Formnichtigkeit nicht entgegengehalten werden.

Quelle | OLG Hamburg, Beschluss vom 18.3.2015, 2 W 5/15, Abruf-Nr. 144493  unter www.iww.de.

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Erbrecht: Zulässige Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen

| Eine Doppelbelastung durch Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen ist verfassungsgemäß. |

Das ist das Ergebnis einer Verfassungsbeschwerde gegen die Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung an. Aufgrund der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers sei es mit dem Gebot der steuerlichen Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, eine später entstehende Einkommensteuer bei der Berechnung der Erbschaftsteuer in dieser Konstellation unberücksichtigt zu lassen.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 7.4.2015, 1 BvR 1432/10, Abruf-Nr. 144662 unter www.iww.de.

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Namensrecht: Voraussetzungen für die Änderung des Familiennamens eines Pflegekindes

| Der Familienname eines Kindes kann in den Namen der Pflegeeltern geändert werden, wenn dies dem Wohl des Kindes förderlich ist. |

Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz im Fall eines heute 10-jährigen Kindes, das seit seiner Geburt bei Pflegeeltern lebt. Es trägt den Familiennamen der leiblichen Mutter. Auf Wunsch des Kindes und im Einverständnis mit den Pflegeeltern gab die zuständige Verbandsgemeinde dem Antrag auf Änderung des Familiennamens des Kindes in den der Pflegeeltern statt. Sie führte aus, dass eine Namensänderung zur dauerhaften Sicherung des Wohls des Kindes erforderlich sei. Dagegen richtete sich die Klage des leiblichen Vaters. Er sieht die Interessen der leiblichen Eltern unnötig zurückgesetzt. Eine Namensänderung sei nicht notwendig, um seinem Kind Sicherheit zu vermitteln. Sie schade vielmehr der Bindung zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind.

Das VG wies die Klage des leiblichen Vaters ab. Nur ein wichtiger Grund rechtfertige es, den Familiennamen zu ändern. Ob ein solcher vorliege, müsse durch eine Abwägung aller Umstände des Falls geklärt werden. Erforderlich sei, dass sich ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Belange ergebe. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits für den Fall entschieden, dass ein Kind in Dauerpflege aufwächst. Nach der Rechtsprechung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die begehrte Namensänderung dem Wohl des Pflegekindes förderlich sei. Weiterhin dürften überwiegende Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall bestehe eine intensive Beziehung des Kindes zu den Pflegeltern. Die gelte es auch zukünftig zu stabilisieren. Das Interesse des leiblichen Vaters trete dahinter zurück. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind schon bisher einen anderen Familienname trage als sein Vater.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 24.4.2015, 4 K 464/14, Abruf-Nr. 144716 unter www.iww.de.

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Gesetzliche Krankenversicherung: Berücksichtigung einer Unterhaltsabfindung bei der Beitragsbemessung der gesetzlichen Krankenversicherung

| Die Abfindungszahlung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist bei der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht auf 12 Monate, sondern auf 10 Jahre zu verteilen. |

So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall einer Frau, die zunächst über ihren Ehemann in der gesetzlichen Krankenkasse familienversichert war. Nach rechtskräftiger Scheidung ihrer 22-jährigen Ehe beantragte sie die Aufnahme als freiwilliges Mitglied. Sie hatte nach der Scheidung von ihrem geschiedenen Ehemann einen Abfindungsbetrag für den nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 35.000 EUR erhalten. Die Krankenkasse berücksichtigte die Abfindungszahlung bei der Festsetzung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Sie legte diese auf zwölf Monate um, in dem sie von beitragspflichtigen monatlichen Einnahmen in Höhe von 2.916,67 EUR ausging. Hiergegen wandte sich die Frau. Da sie sich ihren kompletten Unterhaltsanspruch habe abfinden lassen, sei die Abfindungszahlung zumindest auf 10 Jahre umzulegen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse verurteilt, die Höhe des Gesamtbeitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze festzusetzen. Zwar sei nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine einmalige beitragspflichtige Einnahme dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen. Da mit der Zahlung der Abfindung die nachehelichen Unterhaltsansprüche vollständig abgegolten wurden, sei jedoch eine Umlegung auf zwölf Monate nicht gerecht. Die Abfindung sei vielmehr mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung vergleichbar, sodass sie entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze auf 120 Monate (10 Jahre) umzulegen sei.

Das LSG hat diese Entscheidung bestätigt. Bei der Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürften nicht fingiert werden. Die Beitragsverfahrensgrundsätze sähen für die streitige Abfindung eines nachehelichen Unterhalts keine passende Regelung vor. Die Beurteilung als einmalige Einnahme mit einer Zuordnung von 1/12 würde zu einer unangemessenen Schlechterstellung der Frau gegenüber Personen führen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhalten. Daher bestimme der Zufluss der 35.000 EUR entgegen der Ansicht der Krankenkasse nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin für ein Jahr, sondern ersetze den Unterhaltsanspruch mehrerer Jahre, also eine monatlich regelmäßig wiederkehrende Leistung. Versorgungsbezüge, die ebenfalls eine Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion hätten, würden auf 10 Jahre verteilt. Daher sei auch die Verteilung der Abfindung auf 10 Jahre angemessen.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.1.2015, L 1/4 KR 17/13, Abruf-Nr. 144495 unter www.iww.de.

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Mietrecht & WEG

Vorkaufsrecht: Vermieter haftet bei Verletzung von Informationspflichten auf Schadenersatz

| Unterlässt es der Vermieter pflichtwidrig, den vorkaufsberechtigten Mieter über den Inhalt des mit einem Dritten über die Mietwohnung abgeschlossenen Kaufvertrags sowie über das Bestehen des Vorkaufsrechts zu unterrichten, so kann der Mieter, der infolgedessen von diesen Umständen erst nach Erfüllung des Kaufvertrags zwischen Vermieter und Drittem Kenntnis erlangt, Schadenersatz verlangen. |

Das musste sich ein Vermieter vom Bundesgerichtshof (BGH) ins Stammbuch schreiben lassen. Der Schadenersatz berechne sich nach dem Urteil aus der Differenz von Verkehrswert und Kaufpreis (abzüglich im Fall des Erwerbs der Wohnung angefallener Kosten). Der Schadenersatzanspruch bestehe auch, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht nach Kenntniserlangung nicht ausgeübt hat.

Hinweis | Die zweimonatige Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 1 S. 3, § 469 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB) beginnt erst mit Mitteilung des Inhalts des mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags. Daher kann der Mieter das Vorkaufsrecht grundsätzlich noch binnen einer Frist von zwei Monaten ab Erhalt einer nachträglichen Mitteilung des Vermieters oder des Käufers über den Inhalt des Kaufvertrags und das Bestehen seines Vorkaufsrechts ausüben.

Quelle | BGH, Urteil vom 21.1.2015, VIII ZR 51/14, Abruf-Nr. 175110  unter www.iww.de.

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Klimawandel: Beim Hochwasserschutz von Mieträumen muss ein Sicherheitszuschlag eingehalten werden

| Mieträume im Bereich einer historisch gewachsenen Stadt, die wegen ihrer Lage grundsätzlich einer erhöhten Hochwassergefahr ausgesetzt ist, müssen zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags gegen solche Einwirkungen geschützt sein, die voraussehbar sind und für deren Eintritt tatsächliche Anhaltspunkte bestehen. |

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) München im Fall eines Pkw-Fahrers, der seinen Wagen in einer Tiefgarage geparkt hatte. Dort kam es bei einem Unwetter zu einer Überschwemmung. Durch das Wasser erlitt der Pkw einen Totalschaden. Die Richter am OLG stellten klar, dass Mieträume in Zeiten des Klimawandels mit immer häufiger und heftiger auftretenden Unwettern besonders gesichert sein müssten. Abgedeckt werden müsse dabei nicht nur ein Hochwasser, das den bisher bekannten höchsten Wasserstand aus zurückliegenden Jahren erreicht. Vielmehr müsse ein zusätzlicher „Sicherheitszuschlag“ berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen jedoch erfüllt. Es bestanden Sicherheitseinrichtungen, die einem Wasserstand von mehr als 80 cm über dem höchsten jemals gemessenen Hochwasser standhalten konnten. Das sei ausreichend gewesen. Mit einem Jahrhunderthochwasser, das noch darüber hinausging, musste nicht gerechnet werden. Der Autofahrer konnte daher keinen Ersatz verlangen.

Quelle | OLG München, Urteil vom 29.1.2015, 32 U 1185/14, Abruf-Nr. 144257 unter  www.iww.de.

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Kündigungsrecht: Beleidigende Überreaktion im Streit über Wohnbedingungen kann Kündigung rechtfertigen

| Bezichtigt eine Mieterin die Vermieterin der brutalen Sterbehilfe bei einem Streit über die Wohnbedingungen, rechtfertigt dies eine außerordentliche Kündigung. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Amtsgericht München. Geklagt hatte die Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses. Sie hat seit 1983 eine Zweizimmerwohnung an die Beklagte, eine über 70-jährige Münchnerin, vermietet. Der monatliche Nettomietzins betrug 254,80 EUR. Die Vermieterin klagte gegen die Mieterin auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung.

Im Rahmen dieses Verfahrens beleidigte die Mieterin ihre Vermieterin in einem Schriftsatz an das Gericht. Darin behauptete die Mieterin: „Das einzige, was bisher von Vermieterseite geleistet wurde, ist eine massive Sterbehilfe. Man kann das auch mit versuchtem Mord übersetzen, denn wenn man so leiden muss, weil die Hitze in der Wohnung so unerträglich hoch ist, dass man die Schmerzen, die durch die Hitze verursacht werden, nicht mehr ertragen kann, kann man es nur so benennen.“ Hintergrund des Streits ist die Behauptung der Mieterin, dass ihre Wohnung durch die darunterliegende Heizanlage überwärmt sei. Es würden Temperaturen bis zu 38 Grad herrschen. Ein Sachverständiger hatte jedoch festgestellt, dass dies nicht stimmt. In einem weiteren Schreiben behauptete die Mieterin erneut, dass die Überwärmung existiere. Zudem verwies sie erneut darauf, dass brutale Sterbehilfe durch die Vermieterin geleistet werde.

Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos u.a. wegen der Beleidigungen. Die Beklagte weigert sich, die Wohnung zu räumen. Es tue ihr leid, die Vermieterin beleidigt zu haben, es habe sich um einen Hilferuf gehandelt.

Die Vermieterin klagte vor dem Amtsgericht München auf Räumung der Wohnung. Der zuständige Richter gab ihr recht.

Die Äußerungen der Mieterin seien nach Ansicht des Gerichts massive Beleidigungen. Besonders schwer wiege dabei, dass diese mehrfach gegenüber verschiedenen Richtern in unterschiedlichen Gerichtsverfahren geäußert wurden. Die Mieterin sei zuvor nicht provoziert worden. Ihre Äußerungen seien nicht ansatzweise nachvollziehbar. Es erscheine dem Gericht in keinster Weise erforderlich oder nachvollziehbar, als Hilferuf seinen Vermieter des versuchten Mordes oder der Sterbehilfe zu bezichtigen.

Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Bei schwerwiegenden Beleidigungen sei das Vertrauen zerstört. Zerstörtes Vertrauen könne durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden.

Der Richter gewährte der betagten Mieterin eine sechsmonatige Räumungsfrist, um ihr die Suche nach einer Ersatzwohnung zu ermöglichen.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 14.11.2014, rkr., 452 C 16687/14, Abruf-Nr. 144717 unter www.iww.de.

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WEG: Keine Verjährung bei zweckwidriger Nutzung einer Teileigentumseinheit als Wohnung

| Wird ein als Hobbyraum ausgewiesenes Sondereigentum unzulässigerweise als Wohnung genutzt, tritt für den Unterlassungsanspruch keine Verjährung ein. Das gilt auch, wenn die zweckwidrige Nutzung schon seit 28 Jahren andauert. |

So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer aus zwei Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Beklagten gehören die Einheiten Nr. 1 im Souterrain und Nr. 2 im Erdgeschoss. Der Klägerin steht seit dem Jahr 2007 das Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 3 und Nr. 4 im Ober- und Dachgeschoss zu. Die Einheit Nr. 1 ist in der Teilungserklärung ausgewiesen als „Räumlichkeiten im Souterrain bestehend aus drei Hobbyräumen, Vorratskeller, Flur und einem weiteren Kellerraum“.

Der Beklagte vermietet diese als Wohnraum. Seit 2007 hat er zwei Neuvermietungen vorgenommen. Die Klägerin will erreichen, dass es der Beklagte unterlassen muss, die Einheit Nr. 1 als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen. Dieser beruft sich auf die Verjährung und Verwirkung des Anspruchs. Die Souterrainräume würden bereits seit 1980 als Wohnraum genutzt, zunächst durch ihn selbst und seit dem Jahr 1986 durch Mieter. Die Voreigentümer der Klägerin seien hiermit einverstanden gewesen. Weil die Nutzung als Wohnraum bei der ersten Beanstandung durch die Klägerin im Jahr 2008 seit 28 Jahren angedauert habe, habe er auf die dauerhafte Erzielung der Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Das Landgericht hat seine Berufung zurückgewiesen.

Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und sich dabei von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Im Ausgangspunkt ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben, weil die Nutzung von Hobbyräumen zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken jedenfalls dann nicht gestattet ist, wenn sie – wie hier – die Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert. Der Anspruch ist nicht verjährt. Solange die Nutzung anhält, tritt die Verjährung nicht ein. Der Schwerpunkt der Störung liegt nämlich nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung. Er liegt auch darin, dass diese aufrechterhalten wird. Dabei ist unerheblich, ob die zweckwidrige Nutzung durch den Sondereigentümer selbst oder durch dessen Mieter erfolgt.

Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung in Gestalt der sogenannten Verwirkung entgegen. Voraussetzung hierfür ist unter anderem eine ununterbrochene, dauerhafte Einwirkung. An einer solchen fehlt es jedenfalls deshalb, weil noch in jüngster Zeit zwei Neuvermietungen stattgefunden haben. Eine solche Neuvermietung stellt in der Regel aus Sicht aller Beteiligten eine Zäsur und damit eine neue Störung dar. Der vermietende Wohnungseigentümer setzt eine neue Willensentscheidung hinsichtlich einer zweckwidrigen Nutzung um. Die übrigen Wohnungseigentümer haben Anlass, für die Zukunft eine der Teilungserklärung entsprechende Nutzung einzufordern, auch wenn sie hiervon zuvor – etwa aus Rücksicht auf das bestehende Mietverhältnis – Abstand genommen haben.

Quelle | BGH, Urteil vom 8.5.2015, V ZR 178/14, Abruf-Nr. 177236 unter www.iww.de.

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Verbraucherrecht

Hausratversicherung: Wann ist ein Diebstahl im Freibad von der Versicherung gedeckt?

| In der Freibadsaison zur Sommerzeit haben Langfinger Hochkonjunktur. Es stellt sich daher die Frage, wann ein solcher Diebstahl ersetzt wird und in welchen Fällen der Betroffene leer ausgeht. |

Antwort: Möglicherweise greift in diesem Fall seine Hausratversicherung. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Verlust von Hausrat nämlich auch versichert, wenn sich dieser zum Zeitpunkt des Diebstahls vorübergehend nicht in dem versicherten Haus befunden hat (sog. Außenversicherung).

Im vorliegenden Fall liegt jedoch nur ein einfacher Diebstahl vor. Dieser ist über die Hausratversicherung nicht gedeckt. Die entwendete Sache war nicht vor Mitnahme geschützt und der Täter musste keine Hindernisse überwinden.

Antwort: Die Hausratversicherung ist eintrittspflichtig, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt:

  • Schwerer Diebstahl oder Einbruchdiebstahl
  • Ein schwerer Diebstahl oder Einbruchdiebstahl setzt voraus, dass die entwendete Sache durch ein Schloss oder Ähnliches geschützt war und der Täter ein Hindernis überwinden und Gewalt anwenden bzw. eine Sachbeschädigung begehen musste.
  • Beispiel | Der Versicherungnehmer hatte seine Wertsachen in einem Spind oder Schließfach im Schwimmbad eingeschlossen und dieser bzw. dieses wurde aufgebrochen.
  • Räuberischer Diebstahl
  • Ein räuberischer Diebstahl ist ein Diebstahl unter Anwendung oder Androhung von Gewalt.
  • Beispiel | Der Versicherungsnehmer wurde im Schwimmbad überfallen und der Dieb hat ihm sein Handy und das Geld gestohlen. Ein einfacher Taschendiebstahl fällt also nicht unter diese Fallgestaltung.

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Haftungsrecht: Kirmesbetrieb haftet bei Sturz über ungesicherte Versorgungsleitung

| Oberirdische Versorgungsleitungen für Kirmesbetriebe müssen mit möglichst geringem Stolper- und Sturzrisiko für Kirmesbesucher und Anlieger verlegt werden. Stürzt ein Besucher oder ein Anlieger über eine unzureichend gesicherte Versorgungsleitung, hat er einen Schadenersatzanspruch gegen den verantwortlichen Kirmesbetrieb.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden. In dem zugrunde liegenden Fall war eine Frau während der alljährlich stattfindenden Pflaumenkirmes in Kamen auf dem Bürgersteig vor ihrem Wohnhaus gestürzt. Für den Sturz machte sie auf dem Bürgersteig oberirdisch verlegte Kabelversorgungsleitungen verantwortlich. Diese waren u.a. auf Veranlassung des beklagten Kirmesbetriebs verlegt worden. Die lose liegenden Kabel waren nicht abgedeckt. Die Frau zog sich einen Oberschenkelhalsbruch und einen Bruch ihres rechten Arms zu. Sie musste operativ versorgt und stationär behandelt werden. Vom beklagten Betrieb hat sie Schadenersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 EUR verlangt.

Das OLG hat der Frau dem Grunde nach einen 50-prozentigen Schadenersatz zugesprochen. Dabei hat es ein Mitverschulden berücksichtigt. Die Höhe des der Frau zustehenden Schadens wird das Landgericht in dem jetzt durchzuführenden Betragsverfahren zu klären haben.

Der beklagte Betrieb hafte nach Ansicht der Richter auf Schadenersatz, weil er seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Während einer Kirmes müssten Stände und mobile Unterkünfte der Schausteller über oberirdisch verlegte Leitungen versorgt werden. Da sich kaum vermeiden lasse, dass diese Leitungen Laufwege von Besuchern querten, müsse einem Stolper- und Sturzrisiko mit einer sorgfältigen Verlegung bzw. Abdeckung der Leitungen entgegengewirkt werden. Der Kirmesbereich mit seinen wechselnden Attraktionen ziehe die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich und lenke sie vom Bodenbereich ab. Das gelte auch für Leitungen außerhalb des eigentlichen Kirmesplatzes, mit denen z.B. Wohnwagen der Schausteller versorgt würden. Ohne erkennbare Streckenführung, lose und ohne Abdeckung verlegte Leitungen erhöhten das Stolper- und Sturzrisiko und begründeten eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle. Vorliegend sei die Frau über lose verlegte und unzureichend gesicherte Versorgungsleitungen gestürzt. Das hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Dabei werde zugunsten der Frau vermutet, dass die unzureichend gesicherte Gefahrenquelle ihren Sturz verursacht habe.

Ob in dem Gefahrenbereich ausschließlich Versorgungsleitungen des beklagten Betriebs oder auch anderer Schaustellerbetriebe verlegt worden seien und über welches Kabel die Frau genau gestürzt sei, bedürfe keiner Aufklärung. Auch der beklagte Betrieb sei für die unzureichende Sicherung der Kabel verantwortlich. Er habe nicht nachgewiesen, dass die Frau über das Kabel eines anderen Betriebs zu Fall gekommen sei. Daher werde zugunsten der Frau vermutet, dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Betriebs den Schaden mitverursacht habe.

Die Frau müsse sich allerdings ein mit 50 Prozent zu bemessendes Mitverschulden entgegenhalten lassen. Die Kabel hätten bereits seit einigen Tagen vor ihrem Grundstück gelegen. Daher sei ihr der unzureichende Verlegungszustand bekannt gewesen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 24.3.2015, 9 U 114/14, Abruf-Nr. 144718 unter www.iww.de.

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Gesetzliche Krankenversicherung: Beantragte Leistung gilt als genehmigt, wenn Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet

| Eine beantragte Hautstraffungs-Operation gilt als genehmigt, wenn die Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet oder zumindest über eine Verzögerung hinreichend informiert. |

So entschied es das Sozialgericht (SG) Heilbronn im Fall einer Frau, die nach einer von der BKK bezahlten Schlauchmagen-OP knapp 50 kg verloren hatte. Sie beantragte die operative Straffung von erheblichen Hautüberschüssen an verschiedenen Körperpartien. Ohne die Patientin schriftlich darüber zu informieren, dass sie den Antrag nicht binnen der gesetzlichen Fünfwochenfrist bearbeiten könne, lehnte die BKK es erst ein halbes Jahr nach Antragstellung ab, die Kosten zu übernehmen.

Das SG gab der Klage der Frau statt. Es würde den Sanktionscharakter des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V und die Genehmigungsfiktion dieser Vorschrift leerlaufen lassen, wenn die beklagte Krankenkasse nach Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften im weiteren Verfahren mit Erfolg einwenden könnte, die beantragte Leistung hätte gar nicht bewilligt werden dürfen. Eine solche Auslegung würde die Genehmigungsfiktion leerlaufen lassen und widerspräche auch deren eindeutigem Wortlaut. Zudem hätte ein Versicherter auch nach Verstoß der Krankenkasse gegen die gesetzlich normierten Fristen keine Gewissheit, dass die beantragte Leistung von der Krankenkasse bezahlt oder zumindest die Kosten hierfür erstattet werden. Dies könne nicht Sinn und Zweck des Patientenrechtegesetzes gewesen sein. Dieses ziele gerade darauf ab, die Rechte des Patienten zu stärken und generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern.

Quelle | SG Heilbronn, Urteil vom 11.3.2015, S 11 KR 2425, Abruf-Nr. 144616 unter  www.iww.de. 

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Vereinsrecht: Satzungsänderungen: Mitgliederversammlung kann alle Änderungen en bloc absegnen

| Wird eine Satzungsänderung beschlossen, die verschiedene Regelungen in der Satzung betrifft, muss darüber von der Mitgliederversammlung nicht einzeln abgestimmt werden. Ein Beschluss über alle Änderungen zusammen ist nicht zu beanstanden. |

So entschied es das Landgericht (LG) Düsseldorf. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die geänderte Satzung als einheitliches Regelungswerk anzusehen sei. Es könne deshalb keinen Unterschied machen, ob über eine neue Satzung als Ganzes abgestimmt werde oder über einzelne Änderungsanträge. Im Ergebnis würde in beiden Fällen nur eine neue Satzung entstehen.

Hinweis | Der Wortlaut der Änderungen kann gegenüber dem in der Einladung zur Mitgliederversammlung angegebenen Text noch verändert werden. Änderungsvorschläge gehören zu einer Diskussion über Anträge und müssen folglich in der Mitgliederversammlung berücksichtigungsfähig sein. Die Mitglieder müssen darüber – wie sonst bei Änderungen der Tagesordnung erforderlich – nicht informiert werden.

Quelle | LG Düsseldorf, Urteil vom 12.8.2014, 1 O 307/13, Abruf-Nr. 144401 unter www.iww.de.

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Verkehrsrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Schwarzfahren kostet künftig 60 statt 40 EUR

| Der Bundesrat hat einer Verordnung der Bundesregierung zugestimmt, die das „erhöhte Beförderungsentgelt“ für Fahren ohne gültiges Ticket im öffentlichen Personennahverkehr anhebt. |

Die Länder hatten die Anpassung im November letzten Jahres gefordert, um auf die allgemeine Preissteigerung in den 12 Jahren seit der letzten Erhöhung zu reagieren. Die Verordnung muss noch im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Sie soll im zweiten Monat nach der Veröffentlichung in Kraft treten.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats vom 8.5.2015

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Haftungsrecht: Wer unachtsam die Fahrertür in den Verkehrsraum öffnet haftet voll für den Schaden

| Öffnet der Fahrer eines am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugs unachtsam die Autotür in den Verkehrsraum des fließenden Verkehrs hinein, dann begründet das ein erhebliches Verschulden, hinter dem die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs im fließenden Verkehr regelmäßig zurücktritt. |

So entschied es das Landgericht (LG) Stuttgart. Die Richter machten deutlich, dass es bei jedem Unfall auf den Einzelfall ankomme, in welcher Höhe die Beteiligten haften. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Fahrzeug verursacht worden ist. Diese Abwägung ergab hier, dass die aussteigende Fahrerin des parkenden Fahrzeugs den Unfall so überwiegend fahrlässig verursacht hat, dass im Verhältnis dazu die Betriebsgefahr des fahrenden Fahrzeugs zurücktritt.

Gerade beim plötzlichen Öffnen der Fahrertür eines parkenden Pkws ist von einem schweren Verschulden auszugehen. Das Fließen des Verkehrs ist nur gewährleistet, wenn sich die mit angemessener Geschwindigkeit und regelgerechtem Abstand Vorbeifahrenden darauf verlassen können, dass nicht unerwartet eine Fahrzeugtür in den Fahrbereich hinein geöffnet wird.

Auch der Umstand, dass sich die Beifahrerin auf dem Gehweg neben dem parkenden Fahrzeug befand, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen steht schon gar nicht fest, ob der Fahrer des fahrenden Pkw diese Beifahrerin in der herrschenden Dunkelheit sehen konnte und gesehen hat. Zum anderen ist das Gericht der Ansicht, dass Personen auf dem Gehweg vorbeifahrenden Fahrzeugen keinen Anlass geben, einen größeren Abstand als 0,5 m zu parkenden Fahrzeugen einzuhalten oder besonders langsam (deutlich unter 30 km/h) zu fahren. Personen auf dem Gehweg sind ein ständiges und keineswegs zu besonderer Vorsicht Anlass gebendes Phänomen. Eine Vermutung, dass Personen auf dem Gehweg bedeuten, dass demnächst jemand aus dem Fahrzeug steigen werde, neben dem sie sich befinden, gibt es nicht.

Quelle | LG Stuttgart, Urteil vom 22.4.2015, 13 S 172/14, Abruf-Nr. 144719 unter www.iww.de.

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Schadenersatzklage: Kann ein Geschädigter behauptete Steinschläge durch den vorausfahrenden Lkw nicht beweisen, verliert er die Klage

| Kann ein Autofahrer nicht nachweisen, dass die teilweise festgestellten Beschädigungen an seinem Fahrzeug tatsächlich von Steinschlägen eines vor ihm fahrenden Kieslasters verursacht wurden, greift seine Schadenersatzforderung ins Leere. |

Das musste sich ein Pkw-Fahrer vor dem Landgericht (LG) Coburg sagen lassen. Er war hinter einem mit Kies beladenen Lkw hergefahren. Er behauptet, dass von der Ladefläche des Lkw Steine und Splitter auf die Frontpartie und das Dach seines Pkw gefallen seien. Für die geschätzten Reparaturkosten, Nutzungsausfall und Kosten für einen Privatsachverständigen verlangt er nun knapp 7.000 EUR. Der Privatsachverständige hatte am Fahrzeug des Klägers verschiedene ältere Steinschläge festgestellt, jedoch auch frische Beschädigungen durch Steinschläge.

Das Gericht hat mehrere Zeugen vernommen, u. a. den vom Kläger beauftragten Privatsachverständigen, und dessen Ergebnisse von einem gerichtlichen Sachverständigen überprüfen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass verschiedene vom Privatsachverständigen festgestellte Beschädigungen gerade nicht von Steinschlägen herrühren, sondern andere Ursachen haben. Auch konnte der vom Gericht beauftragte Sachverständige die übrigen Beschädigungen am Fahrzeug nicht sicher den behaupteten Steinschlägen zuordnen. Das Gericht hatte schließlich auch deshalb Zweifel an den Behauptungen des Autofahrers, weil dessen Privatsachverständiger den Pkw erst 14 Tage nach dem Vorfall besichtigt hatte. Beide Sachverständige hatten jedoch bestätigt, dass schon nach dieser Zeit das Alter eines Steinschlags kaum noch zu bestimmen ist. Das LG hat daher die Klage abgewiesen, weil der Autofahrer einen Nachweis für die behaupteten Beschädigungen durch Steinschläge nicht zweifelsfrei erbringen konnte.

Hinweis | Die Entscheidung macht deutlich, dass der Kläger grundsätzlich beweisen muss, dass behauptete Schäden auch tatsächlich von dem in Anspruch genommenen Beklagten verursacht worden sind. Bleiben Zweifel, gehen diese zulasten des Klägers.

Quelle | LG Coburg, Urteil vom 23.12.2014, 22 O 306/13, Abruf-Nr. 144720 unter www.iww.de.

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Verwaltungsrecht: Radfahrer muss den Radweg benutzen

| Ist neben der Straßenfahrbahn ein Radweg angelegt, müssen Radfahrer diesen benutzen. |

Diese Klarstellung traf das Verwaltungsgericht (VG) Köln. Es wies damit die Klage eines Radfahrers ab. Der hatte sich gegen die Radwegebenutzungspflicht auf einer Landstraße gewandt. Der Radfahrer war der Meinung, dass keine besondere Gefahrensituation vorliege, die das Verbot rechtfertige, auf der Fahrbahn zu fahren.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Straßenverkehrsbehörde komme bei derartigen Anordnungen ein Einschätzungsspielraum zu. Diesen habe die Stadt in rechtmäßiger Weise genutzt. Dass auf der Landstraße eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h geboten sei, führe zu großen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen dem motorisierten Verkehr und dem Fahrradverkehr. Daraus ergebe sich besonders nachts auf dem unbeleuchteten Streckenabschnitt eine erhebliche Gefahrenlage.

Quelle | VG Köln, Urteil vom 8.5.15, 18 K 189/14, Abruf-Nr.144721 unter www.iww.de.

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Trunkenheitsfahrt: Widerlegte Höhe des Nachtrunks widerlegt Nachtrunk als solches nicht

| Wird die konkrete Nachtrunkangabe des Beschuldigten durch einen Sachverständigen widerlegt, rechtfertigt das ohne weitere Feststellungen nicht die Feststellung, dass überhaupt kein Nachtrunk vorgelegen hat. |

Diese Entscheidung zugunsten des Angeklagten traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Diesem war eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt worden. Er hatte sich verteidigt, indem er einen Nachtrunk behauptet hatte – also die Aufnahme von Alkohol nach der Tat. Das hatte das Landgericht nach einem Sachverständigengutachten als widerlegt angesehen. Es hatte daraus den Schluss gezogen, dass ein Nachtrunk überhaupt nicht vorgelegen habe.

Ein solcher Schluss ist nach Auffassung des OLG so aber nicht ohne Weiteres zulässig. Und zwar vor allem dann nicht, wenn Anhaltspunkte für einen Nachtrunk des Angeklagten unabhängig von dessen konkreten Behauptungen zu Trinkmenge und -art gegeben sind. Hier war es so, dass der Angeklagte offenbar bei dem Versuch, sich zu entlasten, hinsichtlich des Nachtrunks übertriebene Angaben gemacht hatte. Gleichwohl hatte er zwischen der Tat und der Blutentnahme Alkohol in geringerer Menge zu sich genommen. Dem muss das LG nun nachgehen.

Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 20.3.2015, 1 OLG 3 Ss 179/14, Abruf-Nr. 144417 unter  www.iww.de. 

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Geschwindigkeitsüberschreitung: Messauswertung durch Private ist i.d.R. unzulässig

| Hat die Verwaltungsbehörde die Auswertung von Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung, deren Ergebnis ggf. schließlich zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrer wegen Geschwindigkeitsüberschreitung führen soll, in vollem Umfang in die Hände eines privaten Unternehmens gegeben, besteht hinsichtlich der ermittelten Ergebnisse ein Beweisverwertungsverbot. |

So entschieden die Amtsgerichte (AG) Parchim und Kassel. Den Betroffenen wurden Geschwindigkeitsüberschreitungen zur Last gelegt. In beiden Fällen waren die Geschwindigkeitsmessungen durch private Firmen ausgewertet worden. Die AG haben die Betroffenen freigesprochen. Beide AG weisen darauf hin, dass die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns ist. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur in bestimmten Fällen möglich.

Das war in beiden Fällen nicht gewahrt. Das AG Kassel hat zudem beanstandet, dass das dort auswertende Privatunternehmen, welches als GmbH satzungsgemäß einem Gewinnstreben unterliegt, nur dann einen monetären Ertrag für seine Arbeit erhält, wenn die Messung als verwertbar eingestuft wird. Die Entscheidung, ob die Messung verwertbar ist oder nicht, oblag vorliegend jedoch faktisch dem Unternehmen selbst. Hierdurch entsteht bei dem Unternehmen ein Eigeninteresse an dem Ergebnis der Auswertung der Messung. Das ist ein Interessenkonflikt, der im Rahmen einer hoheitlichen Messung nicht zu akzeptieren ist.

Quelle | AG Parchim, Urteil vom 1.4.2015, 5 OWi 2215/14, Abruf-Nr. 144409 unter  www.iww.de;  AG Kassel, Urteil vom 14.4.2015, 385 OWi - 9863 Js 1377/15, Abruf-Nr. 144406. 

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 beträgt - 0,83 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,17 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 1,17 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,17 Prozent

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

01.07.2008 bis 31.12.2008

3,19 Prozent

01.01.2008 bis 30.06.2008

3,32 Prozent

01.07.2007 bis 31.12.2007

3,19 Prozent

01.01.2007 bis 30.06.2007

2,70 Prozent

01.07.2006 bis 31.12.2006

1,95 Prozent

01.01.2006 bis 30.06.2006

1,37 Prozent

01.07.2005 bis 31.12.2005

1,17 Prozent

01.01.2005 bis 30.06.2005

1,21 Prozent

01.07.2004 bis 31.12.2004

1,13 Prozent

01.01.2004 bis 30.06.2004

1,14 Prozent

01.07.2003 bis 31.12.2003

1,22 Prozent

01.01.2003 bis 30.06.2003

1,97 Prozent

01.07.2002 bis 31.12.2002

2,47 Prozent

01.01.2002 bis 30.06.2002

2,57 Prozent

01.09.2001 bis 31.12.2001

3,62 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 07/2015

| Im Monat Juli 2015 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.7.2015
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.7.2015

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.7.2015. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juli 2015 am 29.7.2015.

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