Monatsbrief Juli 2012

WCR-B-07-2012

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 7/2012:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Vorstellungsgespräch: Wer nicht erscheint, bekommt auch keine Fahrtkosten erstattet

Wer sich bei einem Unternehmen bewirbt, kann keine Fahrtkosten für ein Vorstellungsgespräch erstattet verlangen, wenn er den Termin gar nicht wahrgenommen hat.

Mit dieser Begründung wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz die Klage eines Bewerbers zurück. Die Richter verwiesen zwar auf die Rechtslage, nach der ein potenzieller Arbeitgeber dem Bewerber alle erforderlichen Aufwendungen ersetzen müsse, wenn er ihn zu einem Vorstellungsgespräch einlade. Hierzu würden auch die Fahrtkosten gehören. Es bestehe jedoch kein Anspruch des Bewerbers, wenn dieser kurzfristig seine Bewerbung zurückgenommen habe. Dann habe er seinen Auftrag zur Teilnahme an dem vereinbarten Vorstellungsgespräch nämlich nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dazu hätte er pünktlich erscheinen müssen (LAG Rheinland-Pfalz, 3 Sa 540/11).

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Kündigungsrecht: Strafanzeige eines Whistleblowers kann zur Kündigung führen

Für die Beurteilung der Frage, ob eine gegen den Arbeitgeber gerichtete Strafanzeige durch den Arbeitnehmer (Whistleblowing) einen wichtigen Kündigungsgrund bildet, hat eine an den Grundrechten der Beteiligten orientierte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit stattzufinden.

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) im Falle eines Busfahrers, der Anzeige gegen seinen Arbeitgeber gestellt hatte. Ein alkoholisierter Jugendlicher hatte den Nothahn eines Busses benutzt, um während der Fahrt die Tür zu öffnen und den Bus zu verlassen. Dieser Vorfall endete für den Jugendlichen tödlich. Der Busfahrer teilte der Staatsanwaltschaft daraufhin mit, der Junge könnte noch leben. Denn angeblich soll ihm ein Kollege mitgeteilt haben, dass bei den Bussen eine Schaltung entfernt worden sei, die für ein automatisches Bremsen gesorgt hätte. Eine solche Schaltung hat es aber nie gegeben, wie ein Gutachter mitteilte. Der Kollege, auf den sich der Whistleblower berufen hatte, bestritt später seine angeblichen Informationen. Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine fristlose sowie eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus. Das Arbeitsgericht gab der fristlosen Kündigung statt.

Das LAG schwächte dies ab, bejahte aber die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Busfahrer nicht überprüft habe, ob die ihm angeblich zugetragenen Informationen richtig waren. Vielmehr habe er wissentlich unwahre Tatsachen vorgetragen, indem er unter Verweis auf ein Gespräch mit dem Kollegen eine Manipulation der Technik durch die Werkstatt des Arbeitgebers behauptete, ohne die es nicht zum tödlichen Unfall gekommen wäre. Der Kollege habe in der Vernehmung glaubhaft bekundet, dass er eine solche Bemerkung gegenüber dem Busfahrer nie gemacht habe. Nur seiner rund 22 Jahre langen Betriebszugehörigkeit war es zu verdanken, dass der Arbeitgeber bei der Kündigung die ordentliche Kündigungsfrist einhalten musste (LAG Köln, 6 Sa 304/11).

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Kündigungsrecht: Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion

Die Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion während der Probezeit muss nicht in jedem Fall gegen Treu und Glauben verstoßen und unwirksam sein.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der bei einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt war. Er wurde bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art - insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion - nicht beschäftigt werden dürfen. Er kündigte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist während der Probezeit, nachdem er von der HIV-Infektion des Arbeitnehmers erfahren hatte.

Das LAG hielt die Kündigung des Arbeitnehmers für wirksam und wies auch die Klage auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ab. Die Kündigung sei nicht willkürlich und verstoße deshalb nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dem Arbeitgeber könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Da auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, komme es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht an. Dem Arbeitnehmer stehe auch keine Entschädigung nach dem AGG zu. Dabei könne dahinstehen, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle, und ob der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden sei. Denn eine - einmal angenommene - Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt (LAG Berlin-Brandenburg, 6 Sa 2159/11).

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Parteifähigkeit: Erbengemeinschaft kann nicht Arbeitsvertragspartei sein

Die Erbengemeinschaft kann als solche mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht Arbeitsvertragspartei sein.

So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm. Nach Ansicht der Richter seien die Grundsätze, die von der Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft entwickelt wurden, auf die Erbengemeinschaft nicht übertragbar. Mit dem Tod des Einzelfirmeninhabers würden die Miterben daher zur gesamten Hand Träger der Arbeitgeberrechte und -pflichten. Eine Klage müsse sich daher immer gegen alle Miterben gemeinsam richten, eine Klage gegen die Erbengemeinschaft als solche sei erfolglos (LAG Hamm, 2 Ta 337/11).

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Baurecht

Baumangel: Bauunternehmer kann sich nicht unbedingt auf Mitverschulden berufen

Führt ein Bauunternehmer bei einer Kellerabdichtung die Ausbildung der waagerechten Arbeitsfuge zwischen Sohlplatte und den aufstehenden Elementteilen der Kelleraußenwände nicht handwerksgerecht aus, sodass es zu einem Wassereintritt kommt, kann der Bauherr von ihm Schadenersatz verlangen.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem entsprechenden Fall. Die Richter ließen auch das vom Bauunternehmer geltend gemachte Mitverschulden des Bauherren nicht gelten. Der Bauherr müsse sich nämlich nicht vorwerfen lassen, den Einsatz einer Drainagepumpe unterlassen zu haben. Das gelte vor allem, da ein dauerhafter Einsatz von Drainagepumpen nach der örtlichen Entwässerungssatzung nicht zulässig gewesen sei (OLG Hamm, 24 U 148/10).

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Bauträger: Ausgetauschtes Schloss kann ausgesperrten Bauträger zur Kündigung berechtigen

Ein Bauträgervertrag kann außerordentlich gekündigt werden, wenn eine Partei der anderen einen wichtigen Grund zur Kündigung gibt, insbesondere wenn sie schwerwiegend vertragsuntreu wird.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) im Fall eines Bauherren, der die Schlösser des Objekts ausgewechselt und den Bauträger so ausgesperrt hatte. Der Bauträger erhielt keinen Schlüssel und konnte das Objekt nur noch nach Gutdünken des Bauherren betreten. Nach Ansicht der Richter liege hierin eine verbotene Eigenmacht des Bauherren. Unter Berücksichtigung der vertraglichen Abreden im Einzelfall könne dies eine fristlose Kündigung des Bauträgervertrags durch den Bauträger rechtfertigen. Das Vorgehen des Bauherren habe sich hier nämlich als eklatanter und wiederholter Verstoß gegen die bauvertragliche Kooperationspflicht dargestellt (OLG Düsseldorf, 23 U 20/11).

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Architektenvertrag: Risiken bei Kostenüberschreitung liegen beim Architekten

Die zutreffende Kostenermittlung gehört zu den Grundleistungen eines Architekten. Wird ein Bauvorhaben als Renditeobjekt zur Finanzierung eines weiteren Vorhabens errichtet, und ist dem Architekten das Investitionskonzept des Auftraggebers bekannt, wird bei Auftragsvergabe ein verbindlicher Kostenrahmen vereinbart. Dann muss der Architekt den Kosten erhöhte Aufmerksamkeit widmen.

Dabei kommt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. eine Toleranz bei einer Kostenüberschreitung nicht in Betracht, wenn der Architekt keine ausreichende Kostenkontrolle vornimmt. Die Richter machten deutlich, dass der Architekt bei Planungsaufträgen im Rahmen von Renditeobjekten besondere Sorgfalt walten lassen müsse. Es sei erforderlich, den Investor auf besondere Risiken hinzuweisen, die sich auf die Gesamtbaukosten, damit den Finanzierungsaufwand und letztlich die Rendite auswirken können. Der Architekt schulde dem Besteller eine zutreffende Beratung über die voraussichtlichen Baukosten. Seien Kostenschätzungen zu besonderen Zwecken, wie zur Unterstützung von Kreditanträgen oder Förderanträgen, unzutreffend, müsse der Architekt im Rahmen der Beratungspflicht darauf hinweisen, dass diese Kostenschätzungen keine Grundlage für die Investitionsentscheidung sein können (OLG Frankfurt a.M., 12 U 71/10).

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Bauordnungsrecht: Aufschüttungen müssen in bestimmten Grenzen geduldet werden

Der Eigentümer eines Wohnhauses hat in bestimmten Fällen keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen Aufschüttungen, die in der Nähe seines Grundstücks vorgenommen worden sind.

Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz im Fall eines Hauseigentümers. Als entlang des Wegs, an dem sein Haus liegt, erhebliche Aufschüttungen vorgenommen wurden, setzte er hierüber den Landkreis in Kenntnis. Dieser lehnte jedoch den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ab. Nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhob der Eigentümer Klage.

Diese wies das VG nun nach einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit ab. Der Landkreis, so die Richter, sei nicht zu einem Einschreiten gegen die Aufschüttung verpflichtet. Diese sei nicht zulasten des Eigentümers rücksichtslos. Die Aufschüttung habe nämlich keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung, weil sie deutlich niedriger als das Wohnhaus des Klägers sei. Sie beeinträchtige auch nicht die Belichtung, Besonnung und Belüftung dieses Gebäudes. Ferner gefährde die Aufschüttung weder die Standsicherheit des Hauses noch die Tragfähigkeit des Grundstücks des Klägers. Aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Landesamts für Geologie und Bergbau stehe fest, dass ein Abrutschen der Auffüllmassen zum Grundstück des Klägers nahezu ausgeschlossen sei. Überdies sei das Gelände östlich stark abschüssig, das Grundstück des Klägers liege jedoch nördlich der beanstandeten Aufschüttung. Angesichts dieser Umstände sei eine konkrete Gefahr für das Wohngrundstück des Klägers nicht ersichtlich. In diesem Fall bestehe daher kein Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten (VG Koblenz, 1 K 931/11.KO).

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Familien- und Erbrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Neues Umgangsrecht soll Rechte leiblicher Väter stärken

Das Bundesjustizministerium hat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vorgelegt. Das neue Umgangsrecht soll die Rechte leiblicher Väter stärken. Erstmals erhält der biologische, leibliche Vater ein Umgangsrecht mit seinem Kind, auch wenn er bislang keine enge soziale Bindung aufgebaut hat.

Die Neuregelung soll biologischen Vätern künftig den Umgang mit ihren Kindern erleichtern. In bestimmten Fällen kann der biologische Vater Auskunft über die persönlichen Verhältnisse seines Kindes erlangen. Das neue Umgangsrecht klingt nüchtern, bedeutet aber eine wesentliche Verbesserung zugunsten des biologischen Vaters im Verhältnis zu seinem Kind, das in einer Ehe mit Mutter und rechtlichem Vater aufwächst.

Bislang steht dem biologischen Vater eines Kindes ein Umgangsrecht nur zu, wenn ihn mit seinem Kind bereits eine enge persönliche Beziehung verbindet. In vielen Fällen ist das aber nicht so, etwa wenn das Kind mit den rechtlichen Eltern in einem engen sozialen Familienverbund lebt, die rechtlichen Eltern den Kontakt zum biologischen Vater nicht zulassen oder die Existenz des biologischen Vaters gar nicht bekannt ist. In diesen Fällen besteht für den leiblichen Vater bisher keine Möglichkeit, Umgang mit seinem Kind zu erlangen. Auch ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse des Kindes räumt das Gesetz bisher den rechtlichen Eltern ein, nicht aber dem außenstehenden leiblichen Vater.

Für das Umgangsrecht des leiblichen Vaters soll es künftig nicht mehr darauf ankommen, dass bereits eine enge Beziehung zum Kind besteht. Entscheidend soll vielmehr sein, ob der leibliche Vater durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er tatsächlich Verantwortung für sein Kind übernehmen will und ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Kindeswohl dient.

Leibliche Väter erhalten künftig auch das Recht, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Hintergrund:

Dem leiblichen Vater eines Kindes, der mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet ist und auch nicht die Vaterschaft anerkannt hat, steht nach der geltenden Regelung ein Umgangsrecht nur zu, wenn er eine enge Bezugsperson des Kindes ist, für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat (sozial-familiäre Beziehung) und der Umgang dem Kindeswohl dient. Konnte der leibliche Vater zu seinem Kind keine Beziehung aufbauen, so bleibt ihm der Kontakt zum Kind bisher verwehrt. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen keine Beziehung zum Kind aufgebaut wurde, also auch, wenn der Vater bereit war, für das Kind Verantwortung zu übernehmen, und ihm dies allein aufgrund der Weigerung der rechtlichen Eltern nicht möglich war. Zudem bleibt der Kontakt zum Kind ohne Rücksicht darauf verwehrt, ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Wohl des Kindes dient.

Ein leiblicher, nicht rechtlicher Vater hat darüber hinaus derzeit auch kein Recht, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen. Nach dem Gesetz kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Dieser Auskunftsanspruch steht jedoch nur den Eltern im rechtlichen Sinne zu, nicht aber dem nur leiblichen Vater.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in zwei Entscheidungen beanstandet, dass dem biologischen Vater eines Kindes ein Umgangs- und Auskunftsrecht ohne Prüfung des Kindeswohlinteresses im Einzelfall vorenthalten wird. Die Rechtsposition der leiblichen, nicht rechtlichen Väter soll daher gestärkt werden. Der Entwurf sieht zu diesem Zweck Folgendes vor:

  • Hat der leibliche Vater durch sein Verhalten gezeigt, dass er für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen will, erhält er ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Das gilt unabhängig davon, ob zum Kind bereits eine sozial-familiäre Beziehung besteht.

  • Zudem wird dem leiblichen Vater bei berechtigtem Interesse ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes eingeräumt, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

  • Voraussetzung des Umgangs- und Auskunftsrechts ist, dass der Anspruchsteller auch wirklich der biologische Vater ist. Die leibliche Vaterschaft des Antragstellers ist dabei im Rahmen des Umgangs- oder Auskunftsverfahrens zu prüfen und gegebenenfalls im Rahmen einer Beweiserhebung zu klären. Um die Feststellung der biologischen Vaterschaft in streitigen Fällen zu ermöglichen, stellt der Gesetzentwurf eine verfahrensrechtliche Flankierung zur Verfügung. Danach müssen unter bestimmten Voraussetzungen Untersuchungen zur Klärung der Vorfrage nach der biologischen Abstammung geduldet werden. Das soll verhindern, dass die Mutter des Kindes oder eine sonstige Person den Anspruch des biologischen Vaters vereiteln kann, indem sie die erforderliche Untersuchung verweigert.

Der Referentenentwurf ist zwischenzeitlich an die Länder und Verbände zur Stellungnahme weitergeleitet worden.

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Kindergeld: Kein Kinderzuschlag für Großeltern

Großeltern haben keinen Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz, auch wenn ihnen die Vormundschaft für ihre Enkelkinder übertragen wurde. Das Gesetz sieht den Zuschlag nur vor für Kinder, die mit dem Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II leben, was bei den Großeltern nicht der Fall ist. Diese können daher zwar Kindergeld für ihre Enkelkinder beziehen, nicht aber den Kinderzuschlag.

Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, nachdem das Sozialgericht Koblenz noch von einem Anspruch ausgegangen war. Den Klägern wurde, nachdem das Amtsgericht ein Ruhen der elterlichen Sorge ihrer Tochter festgestellt hatte, die Vormundschaft für die drei Enkelkinder übertragen. Für die Enkelkinder gewährt die zuständige Verbandsgemeinde Sozialhilfeleistungen. Die Kläger beantragten die Gewährung des Kinderzuschlags, um damit den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zu vermeiden.

Das LSG hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug genommen, wonach Großeltern mit ihren Enkelkindern aufgrund der Regelungen im SGB II keine Bedarfsgemeinschaft bilden. Dies gelte auch für den Fall, dass die Großeltern zum Vormund bestimmt wurden, denn der Vormund trete im Hinblick auf staatliche Transferleistungen gerade nicht an die Stelle der Eltern. Damit konnte mit dem Kinderzuschlag auch nicht gemäß den gesetzlichen Voraussetzungen eine Bedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft vermieden werden, was letztlich die Leistung ausschloss (LSG Rheinland-Pfalz, L 6 BK 1/10).

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Erbrecht: Pflichtteilsergänzungsanspruch auch für Schenkungen vor der Geburt der Abkömmlinge

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Abkömmlingen setzt nicht voraus, dass diese nicht nur im Zeitpunkt des Erbfalls, sondern schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt waren.

So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall von zwei 1976 und 1978 geborenen Klägern. Diese machten gegen die Beklagte, ihre Großmutter, im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach ihrem 2006 verstorbenen Großvater geltend. Sie begehrten Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung. Die Großeltern hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 verstorbene Mutter der Kläger. Im Jahr 2002 errichteten die Beklagte und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich u.a. gegenseitig zu Erben einsetzten. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob den Klägern ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht, wenn sie zwar im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht aber im Zeitpunkt der jeweiligen Schenkungen pflichtteilsberechtigt waren. Im Wesentlichen geht es darum, ob der Auskunftsanspruch auch Schenkungen erfasst, die der Erblasser vor der Geburt der Kläger zugunsten der Beklagten vorgenommen hatte. Die Vorinstanzen haben der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben.

Mit seinem Urteil hat der BGH das Berufungsurteil bestätigt. Nach Ansicht der Richter setze der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand. Seine dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung, die eine Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung forderte (BGHZ 59, 212 und ZEV 97, 373), sog. Theorie der Doppelberechtigung, hat der Senat insoweit aufgegeben. Hierbei hat er neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts abgestellt, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Hierfür sei es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht. Die bisherige Auffassung führe demgegenüber zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers. Sie mache das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren (BGH, IV ZR 250/11).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Aktuelle Gesetzgebung: Ein modernes Mietrecht für mehr Klimaschutz

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform beschlossen. Damit ist das Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt. Was am Ende übrig bleibt, wird sich zeigen.

Der Entwurf betrifft vier Regelungskomplexe: Die energetische Modernisierung von Wohnraum, die Förderung des Contracting, die Bekämpfung des Mietnomadentums und den Kündigungsschutz bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Im Einzelnen:

Energetische Modernisierung

Das Mietrecht muss dafür sorgen, dass Nutzen und Lasten einer energetischen Modernisierung ausgewogen zwischen Vermieter und Mieter verteilt werden.

  • Die Vorschriften über die Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen (bisher: § 554 BGB) werden reformiert. Größeres Gewicht erhält der neu geschaffene Tatbestand der „energetischen Modernisierung“. Er umfasst alle Maßnahmen, die zur Energieeinsparung in Bezug auf die Mietsache beitragen, etwa den Einsatz von Solartechnik für die Warmwasserbereitung. Das schafft Rechtssicherheit für den investitionswilligen Vermieter. Rein klimaschützende Maßnahmen oder Maßnahmen wie die Installation einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach, deren Strom der Vermieter in das öffentliche Stromnetz einspeist, muss der Mieter zwar dulden. Sie berechtigen aber nicht zur Mieterhöhung.

  • Energetische Modernisierungen sollen für eine begrenzte Zeit von drei Monaten nicht mehr zu einer Mietminderung (§ 536 BGB) führen. Ist etwa eine Dämmung der Außenfassade mit Baulärm verbunden, ist für die Dauer von drei Monaten die Mietminderung wegen dieser Beeinträchtigung ausgeschlossen. Ab dem vierten Monat kann eine Mietminderung wie bisher geltend gemacht werden, sofern die Baumaßnahme bis dahin nicht abgeschlossen und die Nutzung der Wohnung weiter beeinträchtigt ist. Der vorübergehende Minderungsausschluss gilt nur für energetische Modernisierungen. Bei anderen Modernisierungen (z.B. Modernisierung eines Bades) bleibt es beim unbeschränkten Minderungsrecht. Unberührt bleibt natürlich auch das Recht des Mieters zur Mietminderung, wenn die Wohnung wegen der Baumaßnahmen nicht mehr benutzbar ist.

  • Bei dem Grundsatz, dass die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen mit jährlich maximal elf Prozent auf die Miete umgelegt werden können, wird das geltende Recht nicht verändert (§ 559 BGB). Die Umlagemöglichkeit gilt auch für die energetische Modernisierung. Kosten für Erhaltungsaufwendungen, die mit Modernisierungen verbunden sind, berechtigen nicht zur Mieterhöhung. Dieser Abzugsposten wird im Mieterinteresse künftig ausdrücklich geregelt; diese Klarstellung fehlte im Gesetz bislang.

  • Bisher konnte sich der Beginn von Modernisierungsmaßnahmen verzögern, wenn der Mieter vorträgt, dass die gesetzlich vorgesehene Umlage von Modernisierungskosten eine für ihn unzumutbare wirtschaftliche Härte sei. Diese Härtefallprüfung wird in das spätere Mieterhöhungsverfahren verlagert, damit die Modernisierung zunächst ohne Verzögerungen realisiert werden kann. Beruft sich also ein Mieter darauf, dass er nach seinem Einkommen eine spätere Modernisierungsumlage nicht verkraften kann, so kann der Vermieter die geplante Maßnahme dennoch durchführen. Das schafft Planungssicherheit in der Bauphase. Der Härtegrund der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird im Mieterhöhungsverfahren nach Abschluss der Maßnahmen geprüft, auch der Abwägungsmaßstab wird nicht verschärft. Der Mieter behält also seinen umfassenden Schutz vor Mieterhöhungen, die er nicht tragen kann. Er muss also, wenn der Härtegrund gegeben ist, trotz zu duldender Modernisierung später eine mögliche erhöhte Miete nicht zahlen.

  • Die formalen Anforderungen an die Begründungspflichten des Vermieters bei Modernisierungen werden gesenkt, um überzogene Anforderungen zu beseitigen. Der Vermieter kann sich etwa auf anerkannte Pauschalwerte berufen, um die Wärmeleitfähigkeit alter Fenster zu beschreiben, die ausgetauscht werden sollen. Die Rechtsprechung verlangt hier bisher teilweise kostspielige Sachverständigengutachten.

  • In den Vorschriften über die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 BGB) wird gesetzlich klargestellt, dass die energetische Ausstattung und Beschaffenheit bei der Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu berücksichtigen sind. Energetische Kriterien sollen so künftig auch verstärkt in Mietspiegeln abgebildet werden.

Wirkungsvolles Vorgehen gegen das sogenannte Mietnomadentum

Gegen das sogenannte Mietnomadentum kann durch neue Verfahrensregeln verbessert vorgegangen werden:

  • Mit einer neuen Sicherungsanordnung kann der Mieter vom Gericht verpflichtet werden, für die während eines Gerichtsverfahrens Monat für Monat auflaufende Miete eine Sicherheit (z.B. Bürgschaft, Hinterlegung von Geld) zu leisten. Damit soll verhindert werden, dass der Vermieter durch das Gerichtsverfahren einen wirtschaftlichen Schaden erleidet, weil der Mieter am Ende des Prozesses nicht mehr in der Lage ist, die während des Prozesses aufgelaufenen Mietschulden zu bezahlen. Befolgt der Mieter bei einer Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs eine vom Gericht erlassene Sicherungsanordnung nicht, kann der Vermieter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes schneller als bislang ein Räumungsurteil erwirken.

  • Die in der Praxis entwickelte „Berliner Räumung“ erleichtert die Vollstreckung von Räumungsurteilen. Sie wird auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Hat ein Vermieter vor Gericht ein Räumungsurteil erstritten, soll der Gerichtsvollzieher die Wohnung räumen können, ohne gleichzeitig die - oft kostenaufwendige - Wegschaffung und Einlagerung der Gegenstände in der Wohnung durchzuführen. Die Räumung kann also darauf beschränkt werden, den Schuldner aus dem Besitz der Wohnung zu setzen. Auf diese Weise fällt kein Kostenvorschuss für Abtransport und Einlagerung der in der Wohnung verbleibenden Gegenstände an. Die Haftung des Vermieters für die vom Schuldner zurückgelassenen Gegenstände wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt.

  • Wenn der Gerichtsvollzieher an der Wohnungstür klingelt, um ein Räumungsurteil zu vollstrecken, öffnet manchmal ein Unbekannter die Tür und behauptet, Untermieter zu sein. Auch wenn der Vermieter von der Untermiete nichts wusste, kann die Wohnung zunächst nicht geräumt werden, weil das Räumungsurteil nur gegen die Personen wirkt, die dort benannt sind. Ein neuer Anspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren gibt dem Vermieter die Möglichkeit, in dieser Situation schnell einen weiteren Räumungstitel auch gegen den unberechtigten Untermieter zu bekommen.

Contracting

Mit der Umstellung auf Contracting (gewerbliche Wärmelieferung durch ein spezialisiertes Unternehmen) kann Energie gespart oder effizienter genutzt werden. Vermieter, die bisher in Eigenregie für die Wärmeversorgung ihrer Häuser gesorgt haben, können einen Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung leisten, wenn sie einen gewerblichen Wärmelieferanten beauftragen, der in der Regel in eine neue, sparsamere Heizungsanlage investiert. Die Umlage der Contractingkosten auf den Mieter anstelle der bisherigen Heizkosten, und damit ein Umstellungsanspruch des Vermieters, wird gesetzlich geregelt. Wenn Vermieter von der Wärmeversorgung in Eigenregie auf Wärmelieferung durch einen gewerblichen Anbieter umstellen, können sie die Kosten dieser Wärmelieferung künftig unter folgenden Voraussetzungen als Betriebskosten auf den Mieter umlegen: In der Regel muss der Contractor eine neue Anlage errichten oder die Wärme aus einem Wärmenetz liefern, z.B. als Fernwärme oder aus einem Blockheizkraftwerk. Bei Bestandsanlagen, die noch effizient weiter betrieben werden können, kann er sich auch auf die verbesserte Betriebsführung beschränken. In jedem Fall muss die Umstellung für den Mieter kostenneutral sein. Außerdem muss die Umstellung rechtzeitig zuvor angekündigt werden, damit der betroffene Mieter prüfen kann, ob die Voraussetzungen für eine spätere Umlage als Betriebskosten tatsächlich vorliegen.

Unterbindung des „Münchener Modells“

Der bewährte Mieterschutz bei der Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen darf nicht durch das sogenannte „Münchener Modell“ umgangen werden. § 577a BGB sieht derzeit einen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen für drei Jahre vor, wenn Mietshäuser in Wohneigentum umgewandelt und die Wohnungen sodann veräußert werden. Die Landesregierungen können diese Frist für gefährdete Gebiete (Ballungsräume) bis auf zehn Jahre verlängern. Das „Münchener Modell“ ist dadurch geprägt, dass eine Personengesellschaft (z.B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ein Mietshaus von vornherein mit dem Ziel erwirbt, ihren Mitgliedern die Nutzung der Wohnungen zu ermöglichen und die Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Noch vor der Umwandlung kündigt die Gesellschaft einem oder mehreren Mietern wegen Eigenbedarfs einzelner Gesellschafter. Auf diese Weise wird der in § 577a BGB verankerte Schutz vor Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung in Wohneigentum umgangen. Diese Schutzlücke soll jetzt geschlossen werden.

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WEG: Beschlusskompetenz für Sanierungsplan und Winterdienst

Einzelne Wohnungseigentümer können nur durch Vereinbarung und nicht durch Mehrheitsbeschluss zu einer turnusmäßigen Übernahme der Räum- und Streupflicht verpflichtet werden.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Streit einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass zur Übertragung der Räum- und Streupflicht die Beschlusskompetenz fehle. Die Regelung gehe über das Innenverhältnis der Wohnungseigentümer hinaus. Die Pflicht sei nicht nur auf das Gemeinschaftseigentum bezogen. Vielmehr betreffe sie auch die Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten. Zudem obliege die Verkehrssicherungspflicht nicht dem einzelnen Wohnungs-eigentümer, sondern dem Verband (BGH, V ZR 161/11).

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WEG: Beschlusskompetenz für den Einbau und Betrieb von Rauchwarnmeldern

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Kompetenz, per Mehrheitsbeschluss den Einbau von Rauchwarnmeldern in allen Wohnungen zu verlangen.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Hamburg. Die Richter machten deutlich, dass Beschlüsse zwar wegen absoluter Beschlussunzuständigkeit unwirksam sein könnten. Das sei der Fall, wenn sie ausschließlich in die individuelle Rechtszuständigkeit einzelner Wohnungseigentümer eingreifen würden, ohne eine gemeinschaftliche Angelegenheit, insbesondere gemeinschaftsbezogene Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, zu regeln. Hiervon könnte z.B. ausgegangen werden, wenn der Mehrheitsbeschluss in das Sondereigentum eines einzelnen Wohnungseigentümers eingreife. Vorliegend sei dies jedoch nicht der Fall. Der Einbau von Rauchwarnmeldern diene der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherungspflicht auf dem gemeinschaftlichen Grundstück. Das sei eine gemeinschaftsbezogene Pflicht. Zudem bestehe eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Installation und Wartung von Rauchmeldern (LG Hamburg, 318 S 245/10).

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Verbraucherrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Patientenrechtegesetz soll mehr Transparenz für Patienten bringen

Ende Mai hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten beschlossen. Darin werden folgende Punkte vorgesehen:

  • Der Behandlungsvertrag wird ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Die Regelung erfasst die Vertragsbeziehung zwischen Patienten und Ärzten, aber auch anderen Heilberufen wie Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten. Patienten müssen verständlich und umfassend informiert werden, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen und beabsichtigte Therapien. Die Patienten sind gesondert auf Kosten für solche Leistungen hinzuweisen, die nicht von den Leistungsträgern übernommen werden.

  • Aufklärung muss umgehend erfolgen und ist verpflichtend. Vor jedem Eingriff müssen alle Patienten umfassend über die konkrete Behandlung und die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden. Dazu muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden, damit sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen kann. Eine schriftliche Aufklärung reicht alleine nicht aus.

  • Auch die Dokumentationspflichten bei der Behandlung sollen im Gesetz festgelegt werden. Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu führen. Patienten bekommen nunmehr ein gesetzliches Recht auf Akteneinsicht. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird im Prozess zulasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist.

  • In Haftungsfällen wird es mehr Transparenz geben. Die wichtigen Beweiserleichterungen berücksichtigen die Rechtsprechung und werden klar geregelt. Jeder kann jetzt im Gesetz nachlesen, wer im Prozess was beweisen muss. Bei sogenannten „einfachen“ Behandlungsfehlern muss wie bisher der Patient den Behandlungsfehler sowie die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die eingetretene Gesundheitsschädigung nachweisen. Für bestimmte Fallgruppen, wie den „groben“ Behandlungsfehler, sind Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten vorgesehen. Hierbei handelt es sich um gravierende Fälle, die aus objektiver medizinischer Sicht schlechterdings nicht mehr verständlich erscheinen. Dann muss sich der Behandelnde seinerseits entlasten und beweisen, dass der nachgewiesene Behandlungsfehler nicht generell geeignet war, eine Gesundheitsschädigung der eingetretenen Art herbeizuführen. Weitere Beweiserleichterungen betreffen etwa das sogenannte voll beherrschbare Risiko. So wird ein Behandlungsfehler vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht, das der Behandelnde voll beherrscht - führt z.B. ein defektes Narkosegerät während einer Operation des Patienten zu einer Sauerstoffunterversorgung und dadurch bedingt zu Hirnschädigungen, so wird die Verantwortlichkeit des Behandelnden für diesen Fehler vermutet.

Auch die Versichertenrechte in der gesetzlichen Krankenversicherung werden gestärkt:

  • Werden Verfahrensvorschriften, wie beispielsweise eine nicht fristgemäße Entscheidung bei Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht eingehalten, können sich die Versicherten die Leistung jetzt selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten erstattet, wenn die Krankenkassen ohne hinreichenden Grund über einen Antrag auf eine Leistung nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang bzw. innerhalb von fünf Wochen, wenn von der Krankenkasse ein medizinisches Gutachten eingeholt wird, entscheiden.

  • Bei Behandlungsfehlern sind die Kranken- und Pflegekassen künftig verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zu unterstützen. Dies kann etwa durch Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z. B. medizinischen Gutachten, geschehen.

  • Im Gesetzentwurf ist die Förderung einer Fehlervermeidungskultur in der medizinischen Versorgung vorgesehen: Behandlungsfehlern möglichst vorzubeugen, hat höchste Priorität. Ein sachgerechtes Qualitätsmanagement im stationären Bereich umfasst zukünftig verpflichtend auch ein Beschwerdemanagement für die Belange insbesondere von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, das entsprechend patientenorientiert auszugestalten ist.

  • Die Patientenbeteiligung wird weiter ausgebaut. Patientenorganisationen werden insbesondere bei der Bedarfsplanung stärker einbezogen.

  • Um insgesamt mehr Transparenz über geltende Rechte von Patientinnen und Patienten herzustellen, erstellt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung künftig eine umfassende Übersicht der Patientenrechte zur Information der Bevölkerung.

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Unfallversicherung: Falschangaben einer von mehreren versicherten Personen

Sind in einem Vertrag mehrere Personen versichert, so wirken sich falsche Angaben einer der Personen über ihren Gesundheitszustand nur auf den jeweils sie betreffenden Vertragsteil aus.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. Zwar gelte nach Ansicht der Richter der Grundsatz, dass bei einer Anfechtung wegen einer arglistigen Täuschung über Vorerkrankungen der Unfallversicherungsvertrag rückwirkend aufgehoben wird. Versichert der Vertrag jedoch mehrere Personen, müsse ausnahmsweise etwas anderes gelten. Täusche nur einer der Versicherten, sei die Wirkung der Anfechtung daher auf dessen Rechtsstellung begrenzt. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer und einem anderen (nicht mit dem Versicherungsnehmer identischen) Versicherten bleibe dagegen unberührt (OLG Saarbrücken, 5 U 90/11).

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Vereinsrecht: Blockwahl des Vorstands ausnahmslos nur mit Satzungsregelung

Eine Blockwahl des Vorstands ist generell nur möglich, wenn die Satzung das ausdrücklich zulässt. Das gilt nach einer Entscheidung des KG Berlin selbst dann, wenn der amtierende Vorstand lediglich im Amt bestätigt werden soll.

Grundsätzlich gilt für die Bestellung des Vorstands die Einzelwahl. Für jeden Kandidaten müssen die Mitglieder also mit Ja oder Nein votieren bzw. sich für einen Alternativkandidaten entscheiden können. Eine Blockwahl, bei der nur für mehrere Kandidaten gleichzeitig gestimmt werden kann, setzt eine entsprechende Satzungsregelung voraus. Selbst wenn der gesamte Vorstand nur im Amt bestätigt werden soll (etwa weil die Amtszeit laut Satzung automatisch ablief) und es keine Gegenstimmen gibt, gilt keine Ausnahme. Auch hier muss über jeden Vorstandsposten einzeln abgestimmt werden. Das Registergericht hatte die Eintragung folglich zu Recht abgelehnt (KG Berlin, 25 W 78/11).

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Verkehrsrecht

Unfallschadensregulierung: Treibstoff im Tank des verkauften Unfallfahrzeugs ist ersatzfähig

Grundsätzlich ist Benzin oder Diesel im Tank des zum Restwert zu verkaufenden Unfallfahrzeugs für den Geschädigten verloren. Kann er aber Angaben zur im Fahrzeug verbliebenen Menge machen, wird der Schaden geschätzt, und der gegnerische Haftpflichtversicherer muss dafür aufkommen.

So entschied das Amtsgericht (AG) Germersheim. Der Geschädigte hatte ganz kurz vor dem Unfall vollgetankt. Den Beleg darüber konnte er vorweisen. Getankt hatte er für knapp über 70 EUR. Das AG hat den Betrag des verbliebenen Treibstoffs auf 70 EUR geschätzt und diesen Betrag zugesprochen (AG Germersheim, 1 C 473/11).

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Abgeschleppt: Parken auf dem Restaurantparkplatz außerhalb der Öffnungszeiten

Ein Restaurantbetreiber darf ein Fahrzeug abschleppen lassen, das außerhalb der Öffnungszeiten unbefugt auf dem Parkplatz des Restaurants abgestellt wurde.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht (AG) Lübeck. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass der Fahrzeugbesitzer eine verbotene Eigenmacht ausgeübt habe. Den Fahrzeugbesitzer könne auch das Argument nicht entlasten, dass er geplant habe, nach der Öffnung des Restaurants dort einen Tisch zu reservieren. Ein solches Vorhaben berechtige den potenziellen Gast nicht, sein Fahrzeug außerhalb der Öffnungszeiten sozusagen im Vorgriff auf einen eventuellen späteren Besuch des Restaurants auf dem Gästeparkplatz abzustellen (AG Lübeck, 33 C 3926/11).

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Mobiltelefon: Kein Bußgeld für telefonierenden Fahrlehrer

Telefonieren am Steuer ist eine Ordnungswidrigkeit. Aber kann auch belangt werden, wer nur auf dem Beifahrerplatz sitzt und telefoniert? Hierüber hatte das Amtsgericht (AG) Herne-Wanne im Fall eines Fahrlehrers zu entscheiden.

Das AG sprach den Fahrlehrer frei. Er sei nur ausnahmsweise Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Bußgeldvorschriften. Zwar gelte er nach dem Straßenverkehrsgesetz bei Ausbildungsfahrten als Führer des Kraftfahrzeugs. Aus dieser Vorschrift sei jedoch nicht zu folgern, dass er auch als Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne der Bußgeldvorschriften gelte. Ein Fahrlehrer sei vielmehr nur dann „Führer“ eines Kraftfahrzeugs im Sinne des StVG, wenn sein Einwirken auf den Fahrschüler über die bloße Überwachung der Fahrt hinausgehe. Benutze er während der Fahrt ein Mobiltelefon, komme nur in diesem Fall eine Ordnungswidrigkeit in Betracht. Denn für die straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung komme es allein darauf an, wer das Fahrzeug eigenhändig führe (AG Herne-Wanne, 21 OWi 64 Js 891/11-264/11).

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Behindertenparkplatz: Anspruch auf Parkerleichterung bei autistischem Kind

Ein Kind mit einer autistischen Störung kann die Erteilung einer Parkerleichterung für schwerbehinderte Menschen zu Händen seiner Eltern außerhalb der „aG"-Regelung“ verlangen.

Hierauf wies das Verwaltungsgericht (VG) Aachen in einem entsprechenden Fall hin. Allerdings bestehe kein genereller Anspruch. Es müsse vielmehr jeweils im Einzelfall entschieden werden. So könne bei einem autistischen Kind mit einem erheblichen Transportbedarf ein atypischer Ausnahmefall vorliegen, der es im Wege der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null gebietet, ihm die beantragte Parkerleichterung in Gestalt des orangefarbenen Parkausweises zuzuerkennen (VG Aachen, 2 K 2270/10).

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 0,12 Prozent.

Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 5,12 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 2,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
  • vom 01.01.2011 bis 30.06.2011: 0,12 Prozent
  • vom 01.07 2010 bis 31.12.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2010 bis 30.06.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.07 2009 bis 31.12.2009: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2009 bis 30.06.2009: 1,62 Prozent
  • vom 01.07.2008 bis 31.12.2008: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2008 bis 30.06.2008: 3,32 Prozent
  • vom 01.07.2007 bis 31.12.2007: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2007 bis 30.06.2007: 2,70 Prozent
  • vom 01.07.2006 bis 31.12.2006: 1,95 Prozent
  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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Steuertermine im Monat Juli 2012

Im Monat Juli 2012 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

  • Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Barzahlung bis zum 10.7.2012.

  • Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Barzahlung bis zum 10.7.2012.

Bei Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.7.2012. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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