Monatsbrief Juni 2011

WCR-B-06-2011

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 6/2011:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011

Seit dem 1. Mai 2011 gilt in Deutschland die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Damit endet eine insgesamt sieben Jahre währende Übergangszeit. Bürgerinnen und Bürger aus acht der 2004 der Europäischen Union (EU) beigetretenen Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn) können sich nun frei auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben. Für Arbeitnehmer aus den 2007 der EU beigetretenen Ländern Bulgarien und Rumänien gilt dies ab 2012, wenn Deutschland nicht einen weiteren Aufschub bis 2014 beantragt.

Die volle Freizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten der EU - neben dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Experten des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit rechnen mit ca. 100.000 Menschen, die wegen der Freizügigkeit pro Jahr zusätzlich nach Deutschland kommen werden. Zur Einordnung: Schon 2009 - bei beschränktem Zugang - lebten und arbeiteten in Deutschland ca. 580.000 Menschen aus den acht mittelosteuropäischen Staaten. Insgesamt leben dort rund 73 Millionen Menschen. Schon bisher gab es zahlreiche Wege, auf denen trotz eingeschränkter Freizügigkeit Arbeitskräfte nach Deutschland kommen konnten (z.B. als Akademiker oder Saisonkräfte).

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Auslandseinsatz: Vergütung eines Bauarbeiters

Entsendet ein Unternehmen des Bauhauptgewerbes einen Bauarbeiter vorübergehend zum Arbeitseinsatz ins Ausland, und treffen die Parteien für diesen Einsatz keine Vergütungsregelung, schuldet der Arbeitgeber die übliche Vergütung. Diese richtet sich nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe (TV Mindestlohn), sofern im vergleichbaren Wirtschaftskreis tatsächlich keine höhere Vergütung für Auslandseinsätze gewährt wird. Ob in diesen Fällen der Mindestlohn West oder der Mindestlohn Ost zu zahlen ist, bestimmt sich nach dem Einstellungsort.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Geklagt hatte ein bei einem Bauunternehmen mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigter Maurer. Er arbeitete überwiegend auf Baustellen in Dänemark. Dafür verlangte er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den nach seinem Vorbringen in Dänemark für einen dort eingestellten Maurer üblichen Lohn. Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe des Mindestlohns West stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger lediglich den Mindestlohn Ost zugesprochen. Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt. Der Maurer könne mangels einer anderweitigen Vergütungsvereinbarung für seinen Auslandseinsatz in Dänemark (nur) den Mindestlohn Ost verlangen (BAG, 5 AZR 171/10).

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Arbeitgeberhaftung: Schadenersatz wegen Arbeiten an asbesthaltigen Bauteilen

Die Anweisung an einen Arbeitnehmer, mit asbesthaltigem Material ohne Schutzmaßnahmen zu arbeiten, kann die bewusste Inkaufnahme von Gesundheitsschäden des Arbeitnehmers beinhalten.

So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers, der bei einer Stadt beschäftigt war. Hier war er zunächst als Betreuer für Asylbewerber in einem Asylbewerberheim tätig. Dabei wurde er für mehrere Monate auf Weisung seines zuständigen Abteilungsleiters und des Heimleiters zu Sanierungsarbeiten herangezogen. Nach einem Hinweis darauf, dass bei diesen asbesthaltiger Staub freigesetzt werde, verfügte das Gewerbeaufsichtsamt die Einstellung der Arbeiten. Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, die beklagte Stadt habe es grob fahrlässig unterlassen, ihm nötige Mittel des Arbeitsschutzes bereitzustellen. Darin liege angesichts der Erhöhung des Risikos einer Krebserkrankung ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die Richter verwiesen darauf, dass eine Haftung der beklagten Stadt für mögliche Schäden des Arbeitnehmers aufgrund der Arbeiten mit asbesthaltigen Bauteilen nur unter bestimmten Voraussetzungen bestehe. So müsse der für den Arbeitnehmer zuständige Vorgesetzte ihm die Tätigkeit zugewiesen haben, obwohl ihm bekannt war, dass der Arbeitnehmer damit einer besonderen Asbestbelastung ausgesetzt sei. Zudem müsse er eine Gesundheitsschädigung des Arbeitnehmers zumindest billigend in Kauf genommen haben. Ob diese Voraussetzungen für eine Haftung der beklagten Stadt vorliegen, muss nun das Landesarbeitsgericht aufklären (BAG, 8 AZR 769/09).

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Dienstwagen: Entzug des Dienstwagens bei fristloser Kündigung

Nach einer fristlosen Kündigung muss der Arbeitnehmer den ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen ausnahmsweise nicht herausgeben, wenn die außerordentliche Kündigung offensichtlich unwirksam war.

Ein solcher Ausnahmefall liegt nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm vor, wenn der Arbeitgeber eine fristlose Änderungskündigung ausspricht, die auf einen gleichen Vorfall gestützt wird, weswegen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits abgemahnt hatte (LAG Hamm, 12 Sa 1376/10).

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Ruhegehalt: Aberkennung wegen Bestechlichkeit

Einem Ruhestandsbeamten, der sich während seiner aktiven Dienstzeit als bestechlich erwiesen hat, ist das Ruhegehalt abzuerkennen.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall eines inzwischen wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamten bei der Deutschen Bahn AG. Dieser war während seiner aktiven Zeit als Teamleiter für drei Baugruppen verantwortlich. In mehreren Fällen hat er Sach- und Geldzuwendungen (u.a. einen Laptop, Sommerreifen, eine Kettensäge, einen Kaffeevollautomaten und mindestens dreimal Bargeld von jeweils 500 EUR) von einem Auftragnehmer der DB Netz AG entgegengenommen und im Gegenzug überhöhte Stundenzettel und Rechnungen des Unternehmers als sachlich richtig bestätigt. Auf die Disziplinarklage des Bundeseisenbahnvermögens erkannte das Verwaltungsgericht Trier dem Beklagten das Ruhegehalt ab.

Die hiergegen eingelegte Berufung, mit welcher der Ruhestandsbeamte geltend gemacht hat, die von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen seien nicht so schwer, dass sie eine Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigen könnten, hatte keinen Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der den Ruhestandsbeamten entlastenden Umstände wiege das von ihm eingeräumte Dienstvergehen so schwer, dass die Aberkennung des Ruhegehalts zwingend geboten sei. Er habe über einen längeren Zeitraum in zahlreichen Fällen gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung und gegen das Verbot der Vorteilsannahme verstoßen. Dabei habe er nicht nur Sachzuwendungen von erheblichem Wert, sondern auch bares Geld in beträchtlicher Höhe entgegengenommen. Entscheidend entlasten könne ihn insbesondere nicht, dass er die Taten auf Veranlassung seines Vorgesetzten begangen habe (OVG Rheinland-Pfalz, 11 A 10222/11.OVG).

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Baurecht

Architektenvertrag: Unzulässiges Aufrechnungsverbot

Die Klausel in einem Architektenvertrag, nach der eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch des Architekten nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig ist, benachteiligt den Besteller.

Sie ist daher nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) unwirksam. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der Überlegung, dass anderenfalls ein untragbares Ergebnis entstehe. Wegen des Verbots der Aufrechnung müsste sonst nämlich der Bauherr eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang vergüten, obgleich er einen Gegenanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten habe (BGH, VII ZR 209/07).

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Architektenhaftung: Putzarbeiten müssen nicht besonders überwacht werden

Putzarbeiten sind handwerkliche Selbstverständlichkeiten und müssen daher nicht im Einzelnen überwacht werden.

Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun bestätigt, indem er die Nichtzulassungsbeschwerde des unterlegenen Bauherrn zurückwies. Dieser hatte seinen Architekten wegen nicht ausreichender Überwachung im Rahmen der Bauüberwachung auf Schadenersatz verklagt. Bei dem Bauvorhaben hatten sich Risse und Hohlstellen im Putz gebildet. Zudem war unklar, ob die erforderliche Aufbrennsperre tatsächlich eingebaut worden war. Nach Ansicht des Bauherrn müsse für diese Mängel auch der Architekt einstehen, da er die Putzarbeiten nicht hinreichend überwacht habe. Der Architekt dagegen meinte, Putzarbeiten seien als handwerkliche Selbstverständlichkeiten nicht besonders zu überwachen.

So sah es auch das OLG und wies die Klage ab. Der Architekt könne sich darauf verlassen, dass Putzarbeiten vom Bauunternehmer beherrscht würden. Die entsprechenden Arbeiten könnten selbstständig und ohne Anweisung des Architekten ausgeführt werden. Das gelte auch bei einem stark saugenden Untergrund, der eine besondere Behandlung benötige. Zudem handele es sich beim Innenputz vornehmlich um eine optische Baumaßnahme. Schon deshalb habe das Gewerk eine eher geringere Bedeutung und müsse nicht im Einzelnen überwacht werden (OLG Dresden, 10 U 1414/08; BGH, VII ZR 37/10).

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Vertragsrecht: Nutzen von Planungsunterlagen begründet noch keinen Vertrag

Wurden zwischen Bauherrn und Architekten ergebnislose Vertragsverhandlungen geführt, entsteht kein Vertragsschluss dadurch, dass der Bauherr die Pläne des Architekten für die Bauantragstellung benutzt.

Mit dieser Begründung wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Honorarklage eines Architekten ab. Dieser hatte einem Bauherrn fünf Planungsentwürfe für eine Halle zur Verfügung gestellt. Einen davon hatte er zudem weiter ausgearbeitet. Die Vertragsverhandlungen blieben jedoch ohne Ergebnis. Nach über einem Jahr stellte der Architekt fest, dass der Bauherr seine Pläne für den Bau der beabsichtigten Halle genutzt hatte.

Honoraransprüche könne er dafür jedoch nicht verlangen, entschieden die Richter. Da keine ausdrückliche Honorarvereinbarung geschlossen worden sei, müsse der Architekt nachweisen, dass die Erstellung der Planungen nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. Der dafür erforderliche Vertragsschluss ergebe sich noch nicht daraus, dass der Architekt die Pläne erstellt habe. Es müsse vielmehr abgegrenzt werden, ob diese Planungen zur Akquise für einen späteren Vertragsschluss erstellt wurden, oder ob sich die Parteien damit bereits rechtlich binden wollten. Da im vorliegenden Fall die Vertragsverhandlungen erfolglos geblieben waren, müsse die Planungserstellung noch der - kostenlosen - Akquisitionsphase zugerechnet werden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Bauherr die Pläne letztlich doch verwendet habe. Hierdurch habe er nicht zum Ausdruck gebracht, dass er nach dem Scheitern der Verhandlungen doch noch „im Nachhinein“ einen Vertragsschluss gewollt habe. Um ein für gerecht empfundenes Ergebnis zu erreichen, könne aber gegen diesen festgestellten Willen kein Vertragsschluss konstruiert werden.

Hinweis: Mögliche Ansprüche des Architekten können sich zudem aus dem Urheberrecht ergeben. Bauherren sind also gut beraten, die Entscheidung nicht als „günstiges Geschäftsmodell“ zu interpretieren (OLG Celle, 14 U 140/10).

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Bebauungsplan: Auch bei offener Bauweise muss Garage keinen Grenzabstand einhalten

Die aus der Bauordnung folgenden Vorschriften zum Abstand zwischen einzelnen Bauwerken werden eingehalten, wenn eine Garage an einer Grundstücksgrenze gebaut werden soll, gegenüber der nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden darf.

Ein solcher Fall liegt nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln vor, wenn die betreffenden Grundstücke im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen, nach dem eine offene Bauweise festgelegt ist. Zwar müssten bei der offenen Bauweise die Gebäude mit einem seitlichen Grenzabstand errichtet werden. Diese Vorgabe sei für Garagen jedoch nicht anwendbar, da diese als untergeordnete Nebenanlagen vom gesetzlichen Gebäudebegriff nicht erfasst werden (VG Köln, 2 L 407/11).

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Familien- und Erbrecht

Sorgerecht: Voraussetzungen für einen Aufenthaltswechsel des Kindes ins Ausland

Das Familiengericht darf das alleinige Sorgerecht für ein Kind nur unter Beachtung besonderer Voraussetzungen auf einen Elternteil übertragen, der im Ausland lebt.

Das verdeutlichte der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines nicht verheirateten Elternpaars. Dieses stritt um das alleinige Sorgerecht für seine achtjährige Tochter. Die Mutter besitzt die deutsche, der Vater die französische Staatsangehörigkeit. Zur Zeit der Geburt des Kindes lebten die Eltern in Frankreich. Kurz nach der Geburt trennten sie sich. Die Mutter kehrte mit dem Kind nach Deutschland zurück, wo das Kind seither lebt und zur Schule geht. Beide Elternteile übten die elterliche Sorge zunächst einverständlich gemeinsam aus. In der Folge kam es zum Streit um das Umgangsrecht, das Recht, wer das Kind einschulen darf, und schließlich um das Sorgerecht. Das Amtsgericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen. Das Oberlandesgericht hat nach Austausch des Verfahrenspflegers und ohne Anhörung des Kindes dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen und angeordnet, dass die Mutter das Kind an den in Frankreich lebenden Vater herauszugeben habe.

Die von der Mutter hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Entscheidung. Der BGH hat u.a. beanstandet, dass das Oberlandesgericht die vermeintlich bessere Erziehungseignung des Vaters, auf die es seine Entscheidung maßgeblich gestützt hat, nicht nachvollziehbar begründet habe. Rechtsfehlerhaft sei auch, dass das Oberlandesgericht das Kind nicht angehört habe. Die alleinige Zuweisung der elterlichen Sorge an den Vater habe für das Kind erhebliche Auswirkungen. Sie sei mit einem Umzug des Kindes nach Frankreich und damit mit einem gravierenden Wechsel seiner bisherigen Lebensumstände verbunden. Daher sei es unverzichtbar, dass das nach seinem Entwicklungsstand schon verständige Kind durch das erkennende Gericht selbst angehört werde. Es komme hinzu, dass alle mit dem Kind in diesem Verfahren befassten Personen, die das Kind selbst angehört haben, also der Amtsrichter, die Verfahrenspfleger und der Sachverständige übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt seien, dass das Kind bei der Mutter bleiben sollte. Auf verfahrensrechtliche Bedenken stieß auch, dass das Oberlandesgericht die Verfahrenspflegerin, die das Kind seit längerer Zeit auch aus dem Beschulungs- und Umgangsrechtsverfahren kannte und in das umfangreiche Verfahren eingearbeitet war, kurz vor Abschluss des Verfahrens durch einen anderen Verfahrenspfleger ersetzt habe (BGH, XII ZB 407/10).

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Betreuungsunterhalt: Keine Verlängerung bei Behauptung schlechter schulischer Leistungen

Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts für ein zehnjähriges Kind kann nicht dadurch erreicht werden, dass pauschal auf schlechte schulische Leistungen verwiesen wird.

Mit dieser Begründung wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg die entsprechende Klage einer Kindesmutter ab. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass das Gesetz einen automatischen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres vorsehe. Für den Zeitraum danach bestehe nur ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt, wenn dies der Billigkeit entspreche. Dazu müsse die Anspruchstellerin darlegen und beweisen,

  • dass und aus welchen Gründen sowie in welchem Umfang sie das Kind weiter selbst betreuen müsse,
  • beziehungsweise, dass sie wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten keine Voll- oder Teilerwerbstätigkeit neben der eigenen Kindesbetreuung ausüben könne.

Je älter das Kind sei, desto höher seien die Anforderungen an diesen Nachweis. Sei das Kind fast zehn Jahre alt, sei üblicherweise wegen des Schulbesuchs bis zum frühen Nachmittag keine Betreuung durch den Elternteil nötig. In einem solchen Fall sei die pauschale Behauptung schlechterer schulischer Leistungen des Kindes nicht ausreichend, um von einem erhöhten Betreuungsbedarf auszugehen. Es müsse vielmehr die tatsächlich notwendige Betreuung im Einzelnen dargelegt werden (OLG Brandenburg, 10 UF 85/09).

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Erbrecht: Keine Irrtumsanfechtung bei Erbschaftsausschlagung aus allen Berufungsgründen

Schlägt der Erbe die Erbschaft ausdrücklich mit dem Hinweis auf „alle Berufungsgründe“ aus, kann er seine Erklärung später nicht mehr wegen Irrtums anfechten.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Erben, der seine Erbausschlagung rückgängig machen wollte. Die Richter wiesen seinen entsprechenden Antrag zurück. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass aus der Erklärung deutlich werde, dass dem Erben bei seiner Ausschlagung der Berufungsgrund gleichgültig gewesen sei. Die Formulierung „aus allen Berufungsgründen“ lasse erkennen, dass er auf keine - wie auch immer geartete - Beteiligung am Nachlass Wert gelegt habe. Seine Erklärung erfasse nämlich nicht nur die ihm in diesem Zeitpunkt bekannten Berufungsgründe. Vielmehr seien auch die ihm unbekannten Gründe eingeschlossen. Wolle er aber die Erbschaft in jedem Fall ausschlagen, könne für ihn ein Irrtum über den Berufungsgrund gerade keine Auswirkung auf seine Erklärung gehabt haben (OLG Hamm, I-15 W 167/10).

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Erbrecht: Geltendmachung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis des Erblassers

Verstirbt ein Arbeitnehmer, kann seine Witwe alle zum Nachlass gehörenden Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis im Namen der Erbengemeinschaft einfordern.

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit, in der ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber auf ausstehenden Lohn verklagt hatte. Noch während des Prozesses verstarb der Arbeitnehmer. Er wurde von seiner Frau und seinen drei Kindern beerbt. Die Ehefrau führte den Prozess weiter.

Bedenken des Arbeitgebers hiergegen wies das LAG zurück. Die Richter machten deutlich, dass die Witwe „aktiv legitimiert“ und damit zur Fortsetzung des Prozesses berechtigt gewesen sei. Zum einen sei ihre Stellung als Teil der Erbengemeinschaft des verstorbenen Arbeitnehmers im Erbschein dokumentiert. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches könne auch ein einzelner Miterbe zum Nachlass gehörende Forderungen für die Erbengemeinschaft gerichtlich geltend machen. Zum anderen würden aber auch entsprechende Vollmachten der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft vorliegen (LAG Köln, 7 Sa 385/09).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Schönheitsreparaturen: Klauseln mit einfarbigen Vorgaben („weiß“) sind unwirksam

Eine Formularklausel, die den Mieter verpflichtet, die Wohnung in „weiß“ dekoriertem Zustand zurückzugeben, benachteiligt den Mieter unangemessen und ist daher unwirksam.

Mit dieser Entscheidung führt der Bundesgerichtshof (BGH) seine bisherige Rechtsprechung zur (Un-)Wirksamkeit von Farbwahlklauseln konsequent fort. Diese benachteiligen den Mieter unangemessen und sind unwirksam, wenn sie nicht auf den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache beschränkt sind, sondern den Mieter auch während des laufenden Mietverhältnisses zu einer Dekoration in der vorgeschriebenen Farbwahl verpflichten (z.B. „Die Schönheitsreparaturen sind in neutralen, deckenden, hellen Farben und Tapeten auszuführen“). Grund: Der Mieter wird durch die Einengung in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs eingeschränkt, ohne dass hierfür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters besteht. Folge: Die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist schlechthin unwirksam. Farbwahlklauseln sind daher nur wirksam, wenn sie kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllen:

  • Ausschließliche Geltung für den Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache und
  • keine Festlegung des Mieters auf eine spezielle Ausführungsweise, sondern im Rahmen einer vorgegebenen Bandbreite Belassung eines gewissen Spielraums für die Dekoration, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar ist.

Hieran gemessen schränkt auch eine Rückgabeklausel, die den Mieter - wie hier - verpflichtet, die Wohnung „weiß“ dekoriert zurückzugeben, die Gestaltungsfreiheit des Mieters in unzulässiger und von den berechtigten Interessen des Vermieters nicht gedeckten Weise ein. Der BGH hält daran fest, dass das berechtigte Interesse des Vermieters allein darin besteht, die Wohnung in einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspricht und eine rasche Weitervermietung ermöglicht. Diesen Anforderungen genügt aber auch eine Dekoration in anderen dezenten Farbtönen. Eine in diesem Sinne formulierte Rückgabeklausel wäre unbedenklich (BGH, VIII ZR 198/10).

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Schadenersatz: Kein Anspruch bei Kündigung ohne Angabe von Gründen

Die Angabe der Gründe für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist eine bloße Obliegenheit des Vermieters, aus deren Verletzung der Mieter keine Schadenersatzansprüche (hier: Kosten eines außergerichtlich eingeschalteten Anwalts) herleiten kann.

Mit dieser Begründung wies der Bundesgerichtshof (BGH) die Klage eines Mieters ab. Dessen Mietverhältnis war durch den Vermieter ohne nähere Begründung gekündigt worden. Er hatte daraufhin durch einen Rechtsanwalt die Kündigung zurückweisen lassen. Die hierdurch entstandenen Kosten verlangte er als Schadenersatz zurück.

Ohne Erfolg. Der BGH wies auf die Besonderheit hin, dass die Kündigung zwar formell unwirksam, aber materiell begründet gewesen sei. Ein Kündigungsgrund habe also vorgelegen, sei nur nicht genannt worden. Nach erneuter - diesmal korrekter - Kündigung hätte der Mieter dann auch die Wohnung räumen müssen. Die Richter machten deutlich, dass den Vermieter gegenüber dem Mieter keine vertragliche Nebenpflicht treffe, bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung deren formelle Voraussetzungen zu beachten. Er mache dem Mieter den Besitz der Mietsache nicht vorwerfbar streitig, wenn er einen materiell bestehenden Kündigungsgrund nicht oder nicht ausreichend in der Kündigung darlege. Grund: Mit der Begründungspflicht solle dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über seine Position Klarheit verschafft werden. So soll er in der Lage sein, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Erfolge die Kündigung dagegen ohne Gründe, sei sie rechtsunwirksam. Dann komme es für den Mieter ohnehin auf die Gründe nicht mehr an. Daher sei die ordnungsgemäße Angabe des Kündigungsgrundes keine Nebenpflicht des Vermieters, auf deren Erfüllung der Mieter einen Anspruch habe. Vielmehr sei sie eine Obliegenheit, die der Vermieter im eigenen Interesse zur Vermeidung von Rechtsnachteilen beachten müsse. Eine Schadenersatzpflicht werde damit nicht ausgelöst (BGH, VIII ZR 9/10).

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Mietvertrag: Mieter darf nicht länger als vier Jahre gebunden werden

Es liegt eine unwirksame Klausel vor, wenn der Mieter über vier Jahre lang an einen Mietvertrag gebunden ist.

Diese Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Streit zwischen Mieter und Vermieter über die Wirksamkeit einer Kündigung. Im Mietvertrag hieß es: „Das Mietverhältnis wird für unbestimmte Zeit mit einem befristeten Kündigungsausschluss geschlossen. Die Vertragsparteien verzichten wechselseitig für die Dauer von vier Jahren ab Vertragsbeginn auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrags. Eine ordentliche Kündigung ist erstmals nach Ablauf des bezeichneten Zeitraums mit der gesetzlichen Frist zulässig.“ Als der Vermieter nach zwei Jahren die Miete erhöhen wollte, kündigte der Mieter. Der Vermieter hielt die Kündigung für unwirksam.

Das sah der BGH jedoch anders. Die Richter bestätigten das Kündigungsrecht des Mieters, da die Klausel des Mietvertrags unwirksam sei. Sie benachteilige den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Ein formularmäßiger Kündigungsausschluss sei unwirksam, wenn der Mieter für mehr als vier Jahre - gerechnet vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann - gebunden werde. Daher sei die Klausel schon deshalb unwirksam, weil sie den noch zulässigen Bindungszeitraum von vier Jahren um drei Monate verlängere, indem sie bestimme, dass „die Kündigung erstmals nach Ablauf des bezeichneten Zeitraums“ zulässig erklärt werden könne (BGH, VIII ZR 163/10).

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WEG: Klimaanlage muss genehmigt werden

Durch die Betriebsgeräusche einer elektrischen Klimaanlage dürfen andere Hausbewohner nicht nachhaltig in ihrer Ruhe gestört werden. Anderenfalls kann die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließen, dass das Gerät entfernt werden muss.

Das bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall einer Wohnanlage, die aus 14 Wohnungen und drei Gewerbeeinheiten bestand. Einer der Eigentümer montierte an der Außenfassade eine Klimaanlage. Das brachte die anderen Eigentümer auf den Plan. Sie bemängelten, dass das Gerät optisch nicht zur Fassade passe. Zudem seien die Betriebsgeräusche störend, insbesondere in der Nacht. In der Eigentümerversammlung wurde daher beschlossen, dass das Gerät entfernt werden müsse. Das wiederum wollte der betroffene Eigentümer nicht und zog vor Gericht.

Mit seiner Klage hatte er jedoch keinen Erfolg. Die Richter verdeutlichten ihm, dass die Montage seiner Klimaanlage eine bauliche Veränderung sei. Hierfür müsse er die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft einholen. Da er das nicht getan habe, sei der Beseitigungsbeschluss rechtmäßig. Dagegen spreche auch nicht, dass möglicherweise ein Betriebsverbot während der Nachtzeit ausgereicht hätte. Der Eigentümergemeinschaft stehe ein Gestaltungsspielraum zu. Um verwaltungstechnische Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Beschlusses zu vermeiden, entspreche das Beseitigungsverlangen deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung (OLG Düsseldorf, I-3 WX 179/09).

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Verbraucherrecht

Ebay: Zur Haftung des Kontoinhabers bei unbefugter Nutzung seines Mitgliedskontos

Der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos haftet nicht in jedem Fall vertraglich für Erklärungen, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung dieses Mitgliedskontos abgegeben hat.

Diese für die Praxis wichtige Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Frau, die beim Internetauktionshaus eBay ein passwortgeschütztes Mitgliedskonto unterhielt. Am 3.3.2008 wurde über dieses Konto eine komplette Gastronomieeinrichtung mit einem Eingangsgebot von 1 EUR zum Verkauf angeboten. Der Kläger gab hierauf ein Maximalgebot von 1.000 EUR ab. Einen Tag danach wurde die Auktion vorzeitig durch Rücknahme des Angebots beendet. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt der Höchstbietende. Er forderte die Frau auf, ihm die Gastronomieeinrichtung (Wert 33.820 EUR) gegen Zahlung von 1.000 EUR herauszugeben. Weil dies nicht geschah, verlangte er Schadenersatz in Höhe von 32.820 EUR. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob das Angebot von der Frau oder ohne deren Beteiligung und Wissen von ihrem Ehemann auf der Internetplattform eingestellt worden ist. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es in § 2 Ziffer 9: „Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden."

Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen, auch vor dem BGH hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar seien, wenn durch das Benutzen eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt werde, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden. Würden Erklärungen unter dem Namen eines anderen abgegeben, sei der Namensträger daher nur verpflichtet, wenn

  • die Erklärung in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgte oder
  • die Erklärung vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sei oder
  • wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen würden.

Dagegen müsse sich der Kontoinhaber keine Erklärungen zurechnen lassen, die ein Dritter bei einer unbefugten Benutzung des Kontos abgegeben habe. Das gelte auch, wenn der Kontoinhaber die Kontaktdaten seines eBay-Mitgliedskontos nicht sorgfältig aufbewahrt habe. Nichts anderes ergebe sich schließlich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Diese seien jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart. Daher hätten sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter. Ausgehend hiervon sei vorliegend zwischen den Parteien kein Kaufvertrag über die Gastronomieeinrichtung zustande gekommen (BGH, VIII ZR 289/09).

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Schadenersatz: Wer ohne zu bezahlen tankt, muss Detektivkosten erstatten

Ein Tankstellenbetreiber kann die zur Ermittlung eines Kunden aufgewandten Kosten von diesem erstattet verlangen, wenn er ohne zuvor zu bezahlen das Tankstellengelände verlässt.

Das schrieb der Bundesgerichtshof (BGH) einem Tankstellenkunden ins Stammbuch. Dieser hatte nach dem Tanken an der Kasse lediglich einen Schokoriegel und zwei Vignetten bezahlt. Als der Tankstellenbetreiber den unbezahlten Kraftstoff bemerkte, schaltete er ein Detektivbüro zur Ermittlung des Kunden ein. Hierfür fielen Kosten in Höhe von 137 EUR an. Zudem verlangt der Tankstellenbetreiber eine Auslagenpauschale von 25 EUR und vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 39 EUR.

Die Richter entschieden, dass dem Tankstellenbetreiber die geltend gemachten Beträge jedenfalls als Verzugsschaden zustehen würden. Sie stellten klar, dass beim Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle ein Kaufvertrag über den Kraftstoff bereits mit der Entnahme zustande komme. Daher hätte sich der Kunde bereits zum Zeitpunkt des Verlassens der Tankstelle im Verzug mit seiner Zahlungspflicht befunden. Einer Mahnung habe es für den Verzugseintritt hier nicht bedurft. Dem Kunden einer Selbstbedienungstankstelle sei offensichtlich, dass er unverzüglich nach dem Tanken den Kaufpreis entrichten müsse. Eine gesonderte Zahlungsaufforderung sei dem Tankstellenbetreiber zudem in der Regel ohne erheblichen Aufwand nicht möglich, sobald der Kunde die Tankstelle verlassen habe. Als Folge des Verzugs könne der Tankstellenbetreiber Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen. Dazu würden auch die Kosten des Detektivbüros gehören. Es habe eine mehrstündige Videoauswertung vorgenommen werden müssen. Diese habe der Tankstellenbetreiber nicht mit eigenem Personal bewerkstelligen können. Für die Frage der Angemessenheit der Höhe der Kosten komme es nicht auf das Verhältnis zum Kaufpreis an. Entscheidend sei, ob sich die Aufwendungen im Rahmen dessen halten, was ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufgewandt hätte. Dies sei hier der Fall. Tankstellenbetreiber müssten sich auch bei relativ geringfügigen Beträgen nicht darauf verweisen lassen, von Ermittlungen wegen unbezahlt getankten Kraftstoffs abzusehen (BGH, VIII ZR 171/10).

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Bankrecht: Unwirksame Klausel im Preis- und Leistungsverzeichnis

Eine Klausel im Preis- und Leistungsverzeichnis einer Bank ist unwirksam, nach der für Anschaffungsdarlehen eine Bearbeitungsgebühr aus dem Darlehensbetrag in Höhe von zwei Promille, mindestens jedoch in Höhe von 50 EUR geschuldet wird.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe auf Antrag einer Verbraucherschutzvereinigung. Diese hatte zuvor von der beklagten Bank verlangt, eine entsprechende Klausel nicht mehr zu benutzten.

Die Richter machten deutlich, dass es sich bei dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handele. Es sei daher eine rechtliche Kontrolle möglich. Ergebnis dieser Kontrolle sei, dass die Klausel für den Bankkunden nicht klar und durchschaubar sei. So sei unklar, was unter einem Anschaffungsdarlehen zu verstehen sei. Die Klausel lasse den Kunden auch im Ungewissen, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Bearbeitungsgebühr entstehe. Es sei nicht erkennbar, dass die Bearbeitungsgebühr nur im Erfolgsfall anfalle. Zudem bleibe unklar, ob die Gebühr bei Auszahlung des Darlehens einbehalten werde, in welcher Weise sie zu zahlen sei, wie sie sonst verrechnet werde, ob und gegebenenfalls wie bei vorzeitiger Vertragsbeendigung eine Erstattung erfolge. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers werde nicht deutlich, dass die Bearbeitungsgebühr für Anschaffungsdarlehen nur beim tatsächlichen Abschluss gelten solle, weil sie ganz überwiegend Aufwand abgelte, der unabhängig von einem späteren Vertragsabschluss bereits im Vorfeld entstehe, wie beispielsweise die Bonitätsprüfung (OLG Karlsruhe, 17 U 192/10).

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Haftungsrecht: Wer Recht hat muss nicht immer Geld bekommen...

Auch wenn man einen Anspruch auf Schadenersatz hat, bekommt man nicht immer den Neupreis ersetzt, sondern muss sich eine Wertverbesserung anrechnen lassen (sogen. Abzug „Alt für Neu“). In Extremfällen kann der Abzug „Alt für Neu“ so hoch sein, dass vom Schaden nichts übrig bleibt.

Das musste ein Landwirt vor dem Landgericht (LG) Coburg erfahren. Er hatte für sein Anwesen Heizöl bestellt, das mit einem Lkw angeliefert wurde. Als dieser den Hof befuhr, brach er auf einer Betonplatte ein, die eine darunterliegende Jauchegrube abdeckte. Der Landwirt behauptete, seine Mutter habe zum Fahrer des Lkws gesagt, er solle den Hof nicht befahren. Trotzdem sei der Lkw-Fahrer in den Hof gefahren. Der Lieferant hielt dem entgegen, die Mutter des Landwirts habe ausdrücklich dazu aufgefordert, auf den Hof zu fahren. Die Abdeckung sei bereits marode gewesen und wäre über kurz oder lang sowieso eingebrochen. Ihr schlechter Zustand sei aber äußerlich nicht zu erkennen gewesen.

Das Gericht gab der Klage zwar statt. Es sprach dem Landwirt jedoch nur 750 EUR statt der geforderten 5.400 EUR zu. Die Richter stellten zunächst einmal klar, dass es Sache des Lieferanten sei, die Aufforderung der Mutter nachzuweisen. Das habe er nicht gekonnt. Die Zeugenaussagen seien widersprüchlich gewesen. Zudem sei die Betonabdeckung optisch ganz eindeutig und klar zu erkennen gewesen. Daher habe der Lieferant nicht davon ausgehen dürfen, dass die private Hoffläche in sämtlichen befahrbaren Bereichen auch schwerste Lasten tragen kann. Zudem habe der Lkw auch genügend Schlauchlänge mitgeführt, um eine Betankung vom öffentlichen Straßenraum her durchzuführen. Damit sei ein Schadenersatzanspruch des Landwirts dem Grunde nach gegeben. Bei der Höhe des Schadens müsse dieser jedoch erhebliche Abstriche hinnehmen. Der gerichtlich eingeschaltete Sachverständige habe festgestellt, dass die Lebensdauer der gebrochenen Betonabdeckung zum Unfallzeitpunkt bereits vollständig erschöpft war. Infolge der stark fortgeschrittenen Korrosion des Stahls im Beton sei deren Nutzungsdauer beendet gewesen. Durch die weitere Beschädigung sei daher kein finanzieller Schaden eingetreten. Der Landwirt könne lediglich die Kosten für die Sicherung der Unfallstelle und für Beschädigungen an angrenzendem Asphalt und Granitsteinpflasterflächen verlangen. Diese habe der Sachverständige auf 750 EUR geschätzt (LG Coburg, 14 O 532/09).

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Verkehrsrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Jetzt sind auch kleinere Motorrad-Kennzeichen möglich

Ab sofort können kleinere Motorradkennzeichen bis zu einer Minimalgröße von 18 x 20 cm ausgegeben werden. Eine entsprechende Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung ist jüngst in Kraft getreten. Die Neuregelung gilt auch für Motorrad-Saisonkennzeichen und Motorrad-Oldtimer. Dabei werden die kleinen Motorradkennzeichen als zusätzliche Option angeboten. Es besteht auch weiterhin die Möglichkeit, Kennzeichen in der bisherigen Größe zu verwenden.

Motorradfahrer können nun kleinere Kennzeichen anbringen, die das Fahrzeug nicht verunstalten. Durch die Verkleinerung der Schriftgröße bieten die neuen Kennzeichen zudem Platz für längere Erkennungsnummern, d.h. mehrstellige Zahlen-Buchstaben-Kombinationen nach dem Kürzel für den Zulassungsbezirk. So erweitern sich die Möglichkeiten für ein Wunschkennzeichen mit persönlichem Bezug. Vergleichbare Kennzeichen gibt es bereits in Österreich, Italien oder Frankreich (Erste Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung).

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Mietwagenkosten: Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietpreisspiegel geeignete Schätzgrundlage

Für die Berechnung der Höhe der nach einem Verkehrsunfall zu ersetzenden Mietwagenkosten kann sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel herangezogen werden.

Diese Grundsatzentscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Autovermietung, die aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten von dem beklagten Haftpflichtversicherer Mietwagenkosten verlangte. Diese berechnete sie zu einem Tagessatz von 100 EUR pauschal zuzüglich Nebenkosten in Höhe von insgesamt 2757,32 EUR. Der Versicherer erstattete davon lediglich 1999,20 EUR. Das Amtsgericht hat der Autovermietung die Differenz zugesprochen. Es ist für die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten von der Schwacke-Liste unter Berücksichtigung eines Aufschlags wegen der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs ausgegangen. Auf die Berufung des Versicherers hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat den zu ersetzenden Betrag auf der Grundlage des Fraunhofer-Mietpreisspiegels ermittelt und keinen Aufschlag für ein Unfallersatzfahrzeug gewährt. Die Schwacke-Listen wiesen erhebliche Defizite in der Methodik der Datenerhebung auf und stellten keine geeignete Schätzgrundlage dar. Daher sei der Fraunhofer-Mietpreisspiegel vorzuziehen.

Gegen diese Auffassung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Der BGH hat die bei den Instanzgerichten unterschiedlich beantwortete Frage, welche Schätzgrundlage bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten zugrunde gelegt werden darf, dahin beantwortet, dass der Tatrichter seiner Schadensschätzung sowohl die Schwacke-Liste als auch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde legen darf. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung. Er kann im Rahmen seines Ermessens von diesen - etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf die sich aus ihnen ergebenden Tarife - abweichen. Im Ergebnis hat der BGH das Berufungsurteil allerdings aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht muss nun prüfen, ob ein Zuschlag, auch im Hinblick auf die Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs, zu gewähren ist (BGH, VI ZR 300/09).

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Haftungsrecht: Keine Haftung für Schaden bei Ausfahrt über „Prüfstand“

Eine Kfz-Werkstatt haftet nicht, wenn ein Kunde das Werkstattgelände mit seinem Pkw durch einen als solchen gekennzeichneten, überdachten „Prüfstand“ mit einer Grube zwischen den Fahrspuren verlässt und sich dabei einen Schaden am Boden seines Fahrzeugs einhandelt.

Das hat das Amtsgericht (AG) Gummersbach einem Werkstattkunden ins Stammbuch geschrieben, der den „Hinterausgang“ nutzen wollte, weil die reguläre Ausfahrt durch einen Pkw versperrt war. Es habe keine Verkehrssicherungspflicht des Werkstattinhabers bestanden, weil aufgrund der baulichen Gegebenheiten klar war, dass es sich um keine Ausfahrt handele (AG Gummersbach, 10 C 31/10).

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Fahrerlaubnis: Der Verzicht führt nicht zur Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister

Oft geben Fahrerlaubnisinhaber wegen einer drohenden Sperre die Fahrerlaubnis zurück, um sie dann später nach Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung zurückzuerlangen. Fraglich ist, ob so die im Verkehrszentralregister eingetragenen, aus dem für die Abgabe der Fahrerlaubnis ursächlichen Verkehrsverstoß herrührenden Punkte gelöscht werden.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat das jetzt verneint. Die Regelung des Straßenverkehrsgesetzes, nach dem bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht werden, sei nicht auf die Fälle eines Verzichts auf die Fahrerlaubnis übertragbar. Der Gesetzgeber habe bei Verzichtsfällen bewusst von einer Löschung der Punkte abgesehen. Es fehle somit an einer unbewussten Regelungslücke. Daher könne die Löschungsregelung auch nicht entsprechend angewendet werden. Es bedürfe auch keiner erweiternden Auslegung der Löschungsregelung aus Gründen der Gleichbehandlung. Die im Gesetz vorgesehene Differenzierung zwischen einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und deren Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde sei sachlich gerechtfertigt (BVerwG, 3 C 1.10).

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 beträgt 0,12 Prozent.

Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 5,12 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 2,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.07 2010 bis 31.12.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2010 bis 30.06.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.07 2009 bis 31.12.2009: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2009 bis 30.06.2009: 1,62 Prozent
  • vom 01.07.2008 bis 31.12.2008: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2008 bis 30.06.2008: 3,32 Prozent
  • vom 01.07.2007 bis 31.12.2007: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2007 bis 30.06.2007: 2,70 Prozent
  • vom 01.07.2006 bis 31.12.2006: 1,95 Prozent
  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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Steuertermine im Monat Juni 2011

Im Monat Juni 2011 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 10.6.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.6.2011.

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 10.6.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.6.2011.

Einkommensteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung - mittels Barzahlung - bis zum 10.6.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.6.2011.

Kirchensteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung - mittels Barzahlung - bis zum 10.6.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.6.2011.

Körperschaftsteuerzahler (vierteljährlich): Vorauszahlung - mittels Barzahlung - bis zum 10.6.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.6.2011.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.6.2011. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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