Monatsbrief Februar 2011

WCR-B-02-2011

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 2/2011:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Kündigungsrecht: Kündigung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses ist zulässig

Auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis (z.B. wegen Elternzeit) kann gekündigt werden.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Streit um eine entsprechende Kündigung hin. Voraussetzung ist nach der Entscheidung eine unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt und ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung bildet. Das sei z.B. der Fall, wenn bisher im Betrieb durchgeführte Arbeiten nunmehr an ein anderes Unternehmen vergeben würden. Bestehe ein solcher Kündigungsgrund, könne vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, seinen Kündigungsentschluss so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht, der Kündigungsgrund aber möglicherweise wieder entfallen ist (BAG, 2 AZR 493/09).

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Leiharbeitnehmer: Prüfungspflicht des Arbeitgebers bei Einstellung von Leiharbeitnehmern

Wer in seinem Betrieb Leiharbeitnehmer einstellen möchte, unterliegt umfangreichen Prüfungspflichten.

Das zeigt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Danach muss der Arbeitgeber zunächst prüfen, ob der Arbeitsplatz mit einem Schwerbehinderten besetzt werden kann. Diese Prüf- und Konsultationspflicht hinsichtlich der Möglichkeit der Besetzung frei werdender oder neu geschaffener Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besteht nach Ansicht der Richter auch, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, einen frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen. Verstößt er gegen diese Verpflichtung, kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers verweigern (BAG, 7 ABR 3/09).

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Teilzeit: Arbeitgeber kann nicht pauschal Tätigkeit in Nachmittagsschicht verlangen

Einem Teilzeitwunsch muss unter Umständen auch stattgegeben werden, wenn die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit dazu führt, dass nicht im betriebsüblichen Wechsel in Vormittags- und Nachmittagsschicht gearbeitet wird.

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden. Betroffen war eine Arbeitnehmerin, die nach Ende ihrer Elternzeit zum 16.12.2010 eine Teilzeittätigkeit anstrebte. Diesen Wunsch teilte sie ihrem Arbeitgeber erst ohne konkretere Angaben mündlich im August, dann mit Schreiben vom 29.9.2010 konkret mit Angabe der Stundendauer mit. Sie wünschte eine Teilzeittätigkeit von dienstags bis donnerstags von 9.00 Uhr bis 14.30 Uhr, da sie auf Ehemann und Verwandte nicht zurückgreifen könne. Ohne weiteres Gespräch lehnte der Arbeitgeber dieses ab, da die gewünschten Arbeitszeiten aus organisatorischen Gründen so nicht möglich seien. Im Betrieb wird im wöchentlichen Wechsel montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 18.30 Uhr bzw. montags bis freitags von 12.15 Uhr bis 19.30 Uhr gearbeitet. Der Arbeitgeber verlangte, dass alle Beschäftigten, auch die Teilzeitbeschäftigten die Nachmittagsschicht mit abdecken.

Das Arbeitsgericht hat den Eilantrag der Klägerin aus formalen Gründen abgewiesen, weil der schriftliche Antrag zu kurzfristig gestellt worden war. Vor dem LAG hatte die Klägerin dann Erfolg. Die Richter stellten klar, dass ein zu kurzfristig gestelltes Teilzeitverlangen, das die gesetzlich geregelte Ankündigungsfrist von drei Monaten nicht wahre, nicht unwirksam sei. Es führe nur dazu, dass nicht schon ab Ende der Elternzeit, sondern erst drei Monate nach dem Verlangen mit der Teilzeit begonnen werden könne. In der Sache selbst dürfe der Arbeitgeber den Teilzeitwunsch nicht mit dem bloßen Hinweis ablehnen, in seinem Betrieb müssten alle Beschäftigten, auch die Teilzeitbeschäftigten im Schichtbetrieb arbeiten und in diesem Zusammenhang die Nachmittagsschicht bis mindestens 18.00 Uhr abdecken. Er müsse vielmehr konkrete Umstände anführen und beweisen, inwiefern die gewünschte zeitliche Lage der Arbeit nicht durch zumutbare Änderung der Betriebsabläufe oder Einsatz einer in sein Schichtsystem integrierten Ersatzkraft ermöglicht werden könne (LAG Schleswig-Holstein, 3 SaGa 14/10).

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Kündigungsrecht: Verstoß gegen Reisekostenordnung berechtigt zur fristlosen Kündigung

Verstößt ein Arbeitnehmer mehrfach gegen die in seiner Firma übliche Reisekostenregelung, riskiert er die fristlose Kündigung.

Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt a.M.entschieden. Die Richter wiesen die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber zurück. Der Arbeitnehmer hatte von seinem Wohnort in Rheinland-Pfalz bis zur Arbeitsstelle in Frankfurt hin und zurück rund 250 Kilometer zu bewältigen. Obwohl er wusste, dass er für diese Fahrten keinen Kostenersatz beanspruchen konnte, reichte er mehrfach unrichtige Abrechnungen über angebliche Dienstfahrten von seinem Wohnsitz aus ein. Eine Überprüfung ergab, dass ihm deshalb mindestens rund 900 EUR zu Unrecht an Benzingeld gezahlt worden waren. Der Arbeitgeber nahm dies zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Laut Urteil wurde der Mann mehrfach auf die geltenden Regeln der betrieblichen Reisekostenordnung hingewiesen. Die Firma müsse keinen Mitarbeiter weiterbeschäftigen, der sich beharrlich nicht daran halte und damit einen nicht unerheblichen finanziellen Schaden anrichte. Die fristlose Kündigung sei deshalb eine angemessene Sanktion (Arbeitsgericht Frankfurt a.M., 7 Ca 10541/09).

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Baurecht

Vertragsrecht: Vertragsauslegung bei nicht näher definierter Klinkerfassade

Wird vertraglich eine nicht näher definierte „Klinkerfassade“ geschuldet, kann der Bauherr keine speziell gebrannten Tonziegel verlangen.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Rostock im Fall eines Bauherren, der das erstellte Einfamilienwohnhaus wegen der angeblich falschen Klinkerwahl des Bauunternehmers nicht abnehmen wollte. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass nicht ohne Weiteres angenommen werden könne, dass ein durchschnittlicher Bauherr, der ein Eigenheim errichten will, unter einer vertraglich geschuldeten Klinkerfassade speziell auch den Einsatz gebrannter Ziegel mit Tonanteil versteht. Vielmehr verliere der Begriff des Klinkers mit Blick auf die „Fassade“ hinsichtlich der Materialzusammensetzung an Bedeutung. Das folge daraus, dass eine Klinkerfassade im Wesentlichen das äußere Erscheinungsbild einer Stein auf Stein Bauweise beschreibe. Das gelte insbesondere, wenn vertraglich keine besondere Farbe vereinbart sei (OLG Rostock, 3 U 134/09).

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Sicherheitsleistung: Anspruch besteht auch bei Kündigung des Werkvertrags

Der Unternehmer eines Bauwerks kann seinen Anspruch auf Sicherheitsleistung für Werklohn auch noch geltend machen, nachdem der Besteller den Werkvertrag gekündigt hat.

Hierauf wies das Landgericht (LG) Stuttgart in einem Rechtsstreit hin. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte dem Unternehmer einen schnell durchzusetzenden Anspruch auf eine Sicherheit gewähren. So sollte er vor einer Insolvenz des Bestellers geschützt werden. Dieses Risiko vermindere sich durch eine Kündigung nicht. Daher könne eine Kündigung auch keinen Einfluss auf den Anspruch haben, mit dem dem Insolvenzrisiko des Bestellers begegnet werden solle (LG Stuttgart, 8 O 284/10).

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Nachbarrecht: Pferdehaltung im Baugebiet mit dörflichem Charakter

Es verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, wenn in einem Baugebiet mit dörflichem Charakter zwei Pferde in direkter Nachbarschaft zu einem Wohnhaus gehalten werden.

So entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem entsprechenden Verfahren. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme (objektivrechtlich) stelle, hänge nach dieser Entscheidung wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Während beispielsweise eine geruchsintensive Tierhaltung in Wohngebieten mit städtischem Gepräge regelmäßig unzulässig sein dürfte, sei dies in Baugebieten mit dörflichem Charakter anders. Dort sei eine gewisse Geruchs- und Lärmbelästigung durch Nutztiere ortsüblich. Sie sei daher im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme hinzunehmen. Gleiches gelte entsprechend für eine gebietstypische Hobbytierhaltung. Wegen der dörflichen Prägung mit zahlreichen Formen von Tierhaltung (Pferde, Rinder, Schafe, Hühner) sei die Haltung von zwei Pferden in Nachbarschaft zu einem Wohnhaus deshalb nicht rücksichtslos (OVG Rheinland-Pfalz, 1 A 11294/09).

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Familien- und Erbrecht

Unterhalt: Fortlaufende Kündigungen berechtigen den Unterhaltspflichtigen zu einer Umschulung

Grundsätzlich ist ein Unterhaltspflichtiger auch während einer Umschulung verpflichtet, sich auf dem Arbeitsmarkt um eine Anstellung zu bemühen.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hin. Allerdings sei eine Umschulung nach Ansicht der Richter unterhaltsrechtlich nicht schon deshalb zu beanstanden, weil der Unterhaltspflichtige ein berechtigtes Interesse daran habe, sich beruflich neu zu orientieren. Das sei im vorliegenden Fall gegeben, da ihm die ständigen Entlassungen durch seinen bisherigen Arbeitgeber nicht länger zuzumuten waren. Zwar müsse er sich nach dem Verlust der Arbeitsstelle um eine neue Erwerbstätigkeit bemühen. Gleichwohl müsse ihm nach dem Verlust der bisherigen Beschäftigung eine Übergangszeit zugebilligt werden, in der er eine neue Beschäftigung erlangt habe. Diese Frist betrage regelmäßig zwischen drei und sechs Monaten (OLG Brandenburg, 10 UF 3/10).

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Aufenthaltsbestimmungsrecht: Auswanderungswunsch und ungesicherte Schulsituation

Hat der Auswanderungswunsch eines Elternteils eine ungesicherte Schulsituation der Kinder im Ausland zur Folge, kann dem weiter im Inland ansässigen Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden.

Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, in der über folgenden Fall zu entscheiden war: Aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft waren zwei jetzt 9 und 11 Jahre alte Kinder hervorgegangen. Beide Elternteile waren sorgeberechtigt. Nach der Trennung der Eltern verblieben die Kinder in der Woche bei der Mutter und verbrachten die Wochenenden bei ihrem Vater. Ab Januar 2010 meldeten die Eltern die Kinder aus der Schule ab und gaben zur Begründung an, die Mutter wolle ihren Lebensmittelpunkt im Ausland begründen. Die Mutter unternahm mit den Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten eine mehrmonatige Segelreise. Die Kinder besuchten im Sommer 2010 ihren Vater, dieser meldete sie auf deutschen Schulen an. Die Mutter legte zunächst Bildungskonzepte vor. Sie beabsichtigte, sich auf einer griechischen Insel niederzulassen und die Kinder dort in eine griechisch-englischsprachige Schule zu schicken.

Das OLG hat dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder übertragen. Dies sei aufgrund der im Einzelfall vorgenommen umfassenden Abwägung der Kindeswohlgesichtspunkte geboten, bevor durch die beabsichtigte Übersiedlung Tatsachen festgeschrieben würden, die im Hauptsacheverfahren nicht oder nur schwerlich umkehrbar seien. Eine gefestigte Lebenssituation der Kinder bei der Mutter auf der griechischen Insel bestehe nicht. Mit dem Wechsel des Lebensmittelpunkts an den Wohnsitz des Vaters seien weniger Veränderungen für die Kinder verbunden, weil ihnen das deutsche Schulsystem bekannt sei und sie Deutsch als Muttersprache beherrschen. Nach Auffassung der Richter sei vor dem Hintergrund bestehender Schulprobleme der Kinder eine Wiedereingliederung in das deutsche Schulsystem eher möglich, als die mit Sprach- und Schriftproblemen verbundene Beschulung in fremder kultureller Umgebung (OLG Hamm, 8 WF 240/10).

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Kindesunterhalt: Keine Bedarfsminderung, wenn sich das Kind vorübergehend im Ausland aufhält

Die Abänderung eines titulierten Unterhaltsanspruchs ist nur bei wesentlich geänderten Verhältnissen gerechtfertigt. Hält sich der Unterhaltsberechtigte im Rahmen eines Schüleraustauschs für einige Monate im Ausland auf, besteht die Unterhaltspflicht fort.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Streit zweier Eltern über den Unterhalt des gemeinsamen Kindes. Die beiden hatten vereinbart, dass zwischen Barunterhaltspflicht und Unterhaltspflicht durch Betreuung aufgeteilt werden solle. Als das Kind für einige Monate ins Ausland ging, konnten sie sich nicht einigen, wie in dieser Zeit der Unterhalt durch Betreuung zu berücksichtigen sei.

Die Richter beschieden jedoch, dass dieser Wegfall unbeachtlich sei. Änderungen bei den bisherigen Unterhaltsleistungen würden sich somit nicht ergeben. Der vorübergehende Auslandsaufenthalt des Kindes ändere nichts an den jeweiligen Unterhaltspflichten. Weder würde sich der Unterhaltsbedarf des Kindes vermindern, noch würde die Betreuungsleistung des anderen Elternteils entfallen. Der Wohnbedarf für das Kind müsse weiter vorgehalten werden. Auch sonstige laufende Kosten wie Kleidung würden fortlaufend anfallen. Es sei sogar davon auszugehen, dass solche Anschaffungen vor Antritt des Auslandsaufenthalts eher in größerem Umfange entstehen würden. Entfallen würden einzig und allein die Kosten für die Verpflegung. Dagegen stehe aber ein erhöhtes angemessenes Taschengeld während des Auslandaufenthalts (OLG Köln, 4 UF 16/10).

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Aktuelle Gesetzgebung: Zentrales Testamentsregister wird eingerichtet

Mit dem Gesetz soll bei der Bundesnotarkammer ein elektronisches Zentralregister für Testamente eingerichtet werden. Einem entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesrats hat der Bundestag am 2.12.2010 in der Fassung der Beschlussempfehlung seines Rechtsausschusses zugestimmt. Mit der Maßnahme sollen Nachlassgerichte schneller und einfacher als bislang feststellen können, ob ein Verstorbener ein Testament hinterlassen hat und was der Inhalt des Dokuments ist.

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Erbrecht: Amtsträger haftet bei Bestätigung einer Unterschrift unter einem nichtigen Testament

Erweckt ein Amtsträger bei der Bestätigung einer Unterschrift unter einem nichtigen Testament den Anschein, die Testamentserrichtung sei in Ordnung, handelt er pflichtwidrig. Das gilt auch, wenn er vorher darauf hingewiesen hat, dass er nicht befugt ist, ein Testament zu beurkunden.

Das ist das Ergebnis eines teuren Rechtsstreits für die Stadt Baden-Baden vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Geklagt hatte eine Frau, deren Bekannter sie und ihren zwischenzeitlich verstorbenen Mann als Erben einsetzen wollte. Der Ehemann setzte deshalb handschriftlich den Text des Testaments auf, in dem die Eheleute als alleinige Erben bestimmt wurden. Gemeinsam mit dem Bekannten begab er sich in das Rathaus zum Ortsvorsteher. Nach einem Gespräch las der Ortsvorsteher den Text des vom Ehemann geschriebenen Testaments vor. Danach unterzeichnete der Bekannte das Testament in Anwesenheit des Ortsvorstehers, der den Vermerk aufbrachte, dass die Unterschrift vor ihm vollzogen worden sei. Er steckte das Schriftstück in einen Briefumschlag, verschloss diesen und siegelte über den Klebefalz zweimal das Dienstsiegel. Nach dem Tod des Bekannten stellte das Nachlassgericht die Nichtigkeit des Testaments fest. Ein eigenhändiges Testament muss nämlich eine vom Erblasser eigenhändig geschriebene und eigenhändig unterschriebene Erklärung enthalten. Hier war der Text dagegen von der falschen Person geschrieben worden. Die Klägerin verlangte nun Schadenersatz von der Stadt Baden-Baden.

Das OLG bestätigte nun die erstinstanzliche Verurteilung der Stadt in Höhe von ca. 76.000 EUR. Die Richter entschieden, dass der Ortsvorsteher seine Amtspflichten verletzt habe. Er habe nicht nur die Echtheit der Unterschrift bestätigt, sondern weitere umfassende Tätigkeiten entwickelt und so durch missverständliches Verhalten bei dem Erblasser und dem Ehemann der Klägerin die falsche Vorstellung erweckt, das Testament sei rechtswirksam. Der Ortsvorsteher hatte zwar darauf hingewiesen, dass er nicht in der Lage sei, ein notarielles Testament zu errichten, und auch nicht befugt sei, das Dienstsiegel auf das Testament zu setzen. Er ging jedoch danach mit dem Bekannten und dem Ehemann der Klägerin den Text gemeinsam durch und fragte anschließend den Bekannten, ob es so in Ordnung sei. Nachdem dieser bestätigte, wies der Ortsvorsteher noch darauf hin, dass er das Testament gut auffindbar hinterlegen solle. Diese Tätigkeit des Ortsvorstehers nehme nach Ansicht der Richter jedenfalls mit der Versiegelung des Umschlags einen dienstlichen Charakter an. Das amtliche Verhalten sei geeignet, bei den Anwesenden den Anschein hervorzurufen, dass in dieser Angelegenheit alles Notwendige geregelt, die Errichtung des privatschriftlichen Testaments nunmehr gültig vollzogen sei. Der Ortsvorsteher als Beamter hätte jedoch den Testierenden zumindest deutlich darauf hinweisen müssen, dass mit seiner Sachwaltung keine Gewähr für die Wirksamkeit des Testaments verbunden war, oder seine Tätigkeit ganz versagen müssen. Er habe zwar nicht gewusst, dass das Testament nicht von dem Bekannten, sondern vom Ehemann der Klägerin geschrieben worden sei, die Unterschiede in den Schriften seien ihm jedoch aufgefallen. Danach hätte er zumindest nachfragen müssen, wie das Testament im Übrigen entstanden sei. Der Schaden bestehe im Verlust des Erbrechts. Allerdings bestehe ein Mitverschulden der Klägerin und ihres Ehemanns in Höhe von zusammen 25 Prozent. Es müsse auch einem Laien letztlich bekannt sein, dass ein Testament eigenhändig verfasst werden müsse (OLG Karlsruhe, 12 U 102/10).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Wohnfläche: Berechnung der geminderten Miete bei Wohnflächenunterschreitung

Liegt eine Wohnflächenunterschreitung vor, sind der Berechnung der geminderten Miete nicht die höheren Quadratmetermieten zugrunde zu legen, die der örtliche Mietspiegel für entsprechend kleinere Wohnungen ausweist.

Diese mieterfreundliche Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer vermieteten Dachgeschosswohnung. Die Parteien gingen beim Abschluss des Mietvertrags von einer Größe von 76 m² aus. Bei richtiger Berechnungsweise wegen der schrägen Wände betrug die tatsächliche Größe jedoch nur ca. 51 m². Der Mieter verlangte daraufhin die überzahlte Miete zurück. Der Vermieter war mit einer Erstattung grundsätzlich einverstanden, ging aber nun von einem höheren Quadratmeterpreis aus. Seiner Ansicht nach müsse die Wohnung jetzt einer anderen Kategorie des örtlichen Mietspiegels zugeordnet werden.

Das sah der BGH jedoch nicht so. Die Richter entschieden, dass es bei dem bisherigen Quadratmeterpreis bleiben müsse. Es liege hier ein Sachmangel der Wohnung vor. Dieser sei nach den gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen auszugleichen. Die Änderung des Quadratmeterpreises sei dagegen eine zusätzliche Vertragsanpassung. Diese würde nicht nur die gesetzliche Gewährleistungsregelung mindestens teilweise beiseite schieben. Es würde auch die gesetzliche Risikoverteilung unterlaufen, die das Mängelrisiko grundsätzlich dem Vermieter zuweise. Bei Mängeln der Mietsache habe allein der Mieter bestimmte Rechte. Der Vertragsinhalt im Übrigen bleibe unberührt (BGH, VIII ZR 256/09).

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Mieterhöhungsverlangen: Bei Schriftformabrede ist keine eigenhändige Unterschrift erforderlich

Eine Schriftformabrede für Änderungen und Ergänzungen eines Wohnraummietvertrags gilt nicht für ein Mieterhöhungsverlangen nach § 558a BGB.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Mieters, der ein maschinell gefertigtes schriftliches Mieterhöhungsverlangen des Vermieters ohne eigenhändige Unterschrift erhalten hatte. Da im Mietvertrag eine Schriftformabrede für Änderungen und Ergänzungen vereinbart war, hielt er das Mieterhöhungsverlangen für formunwirksam.

Anders sah es dagegen der BGH. Die Richter machten deutlich, dass das Mieterhöhungsverlangen formgültig und damit wirksam sei. Dafür sprächen zwei Gründe: Zum einen sei das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter nur in Textform zu erklären und zu begründen. Werde Textform verlangt, müssten lediglich folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Abgabe einer Erklärung in einer Urkunde oder auf andere, zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise,
  • Kenntlichmachung der Person des Erklärenden,
  • Abschluss der Erklärung muss durch Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise erkennbar gemacht werden.

Eine eigenhändige Unterschrift sei dagegen nicht erforderlich. Zum anderen komme hinzu, dass das einseitige Mieterhöhungsverlangen keine Vertragsänderung oder -ergänzung darstelle. Schon daher greife die Schriftformabrede nicht (BGH, VIII ZR 300/09).

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Nebenkosten: Unbewohnte Wohnung muss mitberücksichtigt werden

Die Kosten der Hausbeleuchtung sind auch auf eine nicht bewohnte Wohnung zu verteilen.

Diese Klarstellung traf das Kammergericht (KG) im Streit um eine Nebenkostenabrechnung. Der Vermieter hatte die angefallenen Kosten für die Hausbeleuchtung nur auf die bewohnten Wohnungen umgelegt und die leer stehenden unberücksichtigt gelassen. Hiergegen wandte sich der Mieter. Zu Recht, entschied das KG. Grundsätzlich trage nämlich der Vermieter das Vermietungsrisiko. Daher müsse er im Verhältnis zur Gesamtheit der Mieter grundsätzlich den Kostenanteil tragen, der auf leer stehende Mieteinheiten entfalle (KG, 12 U 26/09).

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Gartenpflege: Vermieter kann keine bestimmte Gartengestaltung verlangen

Ein Vermieter, der im Mietvertrag die Vornahme der Gartenpflege durch den Mieter vereinbart hat, ist nicht berechtigt, die Gartenpflege anderweitig in Auftrag zu geben, solange die Gartenpflege nicht gänzlich unterlassen wird.

Hierauf wies das Landgericht (LG) Köln in einem Rechtsstreit zwischen Mieter und Vermieter hin. Laut Mietvertrag war es Aufgabe des Mieters, den Garten zu pflegen. Allerdings hatten Mieter und Vermieter unterschiedliche Vorstellungen von dieser Tätigkeit. Während der Vermieter einen englischen Rasen wünschte, fand der Mieter eine Wiese mit Wildkräutern schöner. Da sich der Vermieter mit seiner Vorstellung kein Gehör verschaffen konnte, beauftragte er einen Landschaftsgärtner mit der Neugestaltung des Gartens. Die Kosten verlangte er vom Mieter ersetzt. Dieser weigerte sich zu zahlen. Das LG bestätigte nun diese Weigerung als rechtmäßig. Dabei machten die Richter deutlich, dass dem Vermieter kein Direktionsrecht hinsichtlich der Gartengestaltung zustehe. Eine „Ersatzvornahme“ sei nur zulässig, wenn der Mieter die Gartenpflege gänzlich unterlasse. Davon könne vorliegend aber keine Rede sein. Es liege lediglich eine andere Gartengestaltung vor, die Pflege sei regelmäßig erfolgt (LG Köln, 1 S 119/09).

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Verbraucherrecht

Haftungsrecht: Rodeln im Stadtpark auf eigene Gefahr!

Eine Gemeinde ist nicht verpflichtet, potenzielle Rodler im Stadtpark auf einen Absatz im Hang hinzuweisen oder diesen Hang fürs Rodeln zu sperren.

Das musste sich ein Mann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm sagen lassen, der bei winterlichem Wetter auf einer Nebenstrecke im Stadtpark gerodelt war. Dabei war er am unteren Ende des Hangs gestürzt. An dieser Stelle war der Hang durch einen mit einer Mauer abgefangenen Absatz zu einem tieferliegenden Weg durchbrochen.

Seine gegenüber der beklagten Stadt geltend gemachte Schadenersatzklage blieb ohne Erfolg. Es bestehe nach Auffassung des OLG schon keine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, weil das Gelände nicht als Rodelfläche, sondern als Park konzipiert sei. Mit Mauerabgrenzungen versehene Wege seien dort nicht untypisch. Den Rodler träfe zudem ein überwiegendes Mitverschulden. Er hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass jeder Hang durchgängig befahrbar sei. Vielmehr hätte er sich vorab von der Eignung als Rodelpiste überzeugen, bei der Abfahrt auf Sicht fahren, seinen Schlitten stets kontrollieren und sich auf Bodenunebenheiten einstellen müssen (OLG Hamm, I-9 U 81/10).

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Versicherungsrecht: DNA-Analysen im Versicherungsprozess

Wildunfall oder nicht? Diese Frage hatte das Landgericht (LG) zu beantworten. Der Versicherungsnehmer einer Teilkaskoversicherung behauptete, ein Hase sei unter den Vorderreifen seines Pkw gekommen. Der Versicherer bestritt das, das Fahrzeug des Versicherungsnehmers sei nicht mit Jagdwild kollidiert. Das LG ließ die am Unfallfahrzeug sichergestellten Tierhaare durch einen Sachverständigen einer DNA-Sequenzanalyse unterziehen. Dabei wurde eindeutig festgestellt, dass die Tierhaare von einem Eichhörnchen stammten. Ein Zusammenstoß mit Eichhörnchen fällt jedoch nicht unter den Schutz der Teilkaskoversicherung, da es - anders als ein Hase - kein Jagdwild ist. Die Klage wurde daher abgewiesen (LG Coburg, 23 O 256/09).

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Schadenersatz: Schmerzensgeld bei Unfall mit unangeleintem Hund

Wer seinen Hund ohne Leine laufen lässt, muss mit Schadenersatzforderungen rechnen - auch wenn der Hund des Geschädigten ebenfalls nicht angeleint war.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg, bei dem ein Hundehalter einen anderen verklagt hatte. Beide waren mit ihren nicht angeleinten Hunden unterwegs. Der Hund der Beklagten rannte auf den Hund des Klägers zu und war weder durch Zurufe noch durch Pfeifen zum Stehenbleiben zu bewegen. Dabei prallte der Hund des Beklagten gegen das Knie des Klägers. Dieser kam dadurch zu Fall und erlitt eine schmerzhafte Prellung sowie eine Gesichtsverletzung. Hierfür verlangte er ein Schmerzensgeld. Der Beklagte hat sich damit verteidigt, dass der Kläger den Unfall schon dadurch mitverschuldet habe, dass auch sein Hund nicht angeleint gewesen sei.

Das LG hielt den Schadenersatzanspruch für gerechtfertigt. Die Richter machten deutlich, dass der Beklagte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, der durch sein Haustier entstanden sei. Eine Kürzung oder einen Ausschluss der Ansprüche des Klägers seien hier nicht schon deswegen gerechtfertigt, weil dieser seinen Hund zum Unfallzeitpunkt ebenfalls nicht angeleint hatte. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass sich der Unfall nicht oder anders ereignet hätte, wenn der Geschädigte seinen Hund angeleint gehabt hätte. Der Hund des Beklagten war auf den Kläger zugerannt. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass er den Kläger nicht gerammt und zu Boden gestürzt hätte, wenn der Hund des Klägers zu diesem Zeitpunkt angeleint gewesen wäre und sich in unmittelbarer Nähe des Klägers aufgehalten hätte. Daher sprach das Gericht einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 2.000 EUR zu (LG Coburg, 13 O 37/09).

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Kaufrecht: Verkaufsbeschreibung kann später nicht wegdiskutiert werden...

Verspricht ein Verkäufer, dass bei seinem Verkaufsobjekt bestimmte Eigenschaften vorliegen, kann er sich nachher nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen.

Das schrieb das Amtsgericht (AG) München einer Frau ins Stammbuch, die einen Pkw über die Internetplattform e-bay angeboten hatte. Bei der Beschreibung des Fahrzeugs gab sie an, dass sich dieses in einem gebrauchten, aber gut erhaltenen Zustand befinde. Es sei unfallfrei, scheckheftgepflegt und mit Standheizung und Tempomat ausgestattet. Mit dem Käufer wurde anschließend ein zusätzlicher schriftlicher Kaufvertrag mittels eines ADAC-Kaufvertragsformulars geschlossen. Hierin wurde der Kaufpreis um 50 EUR reduziert, da der linke Außenspiegel des Fahrzeugs beschädigt war. Als der Käufer das Fahrzeug erhielt, stellte sich heraus, dass das Auto weder über Standheizung noch über einen Tempomat verfügte. Zudem lag die letzte Wartung fast fünf Jahre zurück. Der Käufer erklärte deshalb sofort den Rücktritt und wollte seinen Kaufpreis zurück. Die Verkäuferin weigerte sich. Der Kaufvertrag sei gemäß dem ADAC-Kaufvertragsformular zustande gekommen. Hier sei vereinbart worden, dass der Käufer das Fahrzeug wie besehen erwerbe. Daher käme es auf die Fahrzeugbeschreibung bei e-bay nicht an. Es sei ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden. Im Übrigen sei sie nicht zur Nachbesserung aufgefordert worden.

Dieser Ansicht folgte das AG jedoch nicht. Die Richterin entschied vielmehr, dass der Käufer wirksam zurückgetreten sei. Das Fahrzeug weise einen Mangel auf, da es nicht über eine Sitzheizung und einen Tempomaten verfüge. Beides sei nach dem Kaufvertrag geschuldet gewesen. Dass die Sitzheizung und der Tempomat im ADAC-Kaufvertragsformular nicht aufgeführt wurden, ändere daran nichts. Die Parteien hätten insoweit keinen neuen Kaufvertrag geschlossen. Der Kaufvertrag sei vielmehr durch den Zuschlag schon auf e-bay wirksam zustande gekommen. Dieser Vertrag hätte nur hinsichtlich des Preises abgeändert werden sollen. Es lasse sich dem Vertrag nicht entnehmen, dass die Verkäuferin auch von ihren sonstigen Zusagen Abstand nehmen wollte und der Käufer damit einverstanden gewesen sei. Die Parteien hätten auch die Gewährleistung nicht wirksam ausgeschlossen. Die Verkäuferin könne sich nicht durch widersprüchliches Verhalten von ihrer Gewährleistungspflicht befreien. Sie könne nicht eine ganz bestimmte Beschaffenheit angeben und sich dann auf schriftliche Klauseln über den Gewährleistungsausschluss berufen. Im Übrigen habe sie auch arglistig gehandelt, da sie Beschaffenheiten zugesichert habe, die gar nicht vorlagen. Aufgrund dessen habe der Käufer auch gleich zurücktreten dürfen. Sich wegen einer Nachbesserung an die Verkäuferin zu wenden, sei ihm nicht zuzumuten (AG München, 122 C 6879/09).

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Verkehrsrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Die neue Winterreifenpflicht

Ende 2010 trat die Änderung zur Winterreifenpflicht in Kraft. Die gesetzliche Neuregelung sollte für Klarheit sorgen - trotzdem herrscht Verwirrung allerorten. Wir geben Ihnen daher Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

1. Welcher Sinn und Zweck wird mit der Neuregelung verfolgt?

Mit der Regelung soll verhindert werden, dass Kraftfahrzeuge mangels geeigneter Bereifung liegen bleiben und damit erhebliche Verkehrsbehinderungen verursachen.

2. Ist durch die Neuregelung eine generelle Winterreifenpflicht eingeführt worden?

Ja, und zwar insoweit, dass bei den im Gesetz genannten winterlichen Straßenverhältnissen nur mit den in der Vorschrift bezeichneten Reifen gefahren werden darf. Für die alte Regelung war diese Frage umstritten.

3. Ist (jetzt) der Begriff des „Winterreifens“ im nationalen Recht definiert?

Nein, die Neuregelung enthält ebenso wie das alte Recht keine Definition des Begriffs des Winterreifens.

4. Wie wird der „M+S-Reifen“ beschrieben?

Nach derzeitigem EU-Recht heißt es: „M+S-Reifen sind Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem in Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahrleistungen gewährleisten als normale Reifen. Das Profil der Laufflächen der M+S-Reifen ist im Allgemeinen durch größere Profilrillen und/oder Stollen gekennzeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist.“

5. Welche Reifen können auf der Grundlage als „Winterreifen“ i.S. der Neuregelung angesehen werden?

Benutzt werden können:

  • M+S-Reifen, die als solche verkauft und mit einem M+S-Symbol gekennzeichnet sind,
  • Reifen, die das sog. Bergpiktogramm mit Schneeflocke aufweisen,
  • Ganzjahresreifen, die den Eigenschaften der Richtlinie 92/23/EWG entsprechen (siehe Frage 4) und mit einem M+S-Symbol versehen sind.

6. Können auch Reifen genutzt werden, die zwar als M+S-Reifen gekennzeichnet sind, aber dennoch keine ausreichende Wintertauglichkeit haben?

Ja, es heißt ausdrücklich: „… als Winterreifen .. verkauft“ werden. Dabei kann es sich z.B. auch um aus Ostasien stammende Importe handeln.

7. Welche Fahrzeuge sind betroffen?

Die Neuregelung gilt für alle Kraftfahrzeuge, also auch für Motorräder und sonstige Krafträder sowie für Quads und Geländewagen (trotz grobstolliger Sommerreifen). Anhänger sind keine Kraftfahrzeuge. Sie sind daher nicht betroffen.

8. Gibt es Ausnahmen?

Ja. Nach der Ausnahmeregelung genügt es für den Betrieb folgender Fahrzeugarten, dass lediglich auf den Antriebsachsen M+S-Reifen montiert sind:

  • für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kfz mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 t (M2) oder darüber (M3)
  • für die Güterbeförderung ausgelegte und gebaute Kfz mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t bis 12 t (N2) oder darüber (N3).

9. Was gilt für land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge?

Für diese gilt die Winterreifenpflicht nicht, wenn bauartbedingt keine M+S-Reifen verfügbar sind.

Gleiches gilt für Einsatzfahrzeuge von Bundeswehr, Bundespolizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Polizei und Zolldienst.

10. Gilt die Neuregelung auch für den ruhenden Verkehr?

Nein, aus dem Gesetz folgt ausdrücklich („… gefahren werden“), dass der ruhende Verkehr nicht erfasst wird. Abgestellte Fahrzeuge müssen also nicht mit Winterreifen ausgerüstet sein.

11. Für welche Verkehrslagen gilt die „Winterreifenpflicht“?

Die alte Rechtslage stellte auf die „Wetterverhältnisse“ und damit auf die „winterlichen Wetterverhältnisse“ ab. Jetzt heißt es, dass bei „Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte“ nur mit „Winterreifen“ gefahren werden darf.

Entscheidend ist also, ob sich auf der vom Betroffenen genutzten Straße Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte gebildet hat. Nicht von Bedeutung sind die allgemeinen Wetterverhältnisse unabhängig von der benutzten Straße.

12. Gibt es eine gesetzliche Definition der beschriebenen Straßenverhältnisse?

Nein. In den Gesetzesmaterialien wird auf die die o.a. Straßenverhältnisse verursachenden Niederschlagsarten verwiesen, nämlich auf „Schneefall (inkl. Schneeregen und Schneegriesel), Eiskörner, Glatteis bzw. gefrierender Regen (umgangssprachlich Eisregen), gefrierender Nebel und Schneeverwehungen (fallender bzw. abgesetzter Schnee in Verbindung mit starkem Wind). Diese Wettererscheinungen und -verhältnisse können bereits bei Lufttemperaturen einige Grad über dem Gefrierpunkt auftreten.“ Weiter heißt es, dass bei diesen Wetterverhältnissen mit Sommerreifen nicht mehr sicher am Straßenverkehr teilgenommen werden kann.

13. Was gilt, wenn es gerade erst angefangen hat zu schneien?

So lange nicht Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte vorliegen, kann noch mit Sommerreifen weitergefahren werden.

14. Was gilt bei geräumten Straßen?

Da dann die o.a. Straßenverhältnisse nicht (mehr) vorliegen, kann wieder ohne Winterreifen gefahren werden.

15. Wie wird ein Verstoß geahndet?

Die Bußgeldtatbestände im Bußgeldkatalog sind gegenüber der alten Rechtslage geändert und an die Neuregelung angepasst worden. Außerdem wurden die Geldbußen erhöht. Bei einem Verstoß ohne Behinderung ist eine Geldbuße von 40 EUR verwirkt. Bei einem Verstoß mit Behinderung kann eine Geldbuße von 80 EUR verhängt werden. In beiden Fällen wird ein Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen.

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Unfallschadensregulierung: Kein Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall auf Autobahnabfahrt

Steht fest, dass sich der Auffahrunfall im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Überholvorgang kurz vor der Ausfahrt einer Autobahn ereignet hat, an der beide Verkehrsteilnehmer die Autobahn verlassen haben, liegt eine Verkehrssituation vor, die sich von derjenigen, die den Schluss auf ein Verschulden des Auffahrenden zulässt, grundlegend unterscheidet. Der Beweis des ersten Anscheins für ein Auffahrverschulden greift schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht ein.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Falle eines Autofahrers, der mit seinem Opel auf den Verzögerungsstreifen gewechselt war, um die A 4 zu verlassen. Das Fahrzeug des Klägers, ein VW-Bus, fuhr zunächst hinter dem Opel. Im weiteren Verlauf überholte der VW-Bus den Opel. Der konkrete zeitliche Ablauf des Überholens ist strittig. In der lang gezogenen Ausfahrt bremste der VW-Fahrer plötzlich bis zum Stillstand ab. Der Opel-Fahrer konnte, wie es im Tatbestand des Urteils heißt, nicht mehr rechtzeitig reagieren. Bei der Kollision wurde der VW-Bus hinten rechts und der Opel vorne links beschädigt. Der Kläger behauptet: Der Überholvorgang war bereits 300 m vor der Ausfahrt, es liege kein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Auffahren vor. Das abrupte Abbremsen sei verkehrsbedingt nötig gewesen. Anders schildert es dagegen der Opel-Fahrer: Der VW-Bus sei unvermittelt wieder auf die rechte Spur vor seinen Pkw gewechselt.

In den Vorinstanzen wurde die Haftung 50:50 verteilt. Das hat der BGH nun bestätigt. Er stellt in seiner Entscheidung fest, dass kein typischer Geschehensablauf als Basis für einen Anscheinsbeweis zulasten des Opel-Fahrers feststehe: Unstreitig sei dem Auffahren ein Überholen mit Wiedereinscheren auf die Fahrspur des Opel vorausgegangen. Offen sei jedoch geblieben, ob der Opel-Fahrer in der Lage gewesen sei, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen. Hierfür spreche kein Anscheinsbeweis. Abschließend geht der BGH auf den Umstand ein, dass zwischen Opel-Front und VW-Heck keine Vollüberdeckung bestanden hat, sondern ein „Schräganstoß“. In einer solchen Situation gelte nicht mehr der Erfahrungssatz, dass der Auffahrende schuld sei (BGH, VI ZR 15/10).

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Unfallrecht: Radfahrer trägt Mitschuld bei Unfall auf Zebrastreifen

Wer beim Überqueren eines Zebrastreifens auf seinem Rad fährt und nicht absteigt und schiebt, muss bei einem Unfall zumindest eine Teilschuld tragen.

So entschied das Landgericht (LG) Frankenthal im Fall einer Frau, die mit ihrem Fahrrad auf einem Radweg unterwegs war. Als sie an einem Zebrastreifen auf die andere Straßenseite wechseln wollte, kam es zum Zusammenstoß mit einem Auto. Die Richter gaben ihr zur Hälfte Schuld an dem Unfall. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass Radfahrer im Gegensatz zu Fußgängern auf einem Zebrastreifen keinen Vorrang gegenüber dem Straßenverkehr hätten. Die Frau hätte nur Vorrang gehabt, wenn sie das Rad über den Zebrastreifen geschoben hätte - also Fußgängerin gewesen wäre. Im Einzelfall könne sogar die ganze Schuld beim Fahrradfahrer liegen, wenn dieser plötzlich über den Zebrastreifen fahre und der Unfall für den Autofahrer nicht vermeidbar sei (LG Frankenthal, 2 S 193/10).

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Winterreifenpflicht: Keine grobe Fahrlässigkeit bei Fahren mit Sommerreifen

Auch wenn bei winterlichen Verhältnissen mit Sommerreifen gefahren wird und der Pkw von der Straße abkommt, ist darin allein noch kein grob fahrlässiges Handeln zu sehen.

Diese Entscheidung traf das Landgericht (LG) Hamburg im Fall eines Autofahrers, der am 2.1.09 mit Sommerreifen in Hamburg unterwegs war. Nach einsetzendem Schnee mit schneebedeckter Fahrbahn kam er von der Straße ab und prallte gegen eine Mauer. Den Schaden verlangte er von seiner Vollkaskoversicherung erstattet. Diese weigerte sich jedoch zu zahlen. Es liege grobe Fahrlässigkeit vor.

Während das Amtsgericht St. Georg als Vorinstanz ebenfalls grobe Fahrlässigkeit angenommen hat, hat das LG ein Kürzungsrecht des Versicherers verneint. Die seinerzeitige Regelung der Straßenverkehrsordnung begründe keine generelle Winterreifenpflicht. Zwar sei das Verhalten fahrlässig gewesen, am Tatbestand grober Fahrlässigkeit bestünden jedoch zumindest in subjektiver Hinsicht Zweifel. Die Witterungsverhältnisse in Hamburg, keiner typischen Schneeregion, seien wechselhaft gewesen, auch seien nicht alle Straßen „in winterlichem Zustand“ gewesen. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass es nicht auch mit Winter- bzw. Ganzjahresreifen zu dem Unfall gekommen wäre (LG Hamburg, 331 S 137/09).

Hinweis: Die Entscheidung betraf noch die alte Regelung der Straßenverkehrsordnung zur Winterreifenpflicht. Zur aktuellen Rechtslage siehe den gesonderten Beitrag zur Winterreifenpflicht.

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 beträgt 0,12 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • Für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 5,12 Prozent
  • Für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 2,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.07 2010 bis 31.12.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2010 bis 30.06.2010: 0,12 Prozent
  • vom 01.07 2009 bis 31.12.2009: 0,12 Prozent
  • vom 01.01.2009 bis 30.06.2009: 1,62 Prozent
  • vom 01.07.2008 bis 31.12.2008: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2008 bis 30.06.2008: 3,32 Prozent
  • vom 01.07.2007 bis 31.12.2007: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2007 bis 30.06.2007: 2,70 Prozent
  • vom 01.07.2006 bis 31.12.2006: 1,95 Prozent
  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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Steuertermine im Monat Februar 2011

Im Monat Februar 2011 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler: (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 10.2.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.2.2011.

Lohnsteuerzahler: (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer - mittels

Barzahlung - bis zum 10.2.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.2.2011.

Gewerbesteuerzahler: Zahlung - mittels Barzahlung - bis zum 15.2.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 12.2.2011.

Grundsteuerzahler: Zahlung - mittels Barzahlung - bis zum 15.2.2011 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 12.2.2011.

Bei der Grundsteuer kann die Gemeinde abweichend von dem vierteljährlichen Zahlungsgrundsatz verlangen, dass Beträge bis 15 EUR auf einmal grundsätzlich am 15.8.2011 und Beträge bis einschließlich 30 EUR je zur Hälfte am 15.2.2011 und am 15.8.2011 zu zahlen sind. Auf Antrag (war bis zum 30.9.2010 zu stellen) kann die Grundsteuer auch am 1.7.2011 in einem Jahresbetrag entrichtet werden.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung auf das Konto des Finanzamtes endet am 14.2.2011 für die Umsatz- und Lohnsteuerzahlung und am 18.2.2011 für die Gewerbe- und Grundsteuerzahlung. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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