Monatsbrief Oktober 2009

WCR-B-10-2009

Inhaltsverzeichnis:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

AGG: Betriebsrat kann gegen altersdiskriminierende Stellenausschreibung vorgehen

Die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr kann eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein.

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) hin. Die Richter erläuterten, dass Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren typischerweise gegenüber Arbeitnehmern im ersten Berufsjahr ein höheres Lebensalter aufweisen würden. Eine solche Beschränkung könne gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber mit ihr ein rechtmäßiges Ziel verfolge und sie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sei. Seien die hierfür vom Arbeitgeber angeführten Gründe offensichtlich ungeeignet, verstoße er grob gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung nach dem AGG.

Im vorliegenden Fall gab das BAG daher dem Antrag eines Betriebsrats statt, der von dem Arbeitgeber verlangt hatte, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des ersten Berufsjahres zu verzichten. Der Arbeitgeber hatte sich hierfür auf das von ihm vorgegebene Personalbudget berufen. Diese Begründung war nach Ansicht der Richter offensichtlich ungeeignet, den Bewerberkreis von vornherein auf jüngere Beschäftigte zu begrenzen (BAG, 1 ABR 47/08).

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Befristungsrecht: Wirksamkeit einer Haushaltsbefristung

Allein die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einer mit einem kw-Vermerk (kann wegfallen) versehenen Stelle rechtfertigt keine Befristung des Arbeitsverhältnisses.

Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Arbeitnehmerin, die vom 1. April 2003 bis zum 31. Dezember 2006 befristet bei der beklagten Körperschaft und ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt war. Die Parteien schlossen am 15. September 2006 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Die Arbeitnehmerin erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe 5. In dem vom Vorstand der Beklagten aufgestellten, von der Vertreterversammlung festgestellten und der Bundesregierung genehmigten Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2007 waren 67 Stellen der Entgeltgruppe 5 mit dem Vermerk „kw 31.12.2007“ versehen.

Die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2007 gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Richter wiesen darauf hin, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags sachlich gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet werde, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt seien, und er entsprechend beschäftigt werde. Eine solche Befristung erfordere die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die vom Haushaltsgeber im Haushaltsplan für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen seien. Diesen Anforderungen genüge die Ausbringung eines kw-Vermerks nicht. Aus einem kw-Vermerk allein ergebe sich auch nicht, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nur ein vorübergehender betrieblicher Bedarf bestehe (BAG, 7 AZR 162/08).

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Kündigungsrecht: Lesen fremder E-Mails berechtigt zur fristlosen Kündigung

Nimmt ein Systemadministrator unerlaubt Einsicht in fremde E-Mails, stellt dies einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß dar, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) München im Fall eines Systemadministrators. In dieser Eigenschaft hatte er auf die E-Mails eines Geschäftsführers zugegriffen. Die Richter sahen darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten, da er unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse und technischen Möglichkeiten auf interne Korrespondenz zugegriffen habe. Seine fristlose Kündigung sei daher gerechtfertigt (LAG München, 11 Sa 54/09).

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Unterlassungsanspruch: Foto des Arbeitnehmers auf der Arbeitgeber-Homepage

Das - zumindest stillschweigend - erklärte Einverständnis eines Arbeitnehmers damit, dass der Arbeitgeber auf seiner Homepage ein am Arbeitsplatz aufgenommenes Foto des Arbeitnehmers veröffentlicht, erlischt nicht ohne Weiteres automatisch im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich Gegenteiliges erklärt hat.

So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Rechtsstreit eines Arbeitnehmers. Dieser hatte nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Änderung von dessen Homepage verlangt. Er verlangte die Löschung eines Fotos der Betriebsräume, auf denen er zu sehen war. Das LAG wies seine Klage jedoch ab. Die Richter sahen keine Anspruchsgrundlage für das Löschungsverlangen. Das Foto auf der Homepage diene reinen Illustrationszwecken. Es habe keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt. Der Arbeitnehmer sei auf dem Foto quasi nur „Beiwerk“ (LAG Köln, 7 Ta 126/09).

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Illegales Arbeitsverhältnis: Gilt auch bei unbewusstem Verstoß gegen Gesetz

Ein illegales Beschäftigungsverhältnis liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, ohne dass ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können.

Das musste der Inhaber einer Baggerbetriebs vor dem Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz erfahren. Er hatte einen Mitarbeiter auf der Grundlage eines sogenannten "Subunternehmervertrags" beschäftigt. Der Rentenversicherungsträger stufte diesen Vertrag nach einer Betriebsprüfung hingegen als abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein. Entsprechend forderte er von dem Arbeitgeber Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen und Umlagebeiträgen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in Höhe von über 10.000 EUR nach. Dabei legte er die Zahlungsbeträge, die in den anlässlich der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten Rechnungen ausgewiesen waren, als Nettoentgelt zugrunde und errechnete hieraus die jeweiligen Bruttobeträge. Der Arbeitgeber räumte zwar ein, dass die Einstufung des Mitarbeiters als Arbeitnehmer wohl zu Recht erfolgt sei. Es habe sich jedoch nicht um ein illegales Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Er sei von einem Subunternehmensvertrag ausgegangen und habe den Vertrag auch entsprechend durchgeführt. Seine Klage blieb jedoch ohne Erfolg.

Die Richter wiesen darauf hin, dass nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei einem illegal beschäftigten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen im Rahmen der Berechnung der nachzufordernden Sozialversicherungsbeiträge als Nettoarbeitsentgelt gelten. Eine illegale Beschäftigung im Sinne des Gesetzes läge bereits vor, wenn gegen für das Beschäftigungsverhältnis geltende gesetzliche Vorschriften verstoßen werde. Es genüge etwa, wenn der Arbeitgeber seiner Meldepflicht oder seiner Pflicht zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei hingegen, ob den Beteiligten überhaupt bewusst gewesen sei, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Selbst wenn den Beteiligten weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, könne ein illegales Beschäftigungsverhältnis vorliegen (LSG Rheinland-Pfalz, L 6 R 105/09).

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Baurecht

Bauüberwachung: Besondere Sorgfalt bei wichtigen Bauabschnitten

Bei wichtigen Bauabschnitten muss derjenige, der die Bauüberwachung innehat, sich persönlich oder durch erprobte Erfüllungsgehilfen unmittelbar von der Ordnungsmäßigkeit der Ausführung der Arbeiten überzeugen.

Dabei muss er nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. gerade bei gefahrträchtigen kritischen Bauabschnitten seine Verpflichtung besonders sorgfältig erfüllen. Dies habe der Architekt im vorliegenden Fall gerade nicht getan. Nachdem bei dem Altbau für längere Zeit das Dach abgedeckt war, hätte er für eine Abstützung der Giebelwände sorgen müssen. Dass eine Abstützung der Giebelwände notwendig war lag auf der Hand. Der Architekt hätte daher ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Giebelwände schon einer üblichen Windbelastung möglicherweise nicht standhalten würden. Er hätte auch gegenüber dem bauausführenden Unternehmen ausdrücklich darauf dringen müssen, dass entsprechende Sicherungsmaßnahmen unverzüglich getroffen werden. Schließlich hätte er zeitnah nach einem entsprechenden Hinweis überprüfen müssen, ob das bauausführende Unternehmen entsprechend tätig geworden war. Da er jedoch untätig geblieben war, verurteilte ihn das OLG zum Ersatz des Schadens, der dem Bauherrn durch den Einsturz der Giebelwand entstanden war (OLG Frankfurt a.M., 4 U 149/08).

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Architektenrecht: HOAI-Mindestsätze können bei Freunden unterschritten werden

Eine Unterschreitung der HOAI-Mindestsätze kann durch Umstände gerechtfertigt sein, die das Vertragsverhältnis deutlich von durchschnittlichen Vertragsverhältnissen unterscheiden.

Derartige Umstände können nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einer bereits bestehenden und auf Dauer angelegten engen sozialen und freundschaftlichen Beziehung liegen, wenn sie das Vertragsverhältnis geprägt hat. Allerdings machten die Richter auch deutlich, dass eine bloß über Dritte zum Zweck des Vertragsschlusses vermittelte Bekanntschaft, die sich erst im Lauf einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung entwickelt hat, hierfür nicht genügt (OLG Hamm, 17 U 1/08).

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Vergaberecht: Neue Fristen im Zuschlagschreiben gelten als neues Angebot

Enthält das Zuschlagschreiben des öffentlichen Auftraggebers nach verzögerter Vergabe neue Fertigstellungsfristen, handelt es sich um eine modifizierte Annahme des Bietergebots und damit unter Ablehnung des ursprünglichen Angebots um ein neues Angebot.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Die Richter machten deutlich, dass es in einem solchen Fall Sache des Bieters sei, auf während der verlängerten Zuschlagsfrist eingetretene Preiserhöhungen hinzuweisen. Er müsse also gegebenenfalls das neue Angebot ablehnen und einen neuen Preis verlangen. Versäume er dies, könne der öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass der Bieter trotz der eingetretenen Preiserhöhungen auskömmlich kalkuliert hatte. Der öffentliche Auftraggeber sei dann nicht verpflichtet, sich nach Ablauf der Annahmefrist auf einen geänderten Preis einzulassen (OLG Celle, 14 U 62/08).

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Denkmalschutz: Kunststofffenster in Denkmalzone sind nicht per se verboten

Eine denkmalrechtliche Verfügung kann im Einzelfall rechtswidrig sein, wenn die zuständige Denkmalschutzbehörde das ihr zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß betätigt, weil sie nicht hinreichend ermittelt hat, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist.

Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des (VG) Verwaltungsgerichts Koblenz. Geklagt hatte die Eigentümerin eines Fachwerkhauses, das innerhalb der Denkmalzone „Altstadt Linz“ steht. Sie hatte beantragt, ihr den Austausch von Fenstern zu genehmigen und hierbei angegeben: „Erneuerung der Fenster wie vorhanden in weiß“. Der Landkreis erteilte daraufhin eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Klägerin einflügelige Kunststofffenster ohne Sprossenteilung in ihr Haus hatte einbauen lassen, verlangte er die eingebauten Fenster durch Holzfenster, weiß lasiert mit Sprossenteilung, auszutauschen. Die hiergegen erhobene Klage war erfolgreich. Der Landkreis holte in der Folge die Stellungnahme der Generaldirektion Kulturelles Erbe ein. Nach deren Eingang forderte er die Eigentümerin auf, den ursprünglichen Zustand durch Austausch in zweiflügelige Holzfenster, weiß lasiert, wiederherzustellen. Hiergegen erhob die Eigentümerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wiederum Klage, die erfolgreich war.

Die Verfügung, so die Richter, sei rechtswidrig. Es sei bereits fraglich, ob die Kunststofffenster im Haus der Klägerin die Denkmalzone „Altstadt Linz“ überhaupt beeinträchtige. Im Kernbereich der Altstadt von Linz seien Fenster unterschiedlichster Art eingebaut, u.a. bereits in mehreren Gebäuden Kunststofffenster. Jedenfalls habe der Landkreis das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Forderung nach zweiflügeligen Fenstern sei nicht gerechtfertigt, wenn derselbe Erfolg durch weniger belastende Maßnahmen hätte herbeigeführt werden können. Dies sei vorliegend nicht auszuschließen. Der Landkreis habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Einbau anderer Fenster eine denkmalschutzrechtlich ausreichende und für die Klägerin kostengünstigere Alternative hätte sein können. Eine Auseinandersetzung hiermit sei notwendig gewesen. Denn der Vertreter des Landkreises habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass aus denkmalschutzrechtlicher Sicht durchaus auch einflügelige Fenster in das Haus der Klägerin eingesetzt werden könnten (VG Koblenz, 1 K 221/09.KO).

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Familien- und Erbrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Änderungen im Familienrecht zum 1.9.2009

Am 1. September 2009 sind wichtige Änderungen im Familienrecht in Kraft getreten:

  • Zum einen tritt die Strukturreform des Versorgungsausgleichs in Kraft. Ziel des Versorgungsausgleichs ist, bei der Scheidung alle in der Ehe erworbenen Rentenanrechte hälftig zu teilen. Bisher kam es oft zu ungerechten Teilungsergebnissen, insbesondere zulasten der Frauen. Auch konnten betriebliche und private Versorgungen oft nicht zeitnah zur Scheidung aufgeteilt werden. In Zukunft wird jedes in der Ehe aufgebaute Versorgungsanrecht im jeweiligen Versorgungssystem hälftig geteilt. Vorrangig kommt es zur "internen Teilung", bei der jeder sein eigenes "Rentenkonto" erhält, also einen eigenen Anspruch gegen den jeweiligen Versorgungsträger.
  • Auch die in Kraft tretenden Änderungen des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts dienen der Verteilungsgerechtigkeit bei der Scheidung. Grundgedanke des Zugewinnausgleichs ist, den während der Ehe erzielten Vermögenszuwachs zu gleichen Teilen auf beide Ehegatten zu verteilen. Um dies noch zuverlässiger zu erreichen, wird dem Beiseiteschaffen von Vermögenswerten nach der Trennung durch verschiedene Maßnahmen ein Riegel vorgeschoben. Außerdem wird künftig umfassend berücksichtigt, ob ein Ehepartner mit Schulden in die Ehe gegangen ist, und ob diese Schulden während der Ehezeit beglichen wurden.
  • Schließlich tritt die Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 1. September 2009 in Kraft. Sie fasst das gerichtliche Verfahren in Familiensachen und in den Materien der freiwilligen Gerichtsbarkeit (also etwa Betreuungs-, Unterbringungs- und Nachlasssachen) erstmals in einer einzigen Verfahrensordnung übersichtlich zusammen. Die durch Ehe und Familie sachlich verbundenen Streitigkeiten werden künftig beim sogenannten Großen Familiengericht gebündelt. Das Vormundschaftsgericht wird aufgelöst, seine Aufgaben vom Familiengericht und vom Betreuungsgericht übernommen. Überdies wird der Kinderschutz im gerichtlichen Verfahren ausgebaut, indem beispielsweise die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der betroffenen Kinder weiter gestärkt werden.

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Aktuelle Gesetzgebung: Mehr Rechtssicherheit beim Umgang mit Patientenverfügungen

Zum 1. September 2009 ist die gesetzliche Regelung zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen in Kraft getreten. Damit sind die Voraussetzungen von Patientenverfügungen und ihre Bindungswirkung eindeutig im Gesetz bestimmt. Patientenverfügungen erläutern dem Arzt den Willen des Patienten, der sich zur Frage seiner medizinischen Behandlung nicht mehr selbst äußern kann. Zu den Regelungen im Einzelnen:

  • Volljährige können in einer schriftlichen Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Kommt es danach zur Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen, sind Betreuer und Bevollmächtigter an die Patientenverfügung gebunden. Sie müssen prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen und den Willen des Betroffenen zur Geltung bringen. Es gibt keine Reichweitenbegrenzung, die den Patientenwillen kraft Gesetzes in bestimmten Fällen für unbeachtlich erklärt.
  • Neu ist die Schriftform. Patientenverfügungen müssen schriftlich erfolgen und eigenhändig unterschrieben sein. Frühere schriftliche Verfügungen bleiben wirksam.
  • Niemand ist gezwungen, eine Patientenverfügung zu verfassen. Patientenverfügungen können jederzeit formlos widerrufen werden. Gibt es keine Patientenverfügung oder treffen die Festlegungen nicht die aktuelle Situation, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den ärztlichen Eingriff einwilligt.
  • Die Entscheidung über ärztliche Maßnahmen bei Entscheidungsunfähigen wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prüft, was medizinisch angezeigt ist und erörtert die Maßnahme mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten, möglichst unter Einbeziehung naher Angehöriger und sonstiger Vertrauenspersonen.
  • Sind sich Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigter über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Gerichts. Bestehen hingegen Meinungsverschiedenheiten, müssen die Entscheidungen vom Betreuungsgericht genehmigt werden.

Nachdem der gesetzliche Rahmen steht, muss jetzt jeder für sich selbst entscheiden, ob er eine Patientenverfügung will oder nicht. Keiner darf eine solche Verfügung verlangen, weder vor einer Operation im Krankenhaus noch bei einer Aufnahme im Pflegeheim. Wer sich aus freien Stücken für eine Patientenverfügung entscheidet, sollte sich Zeit nehmen nachzudenken, in welcher Situation er wie behandelt werden will. Je konkreter die Formulierung, desto besser die Orientierung für alle Beteiligten. Vorhandene Patientenverfügungen sollten zudem regelmäßig aktualisiert werden. Im Ernstfall geht es ja darum, ob die Verfügung den aktuellen Willen wiedergibt. Ist sie Jahrzehnte alt, können Zweifel aufkommen. Darum ist es gut, das Papier etwa alle zwei Jahre durchzulesen und mit einer kurzen Notiz klarzustellen, ob und wie es weiter gelten soll. Damit die Verfügung - auch wenn es schnell gehen muss - zur Hand ist, sollte man einen Hinweis darauf bei sich tragen, dass es sie gibt und wo sie zu finden ist. Ratsam ist es schließlich, eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, die den niedergelegten Willen zur Geltung bringen kann. Mit ihr sollte man die Verfügung besprechen, damit klar ist, was gemeint ist.

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Geschiedenenunterhalt: Pflicht zur Vollzeittätigkeit besteht nicht in jedem Fall

Neben der Betreuung von zwei - 11 und 14 Jahre alten - Schulkindern ist der Betreuungselternteil aus elternbezogenen Gründen auch dann noch nicht zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn die Kinder nach der Schule ganztägig in einer geeigneten Tagespflegestelle betreut werden könnten.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle in einem unterhaltsrechtlichen Rechtsstreit hin. Die Richter wiesen damit die Klage eines geschiedenen Mannes ab. Dieser war der Ansicht, seine Ex-Frau müsse statt der ausgeübten Halbtagstätigkeit nunmehr vollschichtig arbeiten, sodass er künftig keinen Unterhalt mehr zahlen müsse. Die Richter sahen das jedoch nicht so.

Auch wenn die Kinder ganztags in einer geeigneten Tagespflegestelle betreut würden, ergebe sich bei Rückkehr in die Familienwohnung ein weiterer Betreuungsbedarf. Der Betreuungselternteil müsse die mit der Führung eines Mehrpersonenhaushalts verbundenen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten (etwa Einkäufe, Waschen, Bügeln, Putzen) alleine bewältigen. Zudem sei er in vielfältiger Weise mit organisatorischen Problemen befasst, welche die Schulausbildung der Kinder (etwa Nacharbeit der Schulaufgaben und Teilnahme an Elternabenden) und deren Sozialkontakte (etwa Organisation von Freizeitaktivitäten) betrifft. Dies sei ihm bei einer vollschichtigen Tätigkeit ohne Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht möglich (OLG Celle, 17 UF 210/08).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Eigenbedarf: Wohnbedarf des Schwagers kann Eigenbedarfskündigung rechtfertigen

Der Wohnbedarf eines Schwagers des Vermieters kann Eigenbedarf zumindest begründen, wenn ein besonders enger Kontakt besteht.

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Beklagte war Mieterin einer Wohnung im Haus der dort auch selbst mit ihrer Familie wohnenden Klägerin. Diese kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, sie wolle die Wohnung dem Bruder ihres Ehemanns und dessen Ehefrau sowie zwei minderjährigen Kindern zur Verfügung stellen. Es bestehe zwischen den Familien ein besonders enger persönlicher Kontakt und deshalb ein Wunsch nach größerer Nähe. Dies lasse sich nur durch einen Einzug in die bislang von den Beklagten genutzte Wohnung verwirklichen. Die Räumungsklage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass nach dem Gesetz ein berechtigtes Interesse des Wohnraumvermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vorliege, wenn er die Räume u.a. für seine Familienangehörigen benötige. Allerdings beschreibe der Gesetzeswortlaut den Begriff des Familienangehörigen nicht. Allgemein werde zwischen den engen Familienangehörigen und solchen Angehörigen differenziert, die mit dem Vermieter nur entfernt verwandt oder verschwägert sind. Letztere würden nur in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen, wenn zu ihnen ein besonderer sozialer Kontakt bestehe. So würden Geschwister kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zu den privilegierten Angehörigen gehören. Bei ihnen bedürfe es des zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals einer engen sozialen Bindung zum Vermieter nicht. Für einen Schwager treffe dies jedoch nicht ohne Weiteres zu. Nur wenn besondere Umstände vorlägen, die eine enge Bindung des Vermieters zu seinem Schwager ergeben würden, könne dessen Wohnbedarf eine Eigenbedarfskündigung begründen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen (BGH, VIII ZR 247/08).

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Besichtigungsrecht: Wohnungsbesichtigung ist auch an Samstagen möglich

Die weite Anreise der Vermieter - z.B. aus der Schweiz - rechtfertigt eine Besichtigung der Wohnung grundsätzlich auch an Samstagen.

Das machte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. deutlich. Stein des Anstoßes war der Mietvertrag, der in § 20 bestimmte: Die Besichtigung ist „während der üblichen Tageszeit“ und „Werktags bis 19 Uhr“ zu gewährleisten. Die Vermieter wohnten und arbeiteten in der Schweiz. Sie wollten das Objekt verkaufen. Hierzu wünschten Sie alle vier Wochen am Samstag zwischen 11 und 12 Uhr einen Besichtigungstermin mit Interessenten. Der Mieter verweigerte dagegen einen Zutritt am Samstag.

Das Amtsgericht hat die Mieter lediglich zur Besichtigung am Freitag zwischen 16 und 18 Uhr verurteilt. Die Berufung der Vermieter hatte Erfolg. Das OLG stellte klar, dass sich das Besichtigungsrecht eindeutig aus dem Mietvertrag ergebe. Auch der Samstag sei ein Werktag. Das Interesse der Mieter an einem erlebnisreichen Samstag müsse hinter dem Interesse der weit anreisenden Vermieter an einer möglichst geringen Beeinträchtigung ihrer beruflichen Tätigkeit und ihres Privatlebens zurücktreten (OLG Frankfurt a.M., 24 U 242/08).

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Mietvertrag: Rückbauklausel ist wirksam

Die im Mietvertrag vereinbarte Verpflichtung des Mieters, bei Ende des Mietverhältnisses "Ein- und Ausbauten ... zu entfernen", wenn durch sie "eine weitere Vermietung erschwert sein (sollte)" ist wirksam.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Rechtsstreit eines Vermieters, der seinen ehemaligen Mieter auf Schadenersatz in Anspruch genommen hatte. Dieser hatte die von ihm während der Miet­zeit vorgenommenen Einbauten nach seinem Auszug trotz Aufforderung nicht entfernt. Er hielt die im Mietvertrag enthaltene Rückbauklausel für unwirksam.

Das sahen die Richter jedoch anders. Sie machten deutlich, dass die Regelung im Mietvertrag für den Mieter sogar noch günstiger sei, als die gesetzliche Regelung. Während das Gesetz grundsätzlich eine Beseitigungspflicht für Ein- und Ausbauten vorsehe, sei dies nach der Vertragsklausel nur unter engeren Voraussetzungen der Fall. Die Klausel benachteilige den Mieter insofern nicht, sie sei daher wirksam (OLG Düsseldorf, I-24 U 56/08).

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Zwangsversteigerung: Erwerber haftet für nach Erwerb fällig werdende Sonderumlage

Ein Wohnungseigentümer, der seine Eigentumswohnung in einer Zwangsversteigerung erworben hat, ist auch dann zur Zahlung der nach dem Eigentumserwerb fällig gewordenen Raten einer Sonderumlage verpflichtet, wenn die Sonderumlage bereits vor dem Eigentumserwerb beschlossen worden ist.

Das musste sich der Erwerber einer Eigentumswohnung vor dem Landgericht (LG) Saarbrücken sagen lassen. Nachdem Hausgeldrückstände aufgelaufen waren und Heizöl zu bestellen war, hatten die Wohnungseigentümer eine Sonderumlage beschlossen. Diese war in mehrmonatigen Raten zu zahlen. Wenige Monate nach dem Beschluss erfolgte die Zwangsversteigerung. Die Gemeinschaft verlangte vom Erwerber die nach Zuschlag fällig werdenden Raten.

Das LG gab der Gemeinschaft recht. Es schloss sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Danach ist gemäß der Fälligkeitstheorie für die Erwerberhaftung allein auf die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung nach Beschluss der Eigentümerversammlung abzustellen, nicht auf Beschlussfassung oder auf den Zeitpunkt der Entstehung der materiellrechtlichen Ursache für die Sonderumlage (LG Saarbrücken, 5 S 26/08).

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Verbraucherrecht

Urheberrecht: Einstellen eines Computerprogramms ins Internet

Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstellt, darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Betreffende vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat. Unterlässt er diese Prüfung, macht er sich gegenüber dem Berechtigten wegen einer Verletzung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte schadenersatzpflichtig (BGH, I ZR 239/06).

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Nachbarrecht: Elefantengras ist weder Baum noch Busch

Bei Elefantengras (Miscanthus x giganteus) handelt es sich weder um einen Baum noch um einen Busch. Beim Anpflanzen müssen daher die für Bäume und Sträucher geltenden Mindestgrenzabstände nicht eingehalten werden.

So entschied das Landgericht (LG) Coburg den Streit zwischen zwei Grundstücksnachbarn. Dieser hatte sich an dem exotischen Gewächs entzündet, dass der Beklagte auf seinem Grundstück angepflanzt hatte. Das Schilfgewächs kann 4 bis 5 Meter hoch werden. Immer im späten Frühjahr werden die Süßgräser geerntet und als Brennmaterial verwendet. Der Kläger meinte nun, das Elefantengras dürfe nicht näher als zwei Meter an sein Hausgrundstück heranwachsen. Er berief sich auf Brandgefahr bei längeren Dürreperioden und auf die Bestimmungen des Nachbarrechts zum Mindestgrenzabstand von Büschen und Bäumen.

Ohne Erfolg, denn das LG wies seine Klage ab. Miscanthus x giganteus sei nämlich weder Busch noch Baum, sondern ein Staudengewächs, bei dem im Herbst alle über dem Boden befindlichen Teile absterben. Für Stauden würden die Grenzabstandsvorschriften jedoch nicht gelten. Auch eine besondere Brandgefahr könne das Gericht nicht erkennen. Selbst bei einem Wald könne nur die Einhaltung eines Abstands von 0,5 Metern verlangt werden - und da sei in heißen Zeiten und mit Blick auf abgestorbene Blätter die Brandgefahr nicht geringer. Nachdem das Beklagten-Grundstück nördlich des klägerischen Grundstücks liege, werde dem Kläger trotz der Höhe der Pflanzen auch kein Sonnenlicht genommen (AG Lichtenfels, 1 C 364/08; LG Coburg, 32 S 23/09).

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Versicherungsrecht: Invalidität muss dem Versicherer fristgerecht angezeigt werden

Wird jemand aufgrund eines Unfalls invalide, muss er dies binnen 15 Monaten bei der Versicherung geltend machen, sonst verliert er seinen Anspruch auf Zahlung.

Hierauf wies das Amtsgericht (AG) München einen Versicherungsnehmer hin, der eine private Unfallversicherung mit Invaliditätsschutz abgeschlossen hatte. Am 11.3.2005 stürzte er auf Glatteis und brach sich den linken Knöchel im Sprunggelenk. Dies teilte er am 15.3.2005 der Versicherung mit. In der schriftlichen Unfallanzeige war durch den behandelnden Arzt angekreuzt worden, dass mit einer dauerhaften Beeinträchtigung nicht zu rechnen sei. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. Der Versicherungsnehmer musste immer wieder behandelt werden. Schließlich wurde durch die ihn behandelnde Klinik am 17.3.2006 eine teilweise Invalidität festgestellt. Allerdings ließ sich der Patient viel Zeit und legte dieses Gutachten erst am 29.8.2007 der Versicherungsgesellschaft vor. Die Versicherung verweigerte eine Zahlung der Invaliditätssumme, da die Meldung zu spät erfolgt sei. Der Versicherungsnehmer fand dies nicht und wandte sich an das AG.

Der zuständige Richter belehrte ihn allerdings eines Besseren: Er habe keinen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistungen. Nach den Versicherungsbestimmungen müsse die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall geltend gemacht werden. Zweck dieser Vorschrift sei es, die Haftung des Versicherers für Spätfolgen, die häufig nur schwer aufklärbar seien, auszuschließen. Diese Regelung sei nicht beeinträchtigend, sie sei auch eine Anspruchsvoraussetzung und nicht nur eine bloße Obliegenheit. Die Anzeige sei unstreitig nicht innerhalb dieser Frist erfolgt. In der Unfallanzeige vom 22.3.2005 könne keine derartige Geltendmachung gesehen werden. Diese müsse nämlich zumindest die Behauptung enthalten, es sei eine Invalidität eingetreten. Hier sei vom behandelnden Arzt gerade angegeben worden, dass nicht mit dauernden Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Die Geltendmachung von Krankenhaustagegeld oder Genesungsgeld reiche nicht aus. Zwar sei unter Umständen eine verspätete Anzeige möglich. Dann dürfe den Versicherungsnehmer aber kein Verschulden an der Verspätung treffen. Er müsse die Geltendmachung des Anspruchs dann unverzüglich nachholen. Nachdem die Klinik am 17.3.2006 bereits die Spätfolgen festgestellt habe, sei das Schreiben an die Versicherung am 29.8.2007, also über ein Jahr später, auf keinen Fall mehr rechtzeitig (AG München, 163 C 22609/08).

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Lebensmittelrecht: Wein darf nicht als "bekömmlich" bezeichnet werden

Wein darf weder auf dem Etikett noch in der Werbung als „bekömmlich” bezeichnet werden.

Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall einer Winzergenossenschaft aus der Pfalz. Diese verwendete auf den Etiketten ihrer Weine Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder und bei deren Bewerbung den Begriff „bekömmlich”. Das Land Rheinland-Pfalz hielt den Begriff wegen seiner gesundheitsbezogenen Aussage nach der EU-Verordnung Nr. 1924/2006 (Health-Claims-Verordnung) für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Winzergenossenschaft auf Feststellung, dass sie den Begriff verwenden dürfe, ab. Das OVG bestätigte nun diese Entscheidung. Nach der Health-Claims-Verordnung dürften alkoholische Getränke wie Wein keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen. Der Begriff „bekömmlich” bringe im Zusammenhang mit Wein jedoch zum Ausdruck, dass er den Körper und seine Funktionen nicht belaste oder beeinträchtige. Darin liege eine gesundheitsbezogene Aussage, die über das allgemeine Wohlbefinden hinausgehe. Die Richter haben wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen (OVG Rheinland-Pfalz, 8 A 10579/09.OVG).

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Verkehrsrecht

Ampelüberwachung: Feststellung der Rotlichtzeit beim „qualifizierten Rotlichtverstoß“

Bei einer gezielten Ampelüberwachung kann grundsätzlich die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes aufgrund der Schätzung von Polizeibeamten festgestellt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Diese grundsätzliche Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers, der wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße verurteilt und mit einem Fahrverbot belegt worden war. Das OLG bestätigte nun diese Entscheidung. Die Richter machten allerdings deutlich, dass für die Feststellung des Rotlichtverstoßes drei Voraussetzungen erfüllt sein müssten:

  • Der polizeiliche Zeuge müsse zumindest in Gedanken gezählt haben („einundzwanzig, zweiundzwanzig“).
  • Die Rotlichtphase müsse nach der so gewonnenen Schätzung zumindest bereits zwei Sekunden angedauert haben.
  • Die Schätzung müsse für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sein, nämlich durch Angaben im tatrichterlichen Urteil zur Messmethode, zum Ablauf des Rotlichtverstoßes sowie zur Entfernung des Fahrzeugs von der Lichtzeichenanlage bzw. gegebenenfalls von der Haltelinie.

Gegen eine mögliche Ungenauigkeit dieser Schätzung würden nach Ansicht des Gerichts zwei Gründe sprechen. Zum einen wüssten die Polizeibeamten bei einer gezielten Rotlichtüberwachung, worauf es ankomme. Ihre Wahrnehmung sei daher entsprechend geschärft. Seien die Polizisten zum anderen durch Sekundenzählen zum Ergebnis gekommen, dass das Rotlicht im Zeitpunkt des Überfahrens der Haltlinie bereits zwei Sekunden aufgeleuchtet habe, sei sicher, dass die Rotlichtphase jedenfalls mehr als eine Sekunde angedauert habe (OLG Hamm, 3 Ss OWi 55/09).

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Mobiltelefon: Auch der Fahrlehrer darf auf dem Beifahrersitz nicht telefonieren

Auch der Fahrlehrer, der sich während einer Fahrschulübungsfahrt nur auf dem Beifahrersitz befindet, ist neben dem das Fahrzeug lenkenden Fahrschüler Fahrzeugführer im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Daher begeht er eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während der Fahrt ein Mobiltelefon benutzt.

Mit dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg darauf hingewiesen, dass auch als Fahrzeugführer gelten könne, wer nicht selbst hinter dem Steuer sitze. Es sei Aufgabe des Fahrlehrers, den Fahrschüler ständig zu beobachten. Notfalls müsse er sofort eingreifen können. Damit unterliege er den gleichen straßenverkehrsrechtlichen Ge- und Verboten wie der das Fahrzeug steuernde Fahrschüler (OLG Bamberg, 2 Ss OWi 127/09).

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Leihwagen: Autovermieter muss auf deutlich über dem Normalen liegende Tarife hinweisen

Die Kosten eines Mietfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall muss die gegnerische Haftpflichtversicherung nur in Höhe des ortsüblichen Normaltarifs erstatten. Wer teurer anmietet, läuft Gefahr, einen Teil der Kosten selbst tragen zu müssen. Der Autovermieter ist allerdings verpflichtet, den Kunden unmissverständlich darauf hinzuweisen, wenn sein Tarif deutlich über diesem Satz liegt. Versäumt er das, bleibt er (und nicht der Kunde) auf der Differenz sitzen.

Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Entscheidung des Landgerichts (LG) Coburg, mit der der Anspruch eines Autovermieters auf den Normaltarif gekürzt wurde. Er hatte den Mieter nicht über die Gefahr aufgeklärt, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners wegen der Höhe der vereinbarten Mietwagenkosten möglicherweise nicht den kompletten Betrag übernehmen würde. Die Richter machten in ihrer Entscheidung deutlich, dass der Mietwagenunternehmer jedoch eine solche Hinweispflicht habe. Komme er dieser nicht nach, habe sein Kunde einen Schadenersatzanspruch, den er der Mietzinsforderung entgegenhalten könne. So habe der Fall hier gelegen: Der angebotene Tarif habe 41,5 Prozent über dem Ortsüblichen gelegen. Der Kunde musste daher nur den Normaltarif bezahlen.

Hinweis: Unabhängig von dieser Hinweispflicht sind dem Verbraucher Nachfragen und Preisvergleich gerade beim Anmieten von Unfallersatz-Fahrzeugen anzuraten (LG Coburg, 14 O 492/08, rkr.).

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Fahrtenbuchauflage: Behörde muss Kfz-Halter gegebenenfalls auch als Zeugen vernehmen

Vor der Verhängung einer Fahrtenbuchauflage darf sich die Bußgeldbehörde nicht immer darauf beschränken, den Halter des Kraftfahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, als Betroffenen anzuhören. Sie kann auch verpflichtet sein, den Halter als Zeugen zu vernehmen.

Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden und damit auf den Antrag einer Kfz-Halterin (Antragstellerin) vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Mit dem Pkw der Antragstellerin war die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträchtlich überschritten worden. Das hinreichend deutliche Geschwindigkeitsmessfoto zeigt einen Mann als Fahrer. Die Bußgeldstelle hörte die Antragstellerin gleichwohl ausschließlich als Betroffene (als mutmaßliche Täterin) an. Im Anhörungsschreiben war davon die Rede, dass ihr eine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt werde. Der Vordruck enthielt auch einen Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht des Betroffenen. Nachdem die Antragstellerin keine Angaben zum Fahrer gemacht hatte und dieser nicht ermittelt werden konnte, verpflichtete die Bußgeldstelle die Antragstellerin, für die Dauer von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz war in der Beschwerdeinstanz erfolgreich. Der VGH war der Ansicht, dass die Fahrtenbuchauflage voraussichtlich rechtswidrig sei. Die Verwaltungsbehörde könne gegenüber einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß nicht möglich gewesen sei. Dies setze voraus, dass die für die Verfolgung des Verkehrsverstoßes zuständige Behörde sämtliche nötigen und möglichen, auch angemessenen und zumutbaren Schritte zur Ermittlung des Kraftfahrzeugführers unternommen habe, diese aber erfolglos geblieben seien. Hier hätte die Antragstellerin zum Zweck der Klärung der Täterschaft der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht als Betroffene, sondern als Zeugin angeschrieben und zur Aussage aufgefordert werden müssen. Aufgrund des Messfotos sei die Antragstellerin von vornherein als Täterin des Verkehrsverstoßes ausgeschieden. Damit sei sie lediglich Zeugin gewesen. Als solche sei sie grundsätzlich verpflichtet gewesen, bei der Behörde auf eine entsprechende Ladung hin zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Diese generelle Aussagepflicht könne durch Zeugnisverweigerungsrechte, z. B. zugunsten von Angehörigen, eingeschränkt werden. Aus der rechtmäßigen Aussageverweigerung bei der förmlichen Anhörung als Betroffene könne auch nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass die Antragstellerin auch als Zeugin entgegen ihrer grundsätzlichen Auskunftspflicht keine Aussage zur Sache gemacht und damit nicht zur Klärung der Täterschaft beigetragen hätte (VGH Baden-Württemberg, 10 S 1499/09).

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 beträgt 0,12 Prozent.

Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 5,12 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 2,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.01.2009 bis 30.06.2009: 1,62 Prozent
  • vom 01.07.2008 bis 31.12.2008: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2008 bis 30.06.2008: 3,32 Prozent
  • vom 01.07.2007 bis 31.12.2007: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2007 bis 30.06.2007: 2,70 Prozent
  • vom 01.07.2006 bis 31.12.2006: 1,95 Prozent
  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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Steuertermine im Monat Oktober 2009

Im Monat Oktober 2009 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 12.10.2009 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 9.10.2009.

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 12.10.2009 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 9.10.2009.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung auf das Konto des Finanzamts endet am 15.10.2009. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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