Monatsbrief Juli 2009

WCR-B-07-2009

Inhaltsverzeichnis:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Bezugsfrist des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate verlängert

Nicht zuletzt aufgrund der Wirtschaftskrise wurde die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld von bisher 18 auf nunmehr maximal 24 Monate verlängert. Die Verlängerung trat am 5.6.2009 in Kraft und gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2009 entsteht.

Darüber hinaus hat das Bundeskabinett am 20.5.2009 den Entwurf einer Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zur vollen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge ab dem 7. Monat des Bezugs von Kurzarbeitergeld beschlossen. Hierdurch sollen die Sozialversicherungsbeiträge für ab dem 1.1.2009 durchgeführte Kurzarbeit ab dem siebten Kalendermonat des Bezugs auf Antrag vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet werden. Für die Berechnung des Sechs-Monats-Zeitraums ist es ausreichend, dass Kurzarbeit im Betrieb durchgeführt wurde. Dabei werden auch Zeiträume vor Inkrafttreten dieser Regelung berücksichtigt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist damit eine volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge ab Juli 2009 möglich.

Zusätzlich zur vollen Erstattung ist beabsichtigt, dass auf Antrag des Arbeitgebers bei einer Unterbrechung der Kurzarbeit von drei Monaten und mehr innerhalb der Bezugsfrist keine neue Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit erforderlich ist. In diesen Fällen läuft die Bezugsfrist ohne Unterbrechung für den gesamten bewilligten Bezugszeitraum weiter.

Hinweis: Die Änderungen sollen mit Wirkung vom 1.7. 2009 in Kraft treten und gelten befristet bis zum 31.10.2010 (Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 5.5.2009).

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AGG: Unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts bei Stellenausschreibung

Der Träger eines Gymnasiums darf bei der Besetzung einer Betreuerstelle für das von ihm betriebene Mädcheninternat die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn die Tätigkeit auch Nachtdienste im Internat beinhalten soll.

Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Bundeslandes, das für das Mädcheninternat seines staatlichen Gymnasiums mittels einer Stellenausschreibung eine Erzieherin/Sportlehrerin oder Sozialpädagogin gesucht hatte. Der Kläger, ein Diplom-Sozialpädagoge, hatte sich um diese Stelle beworben. Das staatliche Gymnasium teilte ihm mit, bei der Stellenbesetzung könnten ausschließlich weibliche Bewerber berücksichtigt werden, weil die Stelleninhaberin auch Nachtdienste im Mädcheninternat leisten müsse. Der Kläger hält sich wegen seines Geschlechts für in unzulässiger Weise benachteiligt und hat vom beklagten Land wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Entschädigung in Höhe von mindestens 6.750 EUR verlangt.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Richter hielten die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts hier für zulässig. Für die Tätigkeit in dem Mädcheninternat, die auch mit Nachtdiensten verbunden sei, stelle das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin eine wesentliche und entscheidende Anforderung im Sinne des AGG dar. Dabei stehe es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei festzulegen, welche Arbeiten auf einem zu besetzenden Arbeitsplatz zu erbringen seien (BAG, 8 AZR 536/08).

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Sozialplan: Abfindung darf nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelt werden

Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen rentenberechtigte Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen auch ausschließen.

Mit dieser Entscheidung gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Klage eines Arbeitnehmers statt, der eine Abfindung nach einer Sozialplanregelung beanspruchte. Diese sah für bis zu 59-jährige Arbeitnehmer eine von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängige Abfindung vor.

Die Richter waren der Ansicht, dass eine solche Berechnungsformel nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gerechtfertigt sei. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei vom AGG gedeckt. Die Regelung sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Es entspreche einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch die in dem Sozialplan weiter vorgesehene Differenzierung, nach der über 59 Jahre alte Arbeitnehmer gemäß einer anderen Berechnungsformel nur einen Anspruch auf eine geringere Abfindung haben, sei zulässig und führe nicht zur Unwirksamkeit des Sozialplans. Die mit einem solchen Systemwechsel verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer sei ebenfalls durch das AGG gedeckt. Sie beruhe auf der nicht zu beanstandenden Beurteilung der Betriebsparteien, dass rentennahe Jahrgänge durch den Verlust des Arbeitsplatzes regelmäßig geringere Nachteile erleiden würden als jüngere Arbeitnehmer (BAG, 1 AZR 198/08).

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Kündigungsrecht: Falschetikettierung von Fleischwaren kann zu fristloser Kündigung führen

Die fristlose Kündigung eines Metzgermeisters durch eine Supermarkt-Kette ist wirksam, wenn dieser industrieverpacktes Grillfleisch einen Tag vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums in Packungen des Supermarkts umverpackt und mit einem neuen, um drei Tage verlängerten Mindesthaltbarkeitsdatum versehen hat.

Damit hat er nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln die Kunden getäuscht und sich außerdem strafbar gemacht. Die Kündigung sei auch bei Berücksichtigung der langen Beschäftigungsdauer von 27 Jahren wirksam. Denn der Metzgermeister, der sich schon nach einer früheren, aus ähnlichem Anlass ausgesprochenen und später zurückgenommenen Kündigung verpflichtet hatte, seine Tätigkeit nach den gesetzlichen und betrieblichen Vorschriften zu verrichten, habe vor Gericht selbst erklärt, ähnliche Umetikettierungen fast wöchentlich vorgenommen zu haben. Damit müsse davon ausgegangen werden, dass dem Metzgermeister jedes Verantwortungsgefühl für die Gesundheit der Kunden fehle. Für den Arbeitgeber bedeute das die Gefahr massiven Rufschadens (LAG Köln, 5 Sa 1323/08).

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Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung nach Messerattacke auf Arbeitskollegin und Ex-Ehefrau

Eine Messerattacke auf eine Arbeitskollegin ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn die Tätlichkeit außerhalb des Betriebs und aus rein familiären Gründen erfolgte.

Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden und die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers zurückgewiesen. Dieser war ebenso wie seine Ex-Ehefrau bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Als die Ex-Frau an einer privaten Weihnachtsfeier teilnahm und dafür die beiden kranken Kinder alleine zu Hause zurückließ, kam es zu einem Streit. Der Mann lauerte seiner Ex-Frau nachts auf der Straße auf, beschimpfte sie, zog sie an den Haaren und stach schließlich mehrfach mit einem Küchenmesser auf sie ein. Die Ex-Frau erlitt unter anderem eine 2 cm lange Schnittwunde, die bis zum Knochen des Schulterblatts reichte. Sie war für längere Zeit arbeitsunfähig. Der Mann wurde in einem Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangte, kündigte er dem Mann fristlos. Hiergegen zog der Mann vor Gericht.

Das LAG bestätigte jedoch die Kündigung. Die Richter wiesen darauf hin, dass auch die Körperverletzung im privaten Bereich Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis habe. Durch die Arbeitsunfähigkeit des Opfers werde der Betriebsablauf gestört und der Arbeitgeber müsse Entgeltfortzahlung leisten. Zudem könne der Betriebsfrieden durch die durch den Streit und die Tätlichkeit hervorgerufenen Spannungen gestört werden. Vorliegend habe sich die Ex-Frau aus Angst geweigert, weiterhin mit dem Mann im Betrieb zusammenzuarbeiten. Bei der Interessenabwägung nutze dem Mann auch seine sechsjährige Beschäftigungszeit und seine Unterhaltsverpflichtungen nichts. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber der bei ihm noch beschäftigten Ex-Frau würden höher wiegen. Hinzu würde die zukünftige erhebliche Beeinträchtigung des Betriebsfriedens allein aufgrund des anhaltenden Angstzustands bei der betroffenen Ex-Frau kommen (LAG Schleswig-Holstein, 5 Sa 313/08).

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Baurecht

VOB/B: Verweigerung der Mängelbeseitigung bei unterlassener Sicherheitsleistung

Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.

Das gilt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch, wenn die Parteien die Einbeziehung der VOB/B vereinbart haben. Die Richter wiesen in ihrer Entscheidung weiter darauf hin, dass die Abtretung der Gewährleistungsansprüche auf das Recht des Unternehmers, von seinem Besteller Sicherheit zu fordern und bei Nichterbringung der Sicherheit die Leistung zu verweigern, keinen Einfluss habe (BGH, VII ZR 9/08).

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Werklohnforderung: Selbst ein individuell vereinbartes Aufrechnungsverbot ist unzulässig

Ein Bauherr kann gegen die Werklohnforderung eines Unternehmers mit einem Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Mängelbeseitigung selbst dann aufrechnen, wenn die Parteien individualvertraglich ein Aufrechnungsverbot vereinbart hatten.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im Fall eines Bauherrn, der einen Architekten beauftragt hatte. Als sich am Bau Planungsmängel zeigten, kam es zum Streit zwischen den Parteien. Der Architekt verlangte sein Honorar. Im Prozess wies er darauf hin, dass die Aufrechnung des Bauherrn mit Schadenersatzansprüchen unzulässig sei. Eine Aufrechnung gegen Honoraransprüche sei nach dem Vertrag nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung möglich.

Das sahen die Richter jedoch anders. Sie gaben dem Bauherrn recht und erklärten die Aufrechnung für rechtmäßig. Es sei nicht interessengerecht, wenn ein Unternehmer die Möglichkeit habe, seine Werklohnforderung ohne ordnungsgemäße Erbringung der Gegenleistung durchzusetzen (OLG Hamburg, 11 U 41/08).

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Abrechnung: Abgezeichnete Stundenzettel reichen als Nachweis aus

Vom Auftraggeber abgezeichnete Stundenzettel gelten als Schuldanerkenntnis. Kann er nicht beweisen, dass die Zettel unrichtig sind und er deren Unrichtigkeit bei der Unterzeichnung nicht erkannt hat, ist er hieran gebunden. Einwendungen gegen die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Stundenzahl kann er jedoch nach wie vor geltend machen.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Fall eines Bauherrn hin. Dieser hatte ein Bauunternehmen mit dem Bau einer Mauer beauftragt. Die vorgelegten Stundenzettel über 258 Stunden hatte er abgezeichnet. Allerdings weigerte er sich, den abgerechneten Betrag von 9950 EUR zu zahlen. Es seien unangemessen viele Stunden aufgewendet worden. Bei einer Abrechnung nach Einheitspreisen hätte die Vergütung höchstens 2400 EUR betragen.

Die Richter machten deutlich, dass sich der Auftraggeber an den abgezeichneten Stunden festhalten lassen müsse. Allerdings beziehe sich dieses Anerkenntnis nur auf die Anzahl der dokumentierten Stunden. Einwendungen gegen die Angemessenheit der aufgewendeten Stunden seien ihm damit nicht abgeschnitten. Er könne daher geltend machen, dass der Bauunternehmer zu langsam gearbeitet und damit seine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Das müsse er allerdings nun beweisen. Hierfür müsse nun ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Hinweis: Durch das Abzeichnen der Stundenzettel hat sich der Bauherr erhebliche Nachteile im Prozess eingehandelt. Kann er nicht nachweisen bzw. bleibt unklar, ob die Stundenanzahl unangemessen war, geht der Prozess für ihn verloren. Ohne das Anerkenntnis wäre es Sache des Bauunternehmers gewesen, die Angemessenheit der Stundenanzahl zu beweisen. Hätte der Unternehmer den Nachweis nicht erbringen können, wäre der Prozess für den Bauherrn gewonnen gewesen (OLG Köln, 24 U 167/07).

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Bebauungsplan: Kein Dorfgebiet ohne Landwirtschaft

Die Ausweisung eines Dorfgebiets in einem Bebauungsplan ist nur zulässig, wenn in ihm auch land- oder forstwirtschaftliche Betriebe untergebracht werden können.

Mit dieser Begründung erklärte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einen Bebauungsplan für unwirksam. Dieser wies in der Ortsmitte eines landwirtschaftlich geprägten Ortsteils u.a. ein Dorfgebiet mit drei Bauplätzen aus. Hierauf sollte ausschließlich der Bau von Wohngebäuden möglich sein. Die Vorinstanz sah hierin keinen Rechtsverstoß. Der Plangeber könne sich darauf beschränken, ein vorhandenes (faktisches) Dorfgebiet in der Weise zu gliedern, dass nur ein Teil mit bestimmten, im Dorfgebiet zulässigen Nutzungen (hier: Wohnnutzung) überplant wird. Voraussetzung sei, dass der überplante Teil mit dem in der Planumgebung weiterhin vorhandenen faktischen Dorfgebiet (hier: außerhalb des Plangebietes gelegene landwirtschaftliche Betriebe) eine Einheit bildet und in dieser Einheit die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets gewahrt ist.

Das BVerwG ist mit seiner Entscheidung dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt. Es hat den Bebauungsplan vielmehr im Hinblick auf das festgesetzte Dorfgebiet für unwirksam erklärt. Die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets sei nach Ansicht der Richter nur gewahrt, wenn im Plangebiet auch Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe untergebracht werden könnten (BVerwG, 4 CN 5.07).

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Familien- und Erbrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Änderungen im Vormundschaftsrecht

Zum 1. September 2009 wird es Änderungen im Vormundschaftsrecht geben. Schwerpunkt der Änderungen ist die Entbürokratisierung beim Besorgen von Geldgeschäften für Mündel oder Betreute.

Einfachere Besorgung von Geldgeschäften betreuter Menschen

Ein Vormund oder Betreuer, der für sein Mündel oder seinen Betreuten einen nur kleinen Geldbetrag vom Girokonto abheben oder überweisen will, braucht derzeit die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, sobald das Guthaben auf dem Konto 3.000 EUR überschreitet. Dies führt zu einem enormen bürokratischen Aufwand. Wegen dieser Regelung wird Betreuern sogar die Teilnahme am automatisierten Zahlungsverkehr (Geldautomat, online banking etc.) von einigen Kreditinstituten verwehrt. Die Banken geben an, im automatisierten Kontoverkehr nicht ausreichend kontrollieren zu können, ob das Kontoguthaben die Grenze von 3.000 EUR überschreitet. Durch das verabschiedete Gesetz fällt die vormundschaftsrechtliche Genehmigungspflicht bei einem Girokonto weg. Dies kommt auch den Betreuten zugute.

Beispiel: Der 70-jährigen, an einem Hirntumor erkrankten Erika R. wurde ein Berufsbetreuer bestellt. Aus ihrer Altersversorgung erhält sie monatlich 2.000 EUR. Da sie für ärztliche Behandlungen nicht selten Vorschüsse ihrer Krankenkasse erhält, liegt ihr Kontoguthaben häufig über 3.000 EUR.

Bei diesem Guthabenstand benötigt ihr Betreuer bisher für jede alltägliche Überweisung / Auszahlung von ihrem Konto eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Dieser unnötige Verwaltungsaufwand entfällt in Zukunft, da der Betreuer von Erika R. nunmehr ohne gerichtliche Genehmigung verfügen kann. In erster Linie werden dadurch die Betreuer entlastet, die nicht in einem engen familiären Verhältnis zum Betreuten stehen. Eltern, Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge sind bereits nach bestehender Rechtslage von der Genehmigungspflicht befreit. Vor einem Missbrauch ist der Betreute auch weiterhin durch die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts geschützt. Der Betreuer muss über Einnahmen und Ausgaben des Betreuten genau abrechnen und die Kontobelege einreichen. Geld, das nicht für die laufenden Ausgaben benötigt wird, muss der Betreuer für den Betreuten verzinslich anlegen.

Registrierung von Betreuungsverfügungen

Viele Menschen haben bereits die Möglichkeit in Anspruch genommen, beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer Vorsorgevollmachten registrieren zu lassen, damit diese im Bedarfsfall zuverlässig auffindbar sind. Diese Vorsorgevollmachten beinhalten häufig auch eine Betreuungsverfügung, d.h. die Festlegung, wer Betreuer werden soll, falls wegen unvorhergesehener Umstände trotz der Vorsorgevollmacht ein Betreuer bestellt werden muss. Die Vorteile der Registrierung gelten mit dem Gesetz auch für reine Betreuungsverfügungen, die nicht mit einer Vorsorgevollmacht verbunden sind. Auch diese können in Zukunft gegen Gebühr ins Zentrale Vorsorgeregister eingetragen werden.

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Aufenthaltsbestimmungsrecht: Kinderkrippe schadet nicht dem Kindeswohl

Lässt die erwerbstätige Mutter das Kind von einer Tagesmutter bzw. in einer Kita betreuen, begründet das keinen Vorrang des Vaters, der das Kind selbst betreuen möchte.

Diese Entscheidung traf das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) im Fall der unverheirateten, getrennt lebenden Eltern eines eineinhalbjährigen Kindes. Der Vater war freiberuflich tätig und unterhielt in seiner Wohnung ein Büro. Die Mutter wollte eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und das Kind, das bei ihr lebt, zu einer Tagesmutter bzw. in eine Kinderkrippe geben. Der Vater beantragte deshalb beim Amtsgericht, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen, weil er das Kind selbst betreuen wollte. Er hat geltend gemacht ein Modell anzustreben, bei dem das Kind zwischen den Eltern wechseln und möglichst gleich viel Zeit bei Vater und Mutter verbringen könne. Das vorgeschlagene Modell erlaube beiden Eltern eine Berufstätigkeit, ohne dass das Kind bereits jetzt täglich mehrere Stunden außerhalb der Familie betreut werden müsste.

Das OLG hat den Antrag des Vaters jedoch zurückgewiesen. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht müsse aus Gründen der Kontinuität der Mutter allein übertragen werden. Beide Eltern gingen liebevoll mit dem Kind um. Beide Eltern seien in der Lage, dem Kind die notwendigen Anregungen zu geben. Dass die Mutter nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nun das Kind von einer Tagesmutter bzw. in einer Kita betreuen lassen wolle, begründe keinen Vorrang des Vaters, der das Kind selbst betreuen wolle. Es sei schon zweifelhaft, dass der Vater Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit miteinander in Einklang bringen könne. Jedenfalls schade einem Kind von rund eineinhalb Jahren die Fremdbetreuung in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter nicht. Das vom Vater vorgeschlagene Wechselmodell stelle hohe Anforderungen an die Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Eltern und auch der Kinder. Gegen den Widerstand der Mutter und ohne ausreichende Berücksichtigung von deren Arbeitszeiten könne es nicht funktionieren (OLG Brandenburg, 10 UF 204/08).

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Unterhaltsrecht: Unterhaltsberechtigte Mutter muss Kind nicht in Fremdbetreuung geben

Nach der Scheidung ist der betreuende Elternteil des gemeinsamen achtjährigen Kindes auch nach neuem Unterhaltsrecht nicht verpflichtet, das Kind - abweichend von der während der Ehe praktizierten Kindesbetreuung - ganztägig in eine Fremdbetreuung zu geben, um selbst einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können und seinen Unterhaltsbedarf selbst zu decken.

Diese Klarstellung traf das Kammergericht (KG) im Fall einer geschiedenen Ehefrau. Die Richter sprachen ihr einen nachehelichen Unterhalt zu. Sie bestätigten weiterhin, dass die Frau auch weiterhin berechtigt sei, die bisherige Halbtagesbetreuung aufrechtzuerhalten. Da diese Betreuungsvariante in der Vergangenheit immer so gehandhabt worden sei, habe sich das Kind daran gewöhnt. Würde man die Betreuungsvarianten ändern, hätte das Kind durch die Scheidung nicht nur eine intakte Familienbeziehung verloren. Es müsse dann auch noch weitgehend auf die mütterliche Zuwendung verzichten. Das Kindeswohl wäre damit unmittelbar nachteilig berührt (KG, 16 UF 149/08).

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Erbrecht: Vorerbe ist in der Verfügungsbefugnis über den Nachlass beschränkt

Hat der Erblasser in seinem Testament eine „Vorerbschaft“ angeordnet, so kann der als Vorerbe Bedachte in der Regel nur eingeschränkt wirksam über das Erbe verfügen. Wenn er Gegenstände verschenkt oder deutlich unter Wert abgibt, kann der Nacherbe sie gegebenenfalls sogar vom Empfänger zurückverlangen.

Das zeigt ein vom Landgericht (LG) Coburg jetzt rechtskräftig entschiedener Fall, bei dem eine Nacherbin erfolgreich die Unwirksamkeit eines umfangreichen Grundstücksgeschäfts (Grundstückstausch mit Zuzahlung) geltend machte. Die Vorerben hatten die Grundstücke dem Beklagten zu etwas mehr als der Hälfte ihres tatsächlichen Werts überlassen. Die Nacherbin fühlte sich beeinträchtigt und klagte auf Rückabwicklung.

Das LG - bestätigt durch das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg - gab ihr recht. Wie Grundstückssachverständige feststellten, betrug der Wert der weggegebenen Grundstücke fast 400.000 EUR, der Gegenwert hingegen nur rund 220.000 EUR. Deshalb fehle es nach Ansicht der Richter an einer objektiv gleichwertigen Gegenleistung, sodass das Erbrecht der Nacherbin beeinträchtigt war. Aufgrund des groben Missverhältnisses musste das nach Auffassung des Gerichts den Vorerben auch bewusst sein. Als Eigentümerin der Grundstücke sei daher jetzt die Klägerin ins Grundbuch einzutragen - allerdings nur gegen Rückgabe des Tauschgrundstücks und Rückzahlung der Zuzahlung an den Beklagten.

Hinweis: (Vor-)Erbschaft ist nicht gleich Erbschaft. Denn der Vorerbe darf das Erbrecht des Nacherben nicht beeinträchtigen. Beim (zu) günstigen Erwerb von ihm muss man damit rechnen, dass der Nacherbe später Rückabwicklung verlangen kann (LG Coburg, 12 O 171/07; OLG Bamberg, 6 U 38/08).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Nachbarschaftslärm: Was müssen Sie dulden und was nicht?

Einer der Hauptstreitpunkte zwischen Nachbarn ist Lärm von nebenan. Viele Beschwerden sind begründet, bei manchen Punkten muss der Nachbar jedoch auch zurückstecken. Nachstehend finden Sie eine Übersicht, welche Lärmquellen der Nachbar dulden muss und gegen welche er vorgehen kann.

Fernseher, Stereoanlage

Derartige Geräte dürfen ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden. Allerdings ist hier „Zimmerlautstärke“ einzuhalten. Das bedeutet, außerhalb der Wohnung dürfen Geräusche des Fernsehers, des Radios oder des CD-Players nicht mehr oder zumindest kaum noch zu hören sein. Entscheidend ist, dass Nachbarn durch die elektronischen Geräte nicht belästigt werden dürfen. Und ab 22.00 Uhr gilt Nachtruhe, spätestens dann muss der Lautstärkeregler - noch weiter - zurückgedreht werden.

Klavier und Schlagzeug

Häusliches Musizieren - in Zimmerlautstärke - ist genauso erlaubt wie die Benutzung von Fernseher oder Radio. Wenn es lauter wird, können Mietvertrag und Hausordnung einschränkende Regelungen enthalten. Aber nicht mehr. Unzulässig ist es, im Mietvertrag ein 100-prozentiges Musizierverbot zu verhängen. Auch Ruhezeitenregelungen, die einem Musizierverbot praktisch gleichkommen, sind unzulässig. Sind im Mietvertrag keine verbindlichen und wirksamen Spielzeiten für Hausmusiker vereinbart und können sich die Nachbarn zusammen mit dem Vermieter nicht einigen, muss notfalls das Gericht einen Kompromiss finden. Bei der Abwägung zwischen dem Ruhebedürfnis der einen und der Musizierfreude der anderen kommt es auch auf die örtlichen Gegebenheiten an. In einer Seniorenwohnanlage gelten andere Grundsätze als in einer Wohnanlage mit überwiegend jungen Menschen. Außerdem sind zu berücksichtigen: Hellhörigkeit im Gebäude, vorhandene Schallschutzmaßnahmen, Pegel der Umgebungsgeräusche und Art des Musizierens.

Als Kompromiss kommt zum Beispiel in Betracht: Ruhezeiten von 12.00 bis 14.00 und von 20.00 bis 8.00 Uhr. Die maximale Spieldauer pro Tag beträgt 2 Stunden.

Das soll zum Beispiel gelten für: Klarinette, Saxophon, Geige, Violine, Bratsche, Cello oder Klavier. Bei einem Akkordeon haben Richter nur 1½ Stunden erlaubt und bei einem Schlagzeug sogar nur 45 Minuten.

Wichtig: Mit in die Spielzeit gerechnet werden müssen sogenannte Fingerübungen, zum Beispiel bei einem Klavierspieler. Im Übrigen kommt es auf die Qualität der Musikausübung nicht an, sondern ausschließlich auf die Lärmintensität.

Schreiende Säuglinge und spielende Kinder

Grundsätzlich gilt, Kinder dürfen in der Wohnung spielen und natürlich auch rund um die Wohnung, im Freien. Die Unruhe, die infolge des normalen Spiel- und Bewegungstriebs der Kinder entsteht, muss von den Mitbewohnern hingenommen werden. Kinder dürfen auch schon einmal durch die Wohnung rennen oder die Tür zuschlagen. Übermäßigen oder rücksichtslosen Lärm, zum Beispiel Fußball spielen in der Wohnung, Rollschuh oder Fahrrad fahren im Hausflur, Treppenhaus usw., muss aber kein Nachbar akzeptieren. Während der allgemeinen Ruhezeiten ist verstärkt Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Aber nächtliches Weinen und Schreien von Kleinkindern oder Säuglingen kann niemand verhindern und ist zu dulden.

Staubsauger, Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte

Staubsauger, Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte dürfen in der Wohnung auch benutzt werden, wenn dies mit Geräuschen und vielleicht sogar Lärm verbunden ist. Das gilt für Staubsauger, Wasch- oder Spülmaschine. Auch hier gelten die allgemeinen Ruhezeiten. Ausnahmen müssen allerdings möglich sein. Eine Waschmaschine darf auch einmal nach 22.00 Uhr laufen, für berufstätige Mieter bleibt sonst kaum eine Möglichkeit. Und auch wenn es nach der Ruhezeitenregelung erlaubt ist, muss am Sonntagmorgen nicht um 8.00 Uhr Staub gesaugt werden.

Heizung und Aufzug

Bei Lärm- und Geräuschstörungen, ausgehend von technischen Anlagen im Haus, muss der Vermieter einschreiten. Aufzugsanlagen müssen so schallisoliert sein, dass nachts in dem jeweils nächstliegenden Raum, Wohn- oder Schlafzimmer, Messwerte von 30 Dezibel(A) nicht überschritten werden. Maßgeblich sind nicht die Fahrgeräusche, sondern die höheren Werte beim Anfahren bzw. Abbremsen.

Auch eine Heizungsanlage muss so eingestellt oder installiert sein, dass die Bewohner nicht durch nächtliche Klopfgeräusche oder Ähnliches gestört werden.

Bellende Hunde und pfeifende Papageien

Haustiere müssen so gehalten werden, dass die Nachbarn nicht unzumutbar durch Gebell, Pfeifen oder andere Geräusche gestört werden. Sie können den Vermieter einschalten, unter Umständen die Miete kürzen oder die Ordnungsbehörden einschalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das stundenlange schrille Pfeifen eines Papageis, das die Nachbarn nervte, mit einem Bußgeld von 500 Euro belegt. Werden Gerichte eingeschaltet, geben diese teilweise Zeiten vor, in denen Haustiere bellen, krähen oder pfeifen dürfen:

  • Hundegebell: Tagsüber zwischen 8.00 und 13.00 Uhr und zwischen 15.00 und 19.00 Uhr, höchstens 30 Minuten, nicht länger als 10 Minuten am Stück.
  • Papageien (im Freien oder auf der Terrasse): Die kleinen und lautstarken Rosenköpfchen dürfen von 9.00 bis 12.00 und zwischen 13.00 und 16.00 Uhr auf der Terrasse oder im Freien abgestellt werden. Kakadus sollen zu ähnlichen Zeiten auf der Terrasse in einer Voliere abgestellt werden dürfen, aber insgesamt höchstens 1 Stunde pro Tag, und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf gehört ein Graupapagei, der stundenlang pfeift, überhaupt nicht in eine reine Wohngegend.
  • Ein Hahn, gehalten in einem allgemeinen Wohngebiet, darf erst ab 8.00 Uhr krähen, am Wochenende und an Feiertagen erst ab 9.00 Uhr.

Rasenmäher, Kettensägen und Heckenscheren

Nach der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung dürfen an Sonn- und Feiertagen sowie werktags zwischen 22.00 und 7.00 Uhr in Wohngebieten Rasenmäher, Motorkettensägen, Heckenscheren und Vertikutierer nicht mehr eingesetzt werden.

Andere Geräte, wie Laubsammler, Laubbläser, Grastrimmer, Graskantenschneider und Freischneider dürfen in Wohngebieten werktags nur zwischen 9.00 und 12.00 und von 14.00 bis 17.00 Uhr benutzt werden. Außerdem gilt: Müllcontainer und Abfallsammelbehälter dürfen werktags zwischen 20.00 und 7.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen nicht benutzt und nicht geleert werden.

Auch auf Baustellen - im Freien - dürfen Baumaschinen, wie Betonmischer, Bohrgeräte, Baustellenkreissägen, Mobilkräne oder Schweißgeräte, werktags nicht zwischen 20.00 und 7.00 Uhr eingesetzt werden. An Sonn- und Feiertagen überhaupt nicht mehr.

Feste und Feiern

Weder einmal im Monat noch einmal im Vierteljahr darf in einem Mehrfamilienhaus „so richtig auf die Pauke gehauen werden“. Das bedeutet nicht, dass im Haus überhaupt nicht gefeiert werden darf. Es muss aber Rücksicht auf die Nachbarn genommen werden, insbesondere ab 22.00 Uhr.

Badewanne, Dusche und WC-Spülung

Auch nach 22.00 Uhr darf gebadet und geduscht werden. Ein Verbot im Mietvertrag ist unwirksam. Allerdings kann das Recht auf nächtliches Baden oder Duschen auf maximal 30 Minuten beschränkt werden, inklusive Wasser ein- und ablaufen lassen, meint das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Übrigens: Nach Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist ein Eigentümerbeschluss für eine Wohnungseigentumsanlage, der ein Badeverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr vorsieht, wirksam. Ab 23.00 Uhr könne man sich ja in sonstiger, weniger störenden Weise waschen. Die Toilette und damit die Wasserspülung darf jederzeit genutzt werden, jede Form der Beschränkung wäre lebensfremd.

Gaststätten, Diskotheken und Geschäfte

Lärm, insbesondere nächtlicher Lärm aus Kneipen und Geschäften, muss nicht hingenommen werden. Mieter können sich mit den Lärmverursachern direkt auseinandersetzen, sie können auch den Vermieter einschalten, gegebenenfalls die Miete kürzen, oder sie können sich direkt an die Ordnungsbehörde wenden. Als Abhilfemaßnahmen kommen zum Beispiel nachträgliche Schallschutzmaßnahmen, Änderungen der Sperrstundenzeiten usw. in Betracht.

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Kündigungsrecht: Mieter muss Unzumutbarkeit der Mietfortsetzung nicht detailliert aufzeigen

Eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB erfordert nicht, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist.

Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vielmehr grundsätzlich, wenn einer der in § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten Tatbestände vorliegt. Der Mieter muss diesen Grund dann geltend machen, aber nicht detailliert begründen (BGH, VIII ZR 142/08).

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Versorgungsleistungen: Versorgungssperre durch den Vermieter nach beendetem Mietverhältnis

Nach Beendigung des Mietverhältnisses ist der Vermieter gegenüber dem die Mieträume weiter nutzenden Mieter zur Gebrauchsüberlassung und damit auch zur Fortsetzung vertraglich übernommener Versorgungsleistungen (hier: Belieferung mit Heizenergie) grundsätzlich nicht mehr verpflichtet.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Mieters, der Gewerberäume für den Betrieb eines Cafés angemietet hatte. Nach einem Streit über Nebenkostenabrechnungen stellte der Mieter seine Nebenkostenvorauszahlungen ein, später auch die Zahlung der Grundmiete. Deswegen kündigte der Vermieter das Mietverhältnis und erhob Räumungsklage, nachdem der Mieter nicht auszog. Der Vermieter drohte dem Mieter mehrfach an, die Versorgung der Mieträume mit Heizenergie zu unterbrechen. Dagegen hat der Mieter eine vorbeugende Unterlassungsklage erhoben, mit der er in erster Instanz auch zunächst Erfolg hatte. In zweiter Instanz wurde die Klage dagegen abgewiesen.

Der BGH hat die Klageabweisung nun bestätigt. Entgegen der bisher überwiegend vertretenen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die in der Einstellung der Leistungen eine besitzrechtlich verbotene Eigenmacht gesehen hat, hat der BGH den Besitzschutz auf die Einstellung von Versorgungsleistungen für nicht anwendbar erklärt. Die Besonderheit des Besitzschutzes bestehe darin, dass er auch einem unrechtmäßigen Besitzer zustehe. Er bestehe in der Abwehr von Störungen und greife grundsätzlich auch ein, wenn der Mietvertrag beendet und der Mieter zur Räumung verpflichtet sei. Die Richter haben nun allerdings hervorgehoben, dass der Besitz als rein tatsächliche Sachherrschaft keinen Anspruch auf eine bestimmte Nutzung der Sache verschaffe, sondern nur Abwehransprüche gegen Eingriffe von außen. Ein solcher Eingriff liege nicht vor, wenn lediglich Leistungen eingestellt würden. Denn der Besitz sei nur gegen beeinträchtigende Eingriffe geschützt, verleihe aber kein Recht auf eine fortgesetzte Belieferung mit Versorgungsgütern. Damit sei die Sachlage vergleichbar mit der Einstellung der Leistungen durch Versorgungsunternehmen, wenn der Mieter die Leistungen unmittelbar von diesen beziehe. Die Versorgungssperre durch die Energieversorger werde nach der weit überwiegenden Auffassung zu Recht ebenfalls nicht als Besitzverletzung angesehen. Ein Anspruch des Mieters auf die Fortsetzung von Versorgungsleistungen könne sich nach Ansicht der Richter nur aus dem Mietvertrag ergeben oder - nach Beendigung des Mietverhältnisses - im Einzelfall nach Treu und Glauben aus sog. nachvertraglichen Pflichten. Eine Grenze für die Pflicht zur weiteren Belieferung sei aber jedenfalls erreicht, wenn der Vermieter hierfür kein Entgelt erhalte und ihm durch die weitere Belieferung ein Schaden drohe (BGH, XII ZR 137/07).

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Verbraucherrecht

Aktuelle Gesetzgebung: Neues beim Umgang mit Patientenverfügungen

Der Deutsche Bundestag hat eine gesetzliche Regelung zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügung beschlossen. Künftig werden die Voraussetzungen von Patientenverfügungen und ihre Bindungswirkung eindeutig im Gesetz bestimmt. Mit einer Patientenverfügung soll dem Arzt der Wille eines Patienten vermittelt werden, der sich zur Frage seiner medizinischen Behandlung nicht mehr selbst äußern kann.

Die Regelung soll Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Umgang mit Patientenverfügungen schaffen, da es bisher keine gesetzliche Bestimmung zur Patientenverfügung gab. Derartige Vorgaben und verlässliche Regelungen sind aber erforderlich, wenn über ärztliche Eingriffe bei Menschen entschieden werden muss, die ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Oberstes Gebot ist dabei die Achtung des Patientenwillens. Die neue Regelung enthält daher zu Recht keine Einschränkung der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen. Sie gelten in jeder Lebensphase. Die Beachtlichkeit des Patientenwillens ist weder an hohe bürokratische Anforderungen noch an Art oder Stadium einer Krankheit gebunden. Künftig ist jede schriftliche Patientenverfügung, die der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht, für alle Beteiligten verbindlich.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

  • Volljährige können in einer schriftlichen Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Künftig sind Betreuer und Bevollmächtigter im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen an seine schriftliche Patientenverfügung gebunden. Sie müssen prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen und den Willen des Betroffenen zur Geltung bringen.
  • Niemand ist gezwungen, eine Patientenverfügung zu verfassen. Patientenverfügungen können jederzeit formlos widerrufen werden.
  • Gibt es keine Patientenverfügung oder treffen die Festlegungen nicht die aktuelle Situation, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob er in die Untersuchung, die Heilbehandlung oder den ärztlichen Eingriff einwilligt.
  • Eine Reichweitenbegrenzung, die den Patientenwillen kraft Gesetzes in bestimmten Fällen für unbeachtlich erklärt, wird es nicht geben.
  • Die Entscheidung über die Durchführung einer ärztlichen Maßnahme wird im Dialog zwischen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigtem vorbereitet. Der behandelnde Arzt prüft, was medizinisch indiziert ist und erörtert die Maßnahme mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten, möglichst unter Einbeziehung naher Angehöriger und sonstiger Vertrauenspersonen.
  • Sind sich Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigter über den Patientenwillen einig, bedarf es keiner Einbindung des Vormundschaftsgerichts. Bestehen hingegen Meinungsverschiedenheiten, müssen folgenschwere Entscheidungen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden.

Über eine gesetzliche Verankerung der Patientenverfügung wurde lange diskutiert. Bereits im Jahr 2004 hatte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf für eine gesetzliche Regelung vorgelegt. Da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dieses wichtige Thema jedoch ohne die Bindung an Fraktionsgrenzen beraten wollten, hat die Bundesregierung auf einen eigenen Gesetzentwurf verzichtet. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Es soll - nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens - am 1. September 2009 in Kraft treten.

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Aufsichtspflicht: Umfang der Kontrollpflicht für 5 1/2- bzw. 7 1/2-jährige Kinder

Ein Aufsichtspflichtiger muss dafür sorgen, dass ein Kind im Alter von 5 ½ Jahren auf einem Spielplatz in regelmäßigen Abständen von höchstens 30 Minuten kontrolliert wird. Dagegen ist normal entwickelten Kindern im Alter von 7 ½ Jahren im Allgemeinen das Spielen im Freien auch ohne Aufsicht gestattet, wenn die Eltern sich über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschaffen.

Das ist das Ergebnis zweier Rechtsstreitigkeiten vor dem Bundesgerichtshof (BGH), die einen Sachverhalt betrafen. Der 7 ½ Jahre alte M. und sein 5 ½ Jahre alter Freund P. zerkratzten mit Glasscherben 17 Pkw, die in der Nähe des Spielplatzes parkten. Die Geschädigten zogen vor Gericht, um ihren Schaden ersetzt zu bekommen. Die Klage gegen die Eltern des 5 ½-jährigen war in den Vorinstanzen erfolglos. Die Revision führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht. Der Ältere ist im Parallelverfahren rechtskräftig zum Schadenersatz verurteilt worden. Die Klage gegen die mitverklagten Eltern blieb dagegen in allen Instanzen erfolglos.

Die Richter billigten in ihrer Entscheidung die Ansicht des Landgerichts, die Eltern des 7 ½-jährigen hätten ihrer Aufsichtspflicht genügt. Das unbeaufsichtigte Spielen lassen auf einem Spielplatz auch über einen Zeitraum von bis zu zwei Stunden in Verbindung mit der Belehrung, den Spielplatz nicht zu verlassen, sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Demgegenüber beanstandeten die Richter in der Parallelentscheidung die Annahme, auch die Eltern des 5 ½-jährigen seien ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen. Über einen Zeitraum von mindestens 40 Minuten habe der Junge nicht unbeaufsichtigt bleiben dürfen. Ein Kind von 5 ½ Jahren sei in regelmäßigen Abständen von max. 30 Minuten zu kontrollieren (BGH, VI ZR 51/08 und VI ZR 199/08).

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Bankrecht: Zusatzgebühren für Überweisung bei Überziehung des Dispo-Kredits sind rechtswidrig

Haben Bank-Kunden ihren Dispo-Kredit überzogen, darf ihnen die Bank keine Zusatzgebühren für jede einzelne Überweisung in Rechnung stellen.

Diese verbraucherfreundliche Entscheidung traf das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. im Fall eines Bankkunden, der sich gegen eine entsprechende Vorgehensweise seines Bankinstituts zur Wehr gesetzt hatte. Obwohl der Kunde seinen eingeräumten Dispositionskredit überzogen hatte, hatte die Bank den Kredit nicht gekündigt. Sie hatte vielmehr eine weitere Überziehung geduldet und mit einem erhöhten Zinssatz belegt. Zudem verlangte sie in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen noch ein Entgelt von fünf EUR für vom Kunden veranlasste Transaktionen.

Diese Klausel sei unangemessen und rechtswidrig, urteilte das Gericht. Die Bank decke ihr erhöhtes Ausfallrisiko bei stark überzogenen Konten bereits durch die extrahohen Zinsen ab. Die Ausführung einer Überweisung bedeute keinen zusätzlichen Aufwand, wenn der Dispo-Kredit überzogen sei. Sie dürfe deshalb auch nicht kostenpflichtig sein (LG Frankfurt a.M., 2-02 O 3/09, n.rkr.).

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Unfallschadensreparatur: Umfang der Auftragsvergabe

Erteilt ein Kunde seiner Autowerkstatt einen Auftrag mit dem Inhalt „Versicherung Gutachten erstellen, Schaden beheben“ ist dieser so zu verstehen, dass die Werkstatt berechtigt ist, das Auto zu reparieren, falls das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt.

Mit dieser Begründung verurteilte das Amtsgericht (AG) München eine Autofahrerin, die nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ihr nicht fahrbereites Fahrzeug in eine Werkstatt schleppen ließ. Dort unterschrieb sie ein Schriftstück, das mit „Auftrag“ bezeichnet war. Inhalt des Auftrags war „Versicherung Gutachten erstellen, Schaden beheben“. Nachdem der Sachverständige den Pkw besichtigt hatte, bestellte der Werkstattinhaber die für die Reparatur notwendigen Teile. Die Autobesitzerin entschloss sich nach Vorliegen des Gutachtens aber gegen die Reparatur und verkaufte das Auto. Sie verweigerte gegenüber der Reparaturwerkstatt die Bezahlung der bestellten Ersatzteile. Als sie ihren Wagen von der Werkstatt abholen wollte, wurde dieser aber erst gegen Bezahlung der Ersatzteile herausgegeben. Der Werkstattinhaber sagte aber zu, dass er versuchen wolle, die Ersatzteile zurückzugeben und der Kundin die Erstattungsbeträge zu bezahlen. Bis auf Kühler und Kondensator konnte der Werkstattinhaber die Ersatzteile zurückgeben. Die dafür berechneten Beträge erstattete er an die Kundin. Diese verlangte nun auch die Erstattung des restlichen Betrags. Sie war der Auffassung, keinen Reparaturauftrag erteilt zu haben. Die Werkstatt hätte warten müssen, bis ihr das Ergebnis der Begutachtung vorlag. Außerdem hätte ihr nicht der Listenpreis in Rechnung gestellt werden dürfen.

Die zuständige Richterin beim AG München sah das jedoch anders. Die Frau habe sehr wohl einen Reparaturauftrag erteilt. Unstreitig sei das von ihr unterschriebene Schriftstück mit „Auftrag“ bezeichnet. Der Inhalt des Vertrags sei „Versicherung Gutachten erstellen, Schaden beheben“. Damit sei der Vertrag so zu verstehen, dass das Fahrzeug zu reparieren sei, falls das Gutachten zu dem Ergebnis komme, dass kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege. Dieser habe hier nicht vorgelegen. Nachdem die Frau den Werkvertrag gekündigt habe, durfte der Werkstattinhaber seine vereinbarte Vergütung, seine Arbeitszeit und seine Auslagen abrechnen. Er müsse sich lediglich anrechnen lassen, was er sich infolge der Aufhebung erspart habe. Da bei einem Rücktritt vom Vertrag auch der Gewinn abgerechnet werden dürfe, könne der Werkstattinhaber der Frau auch die Listenpreise berechnen. Nur die Verwaltungsgebühr für eine Vielzahl von telefonischen und persönlichen Besprechungen mit der Frau könne er nicht ansetzen (AG München, 241 C 23787/07, rkr.).

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Verkehrsrecht

Drogenfahrt: Für Verurteilung ist Feststellung von Untauglichkeitsindizien erforderlich

Werden im Blut eines Autofahrers verschiedene Drogenwirkstoffe nachgewiesen, rechtfertigt dies für sich allein noch nicht die Annahme seiner Fahruntüchtigkeit. Auch aus der Tatsache, dass er beim Linksabbiegen einen Unfall verursachte, kann kein sicherer Schluss auf eine durch Drogenkonsum bedingte Fahruntüchtigkeit gezogen werden, wenn sich der Autofahrer zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht vor der Polizei befand.

Diese Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) und hob die Verurteilung eines Autofahrers auf. Dieser hatte auf der Flucht vor der Polizei beim Abbiegen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Es entstand Sachschaden in Höhe von 4.000 EUR, zudem wurde die Beifahrerin gefährdet. Die Auswertung der Blutprobe ergab eine erhebliche Betäubungsmittelkonzentration. Er wurde deshalb u.a. wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt.

Dem BGH war der Sachverhalt für eine Verurteilung jedoch nicht ausreichend. Die Feststellungen würden nicht belegen, dass der Autofahrer infolge des Genusses berauschender Mittel nicht in der Lage war, sein Kfz sicher zu führen. Zwar seien in seinem Blut verschiedene Drogenwirkstoffe nachgewiesen worden. Dies rechtfertige für sich allein aber noch nicht die Annahme seiner Fahruntüchtigkeit. Anders als beim Alkoholkonsum sei eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein aufgrund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen. Zudem ergebe das angefochtene Urteil noch nicht einmal, ob die festgestellten Werte im Sinne einer konkreten Dosis-Konzentrations-Wirkungsbeziehung überhaupt als „hoch“ anzusehen seien. Dies hätte wegen der erheblichen Wirkungsunterschiede von Drogen jedenfalls näherer Darlegung bedurft. Es könne auch aus der Tatsache, dass der Autofahrer beim Linksabbiegen einen Unfall verursachte, kein sicherer Schluss auf eine durch Drogenkonsum bedingte Fahruntüchtigkeit gezogen werden. Der Autofahrer sei auf der Flucht vor der Polizei gewesen. Sein Fahrfehler könne daher auch auf unangepasster, überhöhter Geschwindigkeit beruhen (BGH, 4 StR 272/08).

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Geschwindigkeitsmessung: Verwertbarkeit der Messung durch „Private“

Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Angestellte eines Landkreises besteht kein Beweisverwertungsverbot, sie ist voll verwertbar.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg im Fall eines Autofahrers, der mit zu hoher Geschwindigkeit geblitzt wurde. In dem Gerichtsverfahren ging es um die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung. Diese war durch einen Angestellten des Landkreises durchgeführt worden. Der Autofahrer hatte ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht, weil der Mitarbeiter in einem privatrechtlichen Angestelltenverhältnis zum Landkreis stehe und deshalb als Privatperson anzusehen sei. Ihm dürften Verkehrsüberwachungsaufgaben einschließlich deren Ausführung nicht übertragen werden.

Das OLG hat das nicht gelten lassen. Es sei zwischen der Beleihung Privater mit öffentlich-rechtlichen Kompetenzen und der Durchführung einer Geschwindigkeitsmessung durch die Verwaltungsbehörde, bei der ein im privaten Angestelltenverhältnis stehender Messbeamter eingesetzt worden ist, zu unterscheiden. Letzteres sei grundsätzlich zulässig, das erste nicht (OLG Oldenburg, 2 Ss Bs 42/09).

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Blutentnahme: Erstes OLG bejaht Beweisverwertungsverbot

Ordnet ein Polizist auch heute noch, ohne dass „Gefahr im Verzug“ vorliegt, die Entnahme einer Blutprobe entsprechend der langjährigen Praxis an, ohne einen Richter zu kontaktieren, ist das eine so grobe Verkennung der Eilzuständigkeit, dass es zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots führt.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers, der im alkoholisierten Zustand gegen 19.05 Uhr einen Verkehrsunfall verursachte. An seinem Wohnhaus erschienen um 19.35 Uhr Polizeibeamte. Der schlafende Angeklagte wurde geweckt. Er lehnte einen Alkoholtest ab. Es wurde durch die Polizei die Entnahme einer Blutprobe angeordnet. Die um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen BAK-Wert von 2,6 Promille. Der Polizeibeamte hat sich im Verfahren darauf berufen, dass er entsprechend der langjährigen Praxis die Anordnung einer Blutprobe ohne vorherige Einschaltung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts getroffen habe.

Das OLG missbilligte diese Vorgehensweise. Die Blutprobe hätte ohne richterliche Anordnung nicht entnommen werden dürfen. Die Richter konnten insoweit keine Gefahr im Verzug erkennen. Bei dem einfach gelagerten Sachverhalt sei eine richterliche Anordnung telefonisch einholbar gewesen. Der richtige Beschuldigte habe festgestanden, ebenso seine Alkoholisierung und der Verdacht bestimmter Verkehrsdelikte. Es sei auch um die Feststellung des Blutalkoholwerts, nicht um den Nachweis von Betäubungsmitteln gegangen. Das OLG hat ein Beweisverwertungsverbot bejaht. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung hat es einerseits auf den hohen Rang des von der Tat des Angeklagten betroffenen Rechtsguts sowie darauf abgestellt, dass der Angeklagte selbst nur eine geringfügige Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit habe hinnehmen müssen. Es liege aber ein objektiv willkürliches Verhalten bzw. ein grober Verstoß des handelnden Polizeibeamten vor. Dieser habe sich keinerlei Gedanken über die Fragen von Gefahr im Verzug und richterlicher Anordnungskompetenz gemacht, sondern allein aufgrund „langjähriger Praxis“ eine eigene Anordnung getroffen. Eine „langjährige Praxis“ sei nicht geeignet, die gesetzlichen Anforderungen außer Kraft zu setzen.

Hinweis: Ob in diesen Fällen ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist oder ob das Gericht die Blutprobe gleichwohl verwerten kann, ist in der Rechtsprechung umstritten. Die meisten Gerichte gehen derzeit, anders als das OLG Hamm, nicht von einem Beweisverwertungsverbot aus (OLG Hamm, 3 Ss 31/09).

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Fahrverbot: Absehen vom Fahrverbot bei beruflicher Härte

Bei einem Präsidenten eines tariffähigen Arbeitgeberverbands und Geschäftsführer einer expandierenden Gesellschaft kann das Gericht auch ohne weitere Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen - namentlich: zum Einkommen - des Betroffenen auf die Möglichkeit der Anstellung eines Fahrers für die Dauer des Fahrverbots zur Abmilderung der Folgen des Fahrverbots verweisen.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht (AG) Lüdinghausen und setzte gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung neben einer Geldbuße ein Fahrverbot fest. Der Betroffene, der als Diplomingenieur im Bereich Maschinenbau tätig, Geschäftsführer einer GmbH und als solcher auch Präsident des Arbeitgeberverbandes seines Bundeslandes ist, hat berufliche Probleme geltend gemacht, wenn ein Fahrverbot festgesetzt werden würde. Er hatte mit seiner Argumentation vor dem AG keinen Erfolg.

Nach Ansicht des Gerichts konnte nicht wegen drohender beruflicher Härten auf das Fahrverbot verzichtet werden. Der Betroffene habe zwar durch seinen Verteidiger mitteilen lassen, dass seine Firma einen Fahrer nicht anstellen könne. Finanzielle Mittel seien dafür nicht vorhanden, da man erst vor wenigen Jahren einen Betrieb mit 60 Mitarbeitern übernommen habe. Zudem sei es auch nicht möglich, dass der von ihm geführte Arbeitgeberverband ihm einen Fahrer zur Verfügung stelle. Weiteres hat der Betroffene aber nicht vorgetragen, insbesondere nicht zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. Das Gericht entschied, dass es jedoch nicht weiter zur beruflichen Stellung des Betroffenen ermitteln müsse. Es sei davon auszugehen, dass er die Folgen eines Fahrverbots etwa durch Reorganisationsmaßnahmen innerhalb des Betriebs abmildern könne. Schließlich sei es dem Betroffenen durchaus zumutbar, notfalls selbst auf eigene Kosten einen Fahrer einzustellen. Das Gericht ging insofern davon aus, dass seine wirtschaftlichen Rahmenumstände als Geschäftsführer einer expandierenden GmbH und Präsident eines tariffähigen Arbeitgeberverbands sicherlich nicht derart eng seien, dass er sich dies nicht leisten könne (AG Lüdinghausen, 19 OWi 89 Js 850/08 89/08).

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Abschließende Hinweise

Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 beträgt 1,62 Prozent.

Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,62 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 3,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 9,62 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.07.2008 bis 31.12.2008: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2008 bis 30.06.2008: 3,32 Prozent
  • vom 01.07.2007 bis 31.12.2007: 3,19 Prozent
  • vom 01.01.2007 bis 30.06.2007: 2,70 Prozent
  • vom 01.07.2006 bis 31.12.2006: 1,95 Prozent
  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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Steuertermine im Monat Juli 2009

Im Monat Juli 2009 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 10.7.2009 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.7.2009.

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer - mittels Barzahlung - bis zum 10.7.2009 und - mittels Zahlung per Scheck - bis zum 7.7.2009.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.7.2009. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

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