Monatsinfo August 2006

Arbeitsrecht:

Baurecht:

Familien- und Erbrecht:

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG):

Verbraucherrecht:

Verkehrsrecht:

Abschließende Hinweise:

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Arbeitsrecht


Bundesurlaubsgesetz: Die 22 wichtigsten Fragen zum Urlaubsanspruch

Die folgende Checkliste beantwortet die wichtigsten Fragen zum Urlaubsanspruch, die gerade in den Sommermonaten häufig auftreten.

1. Was versteht die Rechtsprechung unter Erholungsurlaub?
Das BAG versteht unter Erholungsurlaub die zum Zwecke der Erholung erfolgte zeitweise Freistellung des Arbeitnehmers von der ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegenden Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber unter Fortzahlung der Vergütung, um ihm Gelegenheit zur Erholung zu geben.

2. Welchen Mindesturlaubsanspruch hat ein Arbeitnehmer?
Jeder Arbeitnehmer hat pro Kalenderjahr grundsätzlich einen Anspruch auf Erholungsurlaub von 24 Werktagen. Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Damit gelten auch arbeitsfreie Werktage, insbesondere Samstage, als Urlaubstage. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt somit vier Wochen (24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche bzw. 20 Werktage bei einer 5-Tage-Woche).

3. Woraus kann sich ein weitergehender Anspruch des Arbeitnehmers ergeben?
Das Bundesurlaubsgesetz trifft nur eine Mindestregelung. Ein weitergehender Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers kann sich durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag ergeben.

4. Was bedeutet Unabdingbarkeit?
Die Vorschriften über den Umfang des gesetzlichen Urlaubsanspruchs sind für die Betriebsparteien und die Arbeitsvertragsparteien einseitig zwingendes Recht. Abweichungen zu Lasten der Arbeitnehmer können daher weder im Arbeitsvertrag noch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Die Tarifvertragsparteien sind hingegen nur an den Umfang des gesetzlichen Mindestanspruchs auf Jahresurlaub gebunden.

5. Wie ermittelt sich der Urlaubsanspruch bei Teilzeittätigkeit?
Die Umrechnung ist so vorzunehmen, dass die Anzahl von 24 Urlaubstagen multipliziert mit der Anzahl der individuellen wöchentlichen Arbeitstage durch 6 Werktage dividiert wird. Es gilt folgende Umrechnungsformel:

Anzahl individueller Urlaubstage = 24 Urlaubstage x Anzahl der individuellen Wochenarbeitstage ./. 6 Werktage

Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der jeweils von montags bis mittwochs zur Arbeit verpflichtet ist, hat somit einen jährlichen Urlaubsanspruch von 12 Arbeitstagen.

Ohne Bedeutung für die Ermittlung des individuellen jährlichen Urlaubsanspruchs ist, wie lange der Arbeitnehmer an den einzelnen Arbeitstagen Arbeit leisten muss, und ob er voll- oder teilzeitbeschäftigt ist. Der Urlaubsanspruch stellt auf den Arbeits-/Werktag ab (sog. Tagesprinzip).

6. Wann entsteht der Urlaubsanspruch?
Für die erstmalige Entstehung des vollen Urlaubsanspruchs muss das Arbeitsverhältnis sechs Monate ununterbrochen bestanden haben (Wartezeit). Auf den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an, sondern nur auf den rechtlichen Bestand. Urlaubsansprüche können deshalb auch in ruhenden Arbeitsverhältnissen entstehen. Sofern die Wartezeit im bestehenden Arbeitsverhältnis erfüllt ist, entsteht der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Der Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit ist nur im ersten Beschäftigungsjahr für das Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs erforderlich. In den Folgejahren entsteht der volle Urlaubsanspruch jeweils am 1. Januar.

Von der Einhaltung der Wartezeit kann zu Gunsten der Arbeitnehmer sowohl durch Tarifvertrag als auch durch sonstige kollektiv-einzelvertragliche Regelungen abgewichen werden. Daher ist sowohl der Verzicht auf die Wartezeit als auch ihre Verkürzung sowie die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten ohne Einschränkung möglich. Für solche über das Gesetz hinausgehenden Urlaubsansprüche kann allerdings eine längere oder in jedem Kalenderjahr neu zu erfüllende Wartezeit vereinbart und die Wartezeit an eine tatsächliche Arbeitsleistung gebunden werden.

7. Wann wird demgegenüber der Urlaubsanspruch fällig?
Die konkrete zeitliche Festlegung des Urlaubs erfolgt durch den Arbeitgeber, der hierbei die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen muss. Demnach wird der Urlaubsanspruch fällig, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch betreffend eines bestimmten Zeitraums an den Arbeitgeber herangetragen und dieser sodann den Urlaub festgesetzt hat (str.).

8. Was ist, wenn der Arbeitnehmer ohne Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber Urlaub nimmt?
Ein Recht zur Selbstbeurlaubung steht dem Arbeitnehmer nicht zu. Ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung - ohne vorherige Abmahnung - zu geben.

9. Was sind "entgegenstehende betriebliche Belange", die einer zeitlichen Festlegung des Urlaubs entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers entgegenstehen können?
Dringende betriebliche Belange liegen vor, wenn die Freistellung des Arbeitnehmers zu der von ihm gewünschten Zeit zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen im Betriebsablauf führen würde. Eine bloße Störung reicht nicht aus. Störungen sind bei der urlaubsbedingten Abwesenheit zwangsläufig zu erwarten und deshalb hinzunehmen. Ihnen hat der Arbeitgeber durch eine entsprechende Organisation und Personalplanung zu entgegnen. Dringende betriebliche Belange bestehen vor allem zu Saison- und Kampagnezeiten (z.B. Weihnachtszeit im Einzelhandel; fristgerechte Erledigung wichtiger Aufträge; Einhaltung festgelegter Betriebsferien). Maßgebend ist immer eine Interessenabwägung.

10. Was ist bei entgegenstehenden Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer zu beachten?
Wenn der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht gleichzeitig erteilt werden kann, muss eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der sozialen Gesichtspunkte erfolgen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Zahl und Schulpflicht der Kinder, Berufstätigkeit des Ehegatten oder die aus einer Krankheit des Arbeitnehmers folgende Notwendigkeit der Erholung in einer bestimmten Jahreszeit.

11. Gibt es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats? Wie weit reicht es?
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen Arbeitgeber und beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. Da sich das Mitbestimmungsrecht auf einen Einzelfall bezieht, handelt es sich um eine ausdrückliche Ausnahmeregelung.

12. Was muss bei der Übertragung des Urlaubs beachtet werden?
Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch entsteht also mit Beginn des Urlaubsjahres und endet mit seinem Ablauf. Der Anspruch ist damit grundsätzlich innerhalb des Kalenderjahres zu erfüllen.

Die Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr (bis zum 31.03.) ist in zwei Fällen statthaft:

  • Dringende betriebliche Gründe liegen vor, wenn der ordnungsgemäße Betriebsablauf durch die Urlaubsgewährung während des Kalenderjahres beeinträchtigt würde.

  • In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe sind gegeben, wenn es dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr unmöglich oder nicht zumutbar ist, den Urlaub zu nehmen. An diese Gründe werden nicht so hohe Anforderungen gestellt, wie an das Vorhandensein betrieblicher Gründe.

Liegen die entsprechenden Gründe vor, vollzieht sich die Urlaubsübertragung automatisch. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber kurz vor Jahresende die Urlaubsnahme aus betrieblichen Gründen abgelehnt hat. Eine darüber hinausgehende Geltendmachung durch den Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, ebenso wenig wie der konkrete Nachweis, dass tatsächlich dringende betriebliche Gründe vorgelegen haben.

Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers innerhalb des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden kann.

13. Wann entsteht ein Schadenersatzanspruch?
Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zustehenden und beantragten Urlaub nicht und geht der Anspruch deshalb mit Ablauf des Kalenderjahres/Übertragungszeitraums unter, schuldet der Arbeitgeber Schadenersatz in Form von Ersatzurlaub. Dieser Anspruch ist nicht befristet.

14. Wann ist der Urlaubsanspruch abzugelten?
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein Surrogat für nicht gewährten Erholungsurlaub. Das Gesetz geht von einem grundsätzlichen Abgeltungsverbot aus. Die Abgeltung ist nur ausnahmsweise zulässig. Die verbreitete Praxis, den Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abzukaufen, ist unzulässig. Solche Vereinbarungen sind nichtig. Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift:

  • Dem Arbeitnehmer steht ein (restlicher) Urlaubsanspruch zu,
  • das Arbeitsverhältnis ist beendet und
  • wegen der Beendigung kann der Urlaub nicht in natura genommen werden.

15. Was ist bei anderweitiger Erwerbstätigkeit während des Urlaubs zu berücksichtigen?
Der Arbeitnehmer darf während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Erwerbstätigkeit ist dabei jede Tätigkeit, die in der Absicht erfolgt, Geld oder geldwerte Vorteile zu erlangen. Unschädlich sind gemeinnützige Arbeit, Gefälligkeiten sowie Arbeiten im eigenen Haus und Garten.

16. Welche Auswirkungen hat eine Erkrankung während des Urlaubs?
Der gesetzliche Zweck des Urlaubs setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer erholen kann. Daher schreibt das Gesetz vor, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die während eines Urlaubs eintreten und durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen sind, nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Die infolge der Krankheit nicht anzurechnenden Urlaubstage sind dem Arbeitnehmer nachzugewähren. Der Erholungsurlaub verlängert sich nicht automatisch um die durch Krankheit ausgefallenen Tage.

17. Entsteht der Urlaubsanspruch im Falle von aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen?
Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig von der Anzahl der Arbeitsverhältnisse pro Kalenderjahr nur einmal. Um diesem Umstand im Falle von mehreren, einander nachfolgenden Arbeitsverhältnissen gerecht zu werden, ist der Anspruch auf Urlaub ausgeschlossen, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist.

18. Welchen Inhalt muss eine Urlaubsbescheinigung haben?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten und abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. Um Doppelurlaubsansprüche zu vermeiden, muss der Arbeitgeber schriftlich die Bescheinigung ausfüllen. Der Inhalt der Bescheinigung muss die Identität des Arbeitnehmers (Name, Vorname, u.U. Geburtsdatum und Anschrift), die Dauer des Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr sowie den im Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub enthalten.

19. Wie wird das Urlaubsentgelt berechnet?
Das Arbeitsentgelt ist während des Urlaubs fortzuzahlen. Der Vergütungsanspruch wird trotz Nichtleistung der geschuldeten Arbeit aufrechterhalten. Die Höhe bemisst sich nach dem Durchschnittsverdienst in den letzten 13 abgerechneten Wochen vor Urlaubsbeginn.

20. Was bedeutet Unteilbarkeit des Urlaubs?
Bei der Festlegung des Urlaubs hat der ArbG den Grundsatz der zusammenhängenden Urlaubsgewährung zu beachten. Ausnahmen sind lediglich möglich, wenn dringende betriebliche Belange oder Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, eine Urlaubsteilung notwendig machen. In jedem Fall muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinander folgende Werktage umfassen.

21. Wie verhält sich der Urlaubsanspruch während der Insolvenz des Arbeitgebers?
Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers nicht berührt, denn der Anspruch ist auf die Freistellung von der Arbeitspflicht gerichtet. Der Urlaubsanspruch ist vom Insolvenzverwalter bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen.

22. Wie verhält sich der Urlaubsanspruch bei Betriebsübergang?
Das Entstehen von Urlaubsansprüchen wird durch den Betriebsübergang nicht beeinflusst. Die Wartezeit beginnt nicht erneut zu laufen. Ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs muss ausschließlich der Erwerber den Anspruch auf Urlaubsgewährung erfüllen.

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Annahmeverzug: Wie ist die Lohnberechnung nach Ablehnung einer Änderungskündigung?

Bei Änderungskündigungen - etwa zur Entgeltabsenkung - ergeben sich bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist und bis zur Beendigung des Kündigungsschutzprozesses erhebliche Schwierigkeiten.

Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, hat der Arbeitnehmer mehrere Möglichkeiten:

  • Er kann das Änderungsangebot annehmen. Folge ist, dass der Arbeitsvertrag nach Ablauf der Kündigungsfrist zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgilt.

  • Er kann das Änderungsangebot ablehnen. Folge ist, dass sich die Änderungskündigung zur Beendigungskündigung "umwandelt" und der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess um den Bestand seines Arbeitsverhältnisses "kämpft".

  • Er kann das Änderungsangebot unter Vorbehalt annehmen. Folge ist, dass das Arbeitsverhältnis bei Obsiegen des Arbeitnehmers zu den alten Arbeitsbedingungen und bei Obsiegen des Arbeitgebers zu den geänderten Arbeitsbedingungen fortbesteht. Während des Kündigungsschutzprozesses und nach Ablauf der Kündigungsfrist ist der Arbeitnehmer in diesem Fall verpflichtet, zunächst zu den "neuen" Arbeitsbedingungen zu arbeiten.

Im zweiten Fall stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer bei Obsiegen im Kündigungsschutzprozess für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf volles Arbeitsentgelt als Annahmeverzugslohn hat. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) grundsätzlich verneint (BAG, 5 AZR 125/05). Die Kernaussagen der Entscheidung lauten:

  • Hat der Arbeitnehmer ein Änderungsangebot zur Gehaltsreduktion im Rahmen einer Änderungskündigung abgelehnt, muss er sich bei einer späteren Klage auf Annahmeverzugslohn den "böswillig" unterlassenen Erwerb anderweitigen Verdiensts anrechnen lassen. "Böswillig" unterlassener Verdienst ist der Teil der Vergütung, die der Arbeitnehmer bei Annahme des Änderungsangebots jedenfalls unter Vorbehalt hätte erzielen können.

  • Zusätzlich ist auch das erzielte Arbeitslosengeld proportional zu berücksichtigen und führt zu einer Minderung des Anspruchs auf Annahmeverzugslohn.

Diese Entscheidung zeigt deutlich, wie wichtig eine entsprechende anwaltliche Beratung ist. Der Arbeitnehmer hätte das mit einer Änderungskündigung verbundene Änderungsangebot jedenfalls unter Vorbehalt annehmen müssen. Bei einer Ablehnung erhält er - selbst, wenn er im Kündigungsschutzprozess obsiegt - für die Zwischenzeit ab Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Obsiegen beim Arbeitsgericht seinen vollen Lohn nicht nachgezahlt. Dieser wird zweifach gekürzt, nämlich

  • um den Teil, den er hätte erzielen können, wenn er zu den angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen gearbeitet hätte und

  • proportional um das gewährte Arbeitslosengeld.

Diese Rechtsprechung gilt nur nicht in den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer eine unzumutbare anderweitige Arbeit angeboten worden ist. Eine solche unzumutbare Tätigkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine dauerhafte Tätigkeit auf Basis eines geänderten Arbeitsvertrags anbietet. Denn das Gesetz normiert für den Arbeitnehmer nur die Obliegenheit eines Zwischenverdiensts. Er muss sich aber nicht auf eine dauerhafte Änderung seines Arbeitsvertrags einlassen, um Annahmeverzugsansprüche nicht zu verlieren (BAG, 5 AZR 98/05).

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Teilzeitanspruch: Teilzeitanspruch in der Elternzeit bei Wegrationalisierung des Arbeitsplatzes

Der Arbeitgeber kann das Begehren einer Arbeitnehmerin auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht mit der Begründung ablehnen, der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin sei nicht vertretungsweise neu besetzt, sondern durch anderweitige Verteilung der Arbeit wegrationalisiert worden.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm. Es erläuterte, dass - unabhängig von der Elternzeit der Arbeitnehmerin - das übliche Prozedere bei Wegfall eines Arbeitsplatzes durchlaufen werden müsse. Sofern in einer Arbeitseinheit mehrere Arbeitnehmer beschäftigt seien, müsse vor der betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl erfolgen. Ggf. müsse ein anderer Arbeitnehmer entlassen oder eine anderweitig besetzte Vollzeitarbeitsstelle in zwei Halbtagsbeschäftigungen aufgespalten werden. Dem bisherigen Vollzeitmitarbeiter gegenüber müsse dann eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber könne auch nicht einwenden, dass es ihm nicht zuzumuten sei, wegen des Erziehungsurlaubs der Arbeitnehmerin einem Vollzeitmitarbeiter zu kündigen:

  • Wenn die Arbeitnehmerin aus finanziellen Gründen keine Elternzeit in Anspruch genommen hätte, wäre ohnehin infolge der Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers ihr Arbeitsplatz entfallen. Es müsse dem Arbeitgeber daher eher willkommen sein, dass er nicht die eigentlich erforderliche Beendigungskündigung eines Arbeitsverhältnisses aussprechen müsse, um seine Rationalisierungsmaßnahme umzusetzen, sondern nur eine Änderungskündigung.

  • Wenn der betroffene Vollzeitmitarbeiter diese Änderung nicht akzeptiere und deswegen seinen Arbeitsplatz verliert, beruhe dies auf der Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz der Teilzeit verlangenden Arbeitnehmerin vollständig entfallen zu lassen. Der Arbeitsplatzverlust beruhe dagegen nicht auf der Entscheidung der Arbeitnehmerin, während der Elternzeit Teilzeittätigkeiten verrichten zu wollen.

(LAG Hamm, 9 Sa 1601/04)

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Sperrzeit: Verwirklichung der Religionsfreiheit rechtfertigt nur ausnahmsweise Aufgabe des Arbeitsplatzes

Die Aufgabe des Arbeitsplatzes zur Verwirklichung der Religionsfreiheit stellt nur dann einen wichtigen Grund dar und verhindert den Eintritt einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn die Verwirklichung der Religionsfreiheit schwerer wiegt als die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung.

Diese Entscheidung traf das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz im Fall einer Frau, die seit vielen Jahren bei einem Krankenhaus angestellt war, das dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossen ist. Für ihren Arbeitsvertrag galten die Richtlinien des Verbands. Diese sahen vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden. Wenige Tage, nachdem die Versicherte aus der Kirche ausgetreten war und mitgeteilt hatte, dass sie ihre Entscheidung nicht rückgängig machen werde, wurde ihr gekündigt. Nach der Arbeitslosmeldung stellte die Arbeitsverwaltung eine 12-wöchige Sperrzeit fest, während der kein Arbeitslosengeld gezahlt wird. Die Frau habe gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen und ihre Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt.

Diese Entscheidung der Arbeitsverwaltung hat das LSG jetzt bestätigt. Die Frau könne sich nicht auf einen wichtigen Grund für ihr vertragswidriges Verhalten berufen. Dabei könne offen bleiben, ob der Schutzbereich des Grundrechts der Religions- und Bekenntnisfreiheit überhaupt berührt sei. Dagegen spreche, dass die Frau bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags damit rechnen musste, dass sie ihren Arbeitsplatz bei Austritt aus der Kirche verliere. Auf jeden Fall müssten ihre Grundrechte mit den Gemeinschaftsbelangen abgewogen werden. Der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, die verfassungsrechtlich an das Sozialstaatsprinzip anknüpfe, komme ein hoher Stellenwert zu. Die Frau hätte zunächst versuchen müssen, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses einen neuen Arbeitsplatz zu finden (LSG Rheinland-Pfalz, L 1 AL 162/05).

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Baurecht


VOB/B: BGH senkt Hürden für wirksame Vertragsstrafenklausel

Der Bundesgerichtshof (BGH) setzt die Hürden für eine wirksame Vertragsstrafenregelung immer niedriger. Ist in einem Bauvertrag die VOB/B vereinbart, reicht es, wenn die Vertragsstrafenklausel "für jeden Fall der Überschreitung des Fertigstellungstermins" greift. Diese Klausel sei verschuldensabhängig auszulegen und damit wirksam, so die BGH-Richter. Allein durch die nachrangige Vereinbarung der VOB/B im Vertrag werde die verschuldensunabhängige Vertragsstrafenregelung um § 11 Nummer 2 VOB/B und damit um die weitere Voraussetzung des Verzugs ergänzt (BGH, VII ZR 44/05).

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Baunebenkosten: Auftragnehmer sollten die Vertragsklauseln prüfen

Viele Bauverträge enthalten Regelungen zu den so genannten Baunebenkosten. Auftragnehmer werden darin mit einem bestimmten Prozentsatz (zum Beispiel zwei Prozent) der Bruttoabrechnungssumme an verschiedenen Kostenpositionen des Baus beteiligt (sanitäre Einrichtungen, Baustrom, Bauwasser, allgemeine Baureinigung, Bauwesenversicherung etc.).

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. zeigt, dass es sich lohnt, sich mit dieser Vertragsklausel näher zu beschäftigen. Das OLG hat nämlich festgestellt, dass die Klausel nur wirksam ist, wenn alle Kostenpositionen für das Gewerk des Auftragnehmers tatsächlich entstanden sind. Enthält die Klausel auch nur eine Kostenposition, die mit seiner Arbeit nichts zu tun habe, wird er unangemessen benachteiligt. Die gesamte Vertragsklausel ist nichtig. Der Auftragnehmer kann seinen Auftraggeber auffordern, den kompletten Einbehalt an ihn auszukehren. Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen geklagt, das Laboreinrichtungen erstellte. Es hielt die Baunebenkosten-Klausel für unzulässig, weil es weder Bauwasser benötigte, noch etwas mit der Bauschlussreinigung zu tun hatte. Das OLG gab dem Unternehmen Recht und sprach ihm den Einbehalt von immerhin 15.766 Euro zu (OLG Frankfurt a.M., 16 U 196/04).

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Vergaberecht: Ohne Auszug aus dem Gewerbezentralregister geht nichts

Fordert die Vergabestelle von allen Bietern die Vorlage von Gewerbezentralregisterauszügen, muss diese Anforderung erfüllt werden. Kommt ein Bieter dieser Anforderung nicht nach, wird er vom Vergabeverfahren unwiderruflich ausgeschlossen.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. Es machte deutlich, dass sich der Bieter nicht damit verteidigen könne, dass die Vergabestelle über die mit dem Registerauszug geforderte Information bereits aus einem anderen Bauvorhaben verfüge (OLG Schleswig, 1 Verg 5/06).

Hinweis: Wer vermeiden will, wegen formaler Fehler von Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden, sollte sich dem Thema "Präqualifizierung" zuwenden. Im Rahmen der Präqualifikation wird vorab und unabhängig vom konkreten Auftrag geprüft, ob das Unternehmen die Eignungskriterien für öffentliche Aufträge erfüllt. Wer die "Präqualifikation" bestanden hat, bekommt ein "Qualitätssiegel" für einen Zeitraum von einem Jahr und muss Eignungsnachweise nicht bei jedem Vergabeverfahren einzeln zusammenstellen.

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Familien- und Erbrecht


Erbrecht: Was Sie zum Erbschein wissen sollten

Das Nachlassgericht muss dem Erben auf Antrag über sein Erbrecht und, wenn er nur zum Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils einen Erbschein erteilen. Sind mehrere Erben vorhanden, ist auf Antrag, den jeder Erbe stellen kann, ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen. Antragsberechtigt ist

  • jeder Erbe, auch der Vorerbe (nicht jedoch der Nacherbe vor dem Eintritt der Nacherbfolge, der einen Erbschein für sich selbst oder für den Vorerben beantragen möchte),

  • der Erbeserbe, das heißt, der Erbe eines Erben, wobei allerdings der ursprüngliche Erbe im Erbschein ausgewiesen wird,

  • der Erbschafts- und Erbteilserwerber, wobei ebenfalls der Name dessen, der unmittelbar Erbe geworden ist, im Erbschein angegeben wird,

  • der Testamentsvollstrecker,

  • der Nachlassverwalter,

  • der Nachlassinsolvenzverwalter,

  • der Nachlass- wie der Erbengläubiger, sofern er einen vollstreckbaren Titel vorlegt,

  • der nach § 88 FGG bestellte Auseinandersetzungspfleger.

Demgegenüber ist nicht antragsberechtigt etwa der Vermächtnisnehmer. Hierzu gehört auch derjenige, dem der Nießbrauch am ganzen Nachlass oder an einem Teil desselben zusteht, es sei denn, er legt einen vollstreckbaren Titel vor.

Bei gesetzlicher Erbfolge muss der Antragsteller beim Antrag auf Erteilung eines Erbscheins Folgendes angeben:

  • den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,

  • das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht, wobei dann, wenn ein Ehegatte zur Erbfolge gelangt ist, anzugeben ist, in welchem Güterstand der Erblasser mit ihm lebte,

  • ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde,

  • ob und welche Verfügungen von Todes wegen des Erblassers vorhanden sind,

  • ob ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist,

  • wenn eine Person weggefallen ist, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde, in welcher Weise die Person weggefallen ist, z.B. Tod, Erbverzicht, Ausschlagung.

Sofern der Ehegatte Erbe/Miterbe geworden ist, wird von Nachlassgerichten zunehmend eine eidesstattliche Versicherung dahingehend verlangt, dass keine Ehesache (Scheidungsverfahren bzw. Aufhebungsklage) anhängig ist.

Zur Darlegung der Zuständigkeit des Nachlassgerichts ist auch der letzte Wohnsitz des Erblassers anzugeben. Zunehmend üblich wird auch die Angabe der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Hat dieser eine Rechtswahl getroffen, ist auch diese anzugeben. Zur Vermeidung von Fehleinschätzungen über die eingetretene Erbfolge und die Zuständigkeit des Gerichts sollte der Antragsteller angeben lassen, dass kein Hof bzw. dass ein Hof i.S. der Höfeverordnung zum Nachlass gehört.

Bei Beantragung eines gemeinschaftlichen Erbscheins muss zusätzlich Folgendes angegeben werden:

  • die Erben und ihre Erbteile, § 2357 Abs. 2 BGB,

  • wenn der Antrag nicht von allen Erben gestellt wird, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben, § 2357 Abs. 3 BGB.

Dem Nachlassgericht sind folgende Personenstandsurkunden vorzulegen:

  • Sterbeurkunde des Erblassers, ggf. Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses über die Todeserklärung;

  • zum Nachweis des Ehegattenerbrechts eine Heiratsurkunde. Es genügt nicht, dass der Ehegatte in der Sterbeurkunde des Erblassers oder in einer Abstammungsurkunde eines Kindes als solcher aufgeführt ist;

  • lebte der verheiratete Erblasser nicht im gesetzlichen Güterstand, ist der Güterstand durch Ehevertrag oder über das Güterrechtsregister nachzuweisen.

Zum Nachweis des Erbrechts sind erforderlich bei

  • Kindern: deren Abstammungsurkunde;

  • Enkeln: deren Abstammungsurkunde und die Abstammungs- und Sterbeurkunde des weggefallenen Elternteils;

  • einem Elternteil: die Abstammungsurkunde des Erblassers;

  • Bruder oder Schwester: die Abstammungsurkunde des erbenden Bruders bzw. der Schwester und des Erblassers sowie die Sterbeurkunde des weggefallenen Elternteils des Erblassers;

  • einem Geschwisterkind: die Abstammungsurkunden des Erblassers, des erbenden Geschwisterkindes und des/der weggefallenen Vaters/Mutter des Geschwisterkindes sowie die Sterbeurkunden des weggefallenen Elternteils des Geschwisterkindes und des weggefallenen Elternteils des Erblassers.

Bei Erbfolge auf Grund einer Verfügung von Todes wegen ist auch diese vorzulegen, soweit sie nicht dem Gericht bereits eingereicht ist. Hier entfallen die Angaben:

  • zum Verhältnis, auf dem das Erbrecht beruht;

  • ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde.

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Testament: Teils maschinenschriftlich und teils handschriftlich verfasstes Testament ist unwirksam

Bezieht sich der eigenhändig geschriebene Textteil eines Testaments auf einen vorangestellten maschinenschriftlichen Textteil, enthält er jedoch keine eigenständige letztwillige Verfügung, ist das Testament wegen Verstoßes gegen die Formvorschriften unwirksam.

Mit dieser Entscheidung beendete das Oberlandesgericht (OLG) Hamm das gerichtliche Verfahren zwischen den Kindern eines Erblassers. Diese waren über die Frage in Streit geraten, ob das teilweise maschinenschriftliche Testament ihres Vaters wirksam sei.

Die Richter wiesen auf die gesetzlichen Vorgaben für ein wirksames privatschriftliches Testament hin. Dieses müsse vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterzeichnet sein. Der vom Erblasser eigenhändig geschriebene Teil des Schriftstücks habe aber keine Einsetzung des einen Kindes als Alleinerbe enthalten. Diese sei nur durch Bezugnahme auf den maschinenschriftlichen Teil verständlich. Die Bezugnahme genüge jedoch nicht dem gesetzlichen Formerfordernis. Es reiche nicht aus, dass der Erblasser durch den eigenhändigen Textteil bewirken wollte, dass der maschinenschriftlich verfasste Teil des Testaments wirksam sei. Sonst würde das Erfordernis der eigenhändigen Niederschrift aufgehoben, weil jeder handschriftliche Zusatz, ggf. eine Orts- und Datumsangabe und/oder die Unterschrift, für die Annahme ausreichen könnte, der Erblasser wolle seinen maschinenschriftlich niedergelegten Verfügungen Wirksamkeit verleihen. Im Ergebnis konnte sich damit das eine Kind nicht auf die Alleinerbenstellung berufen. Das Erbe wurde vielmehr gleichmäßig unter allen Geschwistern geteilt (OLG Hamm, 15 W 414/05).

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Unterhaltsanspruch: Dauer bei Pflege und Erziehung eines nichtehelich geborenen Kindes

Die Ausgestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann im Einzelfall einen besonderen Vertrauenstatbestand begründen. In einem solchen Fall kann der Vater eines nichtehelich geborenen Kindes verpflichtet sein, der Mutter auch über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus Unterhalt zu gewähren.

Diese Klarstellung traf nun der Bundesgerichtshof (BGH) im Unterhaltsstreit einer Assistenzärztin, die wegen ihrer Erkrankung neben der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes nur zu einer halbschichtigen Tätigkeit in der Lage war. Der BGH wurde in diesem Fall mit einer "Widersprüchlichkeit" des Gesetzes konfrontiert:

  • Einerseits steht der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter ein Unterhaltsanspruch für die Dauer von mindestens drei Jahren zu, soweit von ihr wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Unterhalt kann aber auch darüber hinaus zugesprochen werden, wenn dies aus Billigkeitsgründen, insbesondere mit Blick auf die Belange des Kindes, geboten ist.

  • Im Unterschied dazu wird einer geschiedenen Mutter wegen der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes grundsätzlich ein unbefristeter Unterhaltsanspruch eingeräumt. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann die geschiedene Ehefrau regelmäßig erst auf eine eigene Berufstätigkeit verwiesen werden, wenn das Kind das achte (Teilzeittätigkeit) bzw. das 15. Lebensjahr (volle Erwerbstätigkeit) vollendet hat.

Für den BGH stellte sich damit die Frage, ob die grundsätzliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter auf drei Jahre dem Gleichheitsgebot und dem besonderen Schutz der nichtehelich geborenen Kinder genügt. Die Richter entschieden, dass zwar eine vollständige Angleichung des Unterhaltsanspruchs aus Anlass der Geburt an den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht von Verfassungs wegen geboten sei. So stelle das Grundgesetz die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Das wirke sich wegen der nachehelichen Solidarität in besonderer Weise auf den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten aus. Die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes könne sich demgegenüber zwar nicht in gleicher Weise auf den Schutz der Ehe und Familie berufen. Denn ihrem Anspruch könnten höchst unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde liegen. Daher sei eine flexiblere Unterhaltsregelung geboten als beim nachehelichen Unterhalt. Der BGH machte aber auch deutlich, dass die gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ausgelegt werden müsse. Hierbei müssten elternbezogene, insbesondere aber kindbezogene Gründe für eine Fortdauer des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden. In diesen Fällen könne der Unterhaltsanspruch auch ohne weiteres über einen längeren Zeitraum bestehen (BGH, XII ZR 11/04).

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Umgangsregelung: Verstöße können nicht immer mit Zwangsgeld belegt werden

Nach der Trennung der Eltern wird oft eine gerichtliche Umgangsregelung getroffen, die das Umgangsrecht der Eltern mit dem Kind regeln soll. Verstößt einer der Eltern gegen diese Regelung, sieht das Gesetz die Festsetzung eines Zwangsgelds vor. So soll der Elternteil zur Einhaltung seiner Pflichten gehalten werden.

Ein solches Zwangsgeld kann aber nicht festgesetzt werden, wenn die Umgangsregelung keine genauen und unmissverständlichen Bestimmungen über Art, Ort und Zeit des Umgangs mit dem Kind enthält:

  • Eine solche ungenaue Regelung liegt beispielsweise vor, wenn die genauen Zeiten des Umgangs in der Vereinbarung nicht festgelegt, sondern in das Ermessen des Jugendamts gestellt worden sind. Eine solche Verfügung ist nicht vollstreckbar, da die verpflichtete Person aus der gerichtlichen Entscheidung nicht ersehen kann, welche Pflichten sie zu erfüllen hat (OLG Celle, 12 WF 141/05).

  • Ebenso ist eine Umgangsregelung nicht vollziehungsfähig, die einen Umgang von "14 Tagen in den Ferien" ohne weitere Abgrenzungskriterien bestimmt. Dabei ist nämlich nicht erkennbar, um welchen Teil der Ferien es sich handelt (OLG Brandenburg, 9 WF 27/06).

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Versorgungsausgleich: Kein Versorgungsausgleich nach Tod des Berechtigten

Stirbt der im Verfahren über den Versorgungsausgleich Ausgleichsberechtigte nach Rechtskraft des Scheidungsausspruchs, ist der Versorgungsausgleich nicht mehr durchzuführen. Das Verfahren hat sich erledigt.

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg im Beschwerdeverfahren einer Ehefrau. Das Amtsgericht hatte die Ehe der Parteien zuvor geschieden und zu Lasten der Ehefrau den Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Scheidungsausspruch wurde am Tage der Urteilsverkündung durch beiderseitigen Rechtsmittelverzicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens starb der Ehemann.

Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufgehoben und ausgesprochen, dass das Versorgungsausgleichsverfahren durch den Tod des Ehemanns erledigt sei. Dies ergebe sich aus dem Gesetz, nach dem der Anspruch auf den Versorgungsausgleich mit dem Tod des Berechtigten erlösche. Der Anspruch könne auch nicht von den Erben oder Hinterbliebenen des Berechtigten weiterverfolgt werden. Deshalb sei eine bereits ergangene, aber noch nicht rechtskräftige Entscheidung zum Versorgungsausgleich aufzuheben. Für die Ehefrau bedeutete dies im vorliegenden Fall, dass die durch den Versorgungsausgleich anstehende Kürzung ihrer Rentenanwartschaft nicht stattfand (OLG Nürnberg, 10 UF 79/06).

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Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG)


WEG: Die sechs häufigsten Fragen zur Durchführung der Eigentümerversammlung

Die Rechtsprechung zur Frage, was bezüglich der Durchführung einer Eigentümerversammlung zu beachten ist, ufert stark aus. Die folgende Übersicht gibt daher einen Überblick über die häufigsten Fragen.

1. Wer muss den Vorsitz führen?
Den Vorsitz führt grundsätzlich der Verwalter. Abweichende Regelungen können vereinbart oder beschlossen werden. Für einen Beschluss genügt eine einfache Mehrheit. Es kann z.B. vereinbart werden, dass der Verwaltungsbeiratsvorsitzende oder ein einzelner Wohnungseigentümer den Vorsitz führt. Ist der Verwalter eine GmbH, kann diese durch eine allgemein vertretungsberechtigte Person (z.B. einen Prokuristen) oder einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter handeln. Die Frage, wer den Vorsitz führt, kann für jeden einzelnen Tagesordnungspunkt gesondert entschieden werden.

2. Wer ist teilnahmeberechtigt?
Der Verwalter ist zwingend teilnahmeberechtigt, die Wohnungseigentümer ebenfalls. Ausnahme: Ein Wohnungseigentümer ist von der Eigentümerversammlung ausgeschlossen worden, weil er diese in einem nicht hinzunehmenden Maße gestört hat. Für derartige Fälle bietet es sich an, dass sich die Versammlung eine Geschäftsordnung gibt, die als letztes Mittel vorsieht, Störer von der Versammlung auszuschließen. Ob dritte Personen, die nicht Wohnungs-/Teileigentümer der betreffenden Anlage sind, teilnehmen dürfen, ist streitig.

Für Berater gilt: Jeder Eigentümer hat das Recht, im Beistand eines Rechtsanwalts an der Versammlung teilzunehmen, jedenfalls wenn ein berechtigtes Interesse hierfür besteht. Das berechtigte Interesse kann sich aus dem hohen Lebensalter des betroffenen Eigentümers oder aus der juristischen Schwierigkeit der Angelegenheit, über die beraten werden soll, ergeben. Trotz Nichtöffentlichkeit der Versammlung ist ein Verwalter befugt, zu einzelnen Tagesordnungspunkten Berater (z.B. Rechtsanwälte oder Architekten) hinzuzuziehen.

Für Vertreter gilt: Es ist jederzeitige Stellvertretung zulässig. In der Gemeinschaftsordnung kann aber bestimmt werden, dass sich ein Eigentümer nur durch bestimmte Personen vertreten lassen darf, z.B. durch den Ehegatten. Der Verkäufer von Wohnungseigentum kann den Käufer bereits vor Eintragung einer Eigentumsverschaffungsvormerkung zur Ausübung des Stimmrechts ermächtigen. Der Verwalter kann nicht wirksam als Vertreter stimmberechtigter Eigentümer über seine eigene Entlastung abstimmen. Vereitelt der Verwalter vorsätzlich die Teilnahme des Vertreters nur eines (unliebsamen) Eigentümers unter Hinweis auf eine Vertretungsbeschränkung in der Teilungserklärung, sind die auf der Versammlung ohne den Vertreter gefassten Beschlüsse nichtig.

Wird ein Vertreter, der seine Bevollmächtigung ordnungsgemäß nachweisen kann, vom Vorsitzenden einer Eigentümerversammlung zurückgewiesen, sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar, sofern die nicht abgegebene/nicht berücksichtigte Stimme erheblich war.

Für Mieter und sachkundige Dritte gilt: Mieter sind teilnahmeberechtigt als Vertreter der vermietenden Eigentümer. Sachkundige Dritte (Anwälte, Architekten) dürfen zu einzelnen Tagesordnungspunkten hinzugezogen werden, wenn es sachlich geboten ist.

3. Was ist für den Ablauf der Versammlung zu beachten?
Jedenfalls in größeren Anlagen ist es sinnvoll, sich eine Geschäftsordnung zu geben, die den Ablauf der Versammlung regelt. Inhalt sollten zumindest Abstimmungsmodalitäten und Redezeitbegrenzungen sein. Je größer die Anlage ist, desto sinnvoller ist es auch, Regelungen zu treffen, wonach einzelne Eigentümer als Ultima Ratio von der Versammlung ausgeschlossen werden dürfen. Hinsichtlich der Beschlussfähigkeit ist zwischen der Erst- und einer Wiederholungsversammlung zu unterscheiden:

  • Erstversammlung: Die Versammlung ist nur beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberechtigten Eigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten. Diese Regelung ist jedoch abdingbar. Nicht stimmberechtigte Eigentümer scheiden aus der Berechnung aus, selbst wenn sie erschienen sind.

  • Wiederholungsversammlung: Sie ist ohne Rücksicht auf die Höhe der vertretenen Anteile beschlussfähig, wenn darauf bei der Einberufung hingewiesen wurde. Fehlt dieser Hinweis, führt das zur Anfechtbarkeit der in der Wiederholungsversammlung getroffenen Beschlüsse.

Nach erstmaliger Feststellung der Beschlussfähigkeit bei Versammlungseröffnung wird der erste Tagesordnungspunkt aufgerufen und zur Diskussion gestellt.

4. Welche Grundsätze gelten bei der Abstimmung?
Wie die einzelnen Abstimmungen durchgeführt werden, muss der Versammlungsleiter entscheiden, sofern nicht durch die Gemeinschafts- oder Geschäftsordnung etwas anderes bestimmt ist. Sofern eine zweifelsfreie Feststellung des Abstimmungsergebnisses sichergestellt ist, kann der Versammlungsleiter die Ja-Stimmen und die Enthaltungen oder die Nein-Stimmen und die Enthaltungen abfragen und als Unterschiedsbetrag zu der Zahl der in der Versammlung vertretenen Stimmen die Nein-Stimmen oder die Ja-Stimmen feststellen. Nachdem die Ja-Stimmen, Nein-Stimmen und Enthaltungen gezählt worden sind, verkündet der Versammlungsvorsitzende das Ergebnis der Abstimmung.

Beschlüsse müssen festgestellt und bekannt gegeben werden. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Protokoll der Eigentümerversammlung wird durch Feststellung und Bekanntgabe eines eindeutigen Abstimmungsergebnisses zugleich das Beschlussergebnis konkludent festgestellt und bekannt gegeben. Ohne eine solche Feststellung ist der Beschluss unwirksam und nicht nur anfechtbar.

Eine nur mündliche Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses genügt. Protokollierung ist zur Wirksamkeit nicht erforderlich. Wenn der Verwalter einen gesetzwidrigen Mehrheitsbeschluss als angenommen verkündet, kann dies dazu führen, dass er nach erfolgter Anfechtung des Beschlusses die Verfahrenskosten tragen muss.

5. Welche Regeln gelten für die Niederschrift?
Über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse ist eine Niederschrift aufzunehmen, die vom Vorsitzenden der Versammlung und einem Eigentümer und - falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist - auch von dessen Vorsitzenden/Stellvertreter zu unterschreiben ist. Es ist nur eine Ergebnisfixierung notwendig, kein Verlaufsprotokoll. Ein Anspruch eines Eigentümers auf Aufnahme bestimmter Diskussionsbeiträge besteht nicht.

Die Niederschrift ist vom Versammlungsvorsitzenden anzufertigen. Abweichendes kann beschlossen werden (z.B. Bestellung eines Schriftführers). Der Bestellungsbeschluss ist unanfechtbar. Die Niederschrift muss so früh angefertigt werden, dass sie den Eigentümern eine Woche vor Ablauf der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG zugeht. Wenn der Verwalter die Niederschrift nicht eine Woche vor Fristablauf zugesendet hat, kann ein Eigentümer vorsorglich alle Beschlüsse anfechten. Wird die Anfechtung dann auf einzelne Beschlüsse beschränkt, sind i.d.R. dem Verwalter die durch die ursprünglich weitergehende Anfechtung entstandenen Kosten aufzuerlegen. Beschlüsse einer Eigentümergemeinschaft wirken auch ohne Grundbucheintragung gegen die Rechtsnachfolger von Eigentümern, unabhängig von der Existenz der Niederschrift.

Ein Verwalter, der über eine Eigentümerversammlung eine Niederschrift erstellt, die in wesentlichen Punkten falsch ist, kann für die weitere Führung der Verwaltung ungeeignet sein. Der in einem solchen Fall gefasste Beschluss über die erneute Bestellung des Verwalters ist auf Antrag für ungültig zu erklären. Jeder Eigentümer kann verlangen, dass Fehler im Protokoll berichtigt werden, falls ein dahingehendes Rechtsschutzbedürfnis vorliegt. Wichtig: Das Protokoll darf keine sachlich nicht gebotenen "Wertungen, Schärfen, Bloßstellungen und Diskriminierungen" enthalten.

Jeder Eigentümer ist berechtigt, die Niederschriften einzusehen. Hiermit ist ein Recht verbunden, Abschriften anzufertigen, eine Pflicht des Verwalters hierzu besteht aber nicht. Er muss auch keine Kopien anfertigen. Fertigt er sie dennoch, hat er einen Aufwendungsersatzanspruch. Insoweit steht ihm ein Vorschussanspruch zu. Das Einsichtsrecht besteht auch nach der Genehmigung der Jahresabrechnung und der Entlastung des Verwalters.

6. Welche Beschlüsse sind mehrheitsfähig?
Mehrheitsfähig sind Beschlüsse über:

  • Gebrauchsregelungen (§ 15 Abs. 2 WEG),
  • Veräußerungsverlangen (Entziehung des Wohneigentums, § 18 Abs. 3 S. 1 WEG),
  • Ordnungsmäßige Verwaltung (§ 21 Abs. 3, 5 WEG),
  • Wiederaufbau (§ 22 Abs. 2 WEG),
  • Verwalterbestellung und -abberufung (§ 26 Abs. 1 WEG),
  • Verwalterermächtigung, Ansprüche geltend zu machen (§ 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG),
  • Verlangen nach Rechnungslegung durch den Verwalter (§ 28 Abs. 4 WEG),
  • Wirtschaftsplan, Abrechnung, Rechnungslegung des Verwalters (§ 28 Abs. 5 WEG),
  • Bestellung eines Verwaltungsbeirats (§ 29 Abs. 1 WEG).

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Renovierungskosten: Mieter muss bei Auszug keinen Schadenersatz für Nikotinspuren leisten

Nach dem Auszug aus seiner bisherigen Wohnung ist der Mieter nicht verpflichtet, die Renovierungskosten für die Beseitigung von Nikotinspuren zu bezahlen.

Mit dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt es auch einmal gute Nachrichten für Raucher. In dem betreffenden Rechtsstreit hatte ein Vermieter geklagt, der Schadenersatz für die Verunreinigung der Wohnung durch "Nikotinrückstände" verlangt hatte. Nach dem Auszug des Mieters hatte er für Maler- und Reinigungsarbeiten an Wänden und Decken sowie an Türen und Türrahmen über 7000 EUR ausgegeben. Der Mieter verweigerte die Erstattung dieses Betrags.

Zu Recht, entschied der BGH. Der Mieter schulde keinen Schadenersatz, weil er keine vertragliche Pflicht verletzt habe. Er dürfe die gemietete Wohnung innerhalb der Grenzen der vertraglichen Vereinbarungen nutzen. Das Gesetz sehe vor, dass er für Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch seinen vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt würden, nicht hafte. Liege keine wirksame, das Rauchen in der Wohnung einschränkende Vereinbarung vor, verhalte sich der Mieter grundsätzlich nicht vertragswidrig, wenn er in der Wohnung rauche und hierdurch während der Mietdauer Ablagerungen verursache.

Hinweis: Der BGH hat allerdings offen gelassen, ob dies ausnahmsweise nicht gilt, wenn "exzessives" Rauchen bereits nach kurzer Mietzeit einen erheblichen Renovierungsbedarf zur Folge hat (BGH, VIII ZR 124/05).

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Renovierungskosten: Wann ist die Wohnung "besenrein" zurückgegeben?

Sieht der Mietvertrag eine "besenreine" Übergabe der Wohnung bei Auszug vor, beschränkt sich die Pflicht des Mieters auf die Beseitigung grober Verschmutzungen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) machte in einer aktuellen Entscheidung deutlich, dass der Mieter in einem solchen Fall nicht verpflichtet sei, die Fenster zu reinigen. Er müsse auch nicht die Einbauküche komplett reinigen und polieren. Gleiches gelte für die Reinigung des Kellers. Lasse der Vermieter entsprechende Arbeiten nach dem Auszug ausführen, könne er die hierfür getätigten Aufwendungen nicht vom Mieter ersetzt verlangen (BGH, VIII ZR 124/05).

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Schadenersatz: Vermieter haftet nicht für bei Sturm umstürzende Mülltonnen

Wird der Pkw eines Mieters bei einem Sturm durch eine umstürzende Mülltonne beschädigt, kann er vom Vermieter keinen Schadenersatz verlangen.

Zu diesem Ergebnis gelangte das Landgericht (LG) Coburg im Fall eines Mieters, der seinen Pkw im Hofraum einer Wohnanlage abgestellt hatte. Bei einem Sommersturm hatte eine starke Windböe den im Hof aufgestellten Abfallcontainer gegen seinen Wagen gedrückt. Den Schaden von immerhin fast 2500 EUR wollte der Mieter von seinem Vermieter ersetzt haben. Dieser hätte nicht für die Standsicherheit der Mülltonne gesorgt. Dem widersprach der Hauseigentümer: Der auf vier Rollen stehende Container sei mit der betätigten Pedalbremse sicher abgestellt gewesen. Zusätzliche Vorkehrungen habe er nicht treffen müssen.

Dieser Ansicht schloss sich das LG an. Die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters dürfte nicht überspannt werden. Dieser sei zwar verpflichtet, sein Gebäude samt Außenanlagen so zu unterhalten, dass es ohne Gefährdung anderer den zu erwartenden Witterungseinflüssen standhalte. Dieser Pflicht sei der Vermieter vorliegend aber nachgekommen. Die vollständig arretierte Pedalbremse hätte ein Wegrollen der Tonne auch bei starkem Wind verhindert. Zwar habe der eingeschaltete Sachverständige festgestellt, dass der Unfallcontainer zum Unfallzeitpunkt nicht mit maximaler Kraft und daher zu leicht gebremst gewesen sei. Aber auch hierdurch habe der Hausbesitzer keine Pflichten verletzt. Zur Kontrolle und Überwachung der Tonne habe für ihn nämlich kein Anlass bestanden. Bis zu dem Unwetter habe es im Zusammenhang mit dem Abfallbehälter keinerlei Beanstandungen gegeben (LG Coburg, 33 S 38/06).

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Verbraucherrecht


Rechtsschutzversicherung: Schadenersatz bei unberechtigter Deckungsablehnung des Versicherers

Der Rechtsschutzversicherer kann grundsätzlich auch für Schäden haften, die der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er infolge einer vertragswidrigen Verweigerung der Deckungszusage einen beabsichtigten Rechtsstreit nicht führen kann.

Das schrieb der Bundesgerichtshof (BGH) einem Rechtsschutzversicherer ins Stammbuch. Dieser hatte seinem Versicherungsnehmer den Deckungsschutz für ein Berufungsverfahren verweigert. Der Versicherungsnehmer hatte daraufhin das Berufungsverfahren nicht durchgeführt. Später nahm er den Rechtsschutzversicherer auf Schadenersatz in Anspruch.

Der BGH bestätigte, dass die Leistungsablehnung des Versicherers zu Unrecht erfolgt sei. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei vom Leistungsausschluss der Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) nicht erfasst. Auf mangelnde Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung könne sich der Versicherer nicht berufen, weil er bei der Leistungsablehnung versäumt habe, auf die Möglichkeit des Schiedsgutachterverfahrens hinzuweisen. Im Übrigen sei der Versicherungsnehmer nach Ansicht des BGH in seinem beabsichtigten Berufungsverfahren im Recht gewesen - er hätte das Verfahren gewonnen. Allerdings sei zwischenzeitlich das im ursprünglichen Verfahren beklagte Unternehmen insolvent. Daher sei offen, ob der Versicherungsnehmer seinen Anspruch überhaupt hätte realisieren können und ihm damit ein Schaden entstanden sei. Zur Prüfung dieser Frage hat der BGH den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen (BGH, IV ZR 4/05).

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Reiserecht: Anzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters

Ein Reiseveranstalter kann in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen festlegen, dass der Reisende schon vor Antritt der Reise eine angemessene Anzahlung leisten muss.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Streit zwischen einem Reiseveranstalter und einem Reisenden. Stein des Anstoßes war folgende Klausel: "Mit Erhalt der schriftlichen Reisebestätigung und Aushändigung des Sicherungsscheins werden 20 Prozent des Reisepreises als Anzahlung fällig. Bei Ferienwohnungen beträgt die Anzahlung 20 Prozent des Reisepreises je Wohneinheitbuchung." Nach Ansicht des BGH hält diese Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Sie benachteilige den Reisenden nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BGH, X ZR 59/05).

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Gebrauchtwagen: Aufklärungspflicht des Händlers bei Re-Importen

Die Eigenschaft "Re-Import" ist auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt ein preisbildender Faktor und deshalb aufklärungspflichtig.

Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg hervor. Streitpunkt war ein Audi A2 aus Spanien. Der deutsche Händler hatte ihn an einen Deutschen verkauft - ohne Hinweis auf seine spanische Herkunft. Zur Verteidigung gegen den Vorwurf der arglistigen Täuschung berief der Händler sich auf die Regeln des freien Warenverkehrs innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Vergeblich: Das OLG verurteilte ihn zur Rückzahlung des Kaufpreises. Sie ermittelten eine Wertminderung von mindestens zehn Prozent und verwiesen dabei auch auf das Fehlen von ESP (OLG Naumburg, 6 U 24/05).

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Versammlungsrecht: Keine Gebühr für Auflagen bei Versammlung

Von dem Organisator einer Versammlung darf für die Erteilung einer Auflage keine Gebühr erhoben werden, wenn er die Auflage nicht veranlasst hat.

Diese Entscheidung traf das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Mannes, der eine Versammlung angemeldet hatte. Wegen zu erwartender Gegendemonstrationen änderte die Stadt den angemeldeten Versammlungsort und erteilte weitere Auflagen. Hierfür wurde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 100 EUR erhoben.

Das OVG hob den Gebührenbescheid auf. Für die Erteilung von Auflagen bei einer Versammlung könne vom Veranstalter eine Gebühr nur erhoben werden, wenn von ihm selbst oder den Teilnehmern "seiner" Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet werde. Würden die Änderung des Versammlungsorts sowie weitere Auflagen jedoch auf einer Gegendemonstration beruhen, sei die Gebührenerhebung rechtswidrig. In einem solchen Fall mache der Veranstalter allein von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch (OVG Rheinland-Pfalz, 7 A 10017/06.OVG).

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Verkehrsrecht


Fahrverbot: Augenblicksversagen außerhalb geschlossener Ortschaft

Bei einer dreispurig autobahnmäßig ausgebauten Fahrbahn einer Landstraße mit Mittelleitplanke braucht ein auswärtiger Verkehrsteilnehmer außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich nicht mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h zu rechnen.

Mit dieser Begründung hob das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe das gegen einen Autofahrer verhängte Fahrverbot wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf. Nach Ansicht des OLG könne sich der Autofahrer auf ein Augenblicksversagen berufen. Gründe, die eine solche Einschränkung erwarten lassen könnten, wie etwa eine Baustelle, Belagsmängel oder ähnliches, seien nicht ersichtlich gewesen. Bei dieser Sachlage hätte sich der Tatrichter mit der auf der Landstraße vorhandenen Beschilderung auseinandersetzen und abklären müssen, ob der Autofahrer ggf. ein oder gar mehrere Verkehrszeichen übersehen habe und dies auf einer augenblicklichen Unaufmerksamkeit oder grober Nachlässigkeit beruhe (OLG Karlsruhe, 1 Ss 120/05).

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Straftat: Parken auf Schwerbehindertenparkplatz mit Ausweiskopie

Wer auf einem Schwerbehindertenparkplatz parkt und dabei eine Farbkopie des Schwerbehindertenausweises eines anderen sichtbar auslegt, kann sich wegen Urkundenfälschung strafbar machen.

Dies bekam ein Autofahrer zu spüren, der beim Parken die Kopie des entsprechenden Ausweises seiner behinderten Tochter, die sich nicht in seiner Begleitung befand, ausgelegt hatte. Neben einer Geldbuße wegen vorsätzlichem verbotswidrigen Parken auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte kam eine Strafverhandlung auf ihn zu.

Der Streit, ob es sich um eine Urkundenfälschung gehandelt habe, ging bis zum Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Das OLG entschied, dass es dabei keine entscheidende Rolle spiele, ob das Vorliegen von Kopien (im vorliegenden Fall durch das geschulte Auge eines Polizeibeamten) erkennbar sei. Vielmehr komme es auf den Willen des Fälschers an, ob er die Kopien zur Verwendung als (falsches) Original geschaffen habe oder als bloße Kopie in den Rechtsverkehr bringen wollte. Hierbei könne die Qualität des Falsifikats allerdings eine Indizwirkung entfalten. Je besser die Qualität sei, umso mehr spreche für die Fälschungsabsicht des Täters. Das OLG wies die Sache zur Klärung an das Amtsgericht zurück. Dies müsse in einer neuen Hauptverhandlung feststellen, ob der Autofahrer bei Herstellung der Ausweiskopien die Absicht hatte, mit diesen zur Vortäuschung seiner Parkberechtigung den Anschein von Urschriften zu erwecken (OLG Stuttgart, 1 Ss 13/06).

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Fahrtenbuch: Bei falschen Angaben zum Fahrer kann Fahrtenbuchpflicht verhängt werden

Die Straßenverkehrsbehörde kann nach einem Verkehrsverstoß den Pkw-Halter zur Führung eines Fahrtenbuchs verpflichten, wenn dieser falsche Angaben zur Person des Fahrers macht.

Dies geht aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Neustadt hervor. Das Gericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Fahrzeug wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen war. Bei der Anhörung gab der Halter Namen und Adresse einer Person an, die das Auto gefahren haben sollte. Die Angaben erwiesen sich jedoch als falsch, die genannte Person gab es gar nicht. Die Behörde verpflichtete daraufhin den Halter des Pkw, ab sofort für die Dauer eines Jahres ein Fahrtenbuch zu führen. Hiergegen erhob dieser Widerspruch und wandte sich an das Gericht.

Das VG bestätigte die Maßnahme der Behörde jedoch als rechtmäßig. Sei es nach einem Verstoß gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich, den Fahrer zu ermitteln, könne dem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden, wenn dieser nicht das ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen habe. So liege der Fall hier. Es sei davon auszugehen, dass der Betreffende zur Person des Fahrers im Tatzeitpunkt unrichtige Angaben gemacht habe. Er dürfe deshalb durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (VG Neustadt, 3 L 677/06.NW).

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Mietwagenkosten: "Aktives Schadenmanagement" als unzulässige Rechtsbesorgung

Ein Kfz-Haftpflichtversicherer verstößt gegen das Rechtsberatungsgesetz, wenn er einem Geschädigten mitteilt, er könne ihm ein Mietfahrzeug zu einem bestimmten Tagespreis vermitteln.

Diese Klarstellung traf jetzt das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem Streit um Mietwagenkosten. "Wir können Ihnen ein Mietfahrzeug zu einem Tagespreis von netto 50 EUR vermitteln (incl. aller km und Haftungsbefreiung). Im Bedarfsfall rufen Sie uns bitte an" - so lautete das Angebot des gegnerischen Versicherers. Die Geschädigte ließ es unbeachtet und mietete bei einem Autovermieter ihrer Wahl. Dessen höhere Kosten wollte der Versicherer anschließend nicht ersetzen.

So gehe es nicht, musste sich der Versicherer jedoch von den Richtern sagen lassen. Das Angebot sei eine unerlaubte Rechtsbesorgung. Wegen dieses Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz sei es nichtig und damit nicht annahmefähig. Der Geschädigten falle daher bei Nichtannahme kein Verstoß gegen ihre Schadenminderungspflicht zur Last. Der Versicherer müsse vielmehr auch die über 50 EUR hinausgehenden Mietwagenkosten tragen (LG Nürnberg-Fürth, 8 S 1649/05, rkr.).

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Abschließende Hinweise


Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 beträgt 1,95 Prozent.
Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,95 Prozent

  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 4,45 Prozent

  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 9,95 Prozent

Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:

  • vom 01.01.2006 bis 30.06.2006: 1,37 Prozent
  • vom 01.07.2005 bis 31.12.2005: 1,17 Prozent
  • vom 01.01.2005 bis 30.06.2005: 1,21 Prozent
  • vom 01.07.2004 bis 31.12.2004: 1,13 Prozent
  • vom 01.01.2004 bis 30.06.2004: 1,14 Prozent
  • vom 01.07.2003 bis 31.12.2003: 1,22 Prozent
  • vom 01.01.2003 bis 30.06.2003: 1,97 Prozent
  • vom 01.07.2002 bis 31.12.2002: 2,47 Prozent
  • vom 01.01.2002 bis 30.06.2002: 2,57 Prozent
  • vom 01.09.2001 bis 31.12.2001: 3,62 Prozent
  • vom 01.09.2000 bis 31.08.2001: 4,26 Prozent
  • vom 01.05.2000 bis 31.08.2000: 3,42 Prozent

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