Eltern haften für Urheberrechtsverletzungen im Internet

Details zum Urteil

  • Landgericht München I
  • Urteil
  • vom 19.06.2008
  • Aktenzeichen 7 O 16402/07
  • Sonstiges: nicht rechtskräftig
  • Abgelegt unter IT-Recht
  • Kommentiert von

Der Tatbestand

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz wegen der öffentlichen Zugänglichmachung von Bildkollagen im Videoformat auf einer Internetplattform durch die seinerzeit minderjährige Beklagte zu 3.

Die Klägerin ist Fotografin und nimmt für sich in Anspruch, Urheberin der 70 aus der Anlage 1 ersichtlichen Kinderfotografien zu sein, die sie unter ihrer Internetpräsenz … (vgl. Anlage 2 zum Schriftsatz vom 27.11.2007, Bl. 39/45) veröffentlicht habe. Auf dieser Internetpräsenz befindet sich nachfolgender Copyrightvermerk:

„© 2005-2007 … – Alle Bilder unterliegen dem Urheberrecht von …“

Die Beklagte zu 3 (Geburtsjahr 1990) ist Schülerin und seit Frühjahr 2006 unter dem Benutzernamen „Maike0912“ Inhaberin von Benutzerkonten bei den Internetportalen www.myvideo.de und www.video.web.de.

Die Beklagten zu 1 und 2 sind die Erziehungsberechtigten der Beklagten zu 3. Sie haben dieser einen Internetzugang zur Verfügung gestellt.

Die Beklagte hat am 19.5./22.5.2007 ohne Einwilligung der Klägerin folgende Videos auf den beiden Internetportalen online gestellt:

1. myvideo.de/watch/1509645, mit dem Titel „Ich liebe dich“, veröffentlich am 22.5.2007;
2. myvideo.de/watch/1509146, mit dem Titel „Erinner mich“, veröffentlich am 22.5.2007;
3. myvideo.de/watch/1482362, mit dem Titel „Wollte“, veröffentlich am 19.5.2007;
4. video.web.de/watch/1509146, mit dem Titel „Erinner mich“, veröffentlich am 22.5.2007;
5. video.web.de/watch/1509645, mit dem Titel „Ich liebe dich“, veröffentlich am 22.5.2007;
6. video.web.de/watch/1482362, mit dem Titel „Wollte“, veröffentlich am 19.5.2007;

Eine anwaltliche Abmahnung vom 8.8.2007 (vgl. K-Anlagen) blieb erfolglos.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Videos eine Kollage aus den 70 Kinderbildern gem. Anlage 1 beinhalten, die nach und nach angezeigt werden, sowie eingeblendete Gedichtstexte unbekannter Herkunft in Form einer Diashow bzw. Multimediapräsentation umfassen (vgl. den mit Schriftsatz vom 4.12.2007, Bl. 47/48, vorgelegten Datenträger). Hierbei handele es sich um eine unfreie Bearbeitung der von ihr geschaffenen Fotografien, so dass ihr daher gegen alle drei Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, eidesstattliche Versicherung, Schadensersatz und Freistellung von den vorprozessualen Anwaltsgebühren in Höhe von € 489,44 (1,3 Gebühr aus einem Streitwert in Höhe von € 5.000,- zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) zustünden.

Die Beklagte zu 3 hafte als Täterin. Sie habe die streitgegenständlichen Videos selbst hergestellt und über den elterlichen Internetzugang online gestellt. Dies ergebe sich bereits aus der Länge und der aufwändigen Herstellungsweise der Videos, die es als ausgeschlossen erscheinen ließen, dass die Beklagte zu 3 die Herstellung sowie das Hochladen von einem Internet-Cafe aus vorgenommen habe.

Die Beklagten zu 1 und 2 hafteten ebenfalls nach den Grundsätzen der Störerhaftung, denn sie hätten ihre elterlichen Belehrungs- und Prüfungspflichten verletzt. Sie hätten ihrer Tochter einen Internetanschluss zur Verfügung gestellt und diese dort nach Belieben schalten und walten lassen, ohne die Nutzung des Internets im Rahmen der elterlichen Aufsichtspflicht weiter zu prüfen.

Die Beklagten hätten die Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte zu 3 bereits in vorgerichtlichen Telefonaten eingeräumt.
(...)

Die Entscheidungsgründe

Die bislang gestellten Klageanträge sind zulässig und begründet.

A.
Nachdem die Beklagten den im Termin vom 24.1.2008 geschlossenen widerruflichen Vergleich (Prot. S. 3 = Bl. 60) fristgerecht mit Schriftsätzen vom 7.2.2008 (Bl. 63/64 und 65) widerrufen haben, war über die gestellten Anträge zu entscheiden.

Die protokollierten Erklärung des Klägervertreters (vgl. Prot. S. 3 = Bl. 60), er stelle die Anträge 1-5 aus dem Schriftsatz vom 2.10.2007, ist dahingehend auszulegen, dass im Rahmen der Stufenklage lediglich der Auskunftsantrag 1 sowie der Zahlungsantrag 5 gestellt werden, über die nun durch ein Teil- und Endurteil zu entscheiden war.

Antrag 1 ist nunmehr auch zulässig, da hinreichend bestimmt. Sowohl die verwendeten 70 Kinderfotos als auch die online gestellten Videos liegen vor, so dass die Reichweite der begehrten Auskünfte ermittelt werden kann (vgl. BGH NJW 1997, 2379, 2380 li. Sp. unter II.1 – grau/magenta; GRUR 2000, 228 – Musical- Gala, betr. Bezugnahme auf Anlagen).

B.
Klage gegen die Beklagte zu 3 Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte zu 3 zu.

I. Antrag 1 (Auskunft)

Der Klägerin steht der mit Antrag 1 geltend gemachte Auskunftsanspruch gem. §§ 97 Abs. 1, 16 Abs. 1, 19a, 72 Abs. 1 UrhG, § 242 BGB als Hilfsanspruch zu dem bestehenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 3 zu:

1. Soweit die Beklagte zu 3 die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, greift dies nicht durch. Denn angesichts des auf der Internetseite www....de enthaltenen Urhebervermerks ist gem. § 10 UrhG zu Gunsten der Klägerin zu vermuten, dass sie Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte als Lichtbildnerin gem. § 72 Abs. 1 ist.

2. Die Beklagte zu 3 räumt ein, die streitgegenständlichen online abrufbaren Videos unter Verwendung von Bildern erstellt zu haben, die sie ohne Einwilligung der Klägerin der Internetseite … entnommen habe. Durch das Herunterladen und Abspeichern der Bilder hat sie rechtswidrig in das allein der Klägerin zustehende Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG und durch das Online-Stellen der Videos in das ebenfalls allein der Klägerin zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19 a UrhG eingegriffen.

a. Soweit die Beklagte zu 3 unter Verweis auf angebliche Erinnerungslücken mit Nichtwissen bestreitet, hierbei gerade die 70 streitgegenständlichen Bilder verwendet zu haben, ist dieses Bestreiten gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Es handelt sich um eigene Handlungen und Wahrnehmungen der Beklagten zu 3.

Soweit tatsächlich Erinnerungslücken bestanden haben sollten, wären sie spätestens nach Vorlage des Datenträgers mit den Videofilmen durch die Klägerin im Schriftsatz vom 4.12.2007 (Bl. 47/48) ausgeräumt worden.

b. Soweit sich auch die Beklagte zu 3 auf eine freie Bearbeitung gem. § 24 UrhG beruft, greift dies schon mangels substantiiertem Vortrag nicht durch. Denn die individuellen Züge der vorbestehenden Werke, der Fotos, verblassen beim Betrachten einer Diashow als neuem Werk regelmäßig nicht. Dass und warum dies hier anders sein soll, legt die Beklagte zu 3 nicht dar. Es ist daher davon auszugehen, dass allenfalls eine unfreie Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG vorliegt.

3. Der Beklagten zu 3 liegt hierbei auch Verschulden, jedenfalls in Form der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB), zur Last. Denn wer fremde Werke nutzt, hat sich zuvor über sein Recht zur Nutzung zu vergewissern (Schricker, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rdn. 52 mwN). Dies gilt auch für Minderjährige, jedenfalls ab dem 15. Lebensjahr (vgl. OLG Hamburg NJOZ 2007, 5761, 5763, im Hinblick auf eine 15jährige Internetnutzerin; ebenso: Urt. d. Kammer v. 25.9.2003, Az. 7 O 5013/03 = ZUM 2004, 150, für einen 14-Jährigen).

Vorliegend hätte dazu bereits aufgrund des Urhebervermerks auf der Seite … Anlass bestanden.

4. Die Beklagte zu 3 war zur Tatzeit auch voll deliktsfähig im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB.

a. Nach dieser Vorschrift ist jemand, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zugefügt hat, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte.

b. Dies ist nach der Rechtssprechung dann gegeben, wenn der Minderjährige die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat, d.h. nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein, oder anders ausgedrückt, wenn der die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seiner Handlung gegenüber Mitmenschen und zugleich die Verpflichtung zu erkennen, in irgendeiner Weise für die Folgen seiner Handlung selbst einstehen zu müssen. Der Mangel an Einsichtsfähigkeit ist hierbei vom minderjährigen Schädiger zu behaupten und zu beweisen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 828 Rdn. 6 mwN).

c. Vorliegend war die Beklagte zu 3 zur Tatzeit unstreitig erst 17 Jahre alt, so dass der Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich eröffnet ist. Die Beklagte zu 3 hat jedoch nicht nachgewiesen, dass ihr damals die notwendige Einsichtsfähigkeit fehlte. Sie hat für ihre von der Klägerin bestrittene Behauptung keinen Beweis angeboten.

Im Übrigen sprechen ihr die eigenen Eltern für den damaligen Zeitpunkt volle Einsichtsfähigkeit zu (vgl. Schriftsatz vom Schriftsatz vom 23.10.2007 S. 6 = Bl. 27). Auch die weitreichenden Computer- und Internetkenntnisse, die die Beklagte zu 3 durch den IT-Kurs in der Schule erworben und die sie durch die Tat an den Tag gelegt hat, sprechen gegen das Fehlen der Einsicht, dass fremde Werke nicht einfach heruntergeladen und anderweitig online gestellt werden dürfen (urt. d. Kammer v. 25.9.2003 aaO S. 16 f.).

5. Da die Klägerin noch zwischen den drei im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht anerkannten Berechnungsmethoden wechseln kann, waren die beantragten Auskünfte trotz des angekündigten und allein auf Lizenzanalogie ausgerichteten Antrags 3 in vollem Umfang zuzusprechen. Die Auskünfte gem. 1. a) und
b) sind im Rahmen der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie von Bedeutung, die Auskunft 1. c) für den Schadensersatz durch Gewinnherausgabe.

II. Antrag 2 (Abmahnkosten)

Der Klägerin steht auch der mit Antrag 2 geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gegen die Beklagte zu 3 als Teil des entstandenen Schadens bzw. nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) zu, da die vorgerichtliche Aufforderung an die Beklagte, weitere Rechtsverletzungen zu unterlassen, auch in deren Interesse lag (vgl. BGH GRUR 1970, 189, 190 - Fotowettbewerb; GRUR 1984, 129, 141 – shop-in-shop). Denn aufgrund der Urheberrechtsverletzung schuldete sie neben Auskunft und Schadensersatz auch Unterlassung (§ 97 Abs. 1 UrhG).

Die Höhe der in der Rechnung vom 8.8.2007 geltend gemachten Abmahnkosten ist nicht zu beanstanden.

Der angesetzte Streitwert in Höhe von € 5.000,- ist keinesfalls übersetzt. Die angesetzte
Geschäftsgebühr von 1,3 entspricht der Regelgebühr (§§ 2, 13 RVG; Nr. 2300 VV RVG), die unabhängig vom Zeitpunkt der Vollmachtserteilung entstanden ist. Es ergibt sich somit eine Gebührenforderung für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von € 391,30 zuzüglich € 20,- Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) sowie zuzüglich 19% Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG), da die Beklagte zu 3 nicht nachgewiesen hat, dass die Klägerin umsatzsteuerabzugsberechtigt ist, mithin insgesamt € 489,45.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB. Aufgrund der eindeutigen Antragsfassung konnten nur ein Zinssatz in Höhe von 5% zugesprochen werden (§ 308 Abs. 1 ZPO).

C.
Klagen gegen die Beklagten zu 1 und 2 Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auch gegen die Beklagten zu 1 und 2 zu.

I. Antrag 1 (Auskunft)

Der Klägerin steht auch gegen die Beklagten zu 1 und 2 der mit Antrag 1 geltend gemachte Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zu dem bestehen Schadensersatzanspruch gem. § 242 BGB zu, denn die Beklagten zu 1 und 2 haften zumindest wegen Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht gem. § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB.

1. Die Beklagten zu 1 und 2 haften zwar nicht als Mittäter oder Beteiligte gem. § 830 BGB, denn insoweit fehlt es sowohl an einer vorsätzlich begangenen Haupttat (vgl. oben), als auch an einem vorsätzlichen Mitwirken hieran.

2. Die Beklagten zu 1 und 2 haben jedoch ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt, so dass sie gem. §§ 832 Abs. 1 Satz 1, 840 Abs. 1 BGB neben der Beklagten zu 3 als Gesamtschuldner haften:

a. Nach § 832 Abs. 1 BGB ist derjenige, der kraft Gesetz zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder ihren geistigen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

aa. Nach der Rechsprechung des BGH bedürfen Minderjährige stets der Aufsicht (BGH NJW 76, 1145), lediglich deren Inhalt und damit der Entlastungsbeweis gem. Satz 2 richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 4).

Die Aufsichtspflicht der Eltern ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 1626 ff., 1671 ff, 1757, 1765 BGB).

Im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der widerrechtlichen Schadenszufügung genügt die Erfüllung des objektiven Tatbestandes einer unerlaubten Handlung. Auf ein Verschulden des Aufsichtsbedürftigen kommt es ebenso wenig an, wie auf dessen Deliktsfähigkeit (Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 7 mwN).

bb. Der Aufsichtspflichtige kann den Entlastungsbeweis nach Satz 2 dadurch führen, dass er umfassend und konkret darlegt und beweist, dass er entweder seine Aufsichtspflicht erfüllt hat, oder dass der Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung oder wiederholter Belehrung entstanden wäre. Der Aufsichtsichtspflichtige hat seine Pflicht erfüllt, wenn er das im Hinblick auf Alter, Eigenart und Charakter des Aufsichtsbedürftigen sowie das im Hinblick auf die zur Rechtsgutverletzung führende konkrete Situation Erforderliche getan hat (vgl. Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 8 mwN).

Aufsicht bedeutet, den Aufsichtsbedürftigen zu beobachten und zu überwachen, zu belehren und aufzuklären, falls erforderlich bezüglich seines Verhaltens zu leiten und zu beeinflussen. Die insoweit gebotene Intensität der Aufsicht richtet sich einerseits nach der Person des Aufsichtsbedürftigen, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und andererseits nach dem Ausmaß der Gefahr, die von der konkreten Situation für Rechtsgüter Dritter ausgeht und somit nach den konkreten Umständen (vgl. Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 9 mwN).

Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich bei Minderjährigen nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens, insgesamt danach, was verständige Eltern vernünftigerweise in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Hinsichtlich der äußeren Situation besteht bei erhöhtem Gefahrenpotential für Dritte eine gesteigerte Aufsichtspflicht. Bezüglich der Person des Kindes muss das Ziel berücksichtigt werden, zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu erziehen, die Eroberung und das Entdecken von Neuland ist angemessen zu ermöglichen. Belehrung, Aufsicht und Überwachung müssen aber umso intensiver sein, je geringer der Erziehungserfolg ist, auch bei älteren Kindern.

Der Aufsichtspflichtige muss sich daher zur Feststellung des Umfangs seiner Pflicht auch darum kümmern, womit sich die Kinder in der Freuzeit beschäftigen, sie insoweit gelegentlich beobachten, beim Aufräumen des Kinderzimmers und Säubern der Kleidung auf Gegenstände achten, mit denen sich die Kinder beschäftigen (vgl. Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 10 mwN).

Bei der Überlassung von gefährlichen Gegenständen durch den Aufsichtspflichtigen ist eine Belehrung über die Gefährlichkeit grundsätzlich erforderlich (vgl. Palandt/Sprau aaO § 832 Rdn. 11 mwN).

b. Vorliegend hat die Klägerin die oben genannten Voraussetzungen der Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 2 gem. § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB ausreichend dargelegt:

aa. Die Beklagten zu 1 und 2 waren zur Tatzeit unstreitig die Erziehungsberechtigten der damals minderjährigen Beklagten zu 3.

bb. Die Beklagte zu 3 hat ohne Erlaubnis der Klägerin in die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin eingegriffen (vgl. oben).

Soweit die Beklagten zu 1 und 2 dies mit Nichtwissen bestreiten, ist dies gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig.

Denn die Urheberrechtsverletzungen wurden über den Internetanschluss der Beklagten zu 1 und 2 durch deren Tochter begangen. Insoweit hat die Klägerin schlüssig vorgetragen, dass die Anfertigung und das Hochladen der streitgegenständlichen Videos so viel Zeit beansprucht haben muss, dass dies nur vom heimischen PC aus erfolgt sein kann und nicht etwa von einem Internetcafe aus. Die Beklagten zu 1 und 2 haben weder dies noch die Urheberrechtsverletzung als solche substantiiert bestritten. Ein wirksames Bestreiten hätte einen konkreten Vortrag zu diesen Fragen erfordert. Soweit die Beklagten zu 1 und 2 hierzu aus tatsächlichen Umständen nicht in der Lage waren, hätten sie ihre Tochter befragen oder einen Fachmann mit der Auswertung des Computers bzw. der Verbindungsdaten beauftragen müssen.

c. Den Beklagten zu 1 und 2 ist der Entlastungsbeweis gem. § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegend nicht geglückt:

Sie haben keine einzige Maßnahme der Belehrung oder Überwachung im Hinblick auf die Nutzung des von ihnen bereitgestellten Internetanschlusses durch ihre Tochter vorgetragen.

aa. Eine einweisende Belehrung ist hierbei jedoch grundsätzlich zu fordern (so auch: OLG Frankfurt CR 2008, 243, 244 li. Sp.; LG Hamburg MMR 2006, 700; 2007, 131; vgl. Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 548 ff. mwN), da die Nutzung eines Computers mit einem Internetanschluss - soweit keine „Flat-Rate“ vereinbart worden ist - nicht nur erhebliche Verbindungsgebühren verursachen kann, sondern auch erhebliche zivilrechtliche Haftungsrisiken birgt, von den Gefahren, die durch jugendgefährdende Inhalte ausgehen, ganz zu schweigen. Ein mit dem Internet verbundener Computer steht insoweit einem „gefährlichen Gegenstand“ im Sinne der oben zitierten Rechtssprechung gleich.

Die Ausführungen des Landgerichts Mannheim (MMR 2007, 267 f.), denen sich die Kammer im Urteil vom 4.10.2007 (CR 2008, 49, 51 re. Sp.) angeschlossen hat, stehen dem nicht entgegen, da in den beiden früher entschiedenen Fällen die Überlassung des Internetanschlusses an ein voll Geschäftsfähigen (an den volljährigen, noch zu Hause lebenden Sohn bzw. an einen Mitarbeiter) Streitgegenstand war. Eine einweisende Belehrung und Erklärung über die mit der Nutzung des Internets verbundenen Gefahren sieht auch das LG Mannheim bei Kindern und Jugendlichen als zwingendes Mindestmaß notwendiger Aufklärung an.

bb. Soweit die Beklagten zu 1 und 2 darauf verweisen, dass vorliegende eine Belehrung ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei, da ihre Tochter technisch auf dem Gebiet Computer/Internet wesentlich versierter gewesen sei, ist dies mit der Frage der haftungsrechtlichen Risiken der Internetnutzung nicht gleichzusetzen. Auch aus dem von der Beklagten zu 3 besuchten IT-Kurs in der Schule kann ein Entfallen derBelehrungsbedürftigkeit nicht gefolgert werden, da dessen Lerninhalte nicht mitgeteilt wurden.

Ob aus der allgemeinen Diskussion insbesondere bezüglich der urheberrechtlichen Zulässigkeit sogenannter Tauschbörsen im Internet der Belehrungsbedarf bei der Beklagten zu 3 entfallen ist, ist zweifelhaft. Es hätten gute Gründe dafür gesprochen, dies zum Anlass eines Belehrungsgesprächs zu nehmen. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben.

cc. Denn unabhängig von der Notwendigkeit eines einleitenden Belehrungsgespräches erfordert die elterliche Aufsichtspflicht auch eine laufende Überwachung dahingehend, ob sich die Internetnutzung durch das Kind in dem durch die einweisende Belehrung gesteckten Rahmen bewegt (so im Ergebnis auch: OLG Frankfurt CR 2008, 243, 244 li. Sp.; LG Hamburg MMR 2006, 700; 2007, 131).

Die Beklagten zu 1 und 2 haben nichts dazu vorgetragen, dass, wann und wie eine derartige Überwachung stattgefunden hat. Sie haben auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass eine laufende Überwachung ausnahmsweise entbehrlich war. Auf die obigen Ausführungen zu den angeblich besseren Computerkenntnissen und den besuchten IT-Kurs wird verwiesen.

Aus dem Vortrag, dass den Beklagten zu 1 und 2 bis dato keine anderweitigen von der Beklagten zu 3 mit Hilfe des elterlichen Internetanschlusses begangenen Urheberrechtsverletzungen bekannt geworden seien, wäre selbst bei Wahrunterstellung nicht zu folgern, dass die Überwachsungspflicht ausnahmsweise entfallen ist. Denn diese Behauptung sagt nichts dazu aus, ob sich die Beklagte zu 3 bis dato tatsächlich rechtstreu verhalten hat.

Die Frage nach dem konkret erforderlichen Umfang derartiger Überwachungsmaßnahmen kann daher vorliegend offen bleiben. Eine zumindest einmalige Überwachung in diesem Sinne wäre jedenfalls zumutbar gewesen.

d. Den Beklagten zu 1 und 2 liegt hierbei auch Verschulden, jedenfalls in Form der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB), zur Last. Denn sie haben den Umfang der sie treffenden elterlichen Aufsichtspflicht fahrlässig verkannt.

3. Den Beklagten ist die Erteilung der Auskünfte auch möglich, da sie Inhaber des Internetanschlusses sind und darüber hinaus auch ihre Tochter befragen können.

II. Antrag 2 (Abmahnkosten)

Der Klägerin steht auch der mit Antrag 2 geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Teil des entstandenen Schadens bzw. nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) zu, da die vorgerichtliche Aufforderung an die Beklagten zu 1 und 2, weitere Rechtsverletzungen zu unterlassen, auch in deren Interesse lag. Denn aufgrund der schuldhaften Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht schuldeten die Beklagten zu 1 und 2 neben Auskunft und Schadensersatz auch Unterlassung (§§ 832, 1004 BGB).

Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer B.II verwiesen.

D.
Nebenentscheidungen

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 4.3.2008 war gem. § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen und gab auch keine Veranlassung (§ 156 Abs. 1 ZPO), die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Kommentar von

Die Rechtsprechung des LG München I setzt sich großzügig über die vom BGH entwickelten Grundsätze der Störerhaftung hinweg. Der BGH (siehe: ambiente.de) betont, dass ein mittelbarer Störer nur dann haftet, wenn eine Rechtsverletzung für ihn unschwer zu erkennen ist. Bereits daran fehlt es bei einem Missbrauch des Anschlusses durch Familienangehörige regelmäßig.  

Die Frage der vom Landgericht München I postulierten Pflicht, Kinder und Familienangehörige zu überwachen, stellt sich dann erst gar nicht. Insoweit spricht der BGH aber auch stets von zumutbaren Prüfpflichten, die nicht überspannt werden dürfen. Es ist aber weder zumutbar noch möglich, das Internetnutzungsverhalten eines 16-jährigen (lückenlos) zu überwachen. Insoweit geht die Rechtsprechung des Landgerichts München I gänzlich an der Lebenswirklichkeit vorbei.

Gleiches gilt auch für die vom Landgericht angenommene Verletzung der Aufsichtspflicht im Rahmen der deliktischen Haftung nach § 832 BGB. Insoweit ist durch die Rechtsprechung des BGH ausreichend geklärt, dass  im Spannungsverhältnis von Erziehung und Beaufsichtigung v.a. auch das Ziel zu berücksichtigen ist, Kinder zu selbständigem, eigenverantwortlichem Verhalten zu erziehen. Bei nicht auffälligen oder gefährdeten Kindern ist deshalb lediglich eine gelegentliche Beobachtung ihrer Freizeitaktivitäten am Platze. Die Entscheidung des LG München I läuft demgegenüber im Ergebnis allerdings auf eine Pflicht zur lückenlosen Überwachung der Internetnutzung selbst von 16-jährigen Kindern hinaus. Das ist weit überzogen und bewegt sich nicht auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen.

Eine ganze Reihe anderer Gerichte haben dieselbe Frage abweichend vom LG München I entschieden und gehen zu Recht davon aus, dass eine allgemeine und anlassunabhängige Pflicht, das Nutzungsverhalten von Familienanghörigen zu überwachen nicht besteht.

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