Das neue Urheberrecht

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  • vom 17.09.2003
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht

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  1. Weitere Informationen

Das "Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" ist am 13.09.03 in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wird die EU-Richtlinie 2001/29 des Europäischen Parlaments und des Rates umgesetzt und das Urheberrechtsgesetz (UrhG) in mehreren Punkten geändert und ergänzt und nach der Vorstellung des Gesetzgebers an die Notwendigkeiten des digitalen Zeitalters angepasst.Dieser Beitrag befasst sich mit einigen zentralen Änderungen bzw. Neuerungen des Urheberrechts.

1. Einführung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung

Der Gesetzgeber hat mit § 19 a UrhG in Umsetzung der Richtlinie ein neues Verwertungsrecht des Urhebers, das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung geschaffen. Es handelt sich nach § 15 Abs. 2 UrhG um einen Unterfall des Rechts der öffentlichen Wiedergabe. 

Der Urheber hat danach das ausschließliche Recht, sein Werk der Öffentlichkeit so zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten oder Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Dieses neue Verwertungsrecht soll gerade auch die Bereitstellung von Inhalten über das Internet umfassen und somit Rechtssicherheit schaffen, nachdem bislang in den verschiedensten Fallkonstellationen häufig umstritten war, ob im konkreten Fall eine urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung vorlag.

Es ist damit zu rechnen, dass auch Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Werke nunmehr als eine Verwertungshandlung in Form der öffentlichen Zugänglichmachung angesehen werden. 

2. Einschränkung des Rechts auf Privatkopie

Auf den ersten Blick erscheint es so, als hätte der Gesetzgeber die Vervielfältigungsfreiheit zu privaten Zwecken weitgehend unangetastet gelassen. Nach § 53 Abs. 1 UrhG ist es natürlichen Personen weiterhin erlaubt, einzelne Vervielfältigungen von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten Gebrauch anzufertigen. 

Eine inhaltliche Einschränkung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nimmt der Gesetzgeber allerdings vor, indem er verlangt, dass die Kopiervorlage nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt worden sein darf. Hierdurch soll vor allem der Download urheberrechtlich geschützter Musikstücke und Filme über sog. Tauschbörsen unterbunden werden. 

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dem Nutzer einer Musiktauschbörse wie Kaaza bewusst, dass der Download von Werken der Musik auf diesem Weg durch den Rechtsinhaber nicht gestattet ist, weshalb ihm auch klar sein muss, dass die Kopiervorlage rechtswidrig hergestellt worden ist. Das mag für die Musik von bekannten Künstlern zutreffend sein. Ob der Nutzer allerdings in jedem Fall davon ausgehen muss, dass Musikdateien, die er unter Zuhilfenahme der Software einer Tauschbörse herunter laden kann, offensichtlich rechtswidrig sind, darf bezweifelt werden. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die Musikindustrie - wenn auch nur vereinzelt - aus werbetechnischen Gründen selbst Musiktitel ihrer Künstler zum Download anbietet. Außerdem stellen gerade unbekannte Künstler ohne Plattenvertrag ihre Musik kostenlos ins Internet und gestatten häufig ausdrücklich die unentgeltliche Weiterverbreitung.

Ob der Nutzer beim Download von Musik also tatsächlich das Bewusstsein hat, dass die von ihm benutzte Kopiervorlage offensichtlich unter Verstoß gegen das Urheberrecht hergestellt worden ist, muss in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Man sollte sich aber davor hüten, dieses Bewusstsein nunmehr stets als gegeben anzusehen. 

Es lässt sich außerdem auch die Frage diskutieren, ob eine ursprünglich rechtmäßig erstellte Privatkopie einer Musikdatei, die sich auf dem PC des Nutzers befindet, nachträglich dadurch rechtswidrig wird, dass sie für das Filesharing über eine Tauschbörse freigegeben worden ist. 

Eine solche Freigabe wäre zwar ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19 a UrhG. Es bleibt dennoch die Frage offen, ob diese Vorlage dadurch zu einer (offensichtlich) rechtswidrigen Kopiervorlage i.S.v. § 53 UrhG mutiert. 

Dies kann man durchaus bezweifeln, da die Vorschrift des § 53 UrhG von einer rechtswidrig hergestellten Vorlage spricht. In der geschilderten Konstellation wurde die Vorlage aber zunächst gerade rechtmäßig hergestellt. Die Tatsache, dass nun eine nicht erlaubte öffentliche Zugänglichmachung erfolgt, ändert an sich nichts daran, dass die Kopie rechtmäßig hergestellt worden ist. Auf diesen Aspekt hat Thomas Frank auf der Mailingliste NETLAW-L hingewiesen.

Es ist offenkundig, dass der Gesetzgeber dieses Ergebnis gerade vermeiden wollte, weil es dazu führen muss, dass auch beim Download von Musiktauschbörsen nie von einer offensichtlich rechtswidrigen Vorlage ausgegangen werden kann. Dem Gesetzgeber ist allerdings ein technischer Fehler unterlaufen, der in der Wortwahl "hergestellte Vorlage" zu sehen ist.

Obwohl der Wortlaut von § 53 UrhG für die skizzierte Art der Auslegung spricht, ist davon auszugehen, dass man sich in der juristischen Diskussion stärker auf den Sinn und Zweck der Norm stützen wird, um zum Ergebnis zu gelangen, dass jeglicher vorangegangener Urheberrechtsverstoß eine rechtmäßige Vorlage verhindert.

3. Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen

Die aus Sicht der Urheberrechtslobby entscheidende Regelung findet sich in § 95 a UrhG. Hiernach dürfen wirksame technische Maßnahmen, die dem Schutz eines Werks i.S.d. Urheberrechts dienen, nicht umgangen werden, sofern dem Handelnden bekannt sein muss, dass die Umgehung gerade deshalb erfolgt, um den Zugang zu einem geschützten Werk zu erlangen.

Die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen, die darauf abzielt, das Werk entgegen der Intension der technischen Maßnahme zu verwerten, insbesondere zu vervielfältigen, ist demnach verboten.

Ein Verstoß begründet zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche und ist nach § 108 b Abs. 1 UrhG sogar strafbar. Eine Straftat ist allerdings nicht gegeben, wenn die Umgehung des Kopierschutzes ausschließlich zum eigenen Gebrauch oder zum Gebrauch von nahestehenden Personen erfolgt.

Dient also die Umgehung des Kopierschutzes der Anfertigung einer Privatkopie, macht man sich zwar nicht strafbar, kann aber u.U. vom Rechteinhaber auf Schadensersatz und Unterlassung in Anspruch genommen werden. 

Entscheidende Bedeutung bei der Anwendung der Vorschriften der §§ 95a, 108b UrhG wird allerdings der Frage zukommen, was man unter einer wirksamen technischen Schutzmaßnahme zu verstehen hat. Diese Frage versucht § 95 a Abs. 2 UrhG zu beantworten, der folgendes normiert:

"Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird."

Bereits der Wortlaut macht deutlich, dass der Rechteinhaber einen konkreten Schutzmechanismus eingebaut haben muss, der im normalen Betrieb dazu bestimmt ist, Umgehungshandlungen zu unterbinden.

Die derzeit bei Musik-CD's üblichen Kopierschutztechniken versuchen durch eine Manipulation des CD-Standards zu verhindern, dass Audio-Dateien die über das CD-Rom-Laufwerk des PC's eingelesen werden, als solche erkannt werden, um ein digitales Kopieren dieser Audio-Dateien auf die Festplatte bzw. auf einen CD-Rohling zu unterbinden. Diese Technologien bezwecken also von vornherein nur die Verhinderung digitaler Kopien. Daraus folgt dann aber auch, dass diese Art des Kopierschutzes nicht dazu bestimmt ist, Kopien, die auf analogem Umweg, sei es herkömmlich über die Stereoanlage auf Band oder aber auch unter Benutzung der Soundkarte des Computers, zu verhindern.

Aber auch im Hinblick auf die Verhinderung digitaler Vervielfältigungen muss zumindest verlangt werden, dass der Kopierschutz eine gewisse Wirkung entfaltet und zumindest den Durchschnittsbenutzer davon abhält, unerwünschte digitale Kopien anzufertigen (so auch Mayer, CR 2003, 274, 279; Hoeren, MMR 2000, 515, 520). Wenn also ein Kopierschutzverfahren derart ineffektiv ist, dass der Nutzer das Vorhandensein einer Schutzmaßnahme u.U. überhaupt nicht bemerkt, so kann keinesfalls von einer wirksamen technischen Maßnahme gesprochen werden. 

Die derzeit zum Schutz von Musik auf den im Handel erhältlichen CD's eingesetzte Kopierschutztechnik sieht sich vielfach aber gerade mit diesem Problem konfrontiert. Der Autor hat 10 aktuelle Musik-CD's, die laut den Angaben auf der CD-Hülle kopiergeschützt sind, auf seinem heimischen Rechner - unter Windows 98 - sowohl in ein älteres No-Name-CD-Rom-Laufwerk, sowie in ein ebenfalls älteres Brennerlaufwerk des Herstellers Ricoh eingelegt. Unter Benutzung der handelsüblichen Software "Easy CD Creator" wurde getestet, ob die Audiodateien eingelesen und als WAV-Dateien auf die Festplatte kopiert werden können. Das Ergebnis war erstaunlich.

Das No-Name-Laufwerk nahm von dem Kopierschutz bei sämtlichen CD's keinerlei Notiz. Die einzelnen Audiotracks waren auf allen zehn CD's lesbar und konnte problemlos auf die Festplatte kopiert werden. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch bei Benutzung des Ricoh-Laufwerks. Von den 10 Musik-CD's ließen nur zwei das Kopieren der Audio-Dateien nicht zu.

Wenn der Nutzer allerdings die Musik-CD's ohne Überwindung irgendwelcher Hürden, ja ohne den Kopierschutz überhaupt bemerken zu müssen, vervielfältigen kann, liegt eine Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme sicherlich nicht vor. 

4. Fazit und Ausblick

Die Gesamtschau der Neuregelungen von § 53 und § 95 a UrhG zeigt, dass der Gesetzgeber ein in sich unstimmiges und widersprüchliches Gesamtkonzept gewählt hat.

Das Gesetz lässt das Recht auf Herstellung von Privatkopien zwar bestehen, gestattet es den Urhebern bzw. der dahinter stehenden Industrie aber gleichzeitig, beliebige Schutzmechanismen in ihre Daten- und Tonträger zu implementieren, die gerade darauf abzielen, jegliche Art von Vervielfältigung zu unterbinden. 

Die Gestattung der Aushebelung eines gesetzlich begründeten Rechts durch technische Maßnahmen dürfte auch in dogmatischer Hinsicht ein Novum sein. Das Gesetz geht dann aber noch einen Schritt weiter und stellt die Umgehung solcher Schutzmechanismen unter Strafe. Weil der Gesetzgeber diese Rechtsfolge gegenüber dem Privatkopierer dann aber doch scheute, hat er ihn von der Strafbarkeit sogleich wieder ausgenommen. Die Schadensersatzpflicht bleibt allerdings bestehen. Ein solcher gesetzgeberischer Ansatz, der nach dem Motto "wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass" verfährt, darf nicht auf allgemeine Akzeptanz hoffen.

Die Neufassung des UrhG räumt - ebenso wie die zugrundeliegende EU-Richtlinie - den Einzelinteressen der Urheberrechtsindustrie in nicht nachvollziehbarer Weise Vorrang vor den Gemeinwohlinteressen ein.

Die Gestattung der Vervielfältigung zu privaten Zwecken ist als Ausfluss der Sozialbindung des (geistigen) Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) nicht nur Aufgabe des Gesetzgebers, sondern entsprach aufgrund der bisherigen, ausgewogenen Regelung auch einem breiten gesellschaftlichen Konsens.

Ob sich die neuen Regeln praktisch bewähren werden, darf deshalb getrost bezweifelt werden.

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