Ausschluß des Versorgungsausgleichs

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Karlsruhe
  • Beschluss
  • vom 02.06.1999
  • Aktenzeichen 18 UF 35/97, 46 F 175/95 AG Frbg.
  • Abgelegt unter Familienrecht
  • Kommentiert von

Das Urteil

In der Familiensache (...)

wegen Ehescheidung

hier: Versorgungsausgleich

hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - beschlossen:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen Ziffer 2 des Urteils des Amtsgerichts Familiengericht- Freiburg vom 22.01.1997 (46 F 175/95) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf DM 6.854,88 festgesetzt.

Die Entscheidungsgründe

I.

Durch Verbundurteil vom 22.01.1997 hat das Familiengericht die am 16.08.1968 geschlossene Ehe der Parteien auf Antrag des Antragstellers, der der Antragsgegnerin am 02.08.1995 zugestellt worden ist, geschieden und in Ziffer 2 des Urteilsausspruchs den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, daß es zugunsten der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 571,24 DM übertragen hat. Es ist davon ausgegangen, daß der Antragsteller während der Ehezeit vom 01.08.1968 bis 31.07.1995 Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 1.223,73 DM und die Antragsgegnerin solche in Höhe von monatlich 81,26 DM erworben haben. Die Antragsgegnerin ist seit Anfang 1969 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen (vgl. Versicherungsverlauf BfA, 1 VA 71).

Das Familiengericht hat im Hinblick auf einen möglichen Ausschluß des Versorgungsausgleichs Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Veronika und Stefan K., T., Angelique und Olaf P. - Kinder der Parteien - und Pa.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die erstinstanzlichen Vernehmungsprotokolle vom 10.10.1996 (1, 143 ff.) und vom 13.01.1997 (1, 201 ff.) verwiesen.

Gegen Ziffer 2 des Urteilsausspruchs zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er einen Ausschluß bzw. eine Kürzung des Versorgungsausgleichs verfolgt.

Er trägt im wesentlichen vor, die Antragsgegnerin habe während der Ehe längere Zeit ihre Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt. Er selbst habe den Haushalt machen müssen. Zudem habe sie ihn im Jahr 1974 als " dreckigen, - stinkigen Jugoslawen" bezeichnet. Sie sei spätestens nach einem Jahr der Trennung zur Arbeitsaufnahme verpflichtet gewesen. Die lange Trennungszeit müsse zumindest zu einer Reduzierung des Versorgungsausgleichs führen.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und meint, es lägen keine Gründe für einen Ausschluß bzw. eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs vor.

II.

Die nach §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 und Abs. 3, 516 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zutreffend durchgeführt. Dieser ist gemäß § 1587 c BGB weder auszuschließen noch zu kürzen. Eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen sind und die Sache aufgeklärt ist.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegen die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 1 BGB nicht vor.

Die Inanspruchnahme des Verpflichteten kann zwar grob unbillig im Sinne dieser Vorschrift sein, wenn die Ehegatten vor dem Ende der Ehezeit (hier: 31.07.1995) längere Zeit getrennt gelebt haben (BGH, FamRZ 1993, 302, 303; 1994, 825, 827; Schwab/Hahne, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., VI, Rdn. 275). Für den Ausschluß oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs bleiben aber die Zeiten der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder bei der Berechnung der Trennungszeit außer Betracht (BGH, FamRZ 1985, 280, 282; Schwab/Hahne, a.a.O.; RGRK/Wick, BGB, 12. Aufl. 1995, § 1587 c Rdn. 54). Insoweit ist das Vertrauen des Berechtigten auf den Fortbestand seiner Alterssicherung schutzwürdig (vgl. BGH, FamRZ 1994, a.a.O.). Im vorliegenden Fall waren die beiden Kinder im Zeitpunkt der Trennung der Parteien im Jahr 1984 etwa 15-bzw. 10 Jahre alt. Der Sohn ist erst am 08.03.1992 18 Jahre alt und bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit betreuungsbedürftig gewesen. Zwischen dem Zeitpunkt der Heirat am 16.08.1968 bis zur Volljährigkeit des Sohnes liegen rund 23 1/2 Jahre. Die für den Ausschluß oder eine Kürzung des Versorgungsausgleichs maßgebliche Trennungszeit, ohne Berücksichtigung der Betreuungszeit für den am 08.03.1992 volljährig gewordenen Sohn, beträgt vom 08.03.1992 bis zur Zustellung des Scheidungsantrages am 02.08.1995 knapp 3 1/2 Jahre. Dieser festgestellte Zeitraum stellt im Verhältnis zur davorliegenden Zeit von 23 1/2 Jahren (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 2. Aufl., S 1587 c Rdn. 24) keine ungewöhnlich lange Zeit dar, die einen Ausschluß oder eine Kürzung des Versorgungsausgleichs rechtfertigt (vgl. BGH, FamRZ 1994, a.a.O.).

Soweit der Antragsteller meint, aus der angeblichen beleidigenden Äußerung der Antragsgegnerin im Jahr 1974 einen Ausschluß bzw. eine Kürzung des Versorgungsausgleichs ableiten zu können, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche einmalige persönliche Verfehlung läßt die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht unerträglich und damit grob unbillig erscheinen. 2. Es ist auch nicht davon auszugehen, daß ein treuwidriges Verhalten der Antragsgegnerin die Voraussetzungen der Härteklausel nach § 1587 c Nr. 2 BGB erfüllt.

Danach findet u.a. ein Versorgungssausgleich nicht statt, soweit der Berechtigte in Erwartung der Scheidung durch ein Handeln oder Unterlassen bewirkt hat, daß ihm zustehende Versorgungsanrechte, die in die Ausgleichsbilanz einzustellen gewesen wären, gar nicht erst entstanden sind. Es steht zwar fest, daß die Antragsgegnerin auch nach der Trennung der Parteien keiner rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Nichtaufnahme einer Erwerbstätigkeit, sofern überhaupt eine Verpflichtung dazu bestand, kann aber nur dann zu einem Ausschluß des Versorgungsausgleichs führen, wenn der Ausgleichsberechtigte die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im bewußten Zusammenhang mit der erwarteten Scheidung unterlassen hat (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., Rdn. 32). Erforderlich ist stets ein treuwidriges Verhalten, mit dem der Berechtigte zumindest auch die Entscheidung über den Versorgungsausgleich beeinflussen will (BGH, FamRZ 1986, 658, 659). Im vorliegenden Fall läßt sich mangels konkreter Anhaltspunkte, auch unter Berücksichtigung der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder bis zur Volljährigkeit, nicht feststellen, daß es für die Antragsgegnerin mit ein Motiv gewesen ist, von einer Arbeitsaufnahme auch deshalb abzusehen, um in den Genuß der wirtschaftlichen Vorteile aus der uneingeschränkten Durchführung des Versorgungsausgleichs zu gelangen. Damit ist auch ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 1587 a Nr. 2 BGB nicht gerechtfertigt.

3. Letztlich ist die Durchführung des Versorgungsausgleichs auch nicht nach § 1587 a Nr. 3 BGB grob unbillig

  • Der Antragsteller hat den Nachweis nicht erbracht, daß die Antragsgegnerin während der Ehe längere Zeit hindurch ihre Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat. Die Vorschrift erfaßt auch eine Verletzung der Naturalunterhaltspflicht durch Haushaltsführung und Kindererziehung.
  • Die erstinstanzlich einvernommenen Zeugen Veronika und Stefan K. haben insoweit im wesentlichen nur bekunden können, daß sie bei Besuchen in der Wohnung der Parteien beobachtet hätten, daß der Antragsteller zu Hause gebügelt und saubergemacht habe. Der Zeuge Stefan K hat nur einmal gesehen, daß der Antragsteller gebügelt hat, konnte sich im übrigen aber bei seiner Aussage, der Antragsteller habe "fast alles selber gemacht", an Einzelheiten nicht erinnern. Der Zeuge T kannte die "Hausmannseigenschaft" des Antragstellers nur vom Hörensagen. Der Zeuge Pa hat lediglich bekundet, daß der Antragsteller, wenn er abends nach Hause gekommen sei, durchaus auch mit dem Abwasch oder dem Bodensäubern beschäftigt gewesen sei.
  • Die Zeugen Angelique und Olaf P - Kinder der Parteien -haben demgegenüber ausgesagt, daß der Haushalt von ihrer Mutter und ihnen geführt worden sei (Angelique P) bzw., daß es nicht richtig sei, daß der Antragsteller den Hausmann "gespielt" habe (Olaf P).
  • Ohne auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen einzugehen, rechtfertigt das Ergebnis der Beweisaufnahme in keinem Fall die Annahme, daß die Antragstellerin ihre Pflicht, den Haushalt zu führen und die Kinder zu erziehen, bis zur Trennung längere Zeit hindurch gröblich verletzt hat.
  • Nach alledem kommt ein Ausschluß bzw. eine Kürzung des Versorgungsausgleichs nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 a Nr. 1

GKG (12 x 571,24 DM).

Kommentar von

Eine längere Dauer des Getrenntlebens der Parteien vor Zustellung des Scheidungsantrags gibt zwar Anlaß zu der Prüfung, ob der Versorgungsausgleich aus Billigkeitsgründen herabzusetzen ist; eine tatsächliche Herabsetzung oder ein Ausschluß hängt aber noch von weiteren Kriterien ab. Ein Verhältnis zwischen Zusammenleben und Trennung von 23 1/2 zu 3 1/2 Jahren genügt für eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht, ein Verhältnis von 21 zu 17 Jahren dagegen schon.

Zusätzlich zur besonders langen Dauer der Trennung muß jedoch noch geprüft werden, ob der Ausgleichsberechtigte auf den Erhalt der vom Ausgleichspflichtigen abgeleiteten Alterssicherung vertrauen durfte oder nicht.

Anhaltspunkte für ein solches schutzwürdiges Vertrauen sind Unterhaltsleistungen und Sonderzuwendungen des Ausgleichspflichtigen, die über den geschuldeten Betrag hinausgehen.