Urheberrechtsverstoß durch Suchdienst

Details zum Urteil

  • Landgericht Köln
  • Urteil
  • vom 02.12.1998
  • Aktenzeichen 28 O 431/98
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht

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  1. Der Tatbestand
  2. Die Entscheidungsgründe

Der Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist der Verlag SD-Zeitung. Sie betreibt unter der im Tenor angegebenen Internetadresse eine Online-Rubrikenanzeigen-Datenbank, in welcher Immobilienanzeigen, vorzugsweise aus dem Raum München, veröffentlicht werden. Die Rubrikenanzeigen-Datenbank, die die Verfügungsklägerin im Internet zur Verfügung stellt, ist größtenteils identisch mit dem Anzeigenteil der SD-Zeitung, die als meistgelesene Zeitung im Großraum München über einen sehr umfangreichen und auch überregional häufig abgefragten Anzeigenteil verfügt.

Die Verfügungsbeklagte bietet im Internet einen Suchdienst an, der eine kostenlose Auftragssuche in den Anzeigendatenbanken vieler Zeitungen und Online-Diensten mit zusammen über 70.000 Angeboten ermöglicht. Die Verfügungsbeklagte wirbt im Internet damit, daß durch ihren Suchdienst ein direkter zentraler, bequemer Zugang zum größten Anzeigenpool im deutschen Internet, den Anzeigen der Zeitungen geboten werden. Aufgrund von konkreten Suchaufträgen der Benutzer wird von der Verfügungsbeklagten u.a. auch die Online-Anzeigen-Daten bank der Verfügungsklägerin durchsucht. Diejenigen Anzeigen, die dem Suchauftrag inhaltlich entsprechen, werden sodann von der Verfügungsbeklagten im Originaltext unmittelbar an den Benutzer weitergegeben, wobei von der Verfügungsbeklagten angegeben wird, aus welcher Zeitung die Anzeige stammt und wann sie dort veröffentlicht wurde. Maximal erhält der Benutzer aufgrund des Suchauftrages von der Verfügungsbeklagten auf diese Weise 99 Suchergebnisse. Der Suchdienst der Verfügungsbeklagten ist für den Suchenden kostenfrei. Beide Parteien wollen ihr Online-Angebot künftig durch Werbeerlöse finanzieren (sogenannte Online-Bannerwerbung). (...)

Die Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung ist begründet, so daß die am 9.9.1998 erlassene einstweilige Verfügung auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verfügungsbeklagten mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten ist, daß der Tenor hinsichtlich der Internet-Adresse der Verfügungsklägerin zur Klarstellung zu berichtigen ist. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 87b Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative, § 87a UrhG.

Bei der Online-Anzeigen-Datenbank der Verfügungsklägerin handelt es sich um eine nach § 87a Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Datenbank. Datenbank im Sinne dieser Vorschrift ist eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Anzeigendatenbank der Verfügungsklägerin enthält eine systematisch und methodisch angeordnete Zusammenstellung von Daten. Nach der weiten Definition des § 87a UrhG fallen auch Zusammenstellungen von einfachen Datensätzen unter den Datenbankbegriff, wie etwa Fernsprech- und Teilnehmerverzeichnisse. Unerheblich ist dagegen für die Schutzfähigkeit der Datenbank nach dieser Vorschrift, ob der Datenbankinhalt oder die Auswahl und Anordnung der Daten eine persönlich geistige Schöpfung darstellt (Fromm/Nordemann: UrhR, 9. Auflage 1998, § 87a Rnrn. 1. und 2.). Wie die Verfügungsklägerin nachvollziehbar dargelegt hat, erfordert die Beschaffung und Unterhaltung des Anzeigenmarktes auch eine nach Art und Umfang wesentliche Investition. Die fortlaufende Entgegennahme, Aufbereitung und redaktionelle Verarbeitung der Anzeigen ist nämlich mit einem erheblichen Personal- und Sachaufwand verbunden.

Das nach § 87a UrhG geschützte Recht des Datenbankherstellers ist gemäß § 87b UrhG nicht nur gegen die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der gesamten Datenbank oder von wesentlichen Teilen der Datenbank geschützt, sondern unter den Voraussetzungen des § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG auch gegen eine wiederholte und systematische Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen.

Dies ist vorliegend zu bejahen. Indem die Verfügungsbeklagte aufgrund von konkreten Suchaufträgen die Anzeigenbank der Verfügungsklägerin durchsucht und dem Suchenden die dem Suchauftrag entsprechenden Anzeigen in einer Anzahl von bis zu 99 Anzeigen pro Suchauftrag weitergibt, verbreitet sie nach Art und Umfang unwesentliche Teile der Datenbank der Verfügungsklägerin.

Der Suchdienst läuft auch der normalen Auswertung der Datenbank zuwider und enthält eine unzumutbare Beeinträchtigung der Interessen des Datenbankherstellers. Denn die Verfügungsbeklagte benutzt den Online-Dienst der Verfügungsklägerin nicht, um sich selbst Informationen über den Inhalt der Anzeigen zu verschaffen, sondern für eigene kommerzielle Zwecke. Die gezielte und systematische Durchsuchung der Datenbank der Verfügungsklägerin und Verbreitung von bestimmten Suchergebnissen stellt eine Ausbeutung des fremden Leistungsergebnisses dar. Die Verfügungsbeklagte erlangt damit die in den Werbeeinnahmen liegenden wirtschaftlichen Vorteile, ohne selbst den Aufwand und die Kosten für den Anzeigenmarkt aufwenden zu müssen. Damit wird zugleich die wirtschaftliche Verwertung der Datenbank durch die Verfügungsklägerin als Herstellerin gefährdet. Denn es besteht die Gefahr, daß die Suchenden keine Anfragen mehr bei der Verfügungsklägerin tätigen. Auch wenn die Quelle der Anzeige von der Verfügungsbeklagten dem Suchenden mitgeteilt wird, veranlaßt dies nämlich keinen weiteren Abruf des Online-Dienstes der Verfügungsklägerin, da die Anzeige bereits komplett von der Verfügungsbeklagten wiedergegeben wurde.

Damit greift vorliegend der Schutzzweck der §§ 87a und b UrhG ein, der darin besteht, den Datenbankhersteller davor zu bewahren, daß Benutzer der Datenbank oder Konkurrenten sich die Ergebnisse seiner finanziellen und beruflichen Investition aneignen, die für die Beschaffung und das Sammeln des Datenbankinhalts getätigt worden sind. (...)