Zweiwochenfrist auch bei außerordentlicher Kündigung eines Dienstvertrages

Details zum Urteil

  • Bundesgerichtshof
  • Urteil
  • vom 19.11.1998
  • Aktenzeichen III ZR 261/97
  • Abgelegt unter Arbeitsrecht

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  1. Der Tatbestand
  2. Die Entscheidungsgründe

Frau Rechtsanwältin Katharina Frösner-Brandl ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentums­recht (seit 2006)  sowie Fachanwältin für Erbrecht (seit 2021) in der Anwaltskanzlei Frösner & Partner mbB in Freising bei München.

Zugleich ist sie Fachanwältin für Arbeitsrecht (seit 2003) und Mediatorin.

Der Tatbestand

Die Beklagten zu 1, 2, 4 und 6 sind Reiseveranstalter, die zur L.-Unternehmensgruppe gehören. Die Beklagte zu 5 ist für sie als Reiseleiterorganisation tätig. Geschäftsgegenstand der Klägerin ist die Betreuung von Touristen auf den griechischen Inseln Rhodos, Kos und Karpathos. Im Rahmen von Geschäftsbeziehungen, die teilweise bis auf das Jahr 1980 zurückgingen, schlossen die Parteien am 26. Juni 1995 eine dem deutschen Recht unterstellte, als " Dienstleistungs-/Agenturvertrag" bezeichnete Vereinbarung, aufgrund deren es der Klägerin oblag, bestimmte, im einzelnen bezeichnete Arten von Dienstleistungen bei der Organisation von Reisen und der Betreuung von Touristen zu erbringen. Unter anderem sollte die Klägerin - zumindest teilweise - den Zahlungsverkehr mit den örtlichen Leistungsträgern abwickeln.

Die Beklagten nahmen von ihnen behauptete Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung anvertrauter Gelder durch die Klägerin zum Anlaß, die Geschäftsbeziehungen mit Schreiben vom 8. Januar 1996 vorläufig zu suspendieren. Nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin am 22. Januar 1996 kündigten die Beklagten mit Schreiben vom 7. Februar 1996 den Vertrag vom 26. Juni 1995 "aus wichtigem Grund fristlos mit sofortiger Wirkung". Dieses Schreiben wurde der Klägerin mit Telefax am selben Tage übermittelt.

Die Klägerin hält die fristlose Kündigung für unwirksam und macht im Wege der Stufenklage die auf dem mit den Beklagten geschlossenen Vertrag beruhenden Ansprüche bis zu dessen regulärem Vertragsende (31. Oktober 1996) geltend. Sie begehrt von den Beklagten zunächst Auskünfte, die im wesentlichen die Zahl der Buchungen und Beförderungen auf den Inseln Kos, Rhodos und Karpathos in dem Zeitraum von März 1996 bis zum 31. Oktober 1996 betreffen, bei der Beklagten zu 5 darüber hinaus auch die Höhe von Vergütungen und Provisionen.

Die Beklagten halten die fristlose Kündigung für wirksam und beantragen die Abweisung der Klage. Die Beklagten zu 1 und 6 haben darüber hinaus gegen die Klägerin Widerklagen erhoben, die aber nicht Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind.

Die Vorinstanzen haben die Beklagten im wesentlichen antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Die Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Beide Vorinstanzen haben mit Recht entschieden, daß die von den Beklagten am 7. Februar 1996 erklärte fristlose Kündigung des "Dienstleistungs-/Agenturvertrages" mit der Klägerin wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam gewesen ist und nicht zur Beendigung des Vertrages geführt hat.

1. Zu Unrecht zieht die Revision in Zweifel, daß dieser Vertrag ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB gewesen ist, in dessen Rahmen die Kündigungsregelung des § 626 BGB Anwendung findet.

a) Die grundlegenden Pflichten des Agenten (sc. der Klägerin) bestanden nach § 2 Nr. 1 des Vertrages in der Erbringung der "zur ordnungsgemäßen Planung, Vorbereitung und Durchführung der Reisen erforderlichen Dienstleistungen", die sodann in einem umfangreichen Katalog von Einzelpflichten näher definiert und inhaltlich ausgefüllt wurden.

b) Unbeschadet einzelner von der Revision aufgezeigter werkvertraglicher Elemente lag bei wertender Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt der Vertragspflichten der Klägerin in diesen Dienstleistungen selbst, also in dem Tätigsein als solchem. Die Klägerin schuldete nicht etwa insgesamt einen bestimmten Erfolg, für den sie nach den Regelungen der werkvertraglichen Gewährleistung hätte einstehen müssen (vgl. zu den Abgrenzungskriterien zwischen Dienst- und Werkvertrag: MünchKomm/Soergel, BGB, 3. Aufl. 1997, § 631 Rn. 7 ff; Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb. 1994 Vorbem. zu §§ 631 ff Rn. 22 ff, jeweils m.w.N.).

c) Gegen diese Einordnung spricht nicht entscheidend, daß die Klägerin in Erfüllung dieses Vertrages als selbständiger Kaufmann und auf eigenes Risiko handelte. Ebensowenig machte es den Vertrag zu einem Werkvertrag, daß die Dienstleistungen insbesondere nach der Zahl der Buchungen entgolten werden sollten (vgl. MünchKomm/Müller-Glöge, aaO. § 611 Rn. 27).

2. Der Vertrag unterlag der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB.

a) Diese Gesetzesbestimmung erhielt ihre jetzige Fassung durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106, 1108). In der Begründung zu dem Gesetzesentwurf wird ausdrücklich hervorgehoben, die Neufassung des § 626 Abs. 1 BGB bringe eine für alle Dienstverhältnisse, d.h. für Arbeitsverhältnisse und selbständige Dienstverhältnisse, geltende Vereinheitlichung der bisherigen Vorschriften über die außerordentliche Kündigung im Sinne einer Generalklausel des wichtigen Grundes (BT-Drucks. V/3913 S. 11). Auch bei der Festlegung der Zwei-Wochen-Frist für die Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts in dem neu geschaffenen § 626 Abs. 2 BGB fehlt eine Unterscheidung zwischen abhängigen Arbeitsverhältnissen einerseits und selbständigen Dienstverhältnissen andererseits. Für eine solche Differenzierung gibt auch die nur beispielhafte Erwähnung des Arbeitsverhältnisses in der Begründung für den Gesetzentwurf (aaO.) nichts her. Dementsprechend ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß die Vorschrift in ihrer Gesamtheit gleichermaßen für selbständige und nichtselbständige Dienstverhältnisse gilt (Staudinger/Preis, BGB, 13. Bearb. 1994 § 626 Rn. 19; MünchKomm/Schwerdtner aaO. § 626 Rn. 7; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1400). Soweit die Anwendung der Fristenregelung des § 626 Abs. 2 BGB auf Handelsvertreter- oder Vertragshändlerverhältnisse abgelehnt wird, beruht dies auf der ausdrücklichen spezielleren Regelung des § 89 a HGB (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1993 - VIII ZR 157/92 = NJW 1994, 722, 723 m.w.N.).

b) Dies bedeutete, daß die Beklagten gehalten waren, die Kündigung binnen zwei Wochen zu erklären, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem sie von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hatten. Diese Kenntnis setzt voraus, daß alles in Erfahrung gebracht war, was als notwendige Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen war (BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 - II ZR 114/95 = NJW 1996, 1403, 1404 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht angreifbarer Würdigung des Sachverhalts festgestellt, daß diese Kenntnis bei den Vertretern der Beklagten spätestens am 22. Januar 1996 nach der Besprechung mit dem Geschäftsführer der Klägerin begründet worden war. Zwar hatte der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 an der Besprechung nicht teilgenommen. Jedoch waren alle Beklagten der Klägerin als wirtschaftlich einheitlicher Vertragspartner gegenübergetreten. Wenn die Besprechung vom 22. Januar 1996 das Ziel hatte, die Klärung der Kündigungsfrage herbeizuführen, muß sich auch die Beklagte zu 2 die Kenntnis der übrigen zurechnen lassen. Die weiteren gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).

c) Hatte die Zwei-Wochen-Frist am 22. Januar 1996 begonnen, so lief sie am Mittwoch, dem 5. Februar 1996, ab. Die Kündigungserklärung vom 7. Februar 1996 war somit verfristet und führte nicht zur Auflösung des Vertrages aus wichtigem Grunde. Die Frage, ob die von dem Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Gründe überhaupt ausreichten, kann daher - ebenso wie in den Vorinstanzen - dahingestellt bleiben.

3. Die Revision beruft sich ferner darauf, daß den Beklagten jedenfalls ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB zugestanden habe. Auch darin kann der Revision nicht gefolgt werden. Ein Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB erfordert neben weiteren Voraussetzungen, daß der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Selbst wenn der Revision darin beigepflichtet werden könnte, daß es sich hier um Dienste höherer Art handelte, fehlte es jedenfalls an dem weiteren Merkmal des "besonderen Vertrauens". Dieses Merkmal tritt selbständig neben das der Dienste höherer Art; es handelt sich nicht lediglich um eine einer Legaldefinition nahekommende Erläuterung jenes Tatbestandsmerkmals (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1984 - IX ZR 14/84 = LM BGB § 627 Nr. 6). Das besondere Vertrauensverhältnis ist dabei als persönliches Vertrauen zu verstehen, das sich nicht lediglich auf die fachlichen Kenntnisse oder Fertigkeiten, sondern auch auf die Person des Vertragspartners selbst zu erstrecken hat (Staudinger/Preis aaO. § 627 Rn. 22 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht erkennbar, daß das von den Beklagten der Klägerin entgegengebrachte Vertrauen über deren fachliche Kompetenz und allgemeine Vertragstreue und Seriosität hinausging. Ein besonderer Vertrauenstatbestand im vorbezeichneten Sinne wurde dadurch noch nicht geschaffen; auch die Revision vermag dazu keine weiterführenden Gesichtspunkte aufzuzeigen.

4. Der Vertrag lief daher bis zu seinem regulären Ende (31. Oktober 1996) weiter. Für ihre sich daraus möglicherweise ergebenden Ansprüche ist die Klägerin auf die begehrten Auskünfte der Beklagten angewiesen; die Vorinstanzen haben dementsprechend zu Recht angenommen, daß die Beklagten zumindest unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine entsprechende Verpflichtung trifft.