Erschöpfungsgrundsatz bei der Verbreitung von Updates (Adobe Pagemaker)

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Frankfurt:
  • Urteil
  • vom 03.11.1998
  • Aktenzeichen 11 U 20/98
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht

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  1. Die Entscheidungsgründe

Die Entscheidungsgründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche durch die Antragstellerin zu 1), die sich ausschließlich auf urheberrechtliche Gesichtspunkte stützt, begründet und führt zur Aufhebung der insoweit erlassenen und mit dem angegriffenen Urteil bestätigten einstweiligen Verfügung. Bezüglich der Antragstellerin zu 2), die ihren Unterlassungsantrag lediglich aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften herleitet, ihren zunächst ebenfalls geltend gemachten Auskunftsantrag jedoch zurückgenommen hat, war die Berufung zurückzuweisen, wobei allerdings die Rücknahme des Auskunftsantrages eine entsprechende Kostenquotelung für die erste Instanz zur Folge hatte.

Soweit die Antragstellerin zu 1) ihr Unterlassungs- und Auskunftsbegehren mit urheberrechtlichen Erwägungen begründet, kann der Senat dem nicht folgen.

Zwar kann sie sich als Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten auf Inländerbehandlung berufen, weil es in diesem Fall für den inländischen Schutz nicht maßgeblich darauf ankommt, ob das Werk im Ausland mindestens 30 Tage vor dem Erscheinen in Deutschland erschienen ist (§ 121 Abs. 1 UrhG ist ohnehin meist die Ausnahme, vgl. Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 8. Auflage, § 121 Rn. 1). Vielmehr finden die Vorschriften der RBÜ und damit § 121 Abs. 4 UrhG im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten vorrangig Anwendung.

Auch wenn man nach dem zwischenzeitlich in der Berufungsinstanz vertieften Vortrag der Antragstellerinnen davon ausgeht, daß auch die Antragstellerin zu 1) die fragliche Software entwickelt hat und einzelne von ihr hergestellte Werkstücke der Adobe Systems Europe Ltd. überlassen worden sind, die ihrerseits entsprechend dem Lizenzvertrag aufgrund eines ihr eingeräumten einfachen Nutzungsrechtes vervielfältigt und vertrieben hat, der Antragstellerin zu 1) damit alle Verwertungsrechte zustehen und ihre Aktivlegitimation jedenfalls nach dem Vorbringen in diesem Eilverfahren zugrundegelegt werden kann, läßt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht auf § 97 Abs. 1 UrhG stützen.

Zwar kann für diese Beurteilung zugunsten der Antragstellerin zu 1) unterstellt werden, daß dem Computerprogramm "Adobe Pagemaker 6.5" die erforderliche urheberrechtliche Schutzfähigkeit zukommt, weil es sich nicht lediglich um ein Banalprogramm, das aus nur wenigen Programmzeilen besteht und ohne nennenswerten Aufwand geschaffen worden ist (vgl. Vinck in Fromm/Nordemann, a.a.O., § 69 a Rn. 4 m.w.N.; Marly, NJW 1994, 2005), handelt. Dennoch liegt eine Verletzung des der Antragstellerin zu 1) zustehenden Verbreitungsrechtes durch die Vorgehensweise der Antragsgegnerin nach derzeitiger Auffassung des Senats im vorliegenden summarischen Verfahren nicht vor. Vielmehr kann die Antragsgegnerin das fragliche Computerprogramm in der entsprechenden Update-Version unbeschränkt weiter vertreiben. Insoweit ist maßgeblich auf § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG und die darin geregelte Erschöpfung des Verbreitungsrechtes abzustellen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 1) sind im Streitfall die Voraussetzungen für den Eintritt der Erschöpfung dieses Rechtes erfüllt. Denn die Computerprogramme auch in ihrer jeweiligen Update-Version sind mit Zustimmung der Antragstellerin zu 1) im Wege der Veräußerung in den geschäftlichen Verkehr gebracht worden. Damit ist aber ihre weitere Verbreitung durch die Antragsgegnerin frei geworden.

Gemäß §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 1, 69 a Abs. 3, 4 UrhG hat der Urheber eines Computerprogramms, das Ergebnis der eigenen Schöpfung des Urhebers ist, unter anderem das ausschließliche Recht, das Programm Nutzern anzubieten oder sonst in Verkehr zu bringen (Verbreitungsrecht).

Nach § 31 Abs. 1 UrhG kann dabei der Urheber einem anderen einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte an diesem Werk einräumen. Allerdings sind ausschließliche Nutzungsrechte nur für nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig sich abzeichnende Nutzungs- oder Vertriebsarten zulässig (vgl. u. a. Schrikker, Urheberrechtsgesetz, vor § 28 folgend, Rn. 52 m.w.N.). Auch die Einräumung vom Vertriebsrecht abgespaltener Nutzungsrechte - allerdings bisher nicht auf Computerprogramme bezogen - wird grundsätzlich für andere Werke für möglich gehalten.

Nach dem in § 17 Abs. 2 UrhG in der bis zum 23.6.1995 geltenden Fassung geregelten Erschöpfungsgrundsatz hängt der urheberrechtliche Verbrauch des Verbreitungsrechts allein davon ab, ob der Rechtsinhaber dem Inverkehrbringen des Werkes durch Veräußerung zugestimmt hat. Auf die Art und Weise der weiteren Nutzung braucht sich die Zustimmung dabei nicht zu erstrecken. Denn bereits mit der Veräußerung gibt der Berechtigte die Herrschaft über das Werkexemplar auf. Diese Freigabe dient dem Interesse der Verwerter und der Allgemeinheit, die in Verkehr gebrachten Werkstücke verkehrsfähig zu halten (vgl. BGHZ 80, 101, 106 - Schallplattenimport I; E. Ulmer, GRUR Int. 1981, 565, 566; BGH GRUR 86, 736 -Schallplattenvermietung). Könnte der Rechtsinhaber, wenn er das Werkstück verkauft oder seine Zustimmung zur Veräußerung durch einen Dritten gegeben hat, noch weiterhin in den Vertrieb des Werkstückes eingreifen, ihn untersagen oder von Bedingungen abhängig machen, so wäre dadurch der freie Warenverkehr maßgeblich behindert und beeinträchtigt. Die Möglichkeit, die Erschöpfungswirkung ohne weiteres durch einseitige Erklärungen zu beschränken und damit eine dingliche Wirkung herbeizuführen, würde dem Erschöpfungsgrundsatz und dem mit ihm verfolgten Zweck zuwiderlaufen (vgl. BGH a.a.O. - Schallplattenvermietung; OLG Frankfurt am Main, NJW 82, 1653,1654; OLG Karlsruhe GRUR 1984, 198 f. m.w.N.).

Ob diese Auffassung angesichts des zwischenzeitlich geänderten Wortlautes des § 17 Abs. 2 UrhG weiterhin gerechtfertigt ist, bedurfte keiner Entscheidung.

Denn für den Streitfall kommt es im Hinblick auf die maßgeblichen Regelungen zu Computerprogrammen (§§ 69 a ff. UrhG) darauf an, ob die Antragstellerin zu 1) die fraglichen Update-Versionen in urheberrechtlich beachtlicher Weise in der Form veräußern konnte und kann, daß sie einen Verkauf lediglich an solche Nutzer zulassen will, die bereits die ursprüngliche Vollversion des Programmes erworben haben. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei die Frage, ob die Antragstellerin zu 1) berechtigt ist, einen derartigen Vorbehalt mit dinglicher Wirkung vorzusehen und deshalb ein derartiger Verkauf von der Erschöpfungswirkung ausgenommen werden kann.

Nach derzeitiger Beurteilung folgt der Senat der zwischenzeitlich vom Oberlandesgericht München (vgl. CR 1998 Seite 265 f.) und der Antragsgegnerin in diesem Eilverfahren vertretenen Auffassung, wonach § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG für den Fall der Veräußerung von Vervielfältigungsstücken von Computerprogrammen die vollständige Erschöpfung des Verbreitungsrechtes mit Ausnahme des Vermietrechtes anordnet, eine Ausnahme deshalb allenfalls in schuldrechtlicher Form vorgenommen werden könnte.

Durch diese neue Bestimmung im Urheberrechtsgesetz wird Artikel 4 lit. c der Richtlinie des Rates vom 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (abgedruckt in GRUR Int. 1991, 545) in nationales Recht umgesetzt. Danach erschöpft sich aber mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder dem Verkauf mit seiner Zustimmung das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie. Ausgenommen hiervon ist lediglich das Recht auf Kontrolle der Weitervermietung des Programms oder einer Kopie davon.

Der von § 17 Abs. 2 UrhG abweichende Wortlaut des § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG und die zur Beurteilung heranzuziehenden Bestimmungen der fraglichen Richtlinie führen damit zu der Auslegung, daß für den Fall der Veräußerung von Vervielfältigungsstücken eines Computerprogrammes eine umfassende Erschöpfung des Verbreitungsrechtes angeordnet ist und eine dingliche Abspaltung von Teilrechten nicht vorgesehen werden kann. Diese Auffassung wird auch dadurch bestätigt, daß das Vermietungsrecht ausdrücklich von der Erschöpfung ausgenommen wird. Andere Ausnahmen und damit eine weitergehende Einschränkung der Erschöpfungswirkung sind dagegen nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht möglich.

Gerade auch im Hinblick darauf, daß der Urheber mit der ersten Veräußerung des Werkstücks die Möglichkeit hatte, eine Belohnung für seine schöpferische Leistung zu erhalten und damit der Zweck des Verbreitungsrechtes erreicht ist, wie dies auch die fragliche Richtlinie bestätigt, und damit die weitere Verbreitung rechtmäßig veräußerter Werkstücke nicht durch daran fortbestehende Rechte unzumutbar behindert werden darf, ist eine vollständige Erschöpfung nach der Regelung in § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG anzunehmen.

Der gegenteiligen Auffassung des Kammergerichts in seinem Urteil vom 27.2.1996 (vgl. NJW 1997, 330 f). vermag der Senat sich dagegen nicht anzuschließen.

Das Gericht hat die Abspaltbarkeit von Teilrechten hauptsächlich damit begründet, das neue europäische Urheberrecht habe die Stellung des Urhebers stärken und den erzieherischen Zweck verfolgen wollen, die Nutzer dazu anzuhalten, Originalprogramme zu verwenden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß Zweck der Richtlinie zum Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen vom 19.5.1991, an der auch das nationale Recht zu messen ist, nicht nur die einseitige Verbesserung der Stellung der Urheber von Computerprogrammen, sondern auch die Absicherung der Mindestrechte des rechtmäßigen Erwerbers gewesen ist. Dies wird deutlich dadurch, daß die zustimmungsbedürftigen Handlungen, wie sie in § 69 c UrhG definiert sind, bereits dort in Nr.3 eine erste Ausnahme (Erschöpfung des Verbreitungsrechts) erfahren, die in § 69 d (Ausnahmen von den zustimmungsbedürftigen Handlungen) fortgesetzt wird. Grund für die Annahme einer vollständigen Erschöpfungswirkung in § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG war deshalb insbesondere, daß das europäische Parlament eine Offenhaltung der europäischen Computermärkte erreichen wollte, die der Ausbalancierung zwischen einem angemessenen urheberrechtlichen Schutz der Freiheit des Wettbewerbs auch aus kartellrechtlicher Sicht dienen soll (vgl. hierzu auch Lehmann, a.a.O. Kapitel II., Rn. 126). Danach erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß gerade die Art. 4 und 5 der europäischen Richtlinie die Ausschließlichkeitsrechte des Rechtsinhabers gleichzeitig auch als deren Schranken beschreiben.

Einer derart verstandenen Auslegung des § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG stehen auch nicht die von der Antragstellerin zu 1) mehrfach in bezug genommenen vorhergehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu § 17 Abs. 2 a. F. UrhG entgegen.

In der sogenannten "Heiligenhof-Entscheidung" (GRUR 1959,200 f.) ging es darum, daß der Verleger nicht befugt war, die Werkexemplare über eine Buchgemeinschaft in Verkehr zu bringen. Es handelte sich um eine dingliche Beschränkung der (Erst-)Verbreitung auf einem klar abgrenzbaren Vertriebsweg. Für ein Inverkehrbringen auf einem anderen als dem vereinbarten Vertriebsweg fehlte damit die Zustimmung des Berechtigten, so daß insoweit keine Erschöpfung eintreten konnte (vgl. auch BGH GRUR 1979, 637, 639 - White Christmas).

Anders verhält es sich dagegen im Streitfall, weil es sich bei dem Vorgehen der Antragstellerin zu 1), die fragliche Update-Software nur an solche Nutzer verkaufen zu lassen, die bereits eine Vollversion besitzen, nicht um eine derart hinreichend klar abgegrenzte oder abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungs- oder Vertriebsart handelt. Nach dem Inhalt des Verbreitungsrechts kann sich eine urheberrechtlich beachtliche Beschränkung nur auf Verbreitungsarten oder auf Absatz- oder Vertriebswege, nicht aber auf bestimmte Personenkreise und deren Besitz von Vollversionen beschränken. Eine derartige Beschränkung wäre schon deshalb verkehrswidrig, weil einem Lizenznehmer nicht zumutbar ist, zu prüfen, ob ein Käufer zu einem bestimmten Kreis gehört oder nicht, oder wozu er die Werkstücke gebrauchen will, ob er sie im Anschluß an eine Vollversion benutzen oder die Update-Version erstmals in der- so angebotenen - ebenfalls als Vollversion verwendbaren Art. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, daß eine derartige Software grundsätzlich kein anderes, jedenfalls kein maßgeblich anderes Erscheinungsbild im Vergleich zur Vollversion hat, die wertbildenden Elemente insoweit vielmehr in dem jeweiligen Code enthalten sind. Nur dann, wenn tatsächlich ein eigener Vertriebsweg erkennbar wäre, beispielsweise bestimmte Unternehmen lediglich Software für Erstnutzer verkaufen oder lediglich OEM-Software anbieten oder ähnliches, ließe sich gegebenenfalls eine von der Antragstellerin zu 1) beabsichtigte dingliche Beschränkung der Verbreitung auf einen klar abgrenzbaren Vertriebsweg annehmen. Eine derartige spezialisierte und ausschließliche Vertriebsart durch entsprechende jeweils ausschließlich darauf (OEM, Update o.ä.) beschränkte Händler ist jedoch nicht erkennbar.

Ebensowenig führt die zwischenzeitlich von den Antragstellerinnen vorgelegte Kommentierung von Fromm / Nordemann - Urheberrecht, 9. Auflage - zu dieser Frage zu einer anderen Beurteilung. Dort ist lediglich ein Teil aus der Urteilsbegründung des KG (GRUR 96, 974) wiedergegeben, ohne daß näher auf die Problematik der Erschöpfung eingegangen wird. Auch die Entscheidung des OLG München wird lediglich erwähnt. Eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Gründen findet sich jedoch nicht.

Auch in der weiteren, von der Antragstellerin zu 1) herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes "Taschenbuchlizenz" (vgl. GRUR 1992, 310 f.) handelte es sich um eine andere Produktgruppe. Bei der hier maßgeblichen Software geht es jedoch gerade nicht um Produkte, denen man ihre unterschiedliche Konfektionierung zur Belieferung unterschiedlicher Käuferschichten von vorneherein ansieht, oder um einen Fall der Mehrfachverwertung und auch nicht um die Belieferung unterschiedlicher Teilmärkte, sondern um die Belieferung einer Gruppe gleicher Abnehmer, die sich lediglich persönlich dadurch voneinander unterscheiden, daß der eine bereits ein Vor- oder Konkurrenzprodukt besitzt und der andere nicht.

Dem dargestellten Verständnis der Erschöpfungswirkung in § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG steht schließlich auch nicht die gesetzliche Regelung des § 32 UrhG entgegen.

Nach dieser Bestimmung kann jedes Nutzungsrecht mit dinglicher Wirkung räumlich, zeitlich oder inhaltlich eingeschränkt werden. Eine solche Beschränkung ist danach grundsätzlich auch beim Verbreitungsrecht zulässig. Daraus folgt jedoch nicht, daß durch eine Beschränkung bei der Nutzungsrechtseinräumung oder - in Fällen, in denen der Berechtigte die Werkstücke selbst in Verkehr bringt -durch einen Vorbehalt bei der Veräußerung auch die Art und Weise der späteren Weiterverbreitung beschränkt werden könnte. Soweit die Voraussetzungen des § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG vorliegen, tritt vielmehr die Erschöpfung unabhängig davon ein, ob eine vorangegangene Nutzungsrechtseinräumung - um die es im Streitfall auch nicht maßgeblich geht - beschränkt oder unbeschränkt - erfolgt ist. Auf den Eintritt der Erschöpfung kann sich daher grundsätzlich nur eine solche Beschränkung auswirken, die sich auf die Art des Inverkehrbringens bezieht. Denn im Falle einer Nichtbeachtung dieser Beschränkung ist das betreffende Werkstück nicht mehr mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzt worden. Dagegen ist es auch nach § 32 UrhG nicht möglich, bestimmte Teile mit dinglicher Wirkung vom Verbreitungsrecht abzuspalten und von der Erschöpfungswirkung auszunehmen (vgl. auch OLG Hamm, GRUR 1981, 743 f.; D. Reimer; GRUR Int. 1972, 221 f.; Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, München 1991, Seite 189 £).

Bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art geht es aber gerade nicht um nach § 32 UrhG zulässige inhaltliche Begrenzungen des Verbreitungsrechts selbst, sondern um die von der Antragstellerin zu 1) gewählte Art und Weise der Weiterverbreitung. Diese unterliegt aber grundsätzlich keinen Beschränkungen. Schon in der Begründung zum Regierungsentwurf des Urheberrechtsgesetzes von 1965 (Bundestagsdrucksache 1V1270, 56), ist ausdrücklich festgehalten, es sei nicht möglich, das Verbreitungsrecht dahingehend einzuschränken, daß rechtmäßig hergestellte und verbreitete Vervielfältigungsstücke nur in bestimmter Weise, etwa nur zum persönlichen Gebrauch, benutzt werden dürften. Denn das Verbreitungsrecht schließe nicht die Befugnis ein, die Verwendung rechtmäßig hergestellter und verbreiteter Werkstücke zu überwachen. Der sachlichen Beschränkung der Verbreitung nach § 32 UrhG sind damit aber ihrerseits Grenzen gesetzt, die durch das herausgestellte Interesse am freien Warenverkehr, wie es auch in der europäischen Richtlinie für Computerprogramme seinen Ausdruck findet und der Regelung des § 69 c Nr.3 Satz 2 UrhG zugrundeliegt, geboten sind.

Sind danach aber die von der Antragstellerin zu 1) beabsichtigten Beschränkungen, die Update-Versionen lediglich an Inhaber älterer Vollversionen zu verkaufen, nicht als eine urheberrechtlich beachtliche Aufspaltung des Verbreitungsrechtes anzusehen, kann die Antragstellerin zu 1) im Hinblick auf die damit vollständig eingetretene Erschöpfung ihres Verbreitungsrechtes weder einen Unterlassungs- noch einen Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegnerin mit Erfolg geltend machen.

Mögliche wettbewerbsrechtliche Ansprüche, die im übrigen die Antragstellerin zu 1) selbst ausscheidet, sind schon deshalb zu verneinen, weil zwischen ihr und der Antragsgegnerin kein - auch nur mittelbares - Wettbewerbsverhältnis besteht.

Anders stellt sich allerdings die Sachlage hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) dar. Sie macht mit Recht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG gegen die Antragsgegnerin geltend.

Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragstellerinnen wird das Programm Pagemaker 6.5 in zwei verschiedenen Formen von ihnen vertrieben. Zum einen wird es als Vollversion für solche Kunden angeboten, die zuvor keine Vorversion erworben hatten. Der Endkundenpreis für diese Vollversion beträgt je nach Kalkulation der Letztverkäufer zur Zeit etwa 1.700,-bis 2.200,-DM. Kunden, die bereits eine ältere Vollversion erworben haben, soll nach dem Willen der Antragstellerinnen Pagemaker 6.5 als sogenannte Update-Version für einen deutlich niedrigeren Preis angeboten werden. Dieser Endkundenpreis beträgt in etwa 500,-bis 600,-DM. Diese Update-Version wird jedoch von den Antragstellerinnen ohne eine entsprechende Seriennummer ausgeliefert, weil der zum Erwerb einer Update-Version berechtigte Kunde bereits im Besitz eines Programms mit entsprechender Seriennummer, die zur Freischaltung des Programms erforderlich ist, ist bzw. sein soll. In weiteren Vertriebsformen, insbesondere in einer OEM-Version, wird das Programm Pagemaker 6.5 allerdings - unstreitig - nicht in den Verkehr gebracht.

Nach dem ebenfalls in Abrede gestellten Vorbringen der Antragstellerinnen hat die Antragsgegnerin am 15.10.1997 das fragliche Programm Adobe Pagemaker 6.5 für einen Preis von 555,- DM netto an X verkauft. In dieser Rechnung wird das Computerprogramm als sogenanntes OEM-Programm bezeichnet. Darüber hinaus ist bei dieser Verpackung eine gefälschte Seriennummer aufgedruckt, die in diesem Fall lautete: 03-4001-100381904. Diese Seriennummer befindet sich auf einem Aufkleber, der auf der Rückseite der gelieferten CD-ROM mit dem Programm angebracht ist. Diese Seriennummer ist jedoch von den Antragstellerinnen für kein einziges Programm dieser Version 6.5 jemals vergeben worden. Wie sie vorgetragen haben und die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt hat, ist bei keiner der fraglichen Seriennummern für die Vollversion Pagemaker 6.5 die dritte Ziffer nach dem Bindestrich eine 4. Damit steht fest, daß es sich bei der von der Antragsgegnerin vertriebenen Version nicht um eine Vollversion gehandelt haben kann, sie vielmehr die Update-Version mit einer derartigen Seriennummer versehen, gleichwohl jedoch zu einem erheblich günstigeren Preis verkauft hat.

Gerade aber die Aufbringung der für die Freischaltung des Programms bei dem jeweiligen Nutzer notwendige Seriennummer - wie dies nochmals in der mündlichen Verhandlung dargestellt und erläutert worden ist - stellt sich als wettbewerbswidriges Vorgehen dar. Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin zu 2) stehen dabei als jeweils im Softwarebereich tätige Unternehmen in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis, so daß die Vorgehensweise der Antragsgegnerin unmittelbar in die berechtigten Interessen ihrer Konkurrentin eingreift.

Mit dem Aufdruck derartiger Seriennummern, die unstreitig von der Antragstellerin zu 2) nicht vergeben werden, erweckt die Antragsgegnerin den Eindruck, als handele es sich um vollwertige Vollversionen, die lediglich aktualisiert sind, damit für den Kunden aber von erheblicherem Interesse als die Vorgänger-Vollversionen sind, gleichwohl aber erheblich günstiger als diese abgegeben werden. Außerdem wird den jeweiligen Kunden damit zugleich die Möglichkeit eröffnet, das Programm sofort freizuschalten, während sie bei dem Kauf einer derartigen Update-Version bei Händlern, die diese nach den Vorgaben der Antragstellerinnen vertreiben, die zur Freischaltung notwendigen Zahlenkombinationen erst nachfragen, bzw. sich - wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat - zum Beispiel aus dem Internet beschaffen müßten.

Damit aber beabsichtigt die Antragsgegnerin, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber ihren Mitkonkurrenten zu beschaffen, indem sie kurzerhand von den Antragstellerinnen für diese Version nicht verwendete Seriennummern zur Freischaltung aufbringt und damit eine vollständige Gleichwertigkeit zur ursprünglichen Vollversion herstellt, deren Preis jedoch erheblich unterbietet.

Eine Preisunterbietung kann dabei wettbewerbswidrig sein, wenn sie sich daraus ergibt, daß sie auf der Verletzung einer vorhergehenden unlauteren Wettbewerbshandlung beruht, zum Beispiel auch auf der Benutzung von Code oder Seriennummern, die im geschäftlichen Verkehr sonst für dieses Produkt von der Herstellerin nicht verwendet werden. Dabei stellt nicht allein die Preisunterbietung den Tatbestand eines sittenwidrigen Vorgehens dar, sondern die gleichzeitige Aufbringung derartiger Seriennummern, der damit im Zusammenhang stehende Eindruck bei den jeweiligen Interessenten und die so erleichterte Zugangsmöglichkeit (vgl. Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 18. Aufl., § 1 UWG, Rn. 272 f. m.w.N.).

Dieser Beurteilung stehen auch nicht die Entscheidungen entgegen, die die Antragsgegnerin zur Frage der rechtswidrigen Entfernung oder des unzulässigen Manipulierens von Codenummern angeführt hat (vgl. hierzu Baumbach/ Hefermehl a.a.O., Rn. 231 £; BGH GRUR 72, 558 -" Teerspritzmaschine").

Soweit sie davon ausgeht, Codenummern seien gegen derartige Manipulationen nach dem UWG nur dann geschützt, wenn sie für den Rückruf gefährlicher Waren erforderlich seien oder aber ein in sich geschlossenes Vertriebsbindungssystem vorliege, ist dies einerseits zwar zutreffend, andererseits für den Streitfall jedoch nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn es geht hier nicht um derartige Codenummern, die zur bloßen Identifizierung einzelner Produkte notwendig sind. Vielmehr handelt es sich um solche Seriennummern, die erforderlich sind, um die jeweilige Software überhaupt installieren und freischalten zu können. Eine derartige Funktion, die für den Kunden durchaus erhebliche Erleichterungen im Vergleich zu anderweit vertriebenen Produkten mit sich bringt, ist aber mit der erwähnten Rechtsprechung über die Manipulation von Codenummern nicht unmittelbar vergleichbar.

Bei dieser Sachlage ist deshalb die Vorgehensweise der Antragsgegnerin im Verhältnis zur Antragstellerin zu 2) als wettbewerbswidriges Verhalten und als Marktstörung anzusehen, weil gerade die Aufbringung der für die Kunden interessanten Seriennummern und der Verkauf zu einem erheblich günstigeren Preis Mitbewerber zwangsläufig der Notwendigkeit aussetzt, sich entsprechend zu verhalten, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.

Stellt sich damit aber das Aufbringen der Seriennummern und der Verkauf der Update-Version mit einem derartigen, von den Mitbewerbern nicht vorgenommenen, Zusatz als wettbewerbswidrige Handlung dar, ist der Antragsgegnerin eine derartige Vorgehensweise zu Recht untersagt worden, so daß die Berufung insoweit zurückzuweisen war.