Wettbewerbswidrige Sperrung von Service-Nummern durch die Telekom

Details zum Urteil

  • Landgericht Hamburg
  • Urteil
  • vom 05.08.1998
  • Aktenzeichen 315 O 399/98
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht

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  1. Der Tatbestand
  2. Die Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.Juli 1998 wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die gerichtliche Anordnung bis zum 02. September 1998 befristet wird. (...)

Der Tatbestand

Die Antragstellerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines englischen Telefondienstleistungsunternehmens. Sie bietet in Deutschland einen Telefondienst an, der In- und Auslandsgespräche vom Mobil- und Festnetz zur Verfügung stellt. Die Antragsgegnerin ist die aus der staatlichen Post- und Fernmeldeverwaltung hervorgegangene private Telefongesellschaft, die bis zum 31. Dezember 1997 über ein rechtliches und tatsächliches Monopol im Festnetzbereich verfügte.

Die Antragstellerin bezeichnet sich selbst als Wiederverkäuferin der Firma WorldCom, einem der größten Telekommunikationsunternehmen der Welt. Die Antragstellerin behauptet, was von der Antragsgegnerin mit Nichtwissen bestritten wird, daß zwischen ihr und der Firma WorldCom vertragliche Vereinbarungen bestehen. Die Firma WorldCom ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes in Deutschland. WorldCom und die Antragsgegnerin schlossen im Mai 1997 einen Zusammenschaltungsvereinbarung bezüglich ihrer Telefonnetze (Anlage W 6). Streitig ist, ob auch die sog. FreePhone-Leistungen, also die 0130 und 0800-Nummern Bestandteil dieses Vertrages sind.

Im November 1997 beantragte die Antragstellerin beim Bundesamt für Post und Telekommunikation die Zuteilung eines Kontingents von sog. "0800-Nummern". Diese Nummern sind für den Anrufer gebührenfrei. Die Gebühren sind von demjenigen zu zahlen, der die Nummern beantragt hat. Sie sind damit die Nachfolgenummern der bisher üblichen 0130-Nummern. Mit Bescheid vom 12. November 1997 wurden der Antragstellerin u. a. die folgenden Rufnummern vom Bundesamt für Post und Telekommunikation zugeteilt:

- 0800/456 0800

- 0800/376 0800

- 0800/800 9201

In dem Bescheid heißt es (Anlage AS 4):

"Die Zuteilung der Rufnummern begründet ein durch das TKG und diese Zuteilungsregeln beschränktes Nutzungsrecht."

In technischer Hinsicht muß nach der Zuteilung der Rufnummern noch deren Einrichtung und Freischaltung erfolgen. Mit der Einrichtung der Rufnummern kann der Nutzungsberechtigte jeden Betreiber eines Telekommunikationsnetzes beauftragen. In der Regulierungsverfügung 137/1997 des Bundesministeriums für Post- und Telekommunikation - Festlegung zur Nutzung der Teilbereiche (0)130 und (0)800 des Nummernraums für öffentliche Telefonnetze - heißt es unter Ziffer 6.) Auflagen:

6.1 Verwendung der Rufnummer

a) Der Antragsteller muß die Einrichtung der Rufnummer innerhalb einer Frist von 90 Kalendertagen nach Wirksamwerden der Zuteilung bei einem Betreiber eines Telekommunikationsnetzes beauftragen.

(...)

Die Antragstellerin behauptet, sie habe die Firma WorldCom mit der Einrichtung der Nummern beauftragt; sie legt insoweit eine Auftragsvereinbarung mit der Firma WorldCom vom 17.Mai 1998 vor (Anlage As 17). Bei der Freischaltung der Nummern bediente sich die Antragstellerin unter anderem des Telefonnetzes der Antragsgegnerin. Am 25. Mai schaltete die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Nummern der WorldCom-Plattform frei. Die Freischaltung erfolgte durch die GKS Neustadt der Antragsgegnerin, der der Bescheid der Regulierungsbehörde mit der Zuteilung der gebührenfreien 0800-Nummern vorgelegt wurde.

Über die Rufnummern 0800/4560 800 und 0 800/376 0 800 sind sog. Call-Center der Antragstellerin zu erreichen. Über die Nummer 0 800/800 9201 bietet die Antragstellerin einen sog. Umwege-Telefondienst an. Eingehende Gespräche vermittelt die Antragstellerin an jedes beliebige Verbindungsziel im Fest- oder Mobilnetz weiter. Dabei wählt der Kunde zunächst die gebührenfreie 0800-Nummer. Nach Annahme durch die Vermittlungsstelle gibt er einen persönlichen Code ein, wählt anschließend die Nummer des gewünschten Verbindungsziels und wird verbunden. Die Gespräche werden von der Antragstellerin gegenüber den Kunden abgerechnet. Eine separate Berechnung der Antragsgegnerin gegenüber den Anrufern erfolgt dabei nicht. Die Antragstellerin bietet diesen Dienst dem Endkunden tagsüber für 0,38 DM/Minute und in der übrigen Zeit für 0,20 DM/Minute an. Insbesondere werden diese Tarife für Gespräche aus den Mobilfunknetzen angeboten. Die Antragstellerin unterbietet dabei die derzeit am Markt üblichen Mobilfunktarife, und zwar nach Darstellung der Antragsgegnerin auf ihre Kosten.

Die Antragsgegnerin unterbrach deshalb am 17. Juli 1998 gegen 16.20 Uhr die Verbindungen zu den streitgegenständlichen Rufnummern.

Auf den Antrag der Antragstellerin erging am 20. Juli 1998 ein Beschluß der Kammer, mit dem es der Antragsgegnerin geboten wurde, die gebührenfreien Servicenummern 0 800/456 0 800; 0 800/376 0 800 und 0 800/800 9201 wieder freizuschalten.

Gegen diesen Beschluß der Kammer hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt, den sie wie folgt begründet:

Die Antragsgegnerin habe am 26. Mai 1997 mit der Wettbewerberin WorldCom einen Interconnectionsvertrag geschlossen, der WorldCom berechtigte, ihr Telekommunikationsnetz mit dem Telekommunikationsnetz der Antragsgegnerin zusammenzuschalten. Für die Basisverbindungsleistungen habe WorldCom an die Antragsgegnerin das von der Regulierungsbehörde festgesetzte Entgelt in Höhe von durchschnittlich 2,7 Pfennig je Minute zu zahlen. Im Rahmen der Gespräche zum Abschluß des Interconnectionsvertrages habe die Antragsgegnerin mit WorlCom auch über die Inanspruchnahme weiterer Leistungen gesprochen, unter anderem über die Zuführung von Verbindungen zu gebührenfreien 0130-Nummern und 0800-Nummern zu der WorldCom-Plattform. Von November 1997 bis letztmals Ende Juni 1998 seien Verhandlungen zwischen der Antragsgegnerin und WorldCom erfolgt, diese zusätzlichen Leistungen in den Interconnectionsvertrag aufzunehmen. Eine Einigung sei nicht erzielt worden; insbesondere sei keine schriftliche Änderung bzw. Erweiterung des Interconnectionsvertrages erfolgt. Es seien von WorldCom weitere Punkte in die Diskussion gebracht worden, die eine Einigung und Unterzeichnung eins um die Freischaltung von gebührenfreien 0800-Nummern erweiterten Vertrages verhindert hätten.

Die Freischaltung der streitgegenständlichen Nummern der WorldCom-Plattform durch die GKS Neustadt sei versehentlich erfolgt. Die GKS Neustadt habe keine Prüfung vorgenommen, ob die Interconnectionsverträge die Leistung hinsichtlich der 0800-Nummern tatsächlich beinhalten.

In den Verhandlungen mit allen Interconnectionspartnern über die Zuführung von Verbindungen zu Freecall-Nummern sei eine Mischung von 7 % der Verbindungen mit Ursprung im Mobilfunknetz und 93 % der Verbindungen im Festnetz zugrundegelegt worden. Dies entspreche dem bisher festgestellten durchschnittlichen Gesprächsaufkommen, was WorldCom und der Antragstellerin selbstverständlich auch vertraut und bekannt gewesen sei. Der Antragsgegnerin drohe bei einer überproportionalen Zuführung von Verbindungen aus Mobilfunknetzen zu den Freecall-Nummern ein erheblicher Schaden. Die Antragsgegnerin habe an den jeweiligen Mobilfunknetzbetreiber wesentlich höhere Interconnectionsgebühren zu zahlen als sie für die Zuführung zu den Freecall-Nummern auf der WorldCom-Plattform erhalte. WorldCom sei nur bereit, einen Betrag von max. DM 0,10 zu zahlen. Daraus ergebe sich bei Anrufen aus den Mobilfunknetzen tagsüber ein Verlust von ca. DM 0,44 je Minute. Aufgrund dieses Sachverhaltes habe sich die Antragstellerin gezwungen gesehen, alle Zuführungen zu den streitgegenständlichen Nummern ins Netz der WorldCom zu unterlassen, auf die die WorldCom ebensowenig wie die Antragstellerin einen vertraglichen Anspruch habe.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 20. Juli 1998 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin vom 20. Juli 1998 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragstellerin behauptet, es habe entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin, bei einer Verhandlungsrunde am 20. Mai 1998 eine Einigung zwischen WorldCom und der Antragsgegnerin gegeben, daß die streitgegenständliche Leistung - Zuführung von Verbindungen zu gebührenfreien 0800-Nummern - von der Antragsgegnerin zu den von ihr üblicherweise gestellten Bedingungen erbracht werden sollten. Im Zuge der Vertragsverhandlungen sei aber zu keinem Zeitpunkt von Seiten der Antragsgegnerin eine Kalkulationsgrundlage von 7 % Mobilfunknetz- und 93 % Festnetznutzung zum Vertragsgegenstand gemacht worden. Die Antragsgegnerin versuche mit dieser Argumentation vielmehr, ihre Interconnectionsvertragsparnter auf ihre lediglich interne Kalkulationsgrundlage zu verweisen. In der sog. DTAG 0.5 (Anlage As6) werde mit keinem Wort die behauptete Kalkulationsgrundlage erwähnt.

Die Antragsgegnerin habe die Zugangsnummer zu den Dienstleistungen der Antragstellerin seit dem 25. Mai 1998 freigeschaltet. Diese Freischaltung stehe in Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Einigung zwischen der Antragsgegnerin und der Firma WorldCom. Gerade die Freischaltung zeige, daß eine Einigung über die Freischaltung der streitgegenständlichen Nummern erzielt worden sei. Die Freischaltung der 0800-Nummern sei nicht versehentlich erfolgt, sondern mit ausdrücklicher Anordnung der zuständigen Stellen. Die Antragsgegnerin habe WorldCom die Zurverfügungstellung der 0800-Nummern auf der Basis DTAG 0.5 auch in Rechnung gestellt. Hiermit habe die Antragsgegnerin selbst dokumentiert, daß sie sich an die Vereinbarung aus der Leistungsbeschreibung habe halten wollen.

Die Antragstellerin bestreitet, daß der Antragsgegnerin durch die Nutzung der streitgegenständlichen Nummern ein Schaden entstehe. Das Problem der Antragsgegnerin liege offenbar darin, daß sie an die Mobilfunkneztbetreiber aufgrund früherer Vereinbarungen einen Betrag von DM 0,54/Minute für Gespräche zahle, die von dem Mobilfunknetzbetreiber ins Netz der Antragsgegnerin weitergeleitet werden. Normalerweise müsse der Mobilfunknetzbetreiber einen Betrag dafür zahlen, daß seine Handy-Nutzer ins Netz der Antragsgegnerin gelangen. Hier sei das aber umgekehrt. Hintergrund dieser Vereinbarung sei es, daß es vor dem 01. Januar 1998 nur gebührenfreie 0130-Rufnummern gegeben habe. Der Besteller der jeweiligen Rufnummer habe einen Betrag von DM 1,15/Minute an die Antragsgegnerin zahlen müssen. Diese Summe sei so hoch gewesen, daß die Antragsgegnerin bereit gewesen sei, einen Teil in Höhe von DM 0,54 an die Mobilfunknetzbetreiber zu überlassen. Aufgrund der Vorgaben der Regu-lierungsbehörde müsse die Antragsgegnerin die neuen gebührenfreien 0800-Rufnummern nunmehr auch ihren Interconnection-Partnern zur Verfügung stellen. Hierbei gelte ein Betrag von DM 0,10/Minute, den die Antragsgegnerin ihrer Leistung DTAG 0.5 zugrundegelegt habe. Die Antragsgegnerin müsse aber anscheinend immer noch den Betrag von DM 0,54 an die Mobilfunknetzbetreiber zahlen.

Die Antragstellerin weist darauf hin, daß die von ihr angebotene Dienstleistung kein Einzelfall sei. Auch andere Anbieter böten die Dienstleistung Vermittlung von günstigen Gesprächen aus dem Fest- und Mobilfunknetz über eine 0800-Rufnummer an, etwa die Firmen Interroute, Telepassport, otelo etc. (Anlage AS 12). Die Antragsgegnerin habe auch in diesen Fällen keinerlei vertragliche Einschränkungen mit den Anbietern vereinbart. Die Antragsgegnerin biete selbst entsprechende Dienste an. Sie habe das Produkt T-Card entwickelt, mit dem die Kunden über eine Free-Phone Nummer (0130-0222) zu einem Preis von 0,37/Minute (18.00 - 8.00) und DM 0,60 (8.00 - 18.00) aus dem Mobilfunknetz ins Festnetz telefonieren könnten (Anlage AS 13).

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.

Die Entscheidungsgründe

I. Die einstweilige Verfügung der Kammer ist bei Berücksichtigung des Vorbringens beider Parteien im Widerspruchsverfahren zu bestätigen, die gerichtliche Anordnung jedoch bis zum 2. September 1998 zu befristen. Die Antragsgegnerin hat nach § 1 UWG einen Anspruch darauf, daß die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Nummern wieder freischaltet und jedenfalls bis zum 2. September 1998 freigeschaltet läßt.

1. Der Anspruch auf Freischaltung steht der Antragstellerin aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Antragstellerin zu.

a) Die Abschaltung der streitgegenständlichen Telefonnummern am 17. Juli 1998 stellt von Seiten der Antragsgegnerin eine sittenwidrige Behinderung der Antragstellerin dar. Dabei berücksichtigt die Kammer, daß die Antragsgegnerin mit der Antragstellerin überhaupt keine vertraglichen Beziehungen besitzt und mit der Firma WorldCom jedenfalls keine formgültige Zusammenschaltungsvereinbarung im Sinne der NetzzugangsVO (NZV) über die streitgegenständlichen FreePhone-Leistungen unter der Nummer 0800 geschlossen hat. Soweit die Antragstellerin behauptet, es habe mit der Antragsgegnerin eine Einigung über die FreePhone-Leistungen unter der Nummer 0800 gegeben, kann das durchaus möglich sein. Dafür spricht jedenfalls, daß die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Nummern am 25. Mai 1998 freigeschaltet hat. Die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen ist aber ein sogenannter besonderer Netzzugang im Sinne von § 35 Abs. 1 TelekommunikationsG (TKG); dies ist in § 1 Abs. 2 Satz 2 NetzzugangsVO (NZV) ausdrücklich festgelegt. Jede Vereinbarung über besondere Netzzugänge bedarf aber, wie § 5 Abs. 1 NZV bestimmt, der Schriftform. Eine Vereinbarung, die dieser Formvorschrift nicht genügt, ist aber nach § 125 Abs. 1 BGB als formunwirksam und damit als nichtig anzusehen.

Die Tatsache, daß weder mit der Antragstellerin eine vertragliche Vereinbarung noch mit WorldCom eine formwirksame Zusammenschaltungsvereinbarung hinsichtlich der FreePhone-Leistungen unter der Nummer 0800 geschlossen wurde, berechtigt die Antragsgegnerin aber nicht, ohne weiteres im geschäftlichen Verkehr die vom Bundesamt für Post und Telekommunikation bewilligten und von der Antragsgegnerin zunächst freigeschalteten Telefonnummern der Antragstellerin einfach abzuschalten. Die Antragstellerin hat zunächst die Auflagen erfüllt, die das Bundesamt für Post und Telekommunikation mit dem Bescheid vom November 1997 an die Erteilung der streitgegenständlichen Nummern geknüpft hat, indem sie bei WorldCom die Einrichtung der Nummern beauftragt hat. Dies ist jedenfalls durch Anlage AS 17 hinreichend glaubhaft gemacht. Weiterhin, und dies ist von entscheidender Bedeutung, hat die Antragsgegnerin diese Nummern freigeschaltet. Die Antragstellerin konnte somit seit dem Zeitpunkt der Freischaltung die streitgegenständlichen Nummern in der Öffentlichkeit bewerben. Dies hat die Antragstellerin auch in erheblichem Umfang getan, wie sie etwa durch die Anlage AS 14 glaubhaft gemacht hat. Die Antragsgegnerin beruft sich nun darauf, daß sie mit der Abschaltung der streitgegenständlichen Nummern lediglich das Versehen der untergeordneten Dienststelle GKS Neustadt korrigiert habe und so nur den vertragsrechtlich korrekten Zustand hergestellt habe; der Abschaltvorgang sei lediglich die Rückgängigmachung eines fehlerhaften Realaktes. Ihr könne nicht einfach unterstellt werden, sie habe ihre Wettbewerbsstellung zum Nachteil der Antragstellerin fördern wollen. Eine subjektive Wettbewerbsabsicht habe bei der Antragsgegnerin nicht vorgelegen.

Diese Argumentation der Antragsgegnerin ist nicht stichhaltig. Denn abzustellen ist hier auf den Abschaltvorgang am 17. Juli 1998, in dem nicht nur die Rückgängigmachung eines Realaktes zu sehen ist. Durch die Freischaltung der streitgegenständlichen Nummern hat die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin das Vertrauen geweckt, daß sie die streitgegenständlichen Nummern für ihre Telefondienstleistungen nutzen könne. Dieses Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit der Nummern- und Leitungsfreischaltung wird durch das Werbeschreiben der Antragstellerin dokumentiert (Anlage AS 14). Für die Antragsgegnerin ist die Antragstellerin ein direkter Konkurrent auf dem Markt der Telefondienstleistungen. Die Antragsgegnerin wußte somit im Zeitpunkt der Abschaltung, daß sie nicht lediglich den möglicherweise der Vertragslage entsprechenden tatsächlichen Zustand zu WorldCom herstellen würde, sondern auch den Geschäftsverkehr der Antragsgegnerin ohne jede Vorwarnung massiv behindern würde. Denn einer Vielzahl von Kunden der Antragstellerin war die Möglichkeit der Einwahl in das Call-Center über die Nummer 0800 0800 9201 bekannt, was sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Focus-Artikel (Anlage AS 1), aber auch aus dem unstreitig erhöhten Gesprächsaufkommen über das Mobilnetz ergibt. Diese Kunden mußten angesichts der ohne jede Vorwarnung vorgenommenen Abschaltung sehr verärgert sein. Gerade bei einem neugegründeten Unternehmen kann bei den Verbrauchern der Eindruck entstehen, das Unternehmen sei nicht zuverlässig. Zudem hat die Antragsgegnerin über die Störungsstelle noch die wahrheitswidrige Mitteilung verbreitet, die Abschaltung sei auf Veranlassung der Antragstellerin erfolgt. Die Abschaltung durch die Antragsgegnerin war somit in subjektiver Hinsicht zumindest auch eine bewußte Behinderungshandlung zu Lasten der Antragstellerin.

b) Die Abschaltung der streitgegenständlichen Telefonnummern durch die Antragsgegnerin stellt somit eine der verbotenen Eigenmacht vergleichbare Handlungsweise dar, die in einer auf rechtliche Streitschlichtung in erheblichem Maße angewiesene hochdifferenzierte Wirtschaftsordnung nicht zulässig ist. Gerade die Antragsgegnerin ist auf dem mittlerweise teilweise deregulierten Telekommunikationsmarkt erheblichen rechtlichen Bindungen unterworfen, die sie nicht einfach umgehen kann. Der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin als Betreiberin des maßgeblichen Telekommunikationsnetzes in der Bundesrepublik Deutschland tragen insoweit die §§ 35, 37 TKG Rechnung. Die Antragstellerin kann anderen Unternehmen, seien es Telefondienstleister wie die Antragstellerin oder Netzbetreiber wie WorldCom, keineswegs ihre Bedingungen in Vertragsverhandlungen diktieren. Insoweit ist die unternehmerische Freiheit der Antragsgegnerin durch das TKG eingeschränkt. Dies hat die Antragsgegnerin bei allen ihren wettbewerblich relevanten Handlungen zu berücksichtigen. Sie durfte dementsprechend den einmal frei geschalteten Netzfluß zur Antragstellerin nicht ohne weiteres unterbrechen, nur weil mit WorldCom eine wirksame Vereinbarung noch nicht zustande gekommen war. Die Antragsgegnerin hätte vielmehr die Antragstellerin zunächst darauf hinweisen müssen, daß mit der WorldCom noch keine wirksame Zusammenschaltungsvereinbarung getroffen worden ist und sie hätte ihr die Möglichkeit geben müssen, im Rahmen angemessener Fristen ihren Leistungsverkehr umzuorganisieren. Zudem hätte die Antragsgegnerin eine Entscheidung der Regulierungsbehörde nach § 37 TKG in Verbindung mit § 9 NZV herbeiführen müssen. Denn nach § 9 Abs. 1 NZV ist auch die Antragsgegnerin berechtigt, die Regulierungsbehörde anzurufen. Nach dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 37 TKG und des § 9 NZV ist es auch Aufgabe der Regulierungsbehörde, im Streitfall angemessene Leistungsentgelte festzusetzen, die die Interessen der Nutzer sowie die unternehmerische Freiheit jeden Netzbetreibers berücksichtigen. Die angeführten Normen sehen somit einen Streitschlichtungsmechanismus vor, deren sich die Antragsgegnerin ohne weiteres hätte bedienen können. Insoweit war die Abschaltung zur Herbeiführung eines vertragsgerechten Zustandes, wie die Antragsgegnerin meint, nicht erforderlich. Mögliche Verluste kann die Antragsgegnerin zudem auch im Nachhinein über die Regelungen der ungerechtfertigten Bereicherung von der Antragstellerin bzw. der WorldCom zurückverlangen, und zwar möglicherweise nach Maßgabe der Festsetzung eines angemessenen Entgeltes durch die Regulierungsbehörde.

2. Die Kammer hat die Pflicht der Antragsgegnerin zur Freischaltung der streitgegenständlichen Nummern aber bis zum 2. September 1998 befristet. Insoweit hat die Kammer berücksichtigt, daß die Wettbewerbsbehinderung der Antragsgegnerin in der sofortigen Abschaltung der streitgegenständlichen Leitungen bzw. Nummern zu sehen ist, ohne der Antragstellerin Gelegenheit zur Neuorganisation der Einwahlmöglichkeiten in ihr Call-Center zu geben.

Die Antragstellerin wird durch das Abschalten der streitgegenständlichen Nummern von Seiten der Antragsgegnerin aber nicht auf Dauer in ihren geschäftlichen Aktivitäten behindert. Die Antragstellerin verfügt, wie die Antragsgegnerin durch Vorlage der Anlage W 10 glaubhaft gemacht hat, über zwei 0130-Nummern, über die sie ihren Kunden auch die Einwahl ins Call-Center ermöglichen kann. Hinsichtlich dieser Nummern hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin als Netzbetreiberin beauftragt. Wenn die Antragstellerin wegen der Abschaltung der streitgegenständlichen Nummern diese 0130-Nummern ihren Kunden als Zugang in ihr Call-Center und anbietet, wird sie ihre äußerst günstigen Tarife nicht aufrechterhalten können. Jedenfalls ist aber ihr Geschäftsbetrieb nicht auf Dauer blockiert. Denn zugunsten der Antragsgegnerin hat die Kammer zu berücksichtigen, daß jene nicht auf Dauer im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet werden kann, ohne wirksame Zusammenschaltungsvereinbarung mit WorldCom hinsichtlich der sogenannten FreePhone-Leistungen die streitgegenständlichen Nummern auf der WorldCom-Plattform freizuschalten. Die Antragsgegnerin hat insoweit Anspruch auf ein angemessenes Leistungsentgelt für die Einbeziehung der Free-Phone-Leistungen in die Zusammenschaltungsvereinbarung. Es ist der Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung ihrer marktbeherrschenden Position nicht auf eine längere Dauer zumutbar, mit erheblichen Verlusten den Telefonverkehr der Antragstellerin zu subventionieren, und zwar schon deshalb, weil mit WorldCom keine wirksame Zusammenschaltungsvereinbarung hinsichtlich der 0800-Nummern besteht. Ob die Behauptung der Antragsgegnerin, sie mache bei Mobilfunkgesprächen über die streitgegenständliche Nummer 0800 0800 9201 tatsächlich Verluste von DM 0,44 pro Minute zutreffend ist, kann die Kammer nicht überprüfen. Die Antragsgegnerin hat insoweit zwar behauptet, daß derartige Verluste pro Minute entstünden, sie hat dies aber nicht durch einen hinreichenden Tatsachenvortrag belegt oder aber glaubhaft gemacht. Ein angemessenes Entgelt wird letztlich nur bei Einschaltung der Regulierungsbehörde festgesetzt werden können. Jedenfalls erachtet die Kammer es für die Antragsgegnerin für zumutbar, die streitgegenständlichen Nummern zumindest bis zum 2. September 1998 freizuschalten.

Die Antragsgegnerin hat zudem ihren Willen an einer vertraglichen Einigung mit WorldCom durch ihr Angebot an die Antragstellerin dokumentiert, die streitgegenständliche Nummern weitere zwei Wochen auf der WorldCom-Plattform zu den Bedingungen freizuschalten, die Gegenstand der noch mit WorldCom zu treffenden Einigung sein werden. Dementsprechend erachtet die Kammer die Frist bis zum 2. September 1998 für angemessen, um eine vertragliche Einigung zwischen der Antragsgegnerin und WorldCom unter Beteiligung der Regulierungsbehörde herbeizuführen. Sollte die Antragsgegnerin die vertraglichen Verhandlungen mit WorldCom allerdings absichtlich verzögern oder gänzlich unangemessene Forderungen stellen, die unter Berücksichtigung der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin für die WorldCom unannehmbar wären, bliebe es der Antragstellerin unbenommen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung erneut zur Freischaltung der streitgegenständlichen Nummern zu verpflichten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und orientiert sich daran, daß maßgeblicher Streitgegenstand die sofortige Abschaltung der streitgegenständlichen Nummern durch die Antragsgegnerin ist.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.