Unzulässigkeit von Nachnahme- und Mängelanzeigefristenklauseln im Versandhandel

Details zum Urteil

  • Bundesgerichtshof
  • Urteil
  • vom 08.07.1998
  • Aktenzeichen VIII ZR 1/98
  • Abgelegt unter Wirtschaftsrecht

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  1. Der Tatbestand
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Der Tatbestand

Die Klägerin, ein Verbraucherschutzverein, verlangt von der Beklagten, einem Versandhandelsunternehmen, die Verwendung folgender AGB-Klauseln gegenüber Privatkunden zu unterlassen:

Bei Lieferung gegen Nachnahme übernimmt der Käufer die Nachnahmekosten.

Offensichtliche Mängel an der gelieferten Ware sind der Verkäuferin innerhalb einer Woche nach Erhalt vorzubringen.

Das Gericht führt weiterhin aus:

"Ob die Klausel durch die Worte, bei Lieferung gegen Nachnahme dem Beklagten einen Änderungsvorbehalt im Sinne von § 10 Nr. 4 AGBG einräumt - was das Berufungsgericht verneint - oder ob die Klausel insofern anhand von § 9 AGBG zu überprüfen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

Die Klausel ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 3 AGBG unwirksam, weil dem Kunden die Möglichkeit genommen wird, mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufzurechnen." Nach Auffassung des BGH erfaßt die Vorschrift des § 11 Nr. 3 AGBG auch solche Klauseln, in denen die Aufrechnung mit derartigen Forderungen zwar nicht ausdrücklich, aber der Sache nach ausgeschlossen ist. Dies sei, so das Gericht, auch dann der Fall, wenn, wie hier, die Lieferung gegen Nachnahme vorgesehen ist. Mit der Nachnahme werde nämlich eine Auslieferung der Sendung dergestalt bezweckt, daß die ausliefernde Stelle gegen Aushändigung der Sendung das Inkasso des Rechnungsbetrages vornehmen soll. Ein Inkasso schließt nach BGH schon begrifflich die Aufrechnung aus, da es auf den Einzug von Geldbeträgen gerichtet ist. Da der Beklagten durch die AGB-Klausel gestattet wird, ihrer Leistungspflicht ausschließlich durch eine Nachnahmelieferung nachzukommen, können die Kunden, so der BGH, ihr etwaiges Aufrechnungsrecht auch nicht dadurch wahren, daß sie den Empfang der Nachnahmesendung ablehnen und die Lieferung in anderer Form verlangen.

Die Unwirksamkeitsfolge erfaßt nach der Entscheidung des BGH auch die Regelung, daß der Kunde die Kosten der Nachnahme zu tragen hat. Die Klausel sei zwar inhaltlich dergestalt teilbar, daß beim Entfallen der Kostentragungspflicht die Befugnis der Beklagten zur Lieferung der Nachnahme bestehen bleiben könnte. Jedoch sei eine teilweise inhaltliche Aufrechterhaltung der Klausel im umgekehrten Sinne nicht möglich. Die Auferlegung der Nachnahmekosten stellt, so das Gericht, im Verhältnis zur Befugnis der Beklagten zur Lieferung per Nachnahme eine Rechtsfolgenregelung dar, die ins Leere geht, wenn die Voraussetzungen hierfür unwirksam sind. Hieraus folgert der BGH, daß, da die Bestimmungen über die Befugnisse zur Lieferung der Nachnahme wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam sind, die Kostentragungspflicht als Folgeregelungen nicht selbständig aufrecht erhalten werden kann.

Die zweite in Frage kommende Klausel erachtet der BGH wegen einer zu kurz bemessenen Anzeigefrist für unwirksam.

Das Gericht versucht zunächst die Frage zu klären, wie die erforderliche Dauer der Frist bemessen sein muß und stützt sich hierbei auf § 9 AGBG. Das Gericht geht davon aus, daß derartige Klauseln, um der Inhaltskontrolle stand halten zu können, den typischerweise angesprochenen Kunden einen ausreichenden Zeitraum für die Feststellung und Prüfung der Mängel sowie zur Überlegung belassen muß, ob und ggf. welche Gewährleistungsansprüche sie geltend machen wollen. Als Anhaltspunkt für die erforderliche Dauer dieser Frist sieht der BGH die Regelungen der §§ 7 I VerbrKrG, § 1 HWiG. In diesen Normen ist eine einwöchige Überlegungsfrist vorgesehen. Das Gericht ist der Auffassung, daß die dort geregelte Situation dem durch eine formularmäßige Anzeigefrist für offensichtliche Mängel geschaffenen Sachverhalt jedenfalls insoweit vergleichbar ist, als es auch hier darum geht, einem Kunden eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zu verschaffen, innerhalb derer er sich darüber klar werden kann, ob er den gelieferten Gegenstand trotz des Mangels akzeptieren oder aber Gewährleistungsrechte geltend machen will.

Der BGH geht des weiteren davon aus, daß die Wochenfrist dann nicht reicht, wenn durch Zusatzregelungen, etwa dergestalt, daß die Mängelanzeige schriftlich erfolgen und/oder innerhalb der Frist zugegangen sein muß, die dem Kunden tatsächlich zur Verfügung stehende Prüfungs- und Überlegungsfrist verkürzt wird. Ferner ist der BGH der Auffassung, daß der Lauf der Anzeigefrist erst beginnt, sobald der Kunde den offensichtlichen Mangel erkennen kann.

Gemessen an diesen Kriterien wird dem Kunden der erforderliche Mindestprüfungs- und Überlegungszeitraum nicht in jedem Falle eingeräumt, weil die Mängel innerhalb einer Woche vorzubringen sind. Diese Formulierung erachtet der BGH als nicht eindeutig. Sie läßt nach Meinung des Gerichts einerseits die Möglichkeit zu, daß die Abgabe der Erklärung durch den Kunden innerhalb der Frist genügt. Ebenso möglich, wenn nicht sogar naheliegender sei jedoch die Deutung, daß die Mängelanzeige der Beklagten innerhalb der Wochenfrist zugehen muß. Diese Mehrdeutigkeit ist nach Ansicht des Gerichts auch durch eine objektive am Wortlaut und Regelungszusammenhang der Klausel orientierten Auslegung nicht zu beseitigen. Dies führt dann zur Rechtsfolge de § 5 AGBG, wonach die verbleibenden Zweifel bei der Auslegung der Klauseln zu Lasten des Verwenders, also der Beklagten, gehen.

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