Veröffentlichung der Privatadresse eines Geschäftsführers im WWW

Details zum Urteil

  • Landgericht München I
  • Urteil
  • vom 10.09.2003
  • Aktenzeichen 9 O 13848/03
  • Abgelegt unter IT-Recht

Leitsatz der Kanzlei

Bei einer durch Eintragung in das Handelsregister und entsprechende Bekanntmachung allgemein verfügbar gewordenen Information ist deren Veröffentlichung und Weitergabe über das Internet allenfalls dann unzulässig, wenn durch die konkrete Form der Weitergabe eine besondere Gefahr für den Betroffenen geschaffen wird.

Für den Geschäftsführer einer GmbH hat das Gesetz in § 62 HRV die vorzunehmende Güterabwägung dahingehend getroffen, dass dem Informationsinteresse des Verkehrs grundsätzlich der Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen eingeräumt wird. Aus diesem Grunde kann auch die Privatanschrift eines GmbH-Geschäftsführers grundsätzlich im WWW genannt und veröffentlicht werden, beispielsweise im Zusammenhang mit einer kritischen Berichterstattung über seine geschäftlichen Aktivitäten.

Der Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Anschrift des Verfügungsklägers (im folgenden: Kläger) auf den Internetseiten des Verfügungsbeklagten (im folgenden: Beklagter).

Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer verschiedener Unternehmen, deren Tätigkeit in der Herausgabe von Adressverzeichnissen bestand, in welche sich andere Unternehmen aufgrund formularmäßiger Anschreiben eintragen lassen sollten; diese Geschäftstätigkeit war und ist Gegenstand verschiedener sowohl vermögens- als auch äußerungsrechtlicher Zivilprozesse und war Gegenstand (eingestellter) Ermittlungsverfahren. Der Beklagte ist Journalist und Herausgeber der Internetseiten "www....", auf denen er sich mit der Tätigkeit solcher Adressbuchverlage und namentlich auch des Klägers beschäftigt.

Auf den Internetseiten des Beklagten veröffentlicht dieser unter anderem die private Wohnanschrift des Klägers mit dem Wortlaut "(Name): geb. ..., wohnhaft in ...". Wegen des Inhalts der betreffenden Internetseiten des Beklagten wird auf die bei den Akten befindlichen Ausdrucke (...) Bezug genommen.

Diese Wohnanschrift des Klägers ist aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der ... mbH sowie der ... GmbH jeweils im Handelsregister eingetragen und entsprechend bekannt gemacht worden.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung seiner Privatanschrift im Internet durch den Beklagten eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Er trägt vor, von seiner Münchner Wohnung aus betreibe er seine Geschäftstätigkeit nicht.

(...)

Der Beklagte ist der Auffassung, die Veröffentlichung der genannten Anschrift des Klägers sei gerechtfertigt. Er trägt insbesondere vor, der Kläger betreibe seine Geschäfte von der angegebenen Anschrift aus; (...) Der Beklagte ist im übrigen der Ansicht, die Privatanschrift des Klägers stelle aufgrund der Veröffentlichung im Handelsregister und im Bundesanzeiger eine allgemein zugängliche Information dar, deren - auch öffentliche - Weitergabe grundsätzlich nicht zu beanstanden sei.

(...)

Die Entscheidungsgründe

Auf den Widerspruch des Beklagten war die erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenfällig zurückzuweisen, da der zulässige, Verfügungsantrag des Klägers unbegründet ist. Dem Kläger steht ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung seiner Privatanschrift durch den Beklagten analog §§ 823, 1004, 12 BGB nicht zu.

Vorliegend geht es nicht um die Unterlassung einer unwahren Tatsachenbehauptung, sondern um die Untersagung der Veröffentlichung einer Information, die der Kläger zum Schutz seines Privat- und Familienlebens für geheimhaltungsbedürftig hält. Die Kammer hatte hierbei nicht die Frage zu entscheiden, ob jedermann die Veröffentlichung seiner Privatanschrift im Internet dulden müsste. Denn jedenfalls für den Geschäftsführer einer GmbH hat das Gesetz in § 62 HRV die vorzunehmende Güterabwägung dahingehend getroffen, dass dem Informationsinteresse des Verkehrs grundsätzlich der Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen eingeräumt wird.

Von dieser Abwägungsvorgabe ist auch äußerungsrechtlich auszugehen. Die Kammer ist der Auffassung, dass bei einer durch Eintragung in das Handelsregister und entsprechende Bekanntmachung allgemein verfügbar gewordenen Information deren Weitergabe allenfalls dann unzulässig sein könnte, wenn durch die konkrete Form der Weitergabe eine besondere Gefahr für den Betroffenen geschaffen wird. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Weitergabe der Information im direkten Zusammenhang mit Aufrufen zu Straftaten oder Belästigungen steht. Dies ist hier nicht der Fall.

Auch ist nicht von einer entsprechenden - verdeckten - Intension des Beklagten auszugehen. Es sind durchaus legitime Gründe für die Veröffentlichung der Privatanschrift des Klägers im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tätigkeiten der Adressbuchverlage ersichtlich. Diese kann etwa dazu dienen, Betroffenen die Zustellung von gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücken oder gegebenenfalls auch die Erstattung einer Strafanzeige zu ermöglichen. Da es sich bei den verschiedenen ,,Online-Verlagen" um ein relativ verwirrendes und nahezu unüberschaubares Geflecht von Firmen handelt, ist die Angabe der. Privatanschrift als Identifikationsmerkmal von besonderer Bedeutung, wie auch das Gesetz dadurch verdeutlicht, dass es die Aufnahme der Privatanschrift des Geschäftsführers in das Handelsregister fordert.

Hinzu kommt, dass der Kläger zwar vorträgt, er befürchte aufgrund der Veröffentlichung seiner Privatanschrift Belästigungen. Die konkrete Gefahr solcher Belästigungen oder gar schon, stattgefundene Belästigungen trägt er indes nicht vor.

Damit liegt hier unter keinem möglichen Gesichtspunkt ein Ausnahmefall gegenüber der gesetzlich vorgezeichneten Güterabwägung vor, wonach die Privatanschrift eines GmbH-Geschäftsführers eine öffentlich zugängliche Information darstellt. Die einstweilige Verfügung war daher aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen, ohne, dass auf die übrigen vom Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte noch einzugehen war.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Verfügungskläger die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.

(...)