Verstoß gegen DIN-Normen führt nicht zwangsläufig zu Baumangel

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Nürnberg
  • Urteil
  • vom 25.07.2002
  • Aktenzeichen 13 U 979/02
  • Abgelegt unter Sonstiges

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  1. Die Entscheidungsgründe

Frau Rechtsanwältin Katharina Frösner-Brandl ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentums­recht (seit 2006)  sowie Fachanwältin für Erbrecht (seit 2021) in der Anwaltskanzlei Frösner & Partner mbB in Freising bei München.

Zugleich ist sie Fachanwältin für Arbeitsrecht (seit 2003) und Mediatorin.

Die Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg; denn die Beklagte hat wegen des angeblich unzureichenden Gefälles der Balkone keinen Gegenanspruch, weshalb ihr kein Zurückbehaltungsrecht zusteht.

Weil die VOB/B vereinbart ist, ist eine Werkleistung gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B auch dann mangelhaft, wenn sie zwar keine Fehler in diesem Sinne aufweist, aber nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Insoweit enthält § 13 Nr. 1 VOB/B gegenüber § 633 BGB einen zusätzlichen Gewährleistungstatbetand.

Es kann hier auf sich beruhen, ob die Klägerin gegen die allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik verstieß. Allgemein anerkannte Regeln der Baukunst und Technik sind auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen beruhende, allgemein bekannte, anerkannte und bewährte technische Regeln für den Entwurf, die Ausführung und die Unterhaltung baulicher Anlagen. Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben (BGH NJW 1998, 2814 = LM § 633 BGB Nr. 105 Bl. 2).

Die DIN 18560 "Estriche im Bauwesen" besagt zum erforderlichen Gefällemaß überhaupt nichts. Nach der DIN 18195 Teil 5 ist für eine dauernd wirksame Abführung des auf die Abdichtung einwirkenden Wassers zu sorgen, ohne daß das Gefalle vorgeschrieben wird. Der Senat folgt damit den klaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten und anläßlich seiner mündlichen Anhörung. Allerdings trifft zu, daß der Sachverständige davon ausgeht, ein Gefalle von 1,5 % sei nach den anerkannten Regeln der Technik üblich.

Es kann dahinstehen, ob dem in bezug auf das hier zu beurteilende Gewerk uneingeschränkt zu folgen ist; denn jedenfalls steht nach den Darlegungen des Sachverständigen fest, daß angesichts der sehr kleinen Flächen der innenliegenden, also überdachten Balkone kein Risiko besteht, daß auf die Balkonflächen Regenwasser in erheblichem Ausmaß gelangt, welches nicht zeitgerecht abzulaufen vermag; denn ein Gefälle ist ausnahmslos vorhanden. Die Oberflächen der aufgebrachten Beschichtung sind den Feststellungen des Sachverständigen zufolge zudem sehr sauber geglättet worden, weshalb das Wasser einwandfrei abgeleitet wird.

Ein Mangel liegt nicht vor, soweit mit dem Verstoß gegen die "anerkannten Regeln" der Technik ein auch tatsächlich nachweisbares Risiko nicht verbunden ist, mithin irgendwelche Gebrauchsnachteile nicht erkennbar sind. Gewährleistungsansprüche sind somit sachlich nur legitimiert, wenn mindestens technische Risiken bestehen, die konkret aus der Nichteinhaltung der "anerkannten Regeln" folgen. Es kann unterstellt werden, daß der Auftraggeber mehr als ein "völlig einwandfreies" Bauwerk nicht haben will. Die Einhaltung der "anerkannten Regeln" ist kein Selbstzweck. Den Beweis einer auch langfristig ungefährdeten Gebrauchstauglichkeit hat bei einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln allerdings der Auftragnehmer, hier die Klägerin, zu führen (Beck'scher VOB-Komm./Ganten, § 13 Nr. 1 Rn. 96, 97; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 20; vgl. auch BGH BauR 1981, 577, 579).

Weil hier jedes Risiko jetzt und in ferner Zukunft nach den Feststellungen des Sachverständigen ausgeschlossen werden kann, begründet der etwaige folgenlose Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik keinen die Gewährleistungspflicht auslösenden Mangel.

Folgerichtig liegt auch kein Fehler vor, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch mindert oder gar aufhebt.

Besteht Abnahmereife, kommt es auf die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Senat läßt die Revision nicht zu, weil die in § 543 Abs. 2 ZPO normierten Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht zulässig ist, unterbleibt die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§§ 711, 713 ZPO).