Erbin muss Unterhalt für die frühere Frau ihres verstorbenen Ehemanns bezahlen

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht Koblenz
  • Urteil
  • vom 28.08.2002
  • Aktenzeichen 9 UF 745/01
  • Abgelegt unter Erbrecht, Familienrecht

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  1. Der Tatbestand
  2. Die Entscheidungsgründe

Der Tatbestand

Die Beklagte ist die Witwe und alleinige Erbin des am 26. November 1997 verstorbenen ... Die im April 1928 geborene Klägerin ist die durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 10. März 1978 (Bl. 163 ff d.A.) - rechtskräftig seit dem 17. April 1978- von diesem geschiedene frühere Ehefrau. Bis zu seinem Tod hatte der Erblasser an die Klägerin Unterhalt aufgrund einer im Zusammenhang mit der Scheidung getroffenen (Korrespondenz Bl. 167 ff d.A.) und im Hinblick auf den Einsatz des Rentenbezugs zum 01. Januar 1994 auf 668 DM monatlich herabgesetzten (Bl. 78 f d.A.) außergerichtlichen Unterhaltsvereinbarung gezahlt.

Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin Fortzahlung dieses Unterhalts. Die Beklagte beruft sich auf Dürftigkeit des Nachlasses und Beschränkung ihrer Haftung auf den der Klägerin für den Fall, dass die Ehe nicht geschieden worden wäre, fiktiv zustehenden Pflichtteil. In diesem Zusammenhang streiten sich die Parteien darüber, ob und in welchem Umfang Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte bei der Bemessung dieses Pflichtteils zu berücksichtigen sind.

Wegen der näheren Sachdarstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Familiengericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Nachlass sei erschöpft. Auch insoweit wird zur näheren Darstellung auf die Ausführungen des genannten Urteils verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter. Sie macht geltend, ihr stehe ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zu. Ihre ehelichen Lebensverhältnisse mit dem Erblasser seien dadurch geprägt gewesen, dass dieser Inhaber einer ertragsstarken Firma und entsprechend begütert gewesen sei. Die Übertragung dieses Vermögens auf die Beklagte könne unterhaltsrechtlich nicht anerkannt werden. Der beschenkte Erbe könne sich nicht auf die (von ihr zudem bestrittene) Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Hilfsweise werde die Beklagte als Beschenkte in Anspruch genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts (Familiengericht) Trier vom 11. Oktober 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, ab 01. April 2001 einen monatlichen Betrag in Höhe von 668,00 DM nebst 4% Zinsen auf die Rückstände zu zahlen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung wegen der monatlichen Ansprüche ab dem 01. April 2001 in Höhe von 668,00 DM in die Hausgrundstücke Z......... Straße .., ..... ...... Grundbuch von ...... Band 225, Bl. 8228, Flur 23 Nr. 6/16/15 sowie G....... Straße ...... Grundbuch von ...... Band 113, Bl. 3978, Flur 10, Nr. 354/5 zu dulden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie bestreitet die Bedürftigkeit der Klägerin, macht geltend, die an sie übertragenen Vermögensgegenstände seien nicht werthaltig gewesen, beruft sich weiterhin auf die Dürftigkeit des Nachlasses und erhebt vorsorglich die Einrede aus § 2328 BGB. Gegenüber der - für nicht einschlägig gehaltenen - Vorschrift des § 2329 BGB erhebt sie vorsorglich die Einrede der Verjährung.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Erklärungen der Parteien anlässlich der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Entscheidungsgründe

Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung ist im Hauptantrag weitgehend begründet. Die Beklagte ist antragsgemäß zur Unterhaltszahlung an die Klägerin zu verurteilen (§§ 1586 b, 1571 BGB); die Verteidigung der Beklagten hat lediglich insoweit Erfolg, als ihr gemäß § 1586 b Abs. 1 S. 2 BGB die Beschränkung ihrer Haftung auf den Pflichtteil einschließlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§§ 2325, 2328 BGB) und gemäß § 1990 BGB auf den Bestand des Nachlasses vorzubehalten ist. Der im Wege einer zulässigen Klageerweiterung geltend gemachte Hilfsantrag hingegen, den der Senat dahingehend versteht, dass er auch für den Fall der lediglich vorbehaltenen Haftungsbeschränkung geltend gemacht sein soll, ist unbegründet.

Nach § 1586 b Abs. 1 BGB geht die Unterhaltspflicht mit dem Tod des Verpflichteten auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Nach dieser Bestimmung kann die Klägerin von der Beklagten als Alleinerbin des am 26. November 1997 verstorbenen Ehemannes nachehelichen Unterhalt in der Höhe verlangen, in welcher dieser der Klägerin (ohne Rücksicht auf seine Leistungsfähigkeit) verpflichtet wäre. Hierbei handelt es sich um den vom Erblasser bis zu seinem Tod an die Klägerin gezahlten Betrag von 668 DM (jetzt: 341,54 EUR) monatlich.

Ob § 1586 b BGB auf eine Unterhaltsvereinbarung zwischen dem geschiedenen Ehegatten und dem Erblasser anzuwenden ist und damit den Erben bindet, ist umstritten. Zu unterscheiden ist insoweit zwischen selbständigen Unterhaltsvereinbarungen, die einen vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch unabhängigen Anspruch schaffen, und den gesetzlichen Anspruch lediglich ausgestaltenden unselbständigen Unterhaltsvereinbarungen. Während letztere nach einhelliger Meinung der passiven Vererblichkeit nach § 1586 b BGB unterliegen, sind die Meinungen zur Anwendbarkeit des § 1586 b BGB auf selbständige Unterhaltsverträge geteilt (vgl. zum Meinungsstand Hambitzer, Zur Bindungswirkung von Unterhaltsvereinbarungen gemäß § 4586 b BGB gegenüber den Erben, FamRZ 2001, 201 ff, 202 f m.w.N.; MK/Maurer, BGB, 4. Aufl., § 1586 b Rdn. 2; Staudinger/Baumann, BGB, 12. Aufl., § 1586 b Rdn. 16). Im vorliegenden Fall bedarf diese Streitfrage indes keiner Entscheidung, weil es sich bei der zwischen dem Erblasser und der Klägerin sich bei der zwischen dem Erblasser und der Klägerin getroffenen Absprache um eine den gesetzlichen Anspruch lediglich ausgestaltende unselbständige Unterhaltsvereinbarung handelt, die jedenfalls der passiven Vererblichkeit unterliegt.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Klägerin beim Tod des Erblassers gegen diesen dem Grunde nach ein gesetzlicher Anspruch auf Altersunterhalt (§ 1571 BGB) zustand, den die früheren Eheleute lediglich der Höhe nach einverständlich geregelt haben (sogen. "konkretisierender Unterhaltsvertrag"; vgl. Staudinger/Baumann, a.a.O., § 1585 c Rdn. 29). Hierbei handelte es such um einen Anschlussunterhalt an einen seit der Scheidung bestehenden Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB), den die Eheleute ebenfalls in einer konkretisierenden Vereinbarung der Höhe nach festgelegt hatten. Zwar war die Klägerin im Zeitpunkt der Scheidung (1978) nicht mehr durch Kindesbetreuung an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert - der bei ihr lebende jüngste Sohn F........ ist im Mai 1960 geboren und bedurfte daher keiner Betreuung mehr; auch ihr damaliges Alter von 50 Jahren stand - jedenfalls nach heutigem Verständnis - der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Jedoch geht der Senat davon aus, dass die Klägerin mit dem Einkommen aus einer eigenen Erwerbstätigkeit ihren in der Ehe geprägten Lebensstandard (§ 1578 BGB) nicht hätte aufrecht erhalten können. Der Erblasser verfügte nach den von seinem Bevollmächtigen im Schreiben vom 28.11.1977 (Bl. 176 ff) als Grundlage der später getroffenen Vereinbarung hingenommenen Ausführungen im Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 21. November 1977 (Bl. 170 d.A.) nach Abzug des Kindesunterhalts über ein bereinigtes Einkommen von mindestens 4.000 DM, wobei die Gewinnbeteiligung an der Firma R... KG nicht einmal berücksichtigt war. Ein vergleichbares Einkommen war für die Klägerin, die ausweislich der Ausführungen im Scheidungsurteil vom 10. März 1978 während der über 20jährigen Ehe keine Versorgungsanwartschaften erworben hatte, mithin in dieser Zeit nicht erwerbstätig war, nicht erzielbar. Daher geht der Senat davon aus, dass der Klägerin ab Scheidung - unabhängig von der getroffenen Unterhaltsvereinbarung - ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zustand.

Mit Eintritt der Klägerin in das Rentenalter im April 1993 schloss sich hieran ein Anspruch auf Altersunterhalt an, weil nunmehr eine Erwerbstätigkeit von der Klägerin nicht mehr erwartet werden konnte. Sie war auch bedürftig, weil ihr eigenes Einkommen hinter den eheprägend angelegten Einkünften des Erblassers zurückblieb.

Ausweislich der vorgelegten Rentenmitteilungen des Erblassers zum 01. Juli 1996 (Bl. 189 d.A.) und der Klägerin zum 01. Juli 2001 (Bl. 151 d.A.) ist nämlich davon auszugehen, dass auch unter Einbeziehung der zusätzlich von der Klägerin bezogenen luxemburger Pension (Gutschriftbelege Bl. 181 d.A.) eine nicht unerhebliche Differenz zwischen den beiderseitigen Alterseinkünften bestand. Die von der Klägerin erzielten Erwerbseinkünfte von rund 1.000 DM monatlich aufgrund der Hausaufgabenbetreuung sind seit Eintritt in das Rentenalter überobligatorisch und daher nach den Grundsätzen des § 1577 Abs. 2 BGB allenfalls teilweise zur Unterhaltsberechnung heran zu ziehen. Soweit die Beklagte auf Mieteinnahmen aus einem Wohnhaus in W........... und ein Pachtgrundstück an der Sauer verweist, hat die Klägerin klargestellt, dass das Wohnhaus nicht ihr, sondern ihrer Schwester gehört und das in einem Naturschutzgebiet gelegene Grundstück einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht zugänglich ist; dem ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Berücksichtigt man des Weiteren, dass der Erblasser sich seines Vermögens, das die Ehe der Klägerin mit geprägt hat, durch Übertragung auf die Beklagte begeben hat, weshalb insoweit fiktive Vermögenseinkünfte zu veranschlagen sein könnten, ist davon auszugehen, dass die Klägerin und der Erblasser bei der Vereinbarung des Unterhaltsbetrages von 668 DM lediglich den gesetzlichen Anspruch fixiert haben. Diese somit unselbständige Unterhaltsvereinbarung ist für die Beklagte als Erbin bindend.

Gemäß § 1586 b Abs. 1 S. 3 BGB ist die Haftung der Beklagten auf den fiktiven Pflichtteil zu beschränken, welcher der Klägerin zustünde, wenn ihre Ehe mit dem Erblasser nicht geschieden worden wäre. Die betragsmäßige Festlegung dieses Haftungsumfangs ist nicht Gegenstand des vorliegenden Unterhaltsrechtsstreits, weshalb der Beklagten insoweit gemäß § 780 ZPO nur die Beschränkung ihrer Haftung für die Zwangsvollstreckung vorzubehalten ist (vgl. MK/Maurer, a.a.O., § 1586 b Rdn. 13; Staudinger/Baumann, a.a.O., § 1586 b Rdn. 54; Erman/Dieckmann, BGB, 10. Aufl., § 1586 b Rdn. 14); dies muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - der insoweit maßgebliche Betrag durch umfangreiche Beweisaufnahme über den Wert der der Beklagten vom Erblasser übertragenen Grundstücke und Anteile des Kapitalkontos der R... KG ermittelt werden müsste.

Der Wert dieser Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte ist nämlich beim Umfang der Haftungsbeschränkung des § 1686 b Abs. 1 S. 3 BGB zu berücksichtigen, wenn es sich hierbei um Schenkungen im Sinne des § 2325 BGB handelt, wozu grundsätzlich auch sogenannte unbenannte Zuwendungen unter Eheleuten zählen (vgl. BGHZ 116, 167; Palandt/Edenhöfer, BGB, 61. Aufl., § 2325 Rdn. 15). Nach der Entscheidung des BGH vom 29. November 2000 (NJW 2001, 828 ff) ist mit dem Begriff des "Pflichtteils" in § 1686 b BGB nicht nur der eigentliche Pflichtteilsanspruch des § 2303 BGB sondern auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 BGB gemeint (zustimmend Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1586 b Rdn. 7; Klinghöffer ZEV 2001, 179; Frenz ZEV 2001, 115; Rinsche MDR 2001, 454; schon bisher Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 1586 b Rdn. 8; Staudinger/Baumann, a.a.O., § 1586 b Rdn. 35; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., Rdn. 1242; a.A. z.B. MK/Maurer, a.a.O., § 1586 b Rdn. 8; RGRK/Cuny, 12. Aufl., § 1586 b Rdn. 13; OLG Celle OLGR 1995, 88), weil beide Ansprüche weitgehend wesensgleich sind und nach der Entstehungsgeschichte des § 1586 b BGB die Vererblichkeit des Unterhaltsanspruchs den Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten über den Tod des Verpflichteten hinaus "in ähnlicher Weise sicherstellen" sollte, "wie dies bei Fortbestand der Ehe durch erbrechtliche Ansprüche erreicht worden wäre".

Des Weiteren ist der Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung auf den (tatsächlichen) Nachlass vorzubehalten (§ 1990 BGB). Auch der auf § 2325 BGB gestützte Anspruch wird durch die Unzulänglichkeit des Nachlasses materiell entkräftet, selbst wenn - wie hier - der Erbe der Beschenkte ist (BGH ZEV 2000, 274). Diese Haftungsbeschränkung hat der BGH in der bereits genannten Entscheidung vom 29. November 2000 (NJW 2001, 828 ff, 829) auch gegenüber dem Anspruch aus § 1586 b BGB gebilligt. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Entgegen der Meinung der Klägerin steht dem nicht der Zweck des § 1586 b BGB entgegen. Könnte der beschenkte Erbe sich gegenüber dem Unterhaltsanspruch des früheren Ehegatten nicht auf die Unzulänglichkeit des Nachlasses berufen, würde dieser besser behandelt als ein tatsächlich Pflichtteilsberechtigter, dessen Zahlungsanspruch gegen den Erben durch den wirklich vorhandenen Nachlass beschränkt wird und der gegen den Beschenkten, mag dies auch der Erbe selbst sein, gemäß § 2329 BGB lediglich einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes zum Zweck der Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung hat. § 1586 b BGB will den früheren Ehegatten aber nicht besser stellen als einen Pflichtteilsberechtigten sondern den Unterhaltsanspruch dem Umfang nach auf den fiktiven Pflichtteilsanspruch beschränken.

Nachdem in der Berufung - anders als in erster Instanz - die Dürftigkeit des Nachlasses von der Klägerin bestritten wurde und die von der Beklagten vorgelegte Erbschaftssteuererklärung (Bl. 130 d.A.) eine streitige Position "Hausrat" mit der Wertangabe von 85.000 DM aufweist, kann nicht ohne weitere Sachaufklärung von einer Erschöpfung des Nachlasses ausgegangen werden. Daher ist die Beklagte insoweit auf die Geltendmachung ihrer Rechte im Zwangsvollstreckungsverfahren (§§ 780, 781, 785, 767 ZPO) zu verweisen.

Auf die von der Beklagten "vorsorglich" erhobene Einrede aus § 2328 BGB ist der Beklagten darüber hinaus vorzubehalten, die Leistung im Umfang der Ergänzung des Pflichtteils insoweit zu verweigern, dass ihr ihr eigener Pflichtteil unter Einschluss der Pflichtteilsergänzung verbleibt. Dieses Recht steht auch dem beschenkten Erben zu (BGH NJW 1983, 1485 ff, 1487 und FamRZ 1989, 273 ff, 275; Staudinger/Olshausen, a.a.O., § 2328 Rdn. 17; Erman/Schlüter, a.a.O., § 2328 Rdn. 2; RGRK/Johannsen, a.a.O., § 2328 Rdn. 2; Soergel/Dieckmann, a.a.O., § 2328 Rdn. 3). Da die Beklagte mit dem Erblasser bei dessen Tod im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte (vgl. jeweils S. 2 der Klageschrift vom 04. September 2000 und der Klageerwiderung vom 18. Dezember 2000 im Rechtsstreit des Sohnes S..... R... gegen die Beklagte, Bl. 12 und 37 d.A.) beläuft sich der Pflichtteil der Beklagten gemäß §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 1 BGB auf 1/4 (vgl. Staudinger/Olshausen, a.a.O., § 2328 Rdn. 16). Zwar ist das Recht zur Leistungsverweigerung aus § 2328 BGB in der Regel auf einen bestimmten Betrag zu beziffern. Da im vorliegenden Fall aber weder die Höhe der insgesamt der Klägerin geschuldeten Unterhaltsleistungen, noch der Umfang des Nachlasses und der Wert der ergänzungspflichtigen Schenkungen feststehen, hält es der Senat für angebracht und zulässig, auch die Bezifferung der Haftungsbegrenzung aus § 2328 BGB gemeinsam mit der Geltendmachung der Erschöpfung des Nachlasses und der Haftungsbegrenzung auf den fiktiven Pflichtteil der Zwangsvollstreckung vorzubehalten.

Der Hilfsantrag ist nicht begründet. Nach § 2329 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern; dies gilt auch dann, wenn der Erbe zugleich der Beschenkte ist. Diese Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung auf das Verhältnis zwischen früherem Ehegatten und dem Erben des Unterhaltsverpflichteten nicht anwendbar, weil der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte nicht pflichtteilsberechtigt ist und § 1586 b BGB diesem nur einen Anspruch gegen den Erben und Erbeserben einräumt (vgl. OLG Celle, OLGR 1995, 88 und in der Literatur z.B. Staudinger/Baumann, a.a.O., § 1586 b Rdn. 35; MK/Maurer, a.a.O., § 1586 b Rdn. 8; RGRK/Cuny, a.a.O., § 1586 b Rdn. 13; Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1586 b Rdn. 7; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1586 b Rdn. 8; Frenz, a.a.O.; Klinghöffer, a.a.O.; Dieckmann, FamRZ 1977, 161 ff, 171, der vielfach fälschlicherweise als Vertreter einer Gegenmeinung zitiert wird).

Auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht. Zwar hat der BGH den Anspruch aus § 2329 BGB als Ergänzungsanspruch im Sinne des § 2325 BGB bezeichnet, von dem er sich nur der Art und dem Umfang der Haftung, nicht aber dem Grunde nach unterscheide (BGH NJW 1964, 1323); in einer anderen Entscheidung hat er ausgeführt, die Rechtsnatur des Pflichtteilsergänzungsanspruchs werde nicht dadurch verändert, dass er sich nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten richte (BGH NJW 1973, 40 ff, 41). Wenn es dann in dem o.a. Urteil vom 29. November 2000 (NJW 2001, 828) heißt, der Pflichtteilsergänzungsanspruch sei mit dem Pflichtteilsanspruch weitgehend wesensgleich, könnte der Schluss nahe liegen, den Anspruch des geschiedenen Ehegatten aus § 1586 b BGB auch auf den Anspruch aus § 2329 BGB auszudehnen. Jedoch würden hierdurch die vom Gesetzgeber gezogenen dogmatischen Grenzen überschritten, § 1586 b BGB gewährt einen Anspruch gegen den Erben "als Nachlassverbindlichkeit", während § 2329 BGB gerade keine Nachlassverbindlichkeit begründet, selbst dann nicht, wenn ein Miterbe in seiner Eigenschaft als Beschenkter in Anspruch genommen wird (Staudinger/Olshausen, BGB, Bearb. Juni 1998, § 2329 Rdn. 38 u. 39). Anders als im Verhältnis der Ansprüche aus § 2325 und § 2303 BGB, deren Verjährung sich einheitlich nach § 2332 Abs. 1 BGB richtet, regelt das Gesetz die Verjährung des Anspruchs aus § 2329 BGB in § 2332 Abs. 2 BGB gesondert, woraus zu ersehen ist, dass der Gesetzgeber den Anspruch aus § 2329 BGB gegen den Beschenkten gerade nicht dem in § 2332 Abs. 1 BGB angesprochenen Begriff des Pflichtteilsanspruchs zuordnen wollte. Vielmehr gewährt § 2329 BGB dem Pflichtteilsberechtigten neben dem gegen den Erben als Nachlassverbindlichkeit gerichteten Pflichtteilsanspruch einen außerhalb des Nachlasses zu realisierenden Hilfsanspruch, um die wertmäßige Beteiligung des nahen Angehörigen am Nachlass sicher zu stellen. Hätte der Gesetzgeber dieses Recht auch dem geschiedenen Ehegatten zusprechen wollen, hätte er diesem einen Pflichtteilsanspruch in Höhe seiner Unterhaltsforderunqen gewährt und nicht - wie in § 1586 b BGB angeordnet - den Unterhaltsanspruch durch die Höhe des Pflichtteils begrenzt. Dass im vorliegenden Fall Erbe und Dritter in einer Person zusammenfallen, kann nicht zu einer dogmatisch nicht angelegten Haftungserweiterung führen. Der Senat ist sich dessen bewusst, dass hierdurch nicht dem Unterhaltspflichtigen, was der BGH in der Entscheidung vom 29. November 2000 zurecht als wünschenswert bezeichnet hat, der Anreiz, seinen Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten zu vermindern und so den nach seinem Tode weiterbestehenden Unterhaltsanspruch seines geschiedenen Ehegatten zu entwerten, genommen werden kann. Jedoch darf sich die Rechtsprechung nicht zur Erzielung eines wünschenswerten Ergebnisses über die Entscheidung des Gesetzgebers hinwegsetzen.

Hiernach bleiben dem geschiedenen Ehegatten bei Schmälerung des Nachlasses durch Schenkungen, die wegen Dürftigkeit des Nachlasses nicht über § 2325 BGB aufgefangen werden können, allein die Rechte aus §§ 138, 826 BGB oder dem Anfechtungsgesetz. Hierzu ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.

Der Zinsausspruch folgt für die Zeit bis Ende 2001 aus §§ 288, 284 Abs. 2 BGB in der bis dahin geltenden Fassung und für die Zeit ab Januar 2002 aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB n.F., jeweils in Verbindung mit §§ 1585 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB.

Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil zu, weil die Frage, ob bei der Begrenzung des Anspruchs aus § 1586 b BGB in dem Fall, dass der Erbe selbst der Beschenkte ist, der Anspruch aus § 2329 BGB einzubeziehen ist, bisher vom BGH nicht entschieden wurde und der Senat möglicherweise von der Rechtsprechung des BGH zur dogmatischen Einordnung des § 2329 BGB abweicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4,440,06 EUR (Rückstand 668 DM, laufender Unterhalt 12 x 668 DM) festgesetzt.