Erschöpfungsgrundsatz bei der Verbreitung von Standardsoftware

Details zum Urteil

  • Oberlandesgericht München
  • Urteil
  • vom 12.02.1998
  • Aktenzeichen 29 U 5911/97; CR 1998, 265
  • Sonstiges: Das Urteil ist rechtskräftig
  • Abgelegt unter Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht
  • Kommentiert von

Leitsatz der Kanzlei

Mit dem Erstverkauf einer Programmkopie einer Standardsoftware erschöpft sich das Verbreitungsrecht des Urhebers.

Der Tatbestand

Die Antragstellerin vertreibt CAD-Software; in Deutschland wird das entsprechende Programm von der A-GmbH vertrieben.

Die Antragstellerin hat an die A-GmbH eine als Update bezeichnete Programmversion zu einem nicht näher bezeichneten Preis von unter DM 166,- verkauft, während sie für die Vollversion DM 832,- verlangt. Da die Vollversion und die als Update gekennzeichnete Version völlig identisch waren, hat die A-GmbH kurzerhand den Update-Aufkleber auf der Verpackung entfernt und die Software als Vollversion zum Kauf angeboten.

Diese Verhalten versuchte die Antragstellerin mittels eines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht München I zu unterbinden. Das LG hat diesen Antrag durch Urteil zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung.

Die Entscheidungsgründe

Das OLG München sieht die Berufung der Antragstellerin als unbegründet an. Die Entscheidung wird maßgeblich auf den Erschöpfungsgrundsatz des § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG gestützt. Hiernach erschöpft sich das Verbreitungrecht des Rechtsinhabers, wenn das Vervielfältigungsstück eines Computerprogrammes mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der EU im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden ist.

Das Gericht geht hierbei, auch unter Zuhilfenahme der zugrundeliegenden Richtlinie des Rates über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, davon aus, daß der Wortlaut der Vorschrift zu der Auslegung zwingt, daß bereits mit der ersten Veräußerung eine umfassende Erschöpfung eintritt.

Zugleich wird betont, daß man der gegenteiligen Auffassung des Kammergerichts (NJW 1997, 330) nicht zu folgen vermag.

Kommentar von

Der Entscheidung ist m.E. zuzustimmen. Der Wortlaut des § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG läßt es nicht zu, unter diese Vorschrift, wie es das KG in der zitierten Entscheidung tut, nur die (Letzt-)Veräußerung an den Endkunden zu subsumieren. Eine Ware ist bereits dann in Verkehr gebracht, wenn sie an einen Weiterverkäufer veräußert worden ist. Dies entspricht auch der europarechtlichen Lesart des Inverkehrbringens.

Dieser Auslegung steht auch nicht die Vorschrift des § 32 UrhG entgegen, wie z.B. Erben und Zahrnt in ihrer Urteilsanmerkung in CR 1998, 267 meinen.

Würde man § 32 UrhG so lesen, daß der Rechtsinhaber das Recht zur Nutzung seiner Software beliebig inhaltlich beschränken kann, so wäre der Erschöpfungsgrundsatz obsolet. Der in § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG angeordnete Grundsatz konkretisiert und begrenzt deshalb die Vorschrift des § 32 UrhG vielmehr dahingehend, daß die Möglichkeit der Beschränkung von Nutzungsrechten eben nur bei der Erstveräußerung zum Tragen kommt. Denn Sinn und Zweck des § 32 UrhG ist es gerade, dem Urheber eines Werkes ein angemessenes Entgelt für seine Leistung zu sichern. Diesem Interesse steht aber das Interesse des Rechtsverkehrs an einer freien Zugänglichkeit des Werkes gegenüber. Diese widerstreitenden Interessen versucht das UrhG in Einklang zu bringen.

Da dem legitimen Interesse des Rechtsinhabers auf Vergütung bereits mit der ersten Veräußerung genüge getan ist, ist eine weiterreichende Beschränkung mit urheberrechtlicher Wirkung nicht statthaft.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß zwar der Urheber im Falle einer Erstveräußerung eine Beschränkung hätte vornehmen können, nicht aber die zweitveräußernde Antragstellerin.

Gleiches muß übrigens auch im Hinblick auf den Vertrieb von sog. OEM-Software gelten.

Dies alles sollte aber noch nicht zu der Annahme verleiten, damit sei jegliche Einwirkungsmöglichkeit des Rechtsinhabers, oder auch des Distributors verlustig gegangen. § 69 g I UrhG gestattet abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen ausdrücklich. Diese unterliegen dann aber der AGB-Kontrolle und etwaigen wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen.